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Full text of "Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe"

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SITZUNGSBERICHT?, 


DER    K AISI.I((.1«'I1K> 


IklllEHIK  DER  HISSEYSIlllUm 


MATHEMATISCH-NATUHWISSENSCHAFTLICIIE  CLASSE. 


VIERZIGSTER   BAND. 


WIEN. 


AUS   |)K|{    K.   K.   HOF-   UNI)  STAA  TSDHUCKKRKI. 


IN  CO.MMISSIOM    BEI    KAIII.   GEROLD'S   SOHN.    BUCHHÄNDLER   DKR   KAIS.  AKADEMIE 
DER    WISSENSCHAFTEN. 


18(10. 


SITZINGSBERICHTE 


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MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN 

CLASSE 


DER  KAISERLICHEN 


'".' 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


vierzigster  band. 

Jahrgang  1860.    —     Heft  7  bis  12. 
(Hit  44  CnMtt  nnb  1  lottf.) 


WIEN. 

AUS  DER  K.  K.  HOF-  UND  STAATSDRUCKEREI. 

IN   COMMISSION   BEI   KARL  GEROLD'S  SOHN.  BUCHHÄNDLER   DER   KAIS.   AKADEMIE 
DER   WISSENSCHAFTEN. 


1860. 


III 


INHALT. 


Seite 

Sitzung' vom  8.  März  1860:  Übersicht 3 

Haidinger,  Ăśber  das  Cocain,  eine  organische  Base  in  der  Coca.         7 

—  Sammlung  recenter  Conchylien.   Geschenk  von  Sir  Wil- 
liam Th.  Denison  in  Sydney 12 

—  Der  Hürnesit,  eine  neue  von  Herrn  Professor  Dr.   G.  A. 
Kenngott  bestimmte  Mineralspecies 18 

v.  Littrow ,  Ăśber  das    Mikrometer   mit   lichten    Linien    bei    den 

Wiener  Meridian-Instrumenten.  (Mit  1  Tafel.) 27 

Hochleder,  Ăśber  das  Vorkommen  des  Fraxin  in  der  Rinde   von 

Aesculus  Hippocastanum 37 

Kner ,  Zur  Charakteristik  und   Systematik   der  Labroiden.  (Mit 

2  Tafeln.)       41 

v.  Sonklar,  Über  die  Änderungen  der  Temperatur  mit  der  Höhe. 
(Auszug  aus  einer  fĂĽr  die  Denkschriften  bestimmten 
Abhandlung.) 58 

Pohl,  Ăśber  mikroskopische  Probeobjectc,  insbesonders  Nobert's 

Testobject-Platte 63 

Fritsch,  Nachricht  von  den  in  Ă–sterreich  im  Laufe  des  Jahres 
1858  angestellten  philologischen  Beobachtungen.  (Mit 
einer  Ăśbersichtstafel.) 98 

Sitzung  vom  15.  März  1860:  Übersicht 105 

Tschermak,  Ăśber  Calcitkrystalle  mit  Kernen.  (Mit  1  Tafel.)  .  .  109 
—     Über  secundäre  Mineralbildungen  in  dem  Grünsteingebirge 

bei  Neutitschein.  (Mit  2  Tafeln.) 113 

Reuss,  Die   Foraminiferen    der  westphälischen  Kreideformation. 

(Mit  13  Tafeln.) 147 

Schneider,  Ăśber  das    chemische  und  elektrolytische   Verhalten 

des   Quecksilbers   bezĂĽglich    dessen  Nachweisbarkeit  im 

Allgemeinen  und  in  thierischen  Substanzen  insbesondere  239 
Schreiben  des  Herrn  A.Aguilar,  Directors  der  königl.  Sternwarte 

zu  Madrid  an  das  w.  M.  Herrn  K.  v.  Littr  ow 270 


IV 

Seite 

Sitzung;  vom  22.  März  1860:  Übersicht 271 

Hyrtl,  Ăśber  Wirbelsynostosen  und  Wirbelsuturen  bei  Fischen. 
(Auszug  aus  einer  fĂĽr  die  Denkschriften  bestimmten 
Abhandlung.) 273 

Weiss  und  Wiesner,  Vorläufige  Notiz  über  die  directe  Nachwei- 
sung   des  Eisens  in  den  Zellen  der  Pflanze 276 

Schöbt,   Typhloniscus.  Eine  neue  blinde  Gattung  der  Crustacea 

Isopoda.  (Mit  10  Tafeln.) 279 

Molin,  Trenta  specie  di  Nematoidi 331 

Sitzung;  vom  12.  April  1860:  Ăśbersicht 359 

Einbrodt,  Ăśber  den  Einfluss  der  Athembewegungen  auf  Herz- 
schlag und  Blutdruck.  (Mit  i   Tafel  und  1  Holzschnitt.)     361 

Kner ,  Ăśber  Belonesox  belizarms ,  nov.  gen.  et    spec.    aus   der 

Familie  der  Cyprinodonten.  (Mit  1  Tafel.) 419 

—     Übersicht  der   ichthyologischen  Ausbeute   wahrend    der 

Reise  Sr.  kais.  Majestät  Fregatte  Novara 423 

Suess ,  Ăśber  die  Spuren  eigentĂĽmlicher  Eruptions-Erschei- 
nungen am  Dachstein- Gebirge 428 

Sitzung;  vom  19.  April  1860:  Ăśbersicht 443 

Frauenfeld,  R.  v.,  Diagnosen  einiger  neuer  Insecten  und  Unter- 
suchung mehrerer  Sandproben  verschiedener  KĂĽsten- 
punkte, gesammelt  während  der  Reise  Sr.  Majestät  Fre- 
gatte Novara 447 

Stur,  Beiträge  zu   einer  Monographie  des  Genus  Astrantia.   (Mit 

1  Karte.) 469 

Haidinger,  Eine  Leitform  der  Meteoriten.  (Mit  2  Tafeln.)    .    .    .     525 

Sitzung;  vom  26.  April  1860:  Ăśbersicht 537 

Hauer,    Karl  Bitter    v. ,     Krystallogenetische    Beobachtungen. 

II.  Reihe.  (Mit  2  Tafeln.) 539 

Steindaehner ,  Beiträge  zur  Kenntniss   der  fossilen    Fischfauna 

Ă–sterreichs.  Dritte  Folge.  (Mit  3  Tafeln.) 555 

Kolenati,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Arachniden.  (Mit  3  Tafeln.)  573 

Molin,  Primitiac  Musei  Archigymnasii  patavini 582 

Hauer,    Karl   Ritter   v. ,    Krystallogenetische    Beobachtungen. 

III.  Reihe.  (Mit  1  Tafel.)      589 

Helmholtz  und  v.  Piotrowski,  Ăśber  Reibung  tropfbarer  FlĂĽs- 
sigkeiten. (Mit  2  Tafeln.) 607 


SITZUNGSBERICHTE 


KAISERLICHEN   AKADEMIE   DER   WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH  -  NATURWISSENSCHAFTLICHE  CLASSE. 


XL.  BAND. 


SITZUNG  VOM  8.  MÄEZ  1860. 


N°  7. 


VII.  SITZUNG  VOM  8.  MÄRZ  1860. 


Das  hohe  Ministerium  des  Innern  ĂĽbermittelt  mit  Zuschrift 
vom  16.  Februar  den  ersten  Theil  eines  durch  die  königl.  nieder- 
ländische Gesandtschaft  für  die  kaiserl.  Akademie  eingelangten 
Werkes  von  J.  Bosquet:  „Monographie  des  Brachiopodes  fossiles 
du  terrain  cretace  superieur  du  duche   de  Limbourg". 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  Dr.  Roc bieder  in  Prag  sendet  eine 
Note:  „Über  das  Vorkommen  des  Fraxin  in  der  Rinde  von  Aesculus 
Ilippocastamim" . 

Herr  W.  Z  eng  er,  Lehrer  der  Physik  am  k.  k.  Gymnasium 
zu  Neusohl,  ersucht  um  Aufnahme  einer  Abhandlung:  „Über  die 
Bewegung  der  Lichtwellen  in  anisotropen  Medien"  in  die  Schriften 
der  Akademie. 

Das  w.  M.  Herr  Director  v.  Littrow  liest:  „Über  das  Mikro- 
meter mit  lichten  Linien  bei  den  Wiener  Meridian -Instrumenten". 

Das  c.  M.  Herr  Bergrath  Franz  R.  v.  Hauer  legt  im  Namen 
des  Herrn  Hofrathes  Haidinger  folgende  Mittheilungen  vor: 

1.  Ăśber  das  Cocain,  eine  organische  Base  in  der  Coca,  von  dem 
c.  M.  Geheimen  Medicinalrath  Wühler  in  Göttingen; 

2.  Sammlung  recenter  Conchylien,  Geschenk    von   Sir  William 
Th.  Denison,  Gouverneur  von  Sydney; 

3.  Der  Hörnesit,  eine  neue  von  Herrn  Prof.  Kenngott  bestimmte 
Mineralspecies. 

Herr  Ritter  v.  Hauer  überreicht  ferner  einen  „Nachtrag  zur 
Kenntniss  der  Cephalopoden- Fauna  der  Halstätter  Schichten". 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  Dr.  Kner  liest  eine  Abhandlung:  „Zur 
Charakteristik  und  Systematik  der  Labroiden". 


4 

Herr  Dr.  G.  Tschermak  ĂĽbergibt  zwei  Abhandlungen: 
i.  Über   secundäre   Mineralbildungen   im  Griinsteingebirge  bei 

Neutitschein ; 
2.  Ăśber  Calcitkrystalle  mit  Kernen. 

An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Akademie,  königl.  Preussische.  Monatsbericht,  Dec.  1859;  8°- 
Astronomical  Journal,  The,  edited  bv  B.  A.  Gould.  Nr.  130. 

Vol.  VI,  Nr.  10.  Cambridge,  1859;  4°- 
Astronomische  Nachrichten,  Peters.  Nr.  1235 — 37.    Altona, 

1860;  4o- 
Bosquet,  J.,  Monographie  des  Brachiopodes  fossiles    du  terrain 
cretace  superieur   du   duche   de   Limbourg.    Premiere  partie: 
Craniadae  et  Terebratulidae  (subfamilia  Thecidiidae).  (Extrait 
du  troisieme  volume  des  Memoires  pour  servir  ä  la  description 
geologique  de  la  Neerlande.)  Haarlem,  1859;  4°- 
Cosmos.IX.  annee,  XVI.  vol. ,  livr.  7— 9.  1860;  8°- 
Geologische  Reichsanstalt,  k.  k.  Jahrbuch,  X.  Jahrgang,  Nr.  3. 

1859;  8°-  —Sitzung  am  31.  Jänner  1860;  So- 
Gesellschaft,  königl.   baier.  botanische,  zu  Regensburg.  Flora, 
oder  allgemeine  botanische  Zeitung;  red.  von  Dr.  A.  E.  Fiirn- 
rohr.    Regensburg,    1859;    8°-  —  Denkschriften,    Band    IV, 
Abth.  1 ;  4o- 
—  k.  k.  mährisch -schlesische    zur  Beförderung  des  Ackerbaues, 
der  Natur-  und  Landeskunde  in  Brunn.  Mittheilungen.  Interim. 
Hauptredacteur  H.  Weber.  Jahrgang  1859;  4°- 
Halle- Wi  ttenberg,     Universität.     Akademische    Gelegenheits- 
schriften. 
Istituto  Veneto,  I.  R.,  di  scienze,  lettere  od  arti.  Atti.  Tomo  V, 

serie  terza,  disp.  3.  Venezia  1859-  60;.8<>- 
Jahrbuch,  Neues,  für  Pharmacie  und  verwandte  Fächer.  Heraus- 
gegeben von  G.  F.  Walz  und  F.  L.  Winkler.  Band  XXIII, 
Heft  1.  Januar.  Heidelberg,  1860;  So- 
Land -und  forstwirtschaftliche  Zeitung,  Allgemeine;  red.   von  Dr. 

J.  Arenstein.  Jahrgang  X,  Nr.  6,  7.  Wien,  1860;  So- 
Mittheilungen  aus  Jtisttis  Perthes'  geographischer  Anstalt,  von 
Dr.  A.  Petermann.  Jahrgang  1860,  II.   4n- 


Societe   Imp.    des    seiences    naturelles    de   Cherbourg.   Memoires. 

Vol.  II,  1854,  und  Vol.  V,  1857.  Cherbourg;  So- 
So  ci  et  e  Imp.   des  Naturalistes   de  Moscou.    Nouveaux    memoires. 

Tome  XII.  Moscou,  1860;  4<>- 
Verein  fĂĽr   Naturwissenschaften    zu  Hermannstadt.  Verhandlungen 

und  Mittheilungen,  Jahrgang  X,  Nr.  7—12.  1859;  8°. 
—  Österreichischer  Ingenieur-,  Zeitschrift;    red.  von  J.    Herr. 

Jahrgang  XI,  December  1859. 
Wiener  medizinische  Wochenschrift;  red.  von  Dr.  Witt  eis  höf  er. 

Jahrgang  X,  Nr.  7—9;  1860;  4°- 


ABHANDLUNGEN  UM)  MITTHEILUNGEN. 

Ăśber   das  Cocain,  eine  organische  Base  in  der  Coca. 

Schreiben  des  correspondirendcn  Mitgliedes 

Fr.  Wöhler  an  W.  Haidinger, 

wirkliches  Mitglied  der  kaiserliche!!  Akademie   der  Wissenschaften. 


VORWORT. 
Von  dem  w.  M.  Vf.  Haidinger. 

Indem  ich  der  hochverehrten  mathematisch -naturwissenschaft- 
lichen Classe  das  werthvolle  Schreiben  meines  hochverehrten  Freun- 
des Wöhler  überreiche,  erlaube  ich  mir  einige  Worte  über  den 
Antheil  zu  sagen,  welchen  ich  selbst  dabei  genommen,  und  der  Ver- 
anlassung war,  dass  es  mir  gegönnt  ist  die  erste  Kunde  über  die 
Eigenschaften  dieses  merkwürdigen  Körpers,  des  Cocain 's,  vorzu- 
legen. Schon  während  der  Vorbereitung  für  die  Erdumsegelung  hatte 
Wöhler  in  einem  Schreiben  den  Wunsch  ausgesprochen,  von  die- 
ser so  vielfältig  besprochenen  Pflanze  durch  die  „Novara"  Material  zur 
chemischen  Untersuchung  zu  erhalten.  Herr  Dr.  Scherz  er  hatte  in 
einer  Sitzung  (am  7.  April,  Mittheilungen  1857,  Bd.  I,  St.  130)  der 
k.  k.  geographischen  Gesellschaft  die  Erwerbung  von  Coca  zu  Ver- 
suchen aller  Art  als  eine  der  Aufgaben  hingestellt.  Während  der 
Zeit  der  Reise  glaubte  ich  der  unmittelbare  Bezug  könnte  rascher 
noch  zum  Ziele  fĂĽhren,  und  wurde  dabei  auf  das  Freundlichste 
von  unserem  hochverehrten  correspondirenden  Mitgliede  Herrn 
Dr.  J.  J.  von  Tschudi  unterstĂĽtzt,  der  selbst  zu  diesem  Zwecke  an 
seinen  Freund  Herrn  Mariano  de  Rivero ,  damals  Generalconsul  der 


(S{  II  a  i  il  i  u  g  e  r. 

Republik  Peru  in  BrĂĽssel ,  schrieb.  Der  leider  zu  frĂĽh  eingetretene 
Tod  dieses  hochverdienten  Mannes  unterbrach  die  eingeleiteten 
Schritte.  Als  aber  Herr  Dr.  Scherz  er  im  Mai  1859  die  „Novara" 
in  Valparaiso  verliess,  und  ĂĽber  Lima  und  Panama  nach  Europa 
ging,  anstatt  die  Fregatte  um  das  Cap  Hörn  herum  zu  begleiten, 
so  erwarb  er  nicht  nur  eine  gute  Partie  Coca,  sondern  er  sah  auch 
die  Ungelegenheit,  einen  Theil  als  Passagiergut  mit  sich  zu  fĂĽhren, 
nicht  fĂĽr  zu  gross  an,  um  sie  nur  ja  gewiss  frisch  und  im  guten 
Zustande  nach  Europa  zu  bringen.  Anfangs  September  kam  Dr. 
Scherzer  in  Wien  an.  Am  13.  holte  ich  ihn  in  seiner  Wohnung 
ab,  wir  nahmen  die  Kiste  Coca  mit  in  die  k.  k.  geologische  Reichs- 
anstalt. Dort  wurde  sie  eröffnet,  die  äussere  Holzkiste  und  sodann 
das  innere  verlöthete  Weissblech-Behältniss.  Es  wurde  ein  Theil 
des  Inhaltes  herausgenommen  zur  Ăśbergabe  an  die  Herren  k.  k. 
Regierungsrath  Professor  K.  D.  Schroff,  k.  k.  Professor  Redten- 
b ach  er  u.  s.  w.,  und  ohne  den  Inhalt  an  Blättern  auszuleeren,  sandte 
ich  den  Rest,  der  Schätzung  nach  etwas  mehr  als  die  Hälfte  des 
Ganzen  (einer  „Arroba"  =  20*573  Wiener  Pfund)  an  meinen  hoch- 
verehrten Freund  Wöhler  nach  Göttingen  ab.  Durch  die  Erd- 
umsegelung der  k.  k.  Fregatte  „Novara",  unter  unseres  trefflichen, 
unternehmenden  Dr.  Scherzer's  aufmerksamer  Sorgfalt,  ging  auf 
diese  Weise  der  Wunsch  unseres  Wöhler  in  Erfüllung.  Nur  wenige 
Wochen  später,  am  9.  October,  sandte  mir  auch  Herr  von  Tschudi 
ein  Packetchen  Coca,  etwa  ein  Pfund,  das  er  selbst  von  seiner  letzten 
sĂĽdamerikanischen  Reise  mitgebracht ,  und  das  ich  gleichfalls  an 
Freund  Wöhler  spedirte.  Auch  die  von  einem  bolivianischen  Che- 
miker dargestellte  „Cocaina"  hatte  Herr  von  Tschudi  an  Wöhler 
gesandt,  die  sich  aber,  wie  Letzterer  fand,  als  Gyps  erwies,  wie 
dieses  Herr  v.  Tschudi  selbst  in  einer  frĂĽheren  unserer  Sitzungen 
mittheilte.  So  war  es  mir  vergönnt,  gewissermassen  als  verbinden- 
des Glied  zwischen  den  mit  Wien  und  dem  Kaiserreiche  zusammen- 
hängenden Unternehmungen  einerseits  und  dem  Orte  der  chemischen 
Untersuchung  Göttingen  andererseits  zu  wirken ,  ohne  doch  selbst 
einen  Antheil  von  Arbeit  als  eben  diese  Vermittlung  mein  nennen  zu 
dĂĽrfen.  Aber  gerade  diese  ist  es,  welche  meinen  hochverehrten 
Freund  Wöhler  bestimmte,  an  mich  sein  Schreiben  zu  richten, 
wofĂĽr  ich  ihm  hier  meinen  innigsten  Dank  darbringe. 


Ăśber  das  Cocain ,  eine  organische  Substanz  in  der  Coca.  {) 

Gottlngen,  am  28.  Februar  1860. 

ĂĽie  wunderbaren  physiologischen  Wirkungen,  welche  von  der 
Coca,  den  Blättern  von  Erythroxylon  Coca,  berichtet  werden,  und 
welche  diese  Pflanze  in  SĂĽdamerika  zu  einem  Gegenstande  der  Cul- 
tur  und  des  Handels  gemacht  haben,  Hessen  schon  im  Voraus  darin 
einen  besonderen  organischen  Korper  als  das  eigentlich  wirksame 
Princip  vermuthen,  von  dem  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  anzu- 
nehmen war,  dass  er  zur  Classe  der  organischen  Basen  gehören 
werde.  Auch  sind  zur  Auffindung  dieses  wirksamen  Bestandteiles 
bereits  verschiedene  Versuche  gemacht  worden,  von  denen  aber 
keiner  zu  einem  positiven  Resultate  gefĂĽhrt  hat,  vielleicht  weil  zu 
kleine  Mengen  der  Blätter  oder  zu  alt  gewordenes  Material  zur 
Untersuchung  genommen  wurden.  Diese  letzteren  Schwierigkeiten 
sind  nun  durch  die  grosse  Quantität  Coca  beseitiget  worden,  welche 
Sr.  k.  k.  Apostolischen  Majestät  Fregatte  „Novara"  von  ihrer  Reise 
um  die  Erde  mitgebracht,  und  wovon  mir  eine  Partie  durch  die 
Direction  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  freundlichst  zugesendet 
worden  ist.  Überhäuft  mit  zu  vielen  anderen  Obliegenheiten,  war 
ich  nicht  im  Stande  diese  interessante  Arbeit  selbst  vorzunehmen. 
Ich  ĂĽbertrug  sie  einem  der  Assistenten  am  hiesigen  Laboratorium, 
Herrn  Niemann,  der,  vollkommen  geĂĽbt  indergleichen  Untersu- 
chungen, dieselbe  mit  grossem  Geschick  und  rĂĽhmlichster  Ausdauer 
ausgefĂĽhrt  hat,  und  dem  es  gelungen  ist  in  der  Coca  in  der  That 
eine  eigenthĂĽmliche,  krystallisirbare  organische  Base  zu  entdecken, 
der  nach  dem  ĂĽblichen  Sprachgebrauch  der  Name  Coca 'in  beigelegt 
werden  kann.  Die  Arbeit  ist  indessen  noch  weit  entfernt  beendigt  zu 
sein,  denn  wenn  auch  das  Dasein  und  die  EigenthĂĽmlichkeit  des 
Cocain's  feststeht,  so  ist  doch  seine  Zusammensetzung  noch  nicht 
sicher  ausgemittelt,  und  es  sind  ĂĽber  die  zweite  Hauptfrage,  die  Art 
seiner  physiologischen  Wirkungen,  die  vielleicht  zu  wichtigen  medi- 
cinischen  Anwendungen  fĂĽhren,  die  beabsichtigten  Beobachtungen  an 
Thieren  und  Menschen  noch  nicht  gemacht,  und  es  sind  die  ĂĽbrigen 
Bestandteile  der  Pflanze,  worunter  sich  eine  eigenthĂĽmliche  Gerb- 
säure zu  befinden  scheint,  noch  nicht  näher  untersucht.  Die  gegen- 
wärtige Mittheilung  ist  also  nu/  eine  vorläufige,  mit  dem  Vorbehalte, 
der  kaiserlichen  Akademie  später  die  vollständigen  Resultate  in  einer 
ausfĂĽhrlichen  Abhandlung  vorlegen  zu  dĂĽrfen. 


j  (J  II  a  i  d   i  n  g  e  r. 

Zur  Darstellung  des  Cocain's  wandte  Herr  Niemann,  nach 
mancherlei  fruchtlosen  Versuchen,  das  folgende  Verfahren  als  das 
zweckmässigste  an:  Die  fein  zerschnittenen  Coca- Blätter  wurden 
mehrere  Tage  lang  mit  Alkohol  von  85  Proc. ,  dem  etwas  Schwefel- 
säure beigemischt  war,  digerirt,  die  entstandene  dunkelbraun-grüne 
Lösung  ausgepresst,  filtrirt,  und  darauf  mit  Kalkhydrat  versetzt. 
Hierdurch  wurden  unter  anderem  ein  Theil  des  Chlorophylls  und  ein 
Wachs  ausgeschieden,  welches  aus  dem  Niederschlage  farblos  dar- 
gestellt werden  konnte.  Die  davon  abfiltrirte  FlĂĽssigkeit,  die  schwach 
alkalisch  reagirte,  wurde  mit  Schwefelsäure  neutralisirt,  der  grösste 
Theil  des  Alkohols  davon  abdestillirt  und  der  Rest  desselben  im 
Wasserbade  abgedunstet.  Der  RĂĽckstand  wurde  mit  Wasser  ver- 
mischt, wodurch  eine  schwarzgrĂĽne,  halbflĂĽssige  Masse  abgeschieden 
wurde,  welche  viel  Chlorophyll  enthielt,  während  sich  eine  gelbbraune 
Lösung  bildete,  die  von  ersterer  abfiltrirt  werden  konnte.  Diese 
Lösung  enthält  nun  das  Cocain  als  schwefelsaures  Salz.  Sie  wurde 
mit  kohlensaurem  Natron  versetzt ,  wodurch  die  Base  in  noch  unrei- 
nem Zustande  als  brauner  Niederschlag  gefällt  wurde.  Der  Nieder- 
schlag wurde  mit  Äther  behandelt,  welcher  das  Cocain  mit  Zurück- 
lassung der  Unreinigkeiten  auflöste.  Nach  demAbdestilliren  des  Äthers 
blieb  es  in  Gestalt  einer  eigenthiimlich  riechenden,  noch  grĂĽnlich-gelb 
gefärbten  firnissähnlicheu  Masse  zurück,  in  der  sich  aber  bald  con- 
centrisch-strahligeKrystallisationen  zu  zeigen  anfingen.  Durch  wieder- 
holte Behandlung  mit  Alkohol  wurde  es  geruch-  und  farblos  erhalten. 
Am  besten  krystallisirte  es  aus  der  Alkohollösung.  wenn  diese  mit  so 
viel  Wasser  versetzt  wurde,  dass  ein  Niederschlag  zu  entstehen  anfing. 

Das  Cocain  krystallisirt  in  färb-  und  geruchlosen  kleinen  Pris- 
men. In  Wasser  ist  es  schwer,  in  Alkohol  leichter  und  sehr  leicht  in 
Äther  löslich.  Seine  Auflösung  in  Alkohol  reagirt  stark  alkalisch  und 
besitzt  einen  eigenen  bitterlichen  Geschmack.  Dabei  ĂĽbt  es  auf  die 
Zungennerven  die  merkwĂĽrdige  Wirkung  aus.  dass  die  BerĂĽhrungs- 
stelle nach  wenigen  Augenblicken  wie  betäubt,  fast  gefühllos  wird. 
Es  schmilzt  schon  bei  98°  C,  und  erstarrt  dann  wieder  strahlig- 
krystallinisch.  Stärker  erhitzt,  färbt  es  sich  erst  röthlich  und  zersetzt 
sich  dann  unter  Entwicklung  eines  ammoniakalischen  Geruchs.  Nur 
ein  sehr  kleiner  Theil  scheint  sich  dabei  unzersetzt  zu  verflĂĽchtigen. 
Auf  Platinblech  erhitzt,  verbrennt  es  mit  leuchtender  Flamme  ohne 
RĂĽckstand. 


Ăśber  das  Cocain  ,  eine  organische  Base  in  der  Coca. 

Das  Cocain  neutralisirt  die  Säuren  vollständig,  indessen  schei- 
nen die  meisten  Salze  nicht  leicht  zu  krystallisiren,  sondern  lange 
im  amorphen  Zustande  zu  verharren.  Am  leichtesten,  feinstrahlig 
krystallisirt  das  salzsaure  Salz.  Salzsaures  Gas  wird  von  trockenem 
Cocain  unter  so  starker  Wärmeentwickelung  gebunden,  dass  letzteres 
dabei  schmilzt. 

Die  Lösung  des  salzsauren  Cocain's  ist  durch  folgende  Reactionen 
charakterisirt. 

Kaustische  und  kohlensaure  Alkalien  fällen  daraus 
weisses  Cocain,  löslich  im  Überschuss  von  Ammoniak,  nicht  in  dem 
von  fixem  Alkali. 

Goldchlorid  bildet  einen  hellgelben,  dickflockigen  Nieder- 
schlag ,  löslich  in  heissem  Wasser,  noch  leichter  in  heissem  Alkohol, 
woraus  das  Doppelsalz  in  glänzenden  gelben  Blättchen  auskrystalli- 
sirt.  Sehr  merkwĂĽrdig  ist  sein  Verhalten  beim  Erhitzen,  indem  es 
dabei  ein  Sublimat  von  Benzoesäure  gibt. 

Platin c hl  ori  d  bildet  einen  gelbbraunen,  flockigen  Nieder- 
schlag, der  rasch  krystallinisch  wird. 

Quecksilberchlorid  fällt  eine  weisse,  amorphe  Verbindung. 

Phosphormolybdänsäure  fällt  weissgelb,  flockig. 

Pikrinsäure  schwefelgelb,  flockig,  bald  harzähnlich  werdend. 

Gerbsäure  bewirkt  für  sich  keine  Färbung,  aber  auf  Zusatz 
von  Salzsäure  entsteht  sogleich  ein  dichter  graulicher  Niederschlag, 
der  ebenfalls  sich  bald  harzähnlich  zusammenballt. 

Jod wasser  bewirkt  einen  kermesbrauuen  Niederschlag. 


[  2  ĂĽ  a  i  d  i  u  g  e  r. 


Sammlung  recenter  Conchylien. 

Geschenk  von  Sir  William  Th.  Denison  in  Sydney. 

Bericht  von  dem  w.  M.  W.  Ilaidinger. 

Es  ist  mir  eine  unabweisliche,  aber  zugleich  höchst  erfreuliche 
PflichterfĂĽllung  ,  der  hochverehrten  Classe  Nachricht  ĂĽlier  eine 
werthvolle  Sendung  von  Conchylien  zu  geben  ,  und  zugleich  dem 
hochverehrten  ausgezeichneten  Geher  meinen  innigsten  Dank  dar- 
zubringen für  das  freundliche  Wohlwollen  ,  das  er  uns  fortwährend 
widmet.  Seine  Excellenz,  Sir  William  Thomas  Denison,  könig- 
lich grossbritannischer  General-Gouverneur  von  Australien,  ist  selbst 
ein  höchst  eifriger  und  kenntnissreicher  Sammler  recenter  Con- 
chylien. Er  hatte  bereits  eine  Sammlung  von  161  Species  an  die 
wissenschaftliche  Commission  der  k.  k.  Fregatte  „Novara"  über- 
geben, als  dieselbe  in  der  Nahe  von  Sydney  vor  Anker  lag.  Mir 
hatte  Sir  William  freundlichst  einen  Katalog  der  Sammlung  ĂĽber- 
sandt,  und  ich  hatte  die  Ehre  vor  einem  Jahre  in  unserer  Sitzung 
am  10.  Februar  18Ă–9  (Sitzungsberichte,  Band  XXXIV,  Seite  362) 
dieses  schönen  Geschenkes  dankend  zu  erwähnen.  Eine  Abschrift 
des  Kataloges  ĂĽberreichte  ich  an  unsern  hochverehrten  Collegeu 
Herrn  Director  und  Bitter  V.  Kollar  vom  k.  k.  zoologischen  Hof- 
Cabinet. 

Die  neue  Sendung ,  gevvissermassen  eine  Fortsetzung  des 
früheren  Geschenkes,  hatte  Sir  William  während  der  Zeit  des  Auf- 
enthaltes unseres  hochverehrten  Freundes  Dr.  Hochstetter  in 
Neuseeland  vorbereitet,  und  als  dieser  nun  Anfangs  October  auf  der 
Heimreise  sich  ihm  wieder  vorstellte,  so  ĂĽbergab  er  demselben  die 
Sammlung,  nebst  einem  Verzeichnisse  des  Inhaltes  zur  Ăśbergabe  an 
mich,  und  in  Folge  dessen  brachte  Dr.  Hochstetter  die  Gegen- 
stände selbst  mit  und  überreichte  sie  mir  nach  seiner  Ankunft.  Ich 
beabsichtige  nun  dieselbe  wieder  an  das  k.k.  zoologische  Hof-Cabinet 


Sammlung  reeenter  Conchylien.  I  l,\ 

zu  leiten,  und  namentlich  in  erster  Linie  fĂĽr  das  aus  den  Ergebnissen 
der  Erdumsegelung  in  der  Bildung  begriffene  „Novara-Museum". 
Dort  wird  erst  die  eigentliche  wissenschaftliche  Bearbeitung  der- 
selben vorgenommen  werden.  Allein  ich  mĂĽsste  als  gewiss  voraus- 
setzen, dass  die  Bearbeitung  nur  nach  einem  grösseren  Massstabe, 
und  vereinigt  mit  den  reichen  Ergebnissen  der  Aufsammlung  der 
Herren  selbst ,  welche  die  wissenschaftliche  Commission  bildeten, 
geschehen  könnte,  und  so  nebst  der  weniger  in  die  Augen  fallenden 
Stellung  auch  eine  längere,  in  der  That  nicht  zu  beurtheilende  Zeit 
hinausgeschoben  werden  mĂĽsste.  Mir  aber  muss  Alles  daran  liegen, 
die  dankbarste  Anerkennung  dem  hochverehrten  Geber  sobald  wie 
möglich,  und  noch  dazu  im  Schosse  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  selbst  darzubringen,  wo  wir  alle  so  lebhaften  Antheil 
an  den  Fortschritten  unserer  Novara- Expedition  nahmen.  So  bitte 
ich  denn  um  freundliche  Nachsicht,  wenn  ich  nur  eine  ganz  rasche 
Ăśbersicht,  mehr  mit  dem  geographischen  als  dem  eigentlich  zoolo- 
gisch-wissenschaftlichen Interesse  des  Ergebnisses,  der  Sendung 
vorlege  und  um  freundliche  Entgegennahme  meines  Dankes  an  Sir 
William  Denison. 

Der  Inhalt  der  schönen  Sammlung  trefflich  erhaltener  Exem- 
plare von  191  Species  ist  in  dem  nachfolgenden  Verzeichnisse 
enthalten. 

Die  Anordnung  der  Species  ist  die  in  dem  „Handbuch  der  Con- 
chyliologie  und  Malakozoologie  von  Dr.  R.  A.  Phil  ippi",  gegen- 
wärtig in  Santiago  de  Chile,  vom  Jahre  1853.  Sie  stimmt  sehr 
nahe  mit  dem  Verzeichnisse  Sir  W.  Denison's,  wenn  sie  auch 
von  den  Anordnungen  von  Gray,  Reeves  und  dem  neuen  Werke 
von  Henry  und  Arthur  Adams  „The  Genera  of  Recent  Mollusca", 
welche  die  sämmtlichen  Mollusken -Familien  umfassen,  mehr  oder 
weniger  abweicht,  aber  ich  glaubte,  dass  es  wĂĽnschenswerth  sein 
würde,  Nachweisungen  inBezug  auf  ein  uns  allgemein  leicht  zugäng- 
liches Werk  zu  vermitteln.  Ich  hielt  mich  streng  an  das  letztere, 
wenn  ich  auch  die  Namen  beibehielt,  welche  Sir  W.  Denison  in 
seinem  Verzeichnisse  vorzog.  Ich  reihe  nun  die  89  Geschlechter  in 
systematischer  Folge  an  einander,  bezeichne  die  Anzahl  der  Species  in 
jedem  der  beiden  Verzeichnisse  durch  eine  Ziffer  und  fĂĽge  die  Loca- 
litäten  bei,  von  welchen  in  dem  einen  und  in  dem  anderen  die  freund- 
lichst gesandten  Exemplare  herrĂĽhren,   wobei   die   in   der   zweiten 


14  H  a  i  d  i  n  g  e  r. 

Sendung,  welche  mit  denen  in  der  ersten  ĂĽbereinstimmen,  nicht  wieder- 
holt werden.  So  glaube  ich  in  den  wenigen  Zeilen  ein  anschauliches 
Bild  grosser  Mannigfaltigkeit  darlegen  zu  können. 

Cl.  Gastropoda.  Ptectinibranchia.  Pterocera,  3,  1,  SĂĽdsee;  Batavia. 

—  Strombtis ,  13,  6,  Neu-Caledonia,  Sharks-Bay  (West-Australien)  ,  Ceylon; 
Batavia,  China,  Neu-Caled.  —  Seraphys,  0,  1,  Neu-Caled.  —  Conus,  0,  9, 
Südsee,  Neu-Caled.,  Seychellen,  Diego  Garcia.  —  Plenrotoma,  1,  4,  Port 
Jackson,  Batavia,  China.  —  Fasciolaria,  0,  4,  Neu-Caled.  —  Turbindia,  0,  1, 
Ceylon.  —  Cynodonta,  0,  3,  Neu-Caled.  —  Latirus,  0, 1,  Ceylon.  —  Pyrula, 
4,  2,  Ceylon,  China.  —  Rapana,  0,  2,  Neu-Caled.,  China.  —  Murex,  7,  1,  Neu- 
Caled.,  Ceylon;  Batavia.  —  Triton,  7,  2,  Neu-Caled.,  Tasmania,  Port  Jackson; 
Amboina.  —  Ranella,  2,2,  Ceylon,  Neu-Caled.;  China,  Diego  Garcia.  — 
Persona,  0,  2,  Amboina.  —  Purpura,  11,  0,  Neu-Caled..  Moreton-Bay,  Ceylon. 
Ost-Australien.  —  Ricinula,  4,  1,  Neu-Caled.,  Indien,  Moreton-Bay-  —  Colum- 
bella,  7,  4,  Ceylon  ,  Sharks-Bay,  Neu-Caled. ,  Ost-Australien  ,  Tasmania,  Port 
Jackson;  Moreton-Bay.  —  Pisania,  0,  2,  Neu-Caled.  —  Nassa ,  0,  13,  Indien. 
Tasmania,  Neu-Caled.,  Feejee-Inseln  ,  Adelaide  S.  A. ,  Sharks-Bay  W.  A. 
Moreton-Bay,  Port  Jackson,  Vorgebirg  der  guten  Hoffnung.  —  Phos,  0,  1,  Neu- 
seeland. —  Buccinum,  1,  1  ,  Ceylon,  Neuseeland.  —  Cominella ,  4,  0,  Cap, 
Port  Jackson,  Bass  Straits,  Kempfinger  Sund.  —  Terebra,  6,  5,  Neu-Caled., 
Indien,  Südsee;  rothes  Meer.  —  Cassis ,  1,  3,  Ceylon;  Indien,  Batavia.  — 
Cassidea,  1,  0,  Ceylon.  —  Dolium,  4,  2,  Australien,  Neu-Caled.,  Indien;  China. 

—  Malea,  1,  0,  Australien.  —  Eburna,  0,  2,  China.  —  Voluta,  0,  1,  China.  — 
Mitra,  0,  3,  Neu-Caled.,  Moreton-Bay.  —  Oliva  ,  13,  5,  Südsee,  Indien,  Neu- 
Caled.,  Ceylon,  Schiffer-Inseln,  Madagascar,  Sharks  Bay,  Feejee-Inseln,  Batavia. 

—  Ancillaria,  1,  0,  Neuseeland.  —  Harpa,  3,1,  Südsee,  Neuseeland;  China. 

—  Cypraea,  0,  11,  Südsee,  Neu-Caled.,  indischer  Ocean.  —  Ovula,  0,  1,  Südsee. 

—  Turritella,  2,  2,  Ceylon,  Tasmania;  China.  —  Ceritkium,  0,  10,  Neu-Caled., 
Madagascar  ,  Port  Jackson  ,  Ost  -  Australien  ,  St.  Georges  Sund  .  China.  — 
Paludina  ,  0,  3,  Calcutta,  Neuseeland.  —  Melania,  1,4,  Neu-Caled.;  Feejees, 
Sandwich-Inseln,  Madagascar.  —  Planaxis,  4,0,  Sharks-Bay,  Neu-Caled.,  Indien. 
Morelon  Bay.  —  Litorina,  0,  5,  Woodlark-Insel,  Cap,  Port  Jackson,  Mauritius. 

—  Solarium,  0,  2,  Mauritius.  —  Jantitina,  0,  1,  Australien.  —  Natica,  0,  5. 
Australien,  Neu-Caled.;  Mauritius,  Moreton-Bay.  —  Phorus,  0,  3,  Mauritius.  — 
Scu  tibranchi  a.  Nerita,  0,  6,  Australien.  —  Neritina ,  0,  2.  Feejees,  Mau- 
ritius. —  Elea,  0,  1,  Neuseeland.  —  Turbo,  0,  3,  Neu-Caled.,  China.  —  Mono- 
donta  ,  0,  1,  China.  —  Bankivia,  1 ,  0,  Port  Jackson.  —  Cycl  obranchia. 
Chiton,  0, 1,  Port  Jackson.  —  Tectibranchi  a.    Dolabella,  0,1,   Neuseeland. 

—  Bulla,  0,  S,  Indien  ,  Neuseeland,  Moreton-Bay  ,  China.  —  Pulmonaria. 
Helix,  3,  13,  Australien,  Neu-Seeland,  Ceylon;  China,  Nord-Australien,  Neu- 
Georgien,  Percy-Inscl,  Norfolk-Insel.  —  Partula.  0,  2,  Neu-Caled.  —  Bulimus, 
0.  2,  Neu-Caled. ,  Salonions-Inseln,  Neuseeland.  — Achatina,  0,  2.  Madagascar. 
Mauritius.  —  Scarabus,  1,  0,  neue  Hebriden.  —  Anricula,  0  ,  1 ,  N.  S.   Wales. 

—  Conovolus,  0,2,  Neu-Caled.,  England. —  Physa,  1.  <*,  Neu-Caled.  —  Aniphi- 


Sammlung  recenter  Conchylien.  \  \\ 

bola,  0,  1,  N.  S.  Wales.  —  Cycloslonta,  0,  1,  Mauritius.  —  Pteropoda.  Theco- 
somata.  Hyaloca,  0,  1  ,  südlicher  stiller  Ocean.  —  Conchiferae.  Dimyaria, 
Venus  und  Cytherea,  7,  7,  Neu-Caled.,  Sharks-Bay;  Tasmania,  China.  —  Circe. 
0,  3,  China.  —  Tapes,  i,  5,  Neu-Caled. ,  Ceylon,  Indien,  China.  —  Donax, 
i,  0,  Ost-Australien.  —  Teilina,  2,  0,  Neu-Caled.,  Ost- Australien.  —  Psam- 
mobia,  0,  1,  Port  Jackson.  —  Maetra,  1,  0,  Port  Jackson.  —  Cyelas,  1,  0,  Neu- 
Caled.  —  Cardium,  2,  2,  Sharks-Bay;  Moreton-ßay.  —  Ilemicardium,  0,  2. 
Neu-Caled.  —  Lucina,  1,  0,  Neu-Caled. —  Cardita,  1,  0,  Neu-Caled.  —  Area, 
0,  3,  China.  —  Pcetunculus,  0,  1,  N.  S.  Wales.  —  Unio,  0,  2,  China.  Deteroiujaiia, 
Mytilus,  0,  i,  China.  —  Lithodomus,  0,2,  Neu-Caled.  —  IHuiioiiiyaria. 
Avicula,  0,  1,  N.  S.  Wales.  —  Peeten.  2,  S,  Neu-Caled.:  China,  Amhoina.  — 
Spondylus,  0,  2,  China. 

Nur  in  einzelnen  Fallen  sind  die  speeitischen  Namen  beigesetzt. 
Sir  William  bemerkt,  dass  er  selbst  fĂĽr  die  Namen  der  Genera 
nicht  fĂĽr  jeden  Fall  ganz  sieber  ist.  Dies  muss  wohl  um  so  mehr 
der  Fall  sein,  als  auch  in  dieser  Abtheilung  naturhistorischer  For- 
schungen die  immerwährenden  Entdeckungen  und  das  fortschrei- 
tende Systematisiren  grosse  Mengen  von  neuen  Namen  geschaffen 
haben  und  viele  der  vorliegenden  Gegenstände  erst  durch  den  Unter- 
nehmungsgeist des  hochverehrten  Gebers  aufgesammelt  wurden, 
durch  Anwendung  von  Schleppnetzen,  durch  stets  sich  mehrende 
Verbindungen  von  Sydney  aus  mit  Sammlern,  ohne  dass  die  StĂĽcke 
erst  durch  die  bestimmenden  Kräfte  der  Forscher  im  Mutterlande 
die  Namen  der  allerneuesten  Periode  erhalten  hätten.  Sir  W.  Deni- 
son  hebt  in  einem  freundlichen  Begleitschreiben  an  mich  hervor, 
wie  viele  der  Species  von  ganz  neuen  Aufsammlungen,  von  Neu- 
Caledonien  und  den  zunächst  um  den  Mittelpunkt  Sydney  umher- 
liegenden Inseln  des  stillen  Oceans  herrĂĽhren,  und  Australien  selbst 
ein  reiches  Feld  dem  Naturforscher  darbietet,  das  in  Bezug  auf  Con- 
chyliologie  fortwährend  neue  Entdeckungen,  neue  Species  und  neue 
Genera  bringt.  Er  wird  gerne  auf  den  Wunsch  unserer  Forscher 
fĂĽr  ausfĂĽhrlichere  Mittheilungen  in  speciellen  Richtungen  sorgen. 
Er  gab  auch  Herrn  Dr.  Hochstetter  einige  Exemplare  der  oben 
erwähnten  Helix  von  Neu-Georgien,  welches  kürzlich  von  einem 
unternehmenden  Sammler  besucht  wurde,  der  auch  den  naturhistori- 
schen Gegenständen  seine  Aufmerksamkeit  schenkte,  während  er 
vorzĂĽglich  auf  Sandelholz  und  Eiche  de  mar  ausging. 

Sir   W.   D  e  n  i  s  o  n    bereitet   manche    wichtige    Werke   zur 
genaueren  Kenntniss  der  Naturproducte  der  Colonien  vor.  Er  selbst 


1  ({  H  a  i  d  i  n  g  e  r. 

ist  mit  mikroskopischen  Untersuchungen,  namentlich  der  Zahnsysteme 
der  Mollusken  beschäftigt,  welche  so  oft  bei  neben  einander  lebenden, 
sonst  sehr  ähnlichen  Species  ganz  verschieden  sich  darstellen.  Es 
werden  von  denselben  auch  photographische  Bilder  angefertigt,  die 
sehr  hoffnungsvoll  ausfallen,  und  gute  Erfolge  in  Aussicht  stellen. 
Vergrösserte  Photographien  der  Holzarten  der  Colonien  werden 
ebenfalls  gefertigt,  und  namentlich  ist  Capitän  Ward  in  dieser  Rich- 
tung beschäftigt.  Sie  sind  vor  der  Hand  bestimmt,  in  Herrn  Professor 
M  ĂĽ  1 1  e  r's  in  Melbourne  grossem  botanischen  Werke  ĂĽber  die  Victoria- 
Pflanzen  herausgegeben  zu  werden.  Einsendung  der  Ergebnisse  ist 
uns  freundlichst  zugesagt. 

Sir  William  Denison  ist  es  auch,  der  den  Antrag  zur  Heraus- 
gabe auf  Kosten  der  Regierung  einer  „Naturgeschichte  der  briti- 
schen Colonien"  in  Gang  gebracht  hat,  welche  von  den  Gesellschaften 
in  England  auf  das  NachdrĂĽcklichste  unterstĂĽtzt  worden  ist.  Ich  kann 
es  mir  nicht  versagen  hervorzuheben,  wie  Sir  William  in  seinem 
freundlichen  Schreiben  vom  2.  December  1859  erwähnt,  dass  er 
meines  hochverehrten  Freundes  Herrn  Directors  und  Commandeurs 
Dr.  M.  Hörn  es  prachtvolles  Werk  über  die  fossilen  Mollusken  des 
Tertiär-Beckens  von  Wien  (tlic  magnificent  work  on  the  fossils  of 
the  tertiary  strata)  bei  dieser  Veranlassung  als  ein  nacbahmens- 
werthes  Muster  der  Vorgänge  dargestellt  hat.  Ich  werde  hier  nicht 
den  Gegensatz  hervorheben  in  derBeurtheilung  eines  Werkes,  welches 
dort  als  ein  Ehrenzeichen  fĂĽr  unsere  Staats -Verwaltung  betrachtet 
wird,  während  es  hier  in  seiner  Ausführung  so  manches  schwer  zu 
ĂĽberwindende  Hinderniss  gefunden  hat.  Aber  ich  freue  mich,  dass 
wenigstens  von  Aussen  her  die  Anerkennung  des  Werthes  seiner 
Arbeit  meinem  hochverehrten  Freunde  nicht  gefehlt  hat.  So  schön 
dies  für  ihn  genannt  werden  muss,  so  lässt  sich  doch  nicht  leugnen, 
dass  es  anregender  fĂĽr  den  Fortschritt  der  Wissenschaften  in  unserer 
Mitte  wäre,  wenn  inländische  Anerkennung,  die  Anerkennung  durch 
selbstständiges  Urtheil  in  nächster  Nähe  als  Massstab  für  das  Urtheil 
in  fremden  Ländern  hingestellt  werden  könnte. 

In  Bezug  auf  unsern  hochverehrten  Freund  Herrn  Dr.  Hoch- 
stetter  und  seine  so  höchst  anregenden  Forschungen  in  Neusee- 
land bemerkt  Sir  William,  er  hoffe,  Dr.  Hochstetter  wĂĽrde  hin- 
längliche Unterstützung  zur  Herausgabe  seiner  Werke  an  Berichten 
und    Karten  linden,  wo  nicht  in  Deutschland,  doch  gewiss  in  England 


Sammlung'   recenter  Conchylien.  \  7 

(if  not  in  Germany  at  all  cvents  in  England).  —  Auch  Sir  Rode- 
rick Murchison  schreibt  unter  dem  7.  Februar,  er  hoffe,  der  Zustand 
der  kaiserlichen  Finanzen  werde  nicht  die  Herausgabe  so  wichtiger 
Forschungen  verhindern  (the  State  of  the  Imperial  Finances  will 
not  prevent  the  pablieation  of  such  important  researches).  Wohl 
dĂĽrfen  wir  uns  um  des  Kernes  der  Sache  wegen  dieser  TheĂĽnahme 
in  den  beiden  Hemisphären  freuen  ,  wenn  sie  auch  bei  dem  Seiten- 
blicke auf  die  Möglichkeit  eines  Mangels  an  der  erforderlichen  Kraft 
wieder  etwas  Beengendes  hat.  Wie  immer  aber  die  Verhältnisse  sich 
gestalten  mögen,  so  dürfen  wir  denn  doch  wohl  hoffen ,  dass  das 
Erkenntniss  der  Pflicht,  zu  arbeiten,  auch  fortan  seine  Stelle  behaup- 
ten wird.  Nur  wer  arbeitet,  hat  Anspruch  auf  Anerkennung,  aber 
diese  wird  ihm  auch  gewiss,  wenigstens  von  entfernten  theilneh- 
menden  Freunden  nicht  versagt,  wie  uns  die  eben  erwähnte  Thatsache 
in  Bezug  auf  unsern  hochverehrten  Freund  Hörnes  beweist. 

Die  höchste  Theünahme  für  die  grossen  Ergebnisse  zu  erwecken 
geeignet  sind  die  vorläufigen  Nachrichten  über  „Dr.  Ferdinand 
Hochstetter's  Reise  durch  die  nördliche  Insel  Neuseelands, 
5.  März  bis  24.  Mai  1859,  von  J.  F.  Haast  in  Auckland"  in  der 
so  eben  von  Herrn  Dr.  A.  Petermann  mir  freundlichst  ĂĽbersandten 
Nr.  III  seiner  rühmlichst  bekannten  „Mittheilungen  u.  s.w."  Ich  darf 
ihrer  wohl  dankbar  hier  gedenken,  wenn  auch  nicht  näher  auf  den 
Inhalt  eingehen,  da  sie  in  einem  vielverbreiteten  Werke  sogar  in 
deutscher  Sprache  vorliegen. 


Sitzb.  d.  inathem.-natiirw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  7. 


j  $  II  a  i  d  i  n  g  e  r. 


Der  Hörnesit,    eine  neue  von   Herrn   Professor   Dr.  G.  A. 
Ke n ng ott  bestimmte  Miner alspecies. 

Von  dem  vv.  M.  W.  Haidinger. 

Der  Zweck  der  gegenwärtigen  Mittheilung  ist  die  Berichter- 
stattung ĂĽber  die  Ergebnisse  meiner  eigenen  mineralogischen  Ver- 
gleichungen,  angeknĂĽpft  an  die  Mittheilung  des  BegrĂĽnders  der 
Sjrecies,  welche  ich  auf  Veranlassung  des  Herrn  Prof.  Kenngott 
in  der  Sitzung  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  am  28.  Februar 
vorgelegt  hatte.  Es  wird  mir  daher  heute  gelingen,  Einiges,  nament- 
lich was  die  regelmässigen  Formen  betrifft,  näher  zu  umschreiben, 
eine  Angabe  des  specifischen  Gewichtes  beizufĂĽgen,  so  wie  endlich 
die  numerischen  Ergebnisse  der  chemischen  Analyse,  welche  wir 
Herrn  Karl  Bitter  von  Hauer   verdanken. 

Als  Einleitung  gebe  ich  in  wenigen  Worten  die  Geschichte  der 
Aufstellung  der  Species.  Unser  hochverehrter  Freund,  Herr  Professor 
Kenngott,  damals  noch  am  k.  k.  Hof-Mineraliencabinet ,  hatte 
längst  das  gewisse  specifisch-charakteristische  Ansehen  aufgefasst, 
das  einem  Exemplare  aus  dem  Banale  zukam,  welches  in  der  grossen 
Sammlung  daselbst  als  krystallisirter  Talk  aufgestellt  war.  Es  stammte 
aus  der  van  der  NĂĽlFschen  Sammlung  und  war  dort  frĂĽher  auch 
als  solcher  von  unserem  verewigtem  Mohs  besehrieben  worden. 
Kenngott  hatte  die  Bestimmung  nicht  vollendet,  als  er  Wien  ver- 
liess  und  dem  Rufe  nach  ZĂĽrich  folgte,  docli  hatte  er  ganz  kleine 
abgetrennte  Fragmente,  die  ihm  frĂĽher  zur  Untersuchung  gedient 
hatten,  mit  sich  genommen.  Er  selbst  hatte  schon  frĂĽher  die  Gegen- 
wart von  Wasser  und  Magnesia  erkannt,  und  diese  wurde  auch  von 
Herrn  Karl  Bitter  v.  Hauer  bestätigt.  Eine  vollständige  qua- 
litative Untersuchung  war  nicht  gemacht  worden.  Versuche  in 
ZĂĽrich,  mitganz  kleinen  Splittern  vorgenommen,  waren  ebenfalls  nicht 
vollkommen  zufriedenstellend.  Herr  Dr.  Ken  ng  o  tt  sandte  nun,  mit 
dem  WTunsche,  dass  doch  eine  vollständige  quantitative  Analyse  ver- 


Der  Hörnesit. 


19 


anstaltet  werden  möge,  seinen  vorläufigen  Berieht  über  die  Bestimmung, 
so  weit  sie  vorlag,  an  Herrn  Director  Hörnes  ein  und  überliess  ihm 
und  mir  die  Bildung  eines  specifischen  Namens.  Ich  wählte  den  Namen 
Hörnesit,  um  von  meiner  Seite  an  dieser  Species  die  Erinnerung  der 
freundlichsten  Beziehungen  festzuhalten,  welche  zwischen  dem  aus 
dem  Verbände  des  k.  k.  Hof-Mineraiiencabinets  geschiedenen  gedie- 
genen Mineralogen  und  dem  ausgezeichneten  Director  dieses  reichen 
Museums,  meinem  hochverehrten  Freunde,  Herrn  Dr.  M.  Hörnes  noch 
gegenwärtig  unverändert  stattfinden.  Gerne  suche  ich  gesellschaft- 
liche und  historische  Beziehungen  dieser  Art  in  den  Namen  zu  bewahren. 
Der  Name  des  Gebers  bleibt  ohnedem  für  spätere  Zeiten  mit  dem 
Namen  der  Species  verbunden.  Es  hat  mir  immer  eine  Art  von  Hero- 
stratismus  geschienen,  wenn  Personennamen  bios  um  des  Umsfandes 
Willen,  dass  sie  eben  Personennamen  sind,  von  mineralogischen 
Nomenciatoren  unterdrĂĽckt,  und  dafĂĽr  andere  oft  wenig  charakteri- 
stische Namen  vorgeschlagen  worden  sind.  Es  schien,  als  wolle  man 
dahin  streben,  dass  nur  der  Name  des  Nomenciators  in  der  Geschichte 
der  Entwickelung  der  Wissenschaft  ĂĽbrig  bliebe. 

Aber  ich  wĂĽnschte  nun  auch  selbst  nach  Linne's  Princip 
„Verus  Botanicus  oculis  propriis ,  qua  singularia  sunt,  observat, 
nee  stia  solum  ex  auetoribus  compilat  (Grit.  Bot. )•'  auf  den  mine- 
ralogischen Fall  angewandt,  jenes  von  Kenngott  deutlich  bezeich- 
nete StĂĽck  in  der  Wirklichkeit  zu  vergleichen.  Herr  Director 
Hörnes  vertraute  mir  es  freundlichst  an,  und  ich  freue 
mich  heute  schon  das  Ergebniss  meiner  Untersuchung  vor- 
legen zu  können. 

1.  Form.  Augitisches  Krystallsystem.  Krystall  -Indi- 
viduum bis  zur  Länge  von  einem  halben  Zoll,  bei  einer 
Breite  von  einer  halben  Linie  sind  in  sternförmig  im  Bruche 
erscheinenden  Gruppirungen  auf  einer  Unterlage  von  Kalk- 
spath  in  Hohlräumen  aufgewachsen  ,  doch  berühren  sie  sich 
gegenseitig  fast  in  der  ganzen  Länge,  so  dass  nur  etwa 
ll/z  Linie  lange,  sehr  spitzwinkelige  Blättchen  in  die  noch 
unerfüllten  Drusenräume  hineinreichen.  Die  allgemeine  Form 
ist  der  gewöhnlicher  Gypskrystalle  ungemein  genähert,  nur 
dass  der  scharfe  Winkel  der  rhomboidischen  Blättchen  viel 
spitziger  ist,  er  beträgt  am  Gyps  52°  16',  während  ich  durch  gra- 
phische Messung  für  den  Hörnesit  freilich  nur  als  Annäherung  36° 


Y\i 


:P: 


20 


II  a  i  (1  i  n  g  e  r. 


fand.  Ăśberhaupt  war  es  sehr  schwierig,  nur  einigermassen  eine 
Schätzung  zu  gewinnen,  doch  glaube  ich,  ist  es  vortheilhafter,  annä- 
hernde Winkelmaasse  und  möglichst  naturgetreue  Zeichnungen  zu 
geben,  als  sich  nur  mit  Beschreibung  zu  begnĂĽgen. 

Ich  habe  in  der  Fig.  i  die  Flächen  mit  den  am  Gyps  gewohn- 
ten Buchstaben  bezeichnet. 

Folgende  sind  die  Winkelmaasse: 

Am  Hö'rnesit 


Am  Gyps 
(nach  Miller) 


/"gegen  f,  anliegend    .  . 

I  gegen  l,  anliegend    .  . 

f  -  l 

Kante  -^  gegen  Kante  — 


107° 
152 

144 


111' 
143 


42' 
42 


127     44 


Fior.  2. 


Bei  dem  Umstände,  dass  die  Winkelmaasse  nur  die  Ergebnisse 
erster  Annäherung  sind,  schien  es  mir  noch  nicht  an  der  Zeit, 
Linear- Ab messungselemente  der  Krystallformen  zu  berechnen.  In 
der  That  sind  die  Krystallblättchen  so  fein  und  zugleich  auch  in 
nahe  paralleler  Stellung  fächerförmig  anein- 
ander gewachsen,  dass  ich,  was  ich  fand,  nur 
als  ein  vorläufiges  Bild  darzustellen  wünsche. 
Es  gelang  mir  ĂĽbrigens  auch  in  den  dĂĽnn- 
sten Krystallblättchen  die  Lage  der  optischen 
Elasticitätsebenen  zu  erkennen  und  graphisch 
zu  schätzen.  Sie  stimmen  nicht  mit  irgend 
einer  der  Seiten  der  rhomboidischen  Blättchen 
AB  oder  BC  überein,  sondern  haben,  ähn- 
lich wie  im  Gyps  abweichende  Lagen.  So 
fand  ich  den  Winkel  A  BE  ungefähr  =  15°, 
wo  BE  der  Durchschnitt  einer  der  Elasticitäts- 
ebenen ist.  BD  senkrecht  auf  BE  ist  der 
Durchschnitt  der  zweiten  Elasticitätsebene.  In 
einer  und  der  andern  Richtung  ist  das  Licht 
vollständig  absorbirt,  wenn  die  Polarisations- 
ebenen der  zur  Untersuchung  angewendeten 
Apparate  gekreuzt  sind. 
Zu  den  mineralogisch-optischen  Untersuchungen,  wie  die  gegen- 
wärtige, bediene  ich  mich  eines  kleinen,  wenig  kostspieligen  Appa- 
rates (Fig.  3),  den  mein  hochverehrter  Freund  Herr  Professor 
J.  Schabus  nach   meiner  Angabe  durch  Herrn  Opticus  Prokesch 


Der  Hörnesil. 


21 


ausfĂĽhren  liess.  Das  StĂĽck  AB  ist  eine  Spiegelglasplatte,  BC  ein 
StĂĽck  Spiegel.  Bei  B  und  bei  C  sind  Charniere,  so  dass  man  das 
hellste  Licht  in  senkrechter  Richtung  vor  sich  hat.  Zusammen- 
geklappt ist  der  Apparat  nur  zwei  Zoll  lang,  einen  Zoll  breit  und 
einen  halben  Zoll  hoch.  Bei  D  wird  eine  Turmalinplatte  mit  Wachs 
aufgeklebt.  Bei  E  legt  man  auf  den  durchsichtigen  Tisch  AB  die 
zwischen  zwei  Glastafeln  mit  Balsamkitt  eingeklebten  Krystall- 
blättchen.  Man  betrachtet  nun  dieselben  von  oben  in  der  Richtung 
ED  durch  eine  dichroskopische  Loupe.  Wenn  im  schwarzen  Felde 
der  Krystall  ebenfalls  schwarz  erscheint,  verschwindet,  ist  die  Lage 
der  Elasticitätsaxe  gefunden.  Im  hell  erleuchteten  Felde  ist  aber  das 
Blättchen    in  seinem  Umrisse  pio.  3 

sichtbar.  Man  kann  also,  indem  e 

der  ganze  Vorgang  so  geleitet  j_n 
wurde,  dass  der  hier  erwähnte 
kleine  Spiegeltisch  auf  ein  Blatt 
weisses  Papier  gelegt  wird,  auf 
dem  letztern  ein  Lineal  ein- 
mal parallel  den  Seiten  der 
viereckigen  Lichtöffnung  der 
Loupe  und  dann  parallel  den  Kanten  der  Krystallblättchen  auflegen 
und  die  Lage  durch  einen  Bleistiftstrich  bezeichnen,  und  so  den 
Winkel  finden,  welchen  die  Elasticitätsebene  mit  einer  Ebene  durch 
die  Seite  des  Blättchens  einschliesst.  Dass  so  etwas  nur  eine  unge- 
fähre Schätzung  gibt,  ist  wohl  augenscheinlich,  aber  es  ist  doch 
diese  besser,  als  auf  die  Kenntniss  zu  verzichten,  welche  man  solcher- 
gestalt erhalten  kann. 

Auf  diese  Art  schätzte  ich  den  Winkel  ABE=  15°.  Da  nun 
ABC=  144»  ist,  in  runder  Zahl,  so  bleibt  MBC=  144°  —  105° 
=  39o  und  FMB  =  51°.  Nun  ist  aber  beim  Gyps  der  Winkel  FBÄ 
—  127»  44',  die  Lage  des  Durchschnittes  der  einen  der  Elasticitäts- 
ebeneu  mit  der  Fläche  AB  CD  aber,  FMB'  =  37»  8'.  Der  W7inkel 
BMB',  der  Unterschied  der  Lage  der  Elasticitätsebenen  in  den 
beiden  Species  Gyps  und  Hörnesit  ist  also  =  51°  —  37°  8'  = 
13°  52',  was  doch  auch,  so  wenig  es  als  letzte  Grenze  der  Genauig- 
keit angesehen  werden  kann,  ebenfalls  eine  grosse  Ăśbereinstimmung 
in  dem  allgemeinen  augitischen  Charakter  der  regelmässigen  Formen 
des  Hörnesits  beweist. 


22  Hai  ding  er. 

Die  Oberfläche  der  Krystalle  ist  schwach  gestreift ,  parallel  der 
Längenrichtung  oder  den  Durchschnitten  von  F  und  P,  (oo  A  und 
oqĂś),  fast  nur  auf  den  letzteren  zu  sehen,  da  die  Individuen  doch  gar 
zu  klein  und  dünn  sind.  Parallel  der  P-Fläche  vollkommenste  Theil- 
barkeit.  Das  Gesammtansehen  auf  dem  Bruche  der  kugelförmig 
zusammengehäuften  Krystalle  erinnert  lebhaft  an  den  Pyrophyllit  in 
den  dünnsten  Blättchen. 

Masse.  Weiss.  Die  Krystalle  durchsichtig  und  der  Form  ent- 
sprechend optisch  zweiaxig.  In  dickeren  Stellen  durchscheinend.  Auf 
den  Theilungsflächen  vollkommener  Perlmutterglanz.  Höchst  milde  und 
die  dünnen  Blättchen  biegsam.  Härte  =  OS  bis  1*0.  Es  ist  nicht 
möglich,  mit  einem  Stückchen  Hörnesit  den  Talk  der  Härtestufe  1-0 
zu  ritzen.  Gewicht  gefunden  =  2  474  bei  13°  R. 

Materie.  Über  die  chemische  Natur  des  Hörnesits  verdanke 
ich  Herrn  k.  k.  Hauptmann  Karl  Ritter  v.  Hauer,  Vorstand  des 
chemischen  Laboratoriums  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt,  die 
nachstehende  Darstellung: 

„Das  Mineral  ist  in  Wasser  nicht,  aber  in  Säuren  leicht  und 
ohne  Rückstand  auflöslich.  Durch  Glühen  wird  die  Löslichkeit 
nicht  geändert.  Es  zeigt  nach  dem  Erhitzen  eine  blassbläuliche 
Färbung. 

Die  Lösung  gab  nach  Erhitzen  mit  schwefliger  Säuren  und  Ein- 
leiten von  Hydrothion  einen  reichlichen  Niederschlag  von  Arsen- 
sülfür.  Die  Säure  dieser  Verbindung  ist  sonach  Arsensäure.  Die  nach 
Abscheidung  der  Arsensäure  neutralisirte  Flüssigkeit  gab  mit  oxal- 
saurem  Ammoniak  keinen  Niederschlag,  wohl  aber  mit  phosphor- 
saurem Natron  und  Ammoniak,  wodurch  die  Gegenwart  von  Magnesia 
constatirt  wurde. 

Proben  auf  andere  Bestandteile  ergaben  ein  entschieden  nega- 
tives Resultat. 

Beim  Erhitzen  der  Substanz  in  einer  Probirröhre  entwickelt 
sich  viel  Wasser,  welches  nicht  reagirt. 

Die  constituirenden  Bestandtheile  sind  sonach: 
Magnesia,  Arsensäure  und  \\  asser, 
und  es  zeichnet  sich  das  Mineral  durch  einen  besonderen  Grad  von 
Reinheit  aus. 

Die  quantitative  Abscheidung  der  Beskuidtheile  geschah  in 
gleicher  Art    wie  jene,    welche   zur    Erkenntniss   ihrer   Gegenwart 


Der  Hörnesit.  23 

führte.  Das  nach  der  Reduction  durch  Hydrothion  gefällte  Arsen- 
sülfür  wurde  in  Königswasser  gelöst  und  die  hiedurch  reproducirte 
Arsensäure  mittelst  einer  Auflösung  von  schwefelsaurem  Magnesia 
und  Ammoniak  gefällt.  Die  Magnesia  wurde  als  phosphorsaure 
gewogen. 

Im  Wasserbad  verliert  das  Mineral  nur  eine  sehr  geringe  Menge 
Wasser  (0*66  Procent),  die  ganze  Menge  aber  noch  unter  der 
GlĂĽhhitze. 

Resultate  der  Analyse. 

0-906  Gramm    gaben    0'600    Gramm    zweibasisch     phosphorsaure 

Magnesia  =  2386  Procent  Magnesia. 
1-828  Gramm    gaben     1-280    Gramm    zweibasisch    phosphorsaure 
Magnesia  =  25-23  Procent  Magnesia. 
Im  Mittel  24-54  Procent  Magnesia. 
1-035  Gramm   verloren   durch  Erhitzen    0-303    Gramm    =  29-27 

Procent. 
1098    Gramm  verloren    durch  Erhitzen    0-317    Gramm   =  28-87 
Procent. 

Im  Mittel  2907  Proceut  Wasser. 
1-828  Gramm    gaben    1400   Gramm    (H4N0.2MgO)   As05  +  HO 
=  46*33  Procent  Arsensäure. 

In  100  Theilen  sind  sonach  enthalten: 

Magnesia   .    .    .  2454  (  1  227  305  =  3 

Arsensäure    .    .  4633  Äquivalente  l  0402  1       =1 

Wasser      .    .    .  2907  '  3230  803  =  8 
99-94 

Die  Substanz  ist  sonach  dreibasiscb  arsensaure  Magnesia   mit 
8  Äquivalenten  Wasser  nach  der  Form- 

SMgO.AsO;  +  8HO. 

Berechnet  Gefunden 

3   Äquivalente  MgO  00         24-29         24-54 

i  As05  115        46-55         46-33 

8  HO  72        2915        29-07 


247        99-99        99-94 

Von  natĂĽrlichen  Vorkommen  arsensaurer  Verbindungen,  die 
einige  Analogie  in  chemischer  Beziehung  mit  dem  Hörnesit  zeigen, 
sind  folgende  bekannt: 


24  Haidinger. 

1.  Pharmakolith  2CaO.As05  -f  6HO. 

r.  ii. 

Arsensäure    .    .    .    50'54  45-08 

Kalkerde    ....    2500  27-28 

Wasser 24-46  2386 


10000         9682 

I.  Von  Wittichen  im  FĂĽrstenbergischen  analysirt  von  Klap- 
roth  (Beiträge  III.  Bd.,  S.  277);  II.  von  Andreasberg  analysirt  von 
John  (Gehlens'  Journal  fĂĽr  Chemie  und  Physik  III.  Bd.,  S.  537). 

Eine  krystallisirte  Varietät  des  Pharmakoliths  von  unbekanntem 

Fundorte  untersuchte  Turner  und  fand  : 

7901  arsensaure  Kalkerde, 
20-99  Wasser, 


10Ăś-ĂśO  (Poggendor f f's  Ann.  Bd.  V,  p.  188.) 

2.  Haidingerit  2CaO.As05  +  4HO. 
Turner  fand  : 

81)681  arsensaure  Kalkerde, 
14-319  Wasser, 
100000 

Pikropharmakolith  von  Biechelsdorf  in  Hessen 

££  }  **•<>•  +  12H0 

nach  Stromeyer's  Analyse  (Gilberts  Annalen  61.  Bd.,  S.  18o) 
46-971  Arsensaure, 
24-646  Kalkerde, 

3-223  Talkerde, 

0-998  Kobaltoxyd, 
23-977  Wasser, 
99-815 

Berzeliit,  enthält  nach  Kühn  (Ann.  der  Pharm.  Bd.  34,  S.211) 
58-51   Arsensäure, 
23-22  Kalkerde, 
15-68  Talkerde, 

2-13  Manganoxydul, 

0'30  Kohlensäure  und  eine  Spur  Eisenoxyd, 


99-84 
Dies  entspricht  der  Formel: 

(3CaO.As05)  +  (3MgO.AsOs). 
Beine  arsensaure  Magnesia  wurde  also   bis  jetzt   noch   nicht 
aufgefunden  ,  aber  auch  auf  kĂĽnstlichem  Wege  wurde  dreibasisch 
arsensaure  Magnesia  noch  nicht  dargestellt." 


Der  Hörnesit.  J25 

Splitter  von  Hörnesit  schmelzen  schon  in  der  Kerzenflamme. 
Als  Erscheinungen  vor  dem  Lötlirohre  könnten  noch  erwähnt  werden, 
dass  mit  Kohaltsolution  die  rosenrothe  Färbung  den  Magnesia- 
gehalt  anzeigt,  sowie  dass  mit  kohlensaurem  Natron  und  Kohle 
gemengt,  nicht  nur  im  Beductionsfeuer  der  Arsenikgeruch  wahr- 
genommen wird,  sondern  in  der  Glasröhre  auch  ein  reiches  Sublimat 
von  Arsenik  sich  metallisch  absetzt. 

In  einem  späteren  Schreiben  an  Herrn  Üirector  Hörnes  sagt 
Kenngott  ĂĽber  die  Stellung  im  Systeme,  dass  das  Mineral  wohl  in 
die  von  ihm  „Monoklashaloide'^  genannte  Abtheilung  passen  würde, 
was  wohl  auch  ganz  in  der  Natur  der  Species  gegrĂĽndet  ist. 

In  demselben  Schreiben  äussert  Herr  Professor  Kenngott, 
dass  er  der  in  dem  Kalkspath  eingewachsen  erscheinenden  Granat- 
krystalle  wegen  Oravitza  für  den  im  „Banat"  näher  zu  bezeichnen- 
den Fundort  halte.  In  dem  grössern  Stücke  in  dem  k.  k.  Hof-Mine- 
raliencabinet  zeigen  sich  sehr  schön  ausgebildete  durchsichtige 
Granatoide  von  blass  spargelgrĂĽnem  Granat.  Der  Fundort  der  in  dem 
blauen  Kalkspath  eingewachsenen  braunen  Granatkrystalle  ist  wohl 
eigentlich  Cziklowa  bei  Oravitza,  mit  dein  bekannten  Wollastonit 
verwachsen  und  von  Apophyllit  seeundärer Erzeugung  in  den  Drusen- 
räumen begleitet.  Auch  der  Hörnesit  erscheint  in  Drusenräumen 
zwischen  Kalkspath,  aber  die  Farbe  des  letztern  zieht  doch  noch 
viel  mehr  in  das  Graue.  Es  verdient  ĂĽbrigens  gewiss  alle  Beachtung, 
dass  der  Kalkspath  selbst  in  grossen  bis  zwei  Zoll  Seite  der  Bhom- 
boeder  der  Theilbarkeit  haltenden  Individuentheilen  in  einem  Drusen- 
raume  gebildet  zu  sein  scheint,  indem  noch  EindrĂĽcke  von  Kry- 
stallen,  welche  frĂĽher  bestanden,  von  der  dem  aufgewachsenen 
Hörnesit  entgegengesetzten  Seite  in  dem  Kalkspath  übrig  geblieben 
sind.  Sie  sind  gegenwärtig  noch  zum  Theil  mit  einer  erdigen  gelb- 
lich-grauen milden  Masse  erfĂĽllt,  welche  nach  Herrn  Karl  v.  llauer's 
Untersuchung  ein  Thonerde-Silicat  ist. 

Die  Form  der  ursprĂĽnglichen  Krystalle  ist  die  von  wohlgebil- 
deteu,  regelmässigen  Oktaedern.  Ob  sie  von  Magneteisenstein  her- 
rühren, der  in  jenen  Gegenden  so  vielfällig  einheimisch  ist?  Waren 
es  vielleicht  Magnoferrite,  inagnesiahallige  Magneteisensteine,  wie 
sie  uns  mein  hochverehrter  Freund  Bammelsberg  kennen  gelehrt 
(Pogg.  Ann.  1859,  Bd.  107,  S.  454),  die  von  einem  Gemenge  von 
Schwefelsäure    und    Arseniksäure    aus    verwitterndem    Arsenikkies 


26  H  a  i  d  i  n  g  e  r.    Der  Hörnesit. 

zerlegt  wurden,  wobei  ein  Theil  der  neu  gebildeten  Körper  zurück- 
blieb, ein  anderer  löslicherer  Theil  hinweggeführt  wurde?  Übrigens 
findet  sich  auf  demselben  StĂĽcke  auch  noch  deutlich  frischer,  unver- 
änderter Magneteisenstein,  aber  derb,  nicht  in  Krystallen ,  in  kleine- 
ren Partien  zwischen  den  Kalkspaththeilen.  Man  sieht,  das  Exemplar 
der  von  unserem  hochverehrten  Freunde,  Herrn  Professor  Kenngott 
neu  bestimmten  Species,  welcher  den  Namen  „Hörnesit"  beizulegen 
mir  durch  eine  besondere  Gunst  der  Verhältnisse  beschieden  war, 
ist  in  gar  vieler  Beziehung  anregend  und  wichtig,  und  es  ist  recht 
sehr  wünschenswerth,  dass  man  mehrere  Stöeke  in  älteren  Samm- 
lungen auffinden  oder  durch  neuere  Anbrüche  erhalten  könnte,  um 
noch  fernere  Studien  anzuknĂĽpfen. 


v.  Littrow.  Ăśber  das  Mikrometer  mit  lichten  Linien  etc.  Cl 


Ăśber   das   Mikrometer   mit   lichten  Linien   bei   den    Wiener 
Meridian-Instrumenten. 

Von  dem  w.  M.  Karl  v.  Littrow. 

(Mit  i  Tafel.) 

Eine  längere  Erfahrung  mit  dem  Mikrometer,  das  ich  in  seinen 
Einzelheiten  und  mit  der  Geschichte  seiner  Entstehung  vor  einiger 
Zeit  zur  Kenntniss  der  Akademie  *â– )  gebracht,  hat  auf  eine  eigenthĂĽm- 
liche  Schwierigkeit  geführt,  die  sammt  deren  Lösung  hier  mitzutheilen 
ich  fĂĽr  meine  Pflicht  halte. 

Um  jenen  Lesern,  welche  meinen  frĂĽheren  Aufsatz  nicht  zur 
Hand  haben,  sofort  versländlich  zu  sein,  erwähne  ich  vor  Allem,  dass 
es  sich  um  Hervorbringung  lichter  Linien  im  dunklen  Gesichtsfelde 
eines  Fernrohres  handelt.  Im  vorliegenden  Falle  wurde  dies  dadurch 
erreicht,  dass  man  die  Fassung  des  Rohres  beiläufig  in  der  Mitte 
seiner  Länge  durchbrach  und  vor  die  Öffnung  eine  mit  einem  Gemenge 
von  Kopalfirniss  und  feinem  Lampenrusse  ĂĽberzogene  Glasplatte 
brachte,  auf  welcher  gewisse  Linien  geritzt,  also  vom  ĂśberzĂĽge  befreit 
und  wieder  durchsichtig  gemacht  wurden.  Ein  im  Inneren  des  Roh- 
res und  hinter  jener  Platte  angebrachter  Spiegel  leitete  das  durch 
eine  Lampe  erhellte  Rild  der  Ritzen  auf  ein  kleines  seitlich  vom 
Hauptlichtkegel  desTeleskopes  ebenfalls  im  Inneren  desselben  belind- 
liehes  Objectiv ,  das  in  der  Ebene  des  Brennpunktes  jene  Ritzen  in 
Form  von  lichten  Linien  sichtbar  machte. 

Dem  verfolgten  astronomischen  Zwecke  gemäss  waren  bei  der 
zunächst  für  Meridian-Instrumente  bestimmten  Vorrichtung  die  Ritzen 
in  zwei  auf  einander  senkrechteu  Lagen  gezogen  ,  so  dass  sich  im 


Jj  Sitzungsberichte  der  k.  Akad.  d.  Wiss.  mathem.-naturw.  Cl.  Bd.  XX,  S.  253. 


ÄÖ  V.    L  i  1 1  r  o  \v. 

Gesichtsfelde  horizontale  und  verticale  lichte  Linien  zeigten.  Die 
belegte  Glasplatte  und  der  Spiegel  wurden  in  der  auf  das  Fernrohr 
senkrechten  Hauptdrehungsaxe  des  Instrumentes  und  so  angebracht, 
dass  die  horizontalen  Linien  parallel  zu  derjenigen  Ebene  lagen, 
welche  durch  die  optische  Axe  des  Fernrohres  und  die  Rotationsaxe 
geht. 

Da  die  gewöhnlichen,  von  lichtem  Hintergründe  sich  schwarz 
abhebenden  Fäden  nicht  zu  entbehren  sind  und  immer  als  die  eigent- 
lichen Ausgangspunkte  der  Messung  gelten  mĂĽssen,  so  kam  es  darauf 
an  ,  die  Distanz  der  lichten  Linien  von  diesen  Faden  zu  bestimmen. 
Da  fand  es  sich  nun  bald,  dass  der  Abstand  der  verticalen  lichten 
Linien  von  den  verticalen  Fäden  bedeutender  Veränderlichkeit  unter- 
liege, während  die  gegenseitige  Lage  der  horizontalen  Linien  und 
Fäden  immer  nahezu  dieselbe  bleibt.  Da  vermöge  der  Construction 
des  Instrumentes  fĂĽr  die  Bestimmung  der  letzteren  Lage  der  Kreis 
an  der  Axe  benützt  werden  konnte,  während  man  jenen  Abstand,  der 
verticalen  Linien  und  Fäden  durch  Sternvorübergänge  mass,  so  schrieb 
ich  anfangs  jene  wahrgenommene  Veränderlichkeit  der  Unvollkom- 
menheit  dieser  Methode  zu,  und  sorgte  desshalb  fĂĽr  Anbringung  eines 
Schraubenmikrometers,  das  durch  zwei  auf  einander  senkrechte 
bewegliche  Fäden  sowohl  die  eine  als  die  andere  jener  Distanzen  auf 
das  schärfste  zu  bestimmen  erlaubte.  Da  diese  Vorrichtung  von  der 
Werkstätte  des  hiesigen  polytechnischen  Institutes  mit  seltener 
Meisterschaft  ausgefĂĽhrt  wurde ,  und  auch  in  anderen  Beziehungen 
von  grossem  Nutzen  ist,  so  glaube  ich  hier  eine  kurze  Beschreibung 
derselben  einschalten  zu  mĂĽssen. 

Fig.  1  gibt  die  vordere  Ansicht  des  Apparates  in  natĂĽrlicher 
Grösse  nach  Abhebung  der  in  Fig.  2  ersichtlichen  Deckplatte  AB, 
in  welche  bei  V,  W  das  Ocular  geschraubt  wird.  Fig.  2  stellt  den 
Durchschnitt  durch  die  Rectaseensionsschraube  GL  dar.  CD  ist  die 
fixe  Platte  der  gewöhnlichen  Fäden;  die  vier  Schräubchen  an  den 
Ecken  dieser  Platte  (Fig.  1)  haben  kleine  Spielräume,  um  durch  die 
dni  Schrauben  E  die  Fällen  collimiren  zu  können.  Hierzu  dient 
eigentlich  die  mittlere  Schraube  bei  gelösten  Seitenschrauben, 
welche  erst  nach  gehöriger  Stellung  der  Platte  zur  Fixirung  dersel- 
ben angezogen  werden.  FGJ1  ist  die  Gabel,  welche  den  beweglichen 
Doppelfaden  trägt,  und  in  die  bei  G  die  Mikrometerschraube  L  ein- 
greift.  Spiralfedern  bei  T,F,J1  vermitteln  den  richtigen   Gang  der 


Über  das  Mikrometer  mit  lichten  Linien  etc.  ä9 

betreffenden  Schieber.  J,  K  sind  die  beiden  an  der  inneren  Seite 
abgeschrägten  Leisten,  zwischen  denen  die  Gabel  FGH  läuft.  In 
ganz  analoger  Weise  ist  der  Theil  der  Vorrichtung,  welcher  fĂĽr  die 
Declinationsschraube  31  dient,  unter  der  Platte  CD  der  gewöhnlichen 
Fäden  angebracht.  Zwei  Backen  N,  0  nähern  den  betreffenden  beweg- 
lichen Faden  den  anderen  beiden  Systemen.  P,  Q  (Fig.  2)  sind  die 
den  Leisten  J,K  (Fig.  1)  analogen  StĂĽcke,  so  wie  R, S  die  untere 
Gabel  fĂĽr  den  wieder  doppelten  Deelinationsfaden,  und  mit  dieser 
die  Backen  N,  0  unveränderlich  verbunden.  U  endlich  ist  die  Platte, 
auf  welcher  die  sämmtlichen  Apparate  befestigt  sind. 

Der  Werth  einer  Revolution  der  Rectascensionsschraube  des 
Mikrometers  beträgt  46v2548,  der  der  Declinationsschraube  46r3043 ; 
die  Trommeln  beider  Schrauben  sind  in  100  Theile  getheilt,  das 
Zehntel  eines  Intervalles  lässt  sieh  noch  ganz  wohl  schätzen,  so  dass 
man  an  sich  bei  unserem  Fernrohre  (von  50'"  Ă–ffnung,  63"  Brenn- 
weite und  ISOmaliger  Vergrösserung)  etwa  0r05  messen  könnte. 
Zur  Beurtheilung  der  Sicherheit  dieser  Messungen,  bei  welchen 
immer  die  fixen  Fäden  so  wie  die  lichten  Linien  zwischen  den 
beweglichen  Doppelfaden  gestellt  wurden ,  also,  jedem  einzelnen 
Resultate  bei  den  vertiealen  Linien  zwei,  bei  den  horizontalen  vier 
Einstellungen  zu  Grunde  lagen,  theile  ich  hier  und  zwar  absichtlich 
für  die  vertiealen  Fäden  ein  paar  Reihen  von  Bestimmungen  mit: 

Distanz  zwischen  dunklem  Hau|i(fa<lcn  und  lichter  Mittellinie. 

1859,  Sept.  13:    2S603  1859,  Sept.  27:    2?791 

2o75  2-769 

2-57Ăś  2-809 

2-553  2-782 

2-603  2-782 


2-519  Mittel  .    .    2-787 

Mittel  .    .    2-571 

So  vorzĂĽglich  dieses  Mikrometer  auch  arbeitete,  konnte  man 
sich  doch  bald  überzeugen,  dass  jene  Variabilität  damit  nicht  wegzu- 
bringen sei.  Nachstehende  Zusammenstellung  gibt  die  innerhalb  eines 
Jahres  bei  Gelegenheit  der  Beobachtungen  am  Meridianskreise  von 
dem  mit  diesem  Instrumente  betrauten  Assistenten,  Herrn  M.  Alle, 
gemachten  Messungen.  V  bedeutet  die  Distanz  der  vertiealen  lichten 
Mittellinien  von  dem  vertiealen  Hauptfaden  in  Zeitsecunden,  //  eben 


30 


v.    L  i  t  t  r  o  w. 


so  die  gegenseitige  Entfernung  fĂĽr  die  horizontalen  lichten  Linien 
und  Fäden  in  Bogensecunden.  In  der  letzten  Columne  erscheinen  die 
notirten  Temperaturen,  da  die  Vermuthung  eines  Einflusses  von  dieser 
Seite  nahe  lag1. 


1858 

V 

n 

Mai 

IS. 

3M24 

86r95 

18. 

3-139 

87-65 

Juni 

4. 

3-201 

86-86 

5. 

3  145 

87-45 

8. 

3  145 

86-76 

9. 

3163 

86-53 

li. 

3  123 

86-26 

14. 

3- 176 

86-21 

15. 

3161 

8612 

30. 

3-173 

86-90 

Juli 

6. 

3-161 

86-81 

9. 

3- 126 

87-09 

19. 

3-154 

86-40 

Aug. 

13. 

3-049 

86-40 

14. 

3-072 

86-99 

ii;. 

3-028 

86-40 

Sepf 

13. 

3  •  028 

86-40 

14. 

3-068 

86-86 

11). 

3-034 

88-II6 

Oct. 

7. 

2-570 

86-17 

8. 

2-599 

86  â–   49 

j-1292 
13-0 
16-4 
15-9 
17-0 
18-4 
18-8 
20-0 
19-6 
16-2 
17-8 
1S-2 
18-6 
ISO 
18-0 
17  0 
160 
15-0 
15  0 
13-0 
13-0 


Mau  sieht  hier  auf  den  ersten  Blick,  welchen  grossen  Schwan- 
kungen die  Grössen  V  ausgesetzt  sind,  während  H  kaum  grössere 
Verschiedenheiten  zeigt,  als  man  eben  wegen  unrichtiger  Einstellung, 
kleiner  Unvollkommenheiten  der  MikrometerschiMube  etc.  fĂĽr  unver- 
meidlich wird  gelten  lassen  mĂĽssen;  jene  Varianten  betragen  in 
maximo  0-631  =  9r465,  während  diese  nur  2 '54  erreichen;  dabei 
bewegen  sich  die  Zahlen  fĂĽr  H  zwischen  ihren  Grenzwerthen  bald 
in  diesem,  bald  in  jenem  Sinne,  während  sie  bei  V durch  geraume 
Zeit  nahezu  denselben  Werth  behalten,  oder  Monate  lang  einen 
gewissen  Gang  zeigen  und  dann  sich  plötzlich  ändern.  Die  betref- 
fenden Temperaturen  beweisen,  dass  die  hier  betrachteten  Verände- 
rungen aus  dieser  Quelle  durchaus  nicht  herzuleiten  sind.  Es  ist 
ĂĽbrigens  wohl  zu  beachten,  dass  in  den  einzelnen  mikrometrischen 
Messungen,  aus  welchen  obige  Zahlen  abgeleitet  wurden,  die  erwähnte 


1858 

V 

//            i 

Oct. 

14. 

2S926 

86v07  +  10?0 

16. 

3-052 

85-75     HO 

18. 

3-037 

85-80  f  8-0 

Nov. 

9. 

2-852 

87-56—  2-0 

10. 

3-019 

86-58       2-0 

13. 

2-938 

86-81—  1-0 

20. 

2-954 

86-81       0-0 

23. 

2-898 

86-58—  1-0 

Dec. 

30. 

2-940 

87-32  (-  1-2 

1859 

Febr 

7. 

2-787 

88-29  f  1'6 

21. 

2-883 

87-69       0-0 

März 

10. 

2-803 

87-37f  4-4 

21. 

2-806 

87-37       6-9 

23. 

2-784 

87-69       4-0 

28. 

2-809 

87-34       7-8 

29. 

2-804 

87-09       9-6 

April 

1. 

2  •  790 

87-11       2-6 

7. 

2-804 

87-30      8-6 

26. 

2-794 

87-95     10-7 

27. 

2-803 

87-93     LI -4 

Ăśber  das  Mikrometer  mit  lichten  Linien  etc.  O  1 

Variabilität  ganz  den  lichten  Linien  zufällt,  während  die  Einstellung 
auf  die  dunklen  Fäden  beinahe  constant  ist,  wofür  als  Beleg  nach- 
stehende Zahlen  gelten  mögen,  welche  die  unmittelbaren  Ablesungen 
am  Schraubenmikrometer  für  die  verticalen  Fäden  und  Linien,  so  wie 
den  Unterschied  beider  Lesungen  in  Einheiten  der  Revolution  geben: 

dunkler  lichte         „.-. 

,,   .  ...  Differenz 

Faden  Linie 

1858,  Mai  15.  19-852  18-839  1-013 
Juni      4.     19-854     18-816     1-038 

14.  19-853  18-823  1-030 

Oct.     7.  19-878  19-044  0-834 

8.  19-876  19-033  0-843 

14.  19-878  18-929  0-949 

Nov.  10.  19-866  18-887  0-979 

1859,  Febr.  7.  19-845  18-938  0-907 
März  29.  19-834  18-922  0-912 
April  27.  19-843  18-932  0-911 

Um  uns  über  die  Natur  dieser  Variabilität  noch  weiter  aufzu- 
klären, wurden  von  sämmtlichen  eben  disponiblen  Beobachtern  in 
kurzen  Zeitintervallen  Bestimmungen  der  Distanzen  V vorgenommen, 
von  denen  ich  die  folgenden  mittheile.  Jede  dieser  Bestimmungen 
beruht  auf  mehreren,  unter  einander  vortrefflich  stimmenden  Mes- 
sungen; das  überhaupt  durch  ein  Klemmschräubchen  festgestellte 
Ocular  blieb  wie  während  der  ganzen  hier  betrachteten  Periode  so 
auch  während  dieser  Versuche  unverrückt  stehen,  und  die  einzelnen 
Beobachter  glichen,  wo  es  nöthig,  die  Verschiedenheit  der  Sehweiten 
durch  Brillen  aus.  Der  zweite  und  vierte  Beobachter  sind  sehr  kurz- 
sichtig, die  anderen  nahezu  normal. 


Littrow 

Hornstein 

Alle 

Weiss 

Löwy 

1858, 

Dec. 

30. 

11  Uhr 

Mittags 

. 

2?  940 

30. 

2 

» 

Abends 

2-932 

. 

30. 

9 

w 

» 

2-936 

. 

31. 

10 

» 

Mittags 

2-928 

. 

31. 

12 

„ 

?5 

2?  023 

2-910 

1859. 

•Irin. 

3. 

10 

» 

Abends 

1-949 

2-783 

3. 

2 

n 

» 

2! 

'775 

1-912 

2-745 

ls873 

3. 

9 

„ 

n 

2 

369 

1-954 

2-401 

1-884 

2S244 

4. 

12 

n 

Mittags 

2' 

656 

1-897 

2-390 

1-752 

2  •  668 

5. 

12 

„ 

» 

2 

â– 856 

2-553 

2-525 

1  •  680 

2-611 

5. 

8 

» 

Abends 

2-754 

8. 

9 

w 

„ 

2-738 

13. 

8 

n 

« 

, 

2-788 

di  v.    L  i  t  t  r  o  w. 

Es  stellt  sich  damit  unzweifelhaft  heraus,  dass  nicht  nur  unter 
den  verschiedenen  Beobachtern ,  sondern  auch  bei  einem  und  dem- 
selben Beobachter  innerhalb  weniger  Stunden  sehr  bedeutende  Ab- 
weichungen stattfinden,  ja  dass  diese  Abweichungen  hier,  wo  jeder 
Beobachter  sich  besondere  Mühe  gab  möglichst  genau  zu  messen, 
weit  grösser  ausfielen  als  oben,  wo  der  Beobachter  noch  völlig  unbe- 
fangen zu  Werke  gegangen  war.  Es  ist  ferner  sehr  bemerkenswerth, 
dass  Herr  Dr.  Hornstein  durch  eine  Muskelwirkung  auf  das  Auge 
die  Distanz  V  willkürlich  ändern  konnte,  so  wie  dass  Herr  Alle, 
wenn  er  an  irgend  einem  Abende  besonders  abweichende  Werthe 
dieser  Abstände  erhielt,  sich  oft  erinnerte,  die  lichten  Linien  nicht 
deutlich  gesehen  zu  haben,  während,  wenn  er  sich  dessen  rechtzeitig 
bewusst  wurde  und  sein  Auge  mit  Gewalt  accommodirte,  jene  Werthe 
nahe  dieselben  blieben.  Diese  Umstände  kennzeichnen  die  Erschei- 
nung als  subjectiv,  und  ich  kann  den  Grund  derselben  nur  in  nach- 
stehender Betrachtung  finden. 

Da  der  LichtbĂĽnde]  des  kleinen  Objectives,  welches  das  Bild  der 
lichten  Linien  nahe  bei  dem  Brennpunkte  des  Fernrohres  hervorbringt, 
mit  der  optischen  Axe  des  letzteren  einen  Winkel  bildet,  so  wird  das 
Andern  der  Sehweite  eines  unvollkommen  accommodirenden  Auges, 
wenn  es  gleich  zu  gering  ist,  um  an  dem  Aussehen  der  Linien  und 
Fäden  sofort  aufzufallen,  eine  bedeutende  Änderung  des  Ortes  der 
lichten  Linien  gegen  die  Fäden  in  derjenigen  Ebene,  in  welcher 
die  beiden  optischen  Axen  (des  grossen  und  kleinen  Objectives) 
liegen,  also  bei  der  Construction  unseres  Apparates  in  der  gegen- 
seitigen Distanz  der  verticalen  Linien  und  Fäden  bewirken,  wäh- 
rend offenbar  in  der  auf  die  eben  genannte  senkrechten  Ebene  der 
Abstand  der  horizontalen  Linien  von  den  horizontalen  Fäden  da- 
von nicht  berührt  wird  —  vorausgesetzt,  dass  das  Accommodiren 
in  einem  Nähern  und  Entfernen  der  Netzhaut  gegen  die  Krystall- 
linse  bestehe. 

Mit  dieser  Erklärung  war  auch  das  Mittel  zur  Abhilfe  an  die 
Hand  gegeben.  Der  Apparat  musste  gleichsam  in  zwei  Theile  zerlegt 
werden,  von  denen  der  eine  ganz  in  der  Stellung  der  bisherigen 
Vorrichtung  nur  die  horizontalen  lichten  Linien  hervorzubringen 
hat,  während  dem  anderen  Theile  durch  eine  zweite  mit  Ritzen  ver- 
sehene Tafel  und  durch  ein  zweites  Objectivchen,  die  von  den  ana- 
logen StĂĽcken  des  ersten  Theiles  an  der  Fassung  des  Bohres  um 


Ăśber  das  Mikrometer  mit  lichten  Linien  etc.  33 

90°  abstanden,  die  Erzeugung  der  verticalen  lichten  Linien  über- 
tragen wurde. 

Da  die  Fehler,  welche  bei  der  bisherigen  Einrichtung  dieser 
Quelle  entspringen,  auch  fĂĽr  Differenzbestimmungen  schon  fĂĽhlbar 
werden  konnten,  so  musste  die  eben  angedeutete  Modifieation  nicht 
nur  beim  Meridiankreise,  sondern  auch  bei  dem  mit  Zonenbeobach- 
tungen beschäftigten  Mittagsrohre  vorgenommen  werden.  Ich  zog  es 
vor,  die  Änderung  zuerst  am  Mittagsrohre  eintreten  zu  lassen,  um 
vorläufig  Erfahrungen  über  die  Construction  zu  machen,  und  diese 
dann  bei  dem  ungleich  wichtigeren  Meridiankreise  benützen  zu  kön- 
nen. Im  October  1858  wurde  das  Mittagsrohr  zum  Behufe  jener 
Abänderung  in  die  Werkstätte  abgeliefert,  welche  die  Arbeit  wegen 
Überhäufung  mit  anderen  Aufträgen  leider  erst  in  diesen  Tagen 
beendigen  konnte. 

Zur  näheren  Erläuterung  der  Art,  wie  die  Sache  beim  Mittags- 
rohre ausgefĂĽhrt  wurde ,  zeigt  die  beigegebene  Tafel  im  Massstabe 
von  */4  der  wirklichen  Grösse  in  Fig.  3  den  Durchschnitt  durch 
die  Drehungs-  und  optische  Axe  des  Instrumentes.  A  ist  der  Spiegel, 
welcher  das  von  G  kommende  Licht  der  gewöhnlichen,  für  die 
Erleuchtung  des  Gesichtsfeldes  bestimmten  Lampe  auf  die  belegte 
Glastafel  B  wirft  *),  in  deren  Ăśberzug  die  horizontalen  Linien  geritzt 
sind;  E  das  an  der  Ocularröhre  befestigte  Objectivchen ,  welches 
das  Bild  dieser  Linien  in  der  durch  H  gehenden  Focalebene  des 
Fernrohres  erzeugt.  Etwas  höher  als  A  steht  der  zweite  Spiegel  C, 
der  sein  Licht  auf  die  zweite  ebenfalls  höher  als  B  stehende  belegte 
Glasplatte  D  wirft,  welche  die  verticalen  Ritzen  hat.  Ein  wieder  am 
Ende  der  Ocularröhre  angebrachtes  zweites  Objectivchen,  das  an 
der  Fassung  des  Rohres  um  90°  von  E  absteht,  gibt  bei  H  das  Bild 
der  verticalen  Linien. 

Fig.  4  zeigt  den  Durchschnitt  des  Instrumentes  in  einer  senk- 
recht auf  die  Drehungsaxe  durch  die  optische  Axe  gelegten  Ebene. 
Die  Buchstaben  A,B,C,D  haben  die  frĂĽhere  Bedeutung.  F  ist  das 
kleine  zur  Hervorbringung  der  verticalen  Linien  bestimmte  Objectiv. 


*)  In  unserem  Falle  war  es  nothwendig,  das  Licht  der  Lampe  mittelst  zweier  Prismen  in 
die  rechte  Richtung-  zu  bringen,  da  die  Gestalt  des  Inneren  der  Drehungsaxe  eine 
directe  Bescheinung  der  Glastafeln  nicht  zuliess.  Bei  Gelegenheit  dieser  Abänderungen 
wurde  zweckmässiger  die  Glastafel  zwischen  Spiegel  und  Ocular  gestellt,  statt  wie 
frĂĽher  der  Spiegel  zwischen  Glastafel  und  Ocular. 
Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  7.  3 


34  v.    L  i  t  t  r  o  w. 

In  Fig.  5 ,  Durchschnitt  des  Instrumentes  durch  die  Drehungs- 
axe  senkrecht  auf  die  optische  Axe,  stellen  sich  die  heiden  belegten 
Glasplatten  mit  ihren  Lichtspalten  dar. 

Fig.  6  endlich  zeigt  die  beiden  Objectivchen  in  einem  auf  die 
optische  Axe  senkrechten  Durchschnitte  der  Ocularröhre.  Von  bei- 
den Linsen  sind  die  inneren  Segmente  weggenommen,  um  dem  Haupt- 
lichtkegel des  Fernrohres  freien  Durchgang  zu  gestatten. 

Mit  dieser  Abänderung  ist  nun  auch  der  weitere  nicht  gering 
anzuschlagende  Vortheil  erreicht,  dass  alle,  in  meinem  oben  ange- 
fĂĽhrten ersten  Aufsatze  ĂĽber  diesen  Gegenstand,  besprochenen  Vor- 
sichten wegen  unveränderlicher  Stellung  des  Oculares  wegfallen, 
und  dieselbe  wieder  völlig  dem  Ermessen  des  jedesmaligen  Beobach- 
ters anheimgestellt  bleibt;  denn  offenbar  sind  die  bei  der  frĂĽheren 
Einrichtung  durch  eine  Verschiebung  des  Oculares  hervorgerufenen 
Änderungen  in  der  Lage  der  verticalen  Linien  gegen  die  verticalen 
Fäden  ganz  analoger  Natur  mit  den  hier  besprochenen  Wirkungen 
von  Verschiedenheiten  der  Sehweite,  und  werden  daher  zugleich  mit 
diesen  Wirkungen  behoben. 

Sobald  auch  der  Meridiankreis  in  gleicher  Weise  eingerichtet 
ist  wie  das  Mittagsrohr,  werde  ich  mittelst  des  an  jenem  Instrumente 
befindlichen  Schraubenmikrometers  eine  Reihe  von  Versuchen  sowohl 
mit  der  bisherigen  als  mit  der  neuen  Vorrichtung  anstellen,  die  ĂĽber 
das  Wesen  beider  Apparate  vielleicht  noch  manchen  Aufschluss  geben 
und  von  mir  seiner  Zeit  mitgetheilt  werden  sollen. 

Ich  kann  ĂĽbrigens  nicht  umhin  bei  dieser  Gelegenheit  ausdrĂĽck- 
lich zu  erwähnen,  dass  die  Vorrichtungen  im  Allgemeinen  den  von 
mir  gehegten  Erwartungen  vollkommen  entsprochen  haben,  sowohl 
was  die  Bequemlichkeit  als  den  Nutzen  betrifft.  Die  erstere  RĂĽcksicht 
ist  hauptsächlich  durch  die  von  mir  eingeführte  Drehbarkeit  der 
gewöhnlichen  Beleuchtungs-Ellipse  gewahrt,  wodurch  augenblicklich 
und  ohne  alle  sonstige  Störung  des  Instrumentes  die  lichten  Linien 
oder  die  dunklen  Fäden,  oder  auch  beide  Systeme  sichtbar  gemacht 
werden  können.  In  letzterer  Beziehung  erwähne  ich  hier  beispiels- 
weise, dass  am  Mittagsrohre  bei  einer  Breite  der  Zonen  von  nur  15' 
in  Declination  durchschnittlich  drei  Sterne  in  der  Minute  bestimmt 
werden  konnten ,  während  das  Fernrohr  dieses  Instrumentes  so  wie 
das  des  Meridiankreises  bei  beleuchtetem  Gesichtsfelde  kaum  Sterne 
9 — 10.  Grösse  mit  Sicherheit  beobachten  lässt,  deren  Zahl  bekannt- 


Ăśber  das  Mikrometer  mit  lichten  Linien  etc.  3  t) 

lieh  zu  jener  Reichhaltigkeit  hei  weitem  nicht  hinreichen  wĂĽrde. 
Am  Meridiankreise  wurden  im  Jahre  1857  die  Planeten:  Parthenope 
(mit  vorausberechneter  Helligkeit  9*9),  Psyche  (10*1),  Fides 
(10  7),  Astraea  (10- 1),  Circe  (11  -7,  vielleicht  zu  klein  ange- 
geben) wiederholt  beobachtet.  Im  Jahre  1858  bestimmte  man  am 
Meridiankreise :  Themis  (1 1  •  4),  Fortuna  (10-0),  Melpomene  (10  •  5), 
Thalia  (9*8),  Nysa  (11*0)  und  den  Kometen  Bruhns;  ebenso  im 
Jahre  1859:  Calliope  (9-8),  Massalia  (9-8),  Mnemosyne  (10-0), 
Proserpina  (HO),  Parthenope  (9-6),  denen  noch  Amphitrite, 
Lutetia,  Pallas  und  Psyche,  obschon  die  betreffenden  Helligkeiten 
(der  Reihe  nach:  9'3,  9*5,  9-4,  9-3)  an  sich  nicht  unter  der  hier 
zu  betrachtenden  Grenze  lagen,  desshalb  beizufügen  wären,  weil 
diese  Himmelskörper  so  wie  auch  einige  der  früher  genannten  sehr 
tiefe  Stellungen  hatten,  während  bei  obigen  Zahlen  auf  atmosphäri- 
sche Absorption  keine  RĂĽcksicht  genommen  ist.  Meine  am  angefĂĽhr- 
ten Orte  aus  anderen  GrĂĽnden  aufgestellte  Ansicht,  dass  man  den 
Bereich  des  Instrumentes  durch  Anwendung  der  lichten  Linien  um 
etwa  zwei  Grössenclassen  erweitere,  hat  sich  also  auch  auf  diesem 
Wege  vollkommen  bestätigt.  Dazu  ist  aber  die  von  mir  angegebene 
Form  der  lichten  Linien,  wonach  dieselben  nur  aus  kurzen,  einander 
nirgends  durchkreuzenden  Stumpfen  bestehen,  zwischen  denen  der 
Stern  sich  stets  auf  dunklen  Hintergrund  projicirt,  unerlässige 
Bedingung,  wenn  man  die  Beobachtungsart,  was  gewiss  wĂĽnschens- 
wert^ der  an  Fadennetzen  üblichen  möglichst  nähern  will.  Um  auch 
schon  vor  der  hier  besprochenen  Verbesserung  des  Apparates  die 
Genauigkeit  der  Resultate  thunlichst  sicher  zu  stellen,  wurden  die 
Distanzen  beider  Systeme  in  der  Regel  an  jedem  Abende  zweimal, 
vor  und  nach  den  Beobachtungen,  bestimmt.  Als  Beispiel  fĂĽr  die 
verticalen  Linien  und  Fäden  mag  das  Folgende  dienen : 

Tor       nach  vor       nach  vor       nach 

1859        der  Beubacht.     1859        der  Beobaeht.      1859        .1er  Beohacht. 

Aug.9.  -2!7H  -2s66i  Nov.3.  +2*723  +2*7:55  Nov.  12.  + 2S708  +2?631 
2-689      2-723  2-772     2-729  2-692     2677 

2-674      2-698  2-757     2-748  2-683     2-664 


—2-691—2-694  +2-751  +2-737  +2-694+2-657 

Mittel— 2-692  Mittel  +2-744  Mittel  +2-676 

Die  mechanische  Herstellung  der  eben  besprochenen  Apparate 
gehört  allerdings  nicht  zu  den  leichten  Aufgaben,  und  war  uns  hier 

3° 


3G  v.  Littrow.  Ăśber  das  Mikrometer  mit  lichten  Linien  etc. 

nur  durch  die  Hilfe  des  Herrn  G.  Starke  möglich.  Indessen  würde 
sich  auch  in  dieser  Beziehung  manche  Schwierigkeit  beliehen,  die  in 
unserem  Falle  zu  ĂĽberwinden  war,  wenn  bei  dem  ursprĂĽnglichen 
Baue  eines  Meridian-Instrumentes  darauf  Bedacht  genommen  wĂĽrde. 

Schliesslich  möchte  ich  mir  eine  kleine  Abschweifung  vom 
astronomischen  auf  physiologisches  Gebiet  erlauben.  Die  bis- 
herigen sogenannten  Optometer  oder  Instrumente  zur  Bestimmung 
der  Sehweite  lassen  noch  so  Vieles  zu  wĂĽnschen  ĂĽbrig,  dass  es  mir 
der  MĂĽhe  werth  schiene  zu  untersuchen,  ob  die  frĂĽhere  Gestalt 
unseres  Apparates  in  Bezug  auf  die  verticalen  Linien,  bei  welcher 
sich  ja  eben  ein  so  merklicher  Einfluss  der  Sehweite  geltend  machte, 
verbunden  mit  dem  Schraubenmikrometer  sich  nicht  zur  Bestimmimg 
der  Sehweite  und  ihrer  Änderungen  eignete.  Was  für  den  Astronomen 
eine  Fehlerquelle  war,  und  daher  in  seinem  EinflĂĽsse  auf  die  Beob- 
achtungen möglichst  herabgedrückt  werden  musste,  würde  nun  zu 
dem  eigentlichen  Objecte  der  Untersuchung,  und  wäre  daher  gerade 
so  kenntlich  als  möglich  zu  machen.  Während  mau  also  dort  den  Winkel 
zwischen  den  Axen  der  beiden  Objective  thunlichst  verringerte,  mĂĽsste 
derselbe  im  Gegentheile  hier  möglichst  vergrössert  werden.  Zu  sol- 
chem Zwecke  wĂĽrde  der  ganze  Apparat  vielleicht  am  besten  aus  zwei 
in  derselben  Horizontalen  aber  auf  verschiedenen  Seiten  des  Oculares 
belindlichen  Vorrichtungen  fĂĽr  verticale  lichte  Linien  bestehen,  deren 
gegenseitige  Distanz  sich  also  doppelt  so  stark  ändern  müsste  als 
der  Abstand  solcher  Linien  von  dunkeln  Fäden,  die  eben  nur  bei 
einem  Fernrohre  in  Betracht  kommen.  Das  Schraubenmikrometer 
hätte  blos  in  einer  Richtung  zu  messen,  wäre  also  viel  einfacher  als 
das  oben  beschriebene. 

Ich  muss  es  den  Ophthalmologen  ĂĽberlassen ,  diesen  Vorschlag 
zu  prĂĽfen ,  und  wenn  sie  denselben  statthaft  finden ,  weiter  zu  ver- 
folgen. 


Llllrnu-.  Mikrometer  mmi   Kehlen   Linien 


Pia. 


'1 


SF 


fii/  u 


laiui&u  il  k  Akail  .1  W  math  natura  Cl.    XL  l),l  X- ;  illliil 


Rochleder.  Ăśber  d.  Vorkommen  d.  Fraxin  in  d.  Rinde  v.  Aesculus  HippocasL        3  i 


Ăśber  das  Vorkommen  des  Fraxin  in  der  Rinde  von  Aesculus 
Hippocastauum. 

Von  Dr.  Fr.  Röchle  der. 

Obwohl  ich  entschlossen  war  von  den  Resultaten  meiner 
Untersuchung  der  Rosskastanie  erst  dann  etwas  zu  publiciren,  nenn 
diese  Arbeit  vollendet  sein  wird,  so  zwingt  mich  doch  der  Inhalt 
eines  Schreibens  vom  FĂĽrsten  zu  Sa  1  m-Hor  st  mar  zur  Publication 
der  vorliegenden  Notiz. 

Aus  diesem  Schreiben  ersehe  ich,  dass  Professor  Stokes  zu 
Cambridge  sich  ĂĽberzeugt  hat,  dass  das  Paviin ,  welches  er 
in  der  jungen  Rinde  von  Aesculus  Pavia  gefunden  hatte,  iden- 
tisch ist  mit  dem  Fraxin,  welches  FĂĽrst  zu  S  al  m-Ho  rstmar 
in  der  Rinde  von  Fraxinus  excelsior  entdeckt  hat.  Prof.  Stokes 
hat  nun  mitgetheilt,  dass  er  Fraxin  oder  Paviin  auch  in  der  Rinde 
von  Aesculus  Hippocastauum  in  geringer  Menge  aufgefunden  habe, 
was  mich  zu  der  Veröffentlichung  dieser  Notiz  bestimmt. 

Ich  habe  vor  einiger  Zeit  Analysen  des  Fraxetin's,  welches 
neben  Zucker  aus  dem  Fraxin  durch  die  Einwirkung  von  Säuren 
in  der  Wärme  entsteht,  so  wie  eine  Analyse  des  Fraxin  oder  Paviin 
mit  Material  angestellt,  welches  mir  der  Entdecker  dieses  Körpers 
zugesendet  hatte,  und  die  Resultate  meiner  Analysen  sind  von  dem- 
selben in  Poggendorffs  Annalen  veröffentlicht  worden. 

Ich  will  hier  die  Methode  kurz  beschreiben,  welche  zur 
Isolirung  dieses  Bestandteiles  führte,  die  diesen  Körper  in  ziemlich 
reinem  Zustande  liefert. 

Vor  zwei  Jahren  wurden  etwa  50  Pfund  von  Kastanienrinde  mit 
Weingeist  von  35°  R.  ausgekocht,  das  (iltrirte,  weingeistige  Decoct 
mit  weingeistiger  Bleizuckerlösung  gefällt  und  der  Niederschlag 
auf  Filtern  gesammelt,  mit  Weingeist  vollkommen  ausgewaschen. 
Es  war  meine  Absicht  die  Gerbsäure  der  Rinde  rein  darzustellen 
und  Äsculin   dabei  als  Nebenproduct  zu  erhalten.    Als  der  Nieder- 


J}$  Kochleder.  Ăśber  das  Vorkommen  des  Fraxin 

sehlag-  in  Wasser  vertheilt,  mit  Schwefelwasserstoffgas  zersetzt 
wurde,  zeigte  die  Gerbsäurelösung,  die  vom  Schwefelblei  abfiltrirt 
worden  war,  eine  deutliche  Fluorescenz,  von  der  die  Ursache  nicht 
ein  Gehalt  an  Äsculin  sein  konnte,  da  dieses  durch  den  Bleizucker 
nicht  gefällt  wird  und  beim  Zersetzen  des  Niederschlages  durch 
Schwefelwasserstoff  von  dem  Schwefelblei  zurĂĽckgehalten  wĂĽrde. 
Es  war  nicht  wahrscheinlich,  dass  die  Gerbsäure  die  Ursache  der 
Fluorescenz  sein  würde.  Die  grosse  Menge  der  wässerigen,  fluo- 
rescirenden  Flüssigkeit  wurde  über  Schwefelsäure  im  Vacuo  ver- 
dunstet, wobei  sich  Krystalle  ausschieden,  deren  Menge  zuletzt 
bedeutend  zunahm.  Es  zeigte  sich,  dass  sie  fast  der  ganzen  Menge 
nach  erhalten  werden  konnten,  wenn  die  FlĂĽssigkeit  im  Vacuo  voll- 
ständig zur  Trockne  gebracht,  der  Rückstand  gepulvert  und  mit 
wenig  Wasser  von  0°  zerrieben  und  schnell  die  Lösung  der  Gerb- 
säure von  den  Krystallen  abfiltrirt  wurde.  Die  Lösung  der  Gerb- 
säure fluorescirte  nun  nicht  mehr,  wohl  aber  die  Lösung  der  Krystalle. 
Diese  mit  wenig  Wasser  von  0°  gewaschen,  waren  weiss  und  wurden 
in  Vacuo  bei  einer  nicht  ganz  bis  100°  C.  reichenden  Temperatur 
getrocknet  und  von  Herrn  Kawalier  analysirt. 

0-2902  Substanz  gaben  0-544  Kohlensäure  und  0-1389  Wasser, 
oder  c  31.12 

H     5-32 

0  43-56 

100-00 

Die  wässerige  Lösung  der  Substanz  mit  Salzsäure  versetzt  und 
erwärmt,  spaltete  sich  in  Zucker  und  einen  Körper,  der  einige  Ähn- 
lichkeit mit  Äsculetin  zeigte.  Ich  bestimmte  mit  Herrn  Kawalier 
die  Menge  des  sich  erzeugenden  Zuckers. 

0-9199  Substanz  gaben  536  CC.  FlĂĽssigkeit,  wovon  27  CC, 
nach  der  Methode  von  Fehling,  einen  Gehalt  von  0025  Zucker  aus- 
wiesen, d.  h.  100  Theile  liefern  54  %  Zucker  (=  CiaH13Oia). 

Als  ich  die  Substanz  in  kochendem  Wasser  löste,  zeigte  sich, 
dass  sie  nicht  vollkommen  rein  war,  denn  die  Lösung  der  Krystalle 
war  hell  bräunlichgell)  gefärbt.  15eim  Erkalten  der  gesättigten  Lö- 
sung schied  sich  der  Körper  in  langen  Nadeln  aus,  die  theils  vom 
Hantle  der  FlĂĽssigkeit  ausgingen  und  sich  in  das  Innere  derselben 
erstreckten,  theils  büschelförmig  vereinigt  in  der  Flüssigkeit  lagen. 
Sie  haben  grosse  Ähnlichkeit  mit  Caffei'n. 


in  der  Rinde  von  Aesculus  Uippocastanum.  30 

Herr  Ka  wal  ier  analysirte  diese  Krystalle  nach  dem  Pressen 
zwischen  Löschpapier  und  Trocknen  im  luftleeren  Räume  bei  nahe 
100°  C.  mit  folgendem  Resultat: 

0-3909  Substanz  gaben  0  7358  Kohlensäure  und  01768  Was- 
ser, oder  in  100  Theilen  : 

C  51  33 

H    503 

O  43-64 

100-00 

Eine  Verbrennung,  die  Herr  Ka  wal  ier  mit  umkrystallisirter 
Substanz  anstellte,  gab  folgende  Zahlen  : 

0367  Substanz  gaben  06853  Kohlensäure  und  0-1692  Was- 
ser, oder  in  100  Theilen  : 

C  50-92 

H     512 

O  43  96 

10000 

Ich  halte  diese  Analysen  bereits  zwei  Jahre  liegen,  als  ich  das 
Fraxin  vom  FĂĽrsten  zu  S  alm-Horstmar  erhielt,  um  es  zu  analy- 
siren.   Die  in  Poggendorffs  Annalen  mitgetheilte  Analyse  ergab 

in  100  Theilen: 

C  51-356 
H  4-762 
0  43-882 

lölTooo- 

Ich  habe  mit  sorgfältig  gereinigtem,  aus  wasserfreiem  Alkohol 
wiederholt  umkrystallisirtem  Fraxin  aus  Fraxinus  in  Sauerstoffgas- 
strom eine  Verbrennung  gemacht. 

0-4351  Substanz  gaben  0-8272  Kohlensäure  und  0-1875  Was- 
ser, d.  i.  in  100  Theilen 

V  51-851 
H  4-788 
O  43-361 


100-000 

Die  Substanz  war  bei  einer  Temperatur  von  110°  —  113°C. 
im  trockenen  Luftstrom  getrocknet.  Wäre  die  Formel  des  Fraxin,  die 
in  Poggend  orffs  Annalen  mitgetheilt  wurde,  die  richtige  gewe- 
sen ,  so  hätte  durch  Spaltung  des  Fraxin  eine  Menge  von  36-66°/o 
Zucker  entstehen  mĂĽssen.  Das  unreine  Fraxin  aber  gab  schon  54% 
Zucker.  Die  Formel  des  Fraxin  oder  Paviin  ist  demnach  die  folgende  : 


40        Rochleder.  Ăśberd.  Vorkommen  d.  Fraxin  in  d.  Rinde  v.  Aesculus  Hippocast. 

I.  Fraxin  oder  Paviin  bei   einer  Temperatur  unter  110°  C.    im 
Vacuo  getrocknet: 

berechnet  gefunden 

C  54  =  324  ^5Toi"-  ^92~^5T33 
H31  =  31—  4-89—  512  —  502 
0  33  =  280-    4409—   4396—    4365 


635  —  100-00  —  100-00  —  100-00 

II.  Fraxin  oder  Paviin  bei  einer  Temperatur  von  110° — 113°C. 

getrocknet:  berechnet    gefunden 

C  54  =  324—    51-76—    51-85 

H30=    30—     4-79—      4  79 

0  34  =  272—    43-45—    4336 

626  —  10000  —  10000 

III.  Fraxetin: 

berechnet      gefunden 

C  30  =  180  -^sl^T-T^lTir 
H12=   12—      3-75  -      3-625 
0  16  =  128—    40-00—   40.200 
320  —  10000  —  100-000 
C54H30O34  +  6HO  =  CsotWWf  2  (CI3H13012) 
Fraxin  Fraxetin 

Das  Fraxin  ist  also  ganz  analog  dem  Äsculin  zusammengesetzt, 
das  in  C36Hi30i6  +  2  (C13H130i3)  zerfallt. 
Äsculetin 
Professor  H las i wetz  hat  das  Quercitrin  untersucht,  welches 
ich  neben  einer  andern  an  Zucker  reicheren  Verbindung  (dem  Quer- 
aescitrin)  in  den  Blättern  der  Rosskastanie,  so  wie  auch  in  den 
FrĂĽchten  (Kotyledonen)  gefunden  habe.  Das  Quercetin  spaltete  er 
in  Phloroglucin  und  Quercetinsäure,  welche  der  Formel  C34H13016 
entsprechend  zusammengesetzt  ist.  Das  Quercitrin  selbst  zerfallt 
in  C34H13016  +  C13H606  +  C13H13013.  In  den  Kapseln  der  FrĂĽchte 
zur  Zeit  der  Reife  habe  ich,  wiewohl  nicht  jedes  Jahr,  eine  krystal- 
lisirte  Säure  aufgefunden,  die  ich  Capsulaescinsäure  nenne.  Ihre 
Zusammensetzung  ist  C36H13016,  sie  ist  isomer  mit  der  dreifach- 
acetylirten  Gallussäure,  die  Professor  Hlasiwetz  darstellte,  weil 
es  möglich  schien,  die  Capsulaescinsäure  auf  diese  Weise  künstlich 
zu  bilden.  In  der  That  reagiren  beide  Säuren  gleich  gegen  Eisen- 
oxydsalzlösungen, färben  sich  beide  gleich  roth  durch  Atzkalilösung 
u.  s.  w.  Aber  während  die  Capsulaescinsäure  unzersetzt  sublimirt, 
gibt  die  acctylirte  Gallussäure  eine  Menge  Essigsäure,  die  aus  der 
Capsulaescinsäure  nicht  erhalten  werden  kann. 


Kner.  Zur  Charakteristik  und  Systematik  der  Labroiden.  41 

Alle  diese  Materien,  auf  die  ich  hier  nicht  näher  eingehe, 
unterscheiden  sich  durch  ihren  Kohlenstoffgehalt,  bei  gleichem  Was- 
serstoff- und  Sauerstoffgehalt. 

CsgHtaOje  =  Äsculetin, 
C34H13016  =  Quercetinsäure, 
C3oHia016  ~  Fraxetin, 
C26rI130I6  =  Capsulaescinsiiure. 

Die  weiteren  Details  der  Untersuchung  dieser  Körper  verschiebe 
ich  bis  zur  Zeit,  wo  die  Untersuchung  der  Rosskastanie  beendet 
sein  wird. 


Zur  Charakteristik  und  Systematik  der  Labroiden. 
Vom  c.  M.  Prof.  Dr.  Rad.  Rner. 

(Mit  2  Tafeln.) 

Kein  Zoologe  wird  die  Verdienste  verkennen,  welche  sich  Job- 
MĂĽller  um  die  Verbesserung  des  ichthyologischen  Systems  erwor- 
ben hat,  und  die  Verehrung,  die  der  grosse  Forscher  aller  Orten 
fand,  brachte  es  mit  sich,  dass  namentlich  in  deutschen  Landen  das 
von  ihm  in  seinem  berĂĽhmten  Werke  ĂĽber  die  Ganoiden  vorgeschla- 
gene System  der  Fische  fast  allgemein  adoptirt  und  jenes  von  C  u  v  i  e  r 
mehr  und  mehr  verdrängt  wurde.  Dennoch  ist  es  nicht  zu  bestrei- 
ten, dass  nicht  alle  Veränderungen ,  welche  Joh.  Müller  an  dem 
Systeme  Cuvier's  vornahm,  auch  als  wirkliche  Verbesserungen 
anzusehen  sind. 

Als  eine  dieser  Veränderungen,  welchen  kein  dauernder  Werth 
zuerkannt  werden  kann,  ist  die  BegrĂĽndung  der  Ordnung:  Pha- 
ryngognathi  zu  bezeichnen.  Fasst  man  zunächst  den  für  selbe  aufge- 
stellten Charakter  in's  Auge,  so  bemerkt  man,  dass  selber  nur  zwei 
positive  Merkmale  enthält,  nämlich:  „vereinigte  untere  Schlundkno- 
chen und  eine  Schwimmblase  ohne  Luftgang".  Die  ĂĽbrigen  noch  an- 
gefĂĽhrten Merkmale  sind  hingegen  durchaus  nicht  exclusiv;  sie  sagen 
nichts  mehr  aus,  wodurch  der  Begriff  der  Ordnung  als  einer  hohem 
Einheit  im  sogenannten  natürlichen  Systeme  sich  präciser  gestalten 
würde.  Sie  reduciren  sich  nur  auf  „entweder,  oder",  indem  theils 
Stachel-,  theils  Weichflosser,  theils  Knochenfische  mit  Rund-,  theils 


42  K  ii  e  r. 

mit  Kammschuppen  und  solche  mit  entweder  brüst -oder  bauchständi- 
gen Ventralflossen  in  den  Umfang  der  Ordnung  einbezogen  werden.  — 
Doch  selbst  abgesehen  davon  ,  dass  ein  derartiges  Zusammendrängen 
von  Merkmalen  und  Nichtmerkmaien  in  einen  Begriff  sicher  nicht 
dazu  beiträgt,  ihn  scharf  begrenzt  erscheinen  zu  lassen,  so  sind 
auch  die  angefĂĽhrten  positiven  Merkmale  nicht  derart,  dass  sie  die 
Ordnung  streng  abschliessen  würden;  im  Gegentheile  fände  eine 
consequente  Logik  Anlass,  in  BerĂĽcksichtigung  dieser  positiven 
Merkmale  allein  die  Grenzen  der  Ordnung  viel  weiter  hinauszu- 
rĂĽcken und  noch  eine  Menge  von  Gattungen  in  ihren  Bereich  zu 
ziehen,  welche  von  J.  MĂĽller  ausgeschlossen  blieben.  Ich  will 
hier  nicht  von  der  Schwimmblase  ohne  Luftgang  sprechen,  da  diese 
streng  genommen  gleichfalls  weder  ein  positives  noch  exclusives 
Merkmal  fĂĽr  die  Pharyngognathen  genannt  werden  kann,  sondern 
nur  die  vereinigten  unteren  Schlundknochen  sollen  hier  näher  in 
Betrachtung  gezogen  werden. 

J.  Müller  hat  mit  Recht  und  Vorbedacht  den  Ausdruck:  „ver- 
einigte" untere  Schlundknochen  gewählt,  da  es  nur  dadurch  mög- 
licb  wurde,  Gattungen  mit  wirklich  in  ein  StĂĽck  verwachsenen 
Schlundknochen  und  solche  mit  blos  in  der  Mittellinie  an  einander 
stossenden  in  eine  Ordnung  zu  bringen.  Ăśberblickt  man  aber  die 
verschiedenen  Familien  der  Pharyngognathen,  so  findet  man,  dass 
nur  die  Labroidei  cycloidei  MĂĽll,  wirklich  verwachsene  untere 
Schlundknochen  besitzen,  welche  blos  ein  StĂĽck  ohne  Spur  einer 
Nath  oder  Trennungslinie  in  der  Mitte  darstellen,  und  ĂĽberdies 
daselbst  am  dicksten  und  stärksten  sind.  Bei  den  Pomacentrinen 
(Labroidei  ctenoidei  MĂĽll.^  bilden  zwar  die  unteren  Schlundkno- 
chen auch  noch  ein  völlig  verwachsenes  Stück,  dessen  Mitte  jedoch 
allmählich  an  Dicke  und  Länge  abnimmt,  indem  bei  vielen,  nament- 
lich Pomacentrus  selbst,  die  beiden  SeitenstĂĽcke  nur  noch  vorne 
in  der  Mittellinie  verwachsen  sind,  alsbald  aber  weit  divergiren. 
Bei  Chromiden  (z.  B.  Acara,  Heros)  sind  die  unteren  Schlundkno- 
chen zwar  auch  in  der  Mittellinie  wie  bei  allen  cycloiden  und  man- 
chen ctenoiden  Labroiden  (im  Sinne  J.  MĂĽller's)  am  breitesten  und 
dicksten,  aber  nicht  mehr  verwachsen,  sondern  daselbst  getrennt. 
Lezteres  ündet  aber  auch  häufig  ganz  deutlich  bei  den  Scombereso- 
ces  Statt,  die  sich  in  einer  und  derselben  Ordnung  mit  den  Labroi- 
den und  Chromiden  ohnehin  nicht  natĂĽrlich  gestellt  ausnehmen. 


Zur  Charakteristik  und  Systematik  der  Labroiden.  4  3 

In  der  Mittellinie  an  einander  stossende,  jedoch  von  einander 
getrennte  untere  Schlnndknochen  linden  sich  ĂĽbrigens  noch  in  ande- 
ren Familien  vor,  so  namentlich  bei  Scomberoiden,  z.  B.  der  Gattung 
Caranx,  Trachinotiis ,  bei  Labyrinthfischen,  wie  Anabas,  Osphro- 
menas  und  auch  bei  Gobioiden,  z.  B.  Callionymus  u.m.  a.,  welche 
Fische  demzufolge  ehen  so  consequenter  Weise  zu  den  Pharyngo- 
gnathen  gerechnet  werden  mĂĽssten,  als  dies  auch  mit  Pogonias  unter 
den  Sciaenoiden  u.  m.  a.  der  Fall  ist.  —  Wohin  würde  aber  eine  solche 
Consequenz  fĂĽhren?  Unleugbar  auf  jenen  Weg,  den  man  zu  vermei- 
den sucht  und  als  Irrweg  längst  erkannte,  nämlich  zur  ConstructioR 
kĂĽnstlicher  Eint h eilungen,  denen  der  Werth  einer  natĂĽr- 
lichen Einheit  nicht  zuerkannt  werden  kann.  Und  als  eine  solche 
kĂĽnstliche  Einheit  scheue  ich  mich  nicht,  die  Ordnung  Pharyngo- 
gnathi  J.  MĂĽller's  zu  bezeichnen,  die  sich  auch  schwerlich  mehr 
einer  langen  Lebensdauer  erfreuen  dĂĽrfte. 

Nach  diesen  vorläufigen  Andeutungen  wende  ich  mich  aber, 
um  die  Grenzen  meiner  heutigen  Mittheilung  nicht  zu  ĂĽberschreiten, 
der  Familie  der  Labroiden  im  Sinne  Cuvier-Valenciennes'  zu. 
Was  nun  diese  im  Allgemeinen  anbelangt,  so  erscheint  sie  als  eine 
wahrhaft  natĂĽrliche.  Wenn  sie  auch  als  solche  nicht  jedem  Laien 
derart  in  die  Augen  springt,  wie  etwa  z.  B.  die  Familie  der  Pleuro- 
nectiden  oder  Rajaceen,  so  stellt  sie  sich  bei  näherer  Betrachtung 
doch  nicht  minder  als  natĂĽrliche  Einheit  heraus,  wie  z.  B.  die  Fami- 
lie der  Cyprinoiden.  —  Der  Charakter  der  Familie  wurde  auch 
bereits  von  Cuvier  so  glĂĽcklich  aufgefasst,  dass  sich  zu  den  von 
ihm  hervorgehobenen  Merkmalen  kein  wesentliches  mehr  hinzufĂĽgen 
lässt.  Nur  über  die  Stellung  derselben  unter  den  Stachelflossern 
könnten  Bedenken  erhoben  werden,  doch  soll  dieser  Punkt  erst  in 
einer  nächsten  Mittheilung,  die  sich  mit  dem  Flossenbaue  insbeson- 
dere befasst,  zur  Sprache  kommen.  Ich  glaube  nur  vorläufig  bemer- 
ken zu  dĂĽrfen,  dass  Cuvier  selbst  von  der  Stachelflossernatur 
aller  Labroiden  nicht  zweifellos  ĂĽberzeugt  gewesen  scheint,  da  er 
sie  an  die  Grenze  seiner  Acanthopteren,  gleichsam  als  vermittelndes 
Ăśbergangsglied  zu  den  Weichflossern  stellte.  Und  es  konnte  auch 
einem  Beobachter  von  so  durchdringendem  Geiste  wie  Cuvier  nicht 
entgehen,  dass  sich  Gattungen,  wie  Lachnolaimus ,  Scarns  u.  dgl. 
etwas  sonderbar  ausnehmen  neben  Stachelflossern ,  wie  Chaetodon- 
ten,  viele  Percoiden  u.  s.  w.  sind. 


44  K  n  e  r. 

Unter  allen  Merkmalen,  welche  den  Charakter  der  Labroiden 
ausmachen,  sind  aber  nur  die  völlige  Verwachsung  der  unteren 
Schlundknochen  und  die  Ruudschuppen  die  eigentlich  bezeichnenden. 
Erstere  ist  fĂĽr  diese  Familie  so  charakteristisch,  wie  es  die  Bezahnung 
der  unteren,  aber  getrennten  Schlundknochen  fĂĽr  die  Cyprinoiden 
ist;  es  findet  sich  in  gleicher  Weise,  wie  schon  erwähnt,  nur  noch 
bei  den  Pomacentrinen  vor,  welche  sich  aber  ausser  den  ctenoideu 
Schuppen  noch  in  anderen  Beziehungen  (auf  die  einzugehen  hier 
nicht  beabsichtigt  wird)  so  wesentlich  unterscheiden,  dass  schon 
J.MĂĽller  sie  mit  Recht  als  eigene  Familie  von  den  Labroiden  trennte. 
Jedenfalls  erscheint  dieses  von  den  Schlundknochen  entnommene 
Merkmal  fĂĽr  die  Charakteristik  von  derartiger  Bedeutung,  dass  jede 
Gattung,  bei  welcher  selbes  fehlt,  auch  nicht  als  Labroid  gelten 
kann ,  wenn  anders  die  Begrenzung  der  Familie  nicht  willkĂĽrlich  ver- 
rĂĽckt werden  und  sie  Anspruch  auf  den  Werth  einer  natĂĽrlichen 
haben  soll.  — Von  dieser  Ansicht  geleitet,  trennte  daher  J.  Müller 
ebenfalls  ganz  richtig  die  Familie  der  Chromiden,  da  bei  ihnen  keine 
solche  Verschmelzung  der  Schlundknochen  in  ein  StĂĽck  sich  mehr 
vorfindet.  Und  aus  gleichem  Grunde  ist  aus  der  Familie  der  Labroi- 
den auch  die  Gattung  Malacanthus  auszuscheiden,  bei  welcher  die 
schmalen,  mit  Hechelzahnen  besetzten  unteren  Schlundknochen  nicht 
einmal  in  der  Weise  vereinigt  sind,  wie  bei  Chromis  und  Pseudo- 
chronĂĽs  1). 

Nach  Ausscheidung  aller  fremdartigen  Bestandteile  und  bei 
strengem  Festhalten  an  den  beiden  Merkmalen:  ein  untheil- 
barer  unterer  Schlundknochen  und  c y c  1  o i d  e  Schuppen, 
stellt  sich  dann  die  Familie  der  Labroiden  als  eine  wahrhaft  natĂĽr- 
liche dar.  Im  Folgenden  werde  ich  nun  nachzuweisen  versuchen, 
dass  die  Brauchbarkeit  der  Schlundknochen  bezĂĽglich  ihrer  Forin 
und  Bezahnung  weiter  reicht  und  sich  mit  gleichzeitiger  BerĂĽcksich- 
tigung anderer  Merkmale  eben  so  tauglich  zur  Unterscheidung  von 
Gattungen  erweist,  wie  dies  mit  den  Schlundzähnen  der  Cyprinoi- 
den der  Fall  ist.  Nur  muss  ich  vorerst  noch  bemerken ,  dass  man 
unrichtiger  Weise  gewöhnlich  angegeben  findet,  die  Schlundzähne 


)  Van  der  Hoeven  und  v.  Bleeker  scheiden  auch  bereits  diese  Gattung  aus 
und  weisen  selber  ihren  Platz  neben  den  sogenannten  labroidenähnlichen  Percoiden 
(Pinguipes,  Pereis)  au. 


Zur  Charakteristik  und  Systematik  der  Labroiden.  45 

aller  Labroiden  seien  kugelig  abgerundet.  Dies  ist  nun  allerdings  oft 
richtig,  allein  bei  Einigen,  wie  z.  B.  Coricus,  enden  sie  alle  spitzig, 
bei  Andern  zeigen  sie  flache  oder  schneidende  Kronen  (Scarus 
u.  dgl.)  Es  lassen  sich  darnach  die  verschiedenen  Gattungen  in  vier, 
freilich  nicht  sämmtlich  scharf  von  einander  getrennte  Gruppen  brin- 
gen, in  welche  sich  dann  die  einzelnen  Gattungen  folgendermassen 
vertheilen: 

a)  Alle  Zähne,  sowohl  in  dem  unteren  wie  den  oberen  Schlund- 
knochen sind  kugelig  oder  elliptisch  ab  gerund  et,  oder 
es  trägt  blos  das  vorspringende  Mittelstück,  der  Stiel,  des 
unteren  Schlundknochens  einige  zugespitzte  Zähne.  Hierher 
die  Gattungen:  Crenilabrus ,  Cossyphus,  Lachnolaimus, 
Cheilio  und   Chcilinus. 

b)  Theils  kugelige,  theils  spitze  Zähne,  sowohl  im 
unteren  wie  den  oberen  Schlundknochen  finden  sich  vor  bei : 
Labrus,  Tautoga,  Julis  (und  Halichoeres) ,  Epibulus,  Gom- 
phosus,  Xirichthys ,  Novacula  und  Anampses. 

c)  Bios  spitze  Zähne  bei:  Ctenolabrus,  Acantholabrus,  Coricus 
und  Labroides  Bleek. 

d)  In  Schneiden  auslaufende  oder  Kauflächen  bildende  Zähne 
besitzen:  Scarus,  Callyodon,  Odax ;  wahrscheinlich  auch  Sca- 
richthys  Bleek.  und  vielleicht  noch  Scarodon  Schleg. 

Von  den  älteren,  schon  in  der  Histoire  des  poissons  aufge- 
fĂĽhrten Gattungen  konnte  ich  nur  Clepticus  nicht  untersuchen. 
B.  Owen  gibt  hierĂĽber  in  seiner  berĂĽhmten  Odontography  (pag.  108) 
an:  „the pharyngeal  teeth  form  small  plates  with  a  serrated  mar- 
gin" und  nennt  sie  dann  später  „saw-like  plates".  Obwohl  man 
hieraus  über  die  Form  der  Schlundknochen  und  Zähne  nicht  völlig 
klar  wird ,  so  scheint  sie  doch  eine  dieser,  dem  Epibulus  nahe  ste- 
henden Gattung  eigentümliche  zu  sein.  —  Über  die  von  Schlegel 
in  der  Fauna  japonica  als  Cirrhilabrus  benannte  und  auf  pl.  86, 
Fig.  3  abgebildete  Gattung  lässt  sich,  da  über  die  Schlundknochen 
jede  Angabe  fehlt,  nur  bemerken,  dass  sie  allerdings  in  die  Familie 
der  Labroiden  hineinsieht,  obwohl  sie  auch  namentlich  durch  die 
mit  einem  fadig  verlängerten  Strahle  versehenen  Bauchflossen  an 
Labyrinthfische  mahnt. —  Von  den  neueren  durch  von  Bleek  er  auf- 
gestellten Gattungen  scheint  Xiphocheilus  der  zweiten  Gruppe  anzu- 
gehören ,  wie  sich  aus  den  Worten :  „dent es  pharyngeales  conico- 


46  K  n  e  r- 

graniformes"  in  der  Diagnose  derselben  entnehmen  lässt.  Über 
desselben  Gattung  Labriclithys  finde  ich  bezĂĽglich  der  Schlundkno- 
chen keine  Angabe  vor;  dessgleichen  ĂĽber  die  Gattung  Duymaeria, 
die  dem  Crenilabrus  nahe  zu  stehen  scheint. 

Indem  ich  nun  zu  den  einzelnen  Gattungen  mich  wende,  glaube 
ich  die  Abbildungen  ihrer  Schlundknochen  um  so  mehr  beifĂĽgen  zu 
dĂĽrfen,  als  es  unter  gleichzeitiger  BerĂĽcksichtigung  anderweitiger 
Merkmale  dadurch  möglich  wird ,  sie  noch  schärfer  als  bisher  zu 
charakterisiren  und  als  ĂĽberhaupt  die  Formenunterschiede  derselben 
bisher  nicht  genĂĽgend  gewĂĽrdigt  wurden.  Denn  selbst  in  R.  Owen's 
Odontography  sind  nur  die  Schlundknochen  von  3  Labroiden  abge- 
bildet,  nämlich  auf  pl.  48  und  auf  pl.  45  in  Fig.  3  und  o  (in  Text 
und  Figur  fälschlich  4  angegeben,  welche  Nummer  sich  jedoch  auf 
Chrysophrys  bezieht). 

a)  Ich  beginne  mit  jenen  Gattungen,  die  blos  oder  doch 
grĂĽsstentheils  kugelig  abgerundete  Schlund  zahne  be- 
sitzen. 

Crenilabrus.  Der  untere  Schlundknochen  in  der  Mitte  stark  ver- 
dickt, mit  convexem  Hinterrande  und  m  eh  reren  Zahn  reihen,  von 
denen  die  mittleren  und  hinteren  Kugelzähne  grösser  sind;  das  vor- 
springende MittelstĂĽck  oder  der  Stiel  mit  einer  einfachen  oder  dop- 
pelten Reihe  kleiner  rundlicher  Zähne  besetzt.  —  Fig.  1  von  Crem. 
pavo ;  Fig.  2  von  Cren.  Roissalü;  beide  etwas  vergrössert. 

Zwischen -und  Unterkiefer  tragen  bei  dieser  Gattung  blos  eine 
einfache  Reihe  von  Zähnen,  deren  wenig  vorragende  Spitzen  sich 
leicht  abstumpfen,  wodurch  sie  dann  fast  Schneidezähnen  ähnlich 
sehen;  — Vordeckel  bezahnt,  Wangen  und  Deckelstücke  beschuppt, 
Mund  nicht  vorstreckbar. 

Cheilinus.  Das  Mittelstück  des  unteren  Sehlundknochens  trägt 
nur  zwei  complete  Querreihen  von  Kugelzähnen,  unter  denen  der 
mittlere  in  hinterer  Reihe  der  grösste  ist;  die  oberen  Schlundknochen 
gleichfalls  mit  kugeligen  Zähnen  besetzt.  — Fig.  3  von  Cheilin.  fascia- 
tus,  in  natürlicher  Grösse  *). 


')  Van  der  Hoeven  gibt  in  seinem  Ilandh.  d.  Zoolog-.  Bd.  II,  S.  143  heim  Cha- 
rakter dieser  Galtung  an  :  „dentes  pharyngeales  in  aliis  conici,  in  aliis  cylindrici 
aut  glohosi".  Inwieweit  diese  Angabe  richtig  ist,  lässt  sieh  kaum  entscheiden,  da 
viele  Genera  daselhst  nicht  angefĂĽhrt  sind  und  daher  nicht  klar  wird,  ob  und 
«reiche  andere  Galtungen  vielleicht  zu  dieser  hinzugezählt  werden. 


Zur  Charakteristik  und   Systematik  der  Labroiden.  4- 7 

In  der  Mitte  jeden  Kiefers  zwei  längere  (Hunds-)  Zähne,  hinter 
welchen  einige  kleine  stumpfe  und  zwischen  den  beiden  oberen  noch 
zwei  kürzere  Spitzzähne  stehen;  an  den  Seiten  der  Kiefer  blos  eine 
einfache  Reihe  spitzer  Zähne.  Lippen  sehr  dick,  mit  tiefen  papillösen 
Längsfalten,  an  der  Wange  zwei  Reihen  grosser  Schuppen,  Seiten- 
linie unterbrochen,  die  letzte  Schuppe,  an  der  sie  auf  der  Basis  der 
Caudale  endet,  grösser  und  langgestreckt. 

Cossyphus.  Die  Schlundknochen  mit  mehreren  Reihen  meist 
sehr  kleiner  Zähne  dicht  besetzt,  die  an  den  Rändern  der  Knochen 
in  mehreren  Reihen  ĂĽber  einander  stehen;  die  zwei  mittleren 
und  elliptischen  Zähne  letzter  Reihe  im  untern  Schlundknochen  sind  die 
grössten  von  allen;  blos  die  Randzähne  am  Stiele  enden  spitz.  —  Fig.  4 
von  Coss.  Bodianus  in  nat.  Gr.  (Völlig  gleich  verhält  sich  auch 
Cos.  mesothorav.)  Im  Zwischen-  und  Unterkiefer  vier  längere  nach 
vorwärts  gerichtete  Zähne,  hinter  welchen  sich  eine  aus  verschmol- 
zenen Höckerzähnen  bestehende  Platte  anlegt,  die  in  beiden  Kiefern 
eine  aufstehende  gezähnelte  Kante  bildet  *).  Diese  Zahnplatte  endet 
am  Zwischenkiefer  im  Mundwinkel  in  einen  längeren  Hundszahn  mit 
breiter  Basis.  Vordeckel  der  ganzen  Länge  nach  fein  und  gleich- 
massig  gezähnelt,  Rücken- und  Afterflosse  überschuppt. 

Cheilio.  Der  Körper  des  untern  Schlundknochens  mit  drei  com- 
pleten  Reihen  von  Zähnen  besetzt,  der  Stiel  in  der  Mitte  verdickt 
und  daselbst  ebenfalls  eine  dreifache  Reihe  stumpf  spitzer  Zähne 
tragend.  Beiderlei  Schlundknochen  sind  nicht  wie  bei  der  vorigen 
Gattung  mit  einer  Platte  besetzt,  die  aus  mehreren  ĂĽber  einander  lie- 
genden Reihen  verschmolzener  Zähne  bestände.  — Fig.  5  von  Cheilio 
hemichrysos  in  natürlicher  Grösse. 

Totalgestalt  gestreckt,  Sphyränen- ähnlich,  Schnauze  verlän- 
gert, zugespitzt,  aber  die  Innenseite  der  fleischigen  Lippen  wie  bei 
allen  echten  Labroiden  längs  gefaltet  und  mit  Papillen  besetzt;  Zwi- 
schenkiefer protractil,  die  Bezahnung  zunächst  an  Cossyphus  mah- 
nend. Die  einfache  Reihe  von  konischen  ungleich  langen  Zähnen 
in  beiden  Kiefern  erhebt  sich  unmittelbar  ĂĽber  Platten,  welche  gleich- 
falls aus  verschmolzenen  Pflasterzähnen  bestehen  und  oben  den  gröss- 


')  Es  hat  den  Anschein  als  trĂĽgen  die  Kiefer  daselbst  eine  einfache  Reibe  ungleich 
langer  Spitzzähne,  sie  machen  aber  mit  den  tiefer  und  nach  einwärts  liegenden 
verschmolzenen  Reihen  von  Pflasterzähnen  eine  ähnliche  continuirliche  Platte  aus, 
wie  dies  an  den  Schlundknochen  der  Fall  ist. 


48  K  n  e  r. 

ten  Theil  des  Vordergaumens  (mit  Ausnahme  des  Vomer)  besetzt 
halten,  im  Unterkiefer  aber  nur  einen  schmalen  Streif  bilden.  —  Kopf 
und  DeckelstĂĽcke  unbeschuppt,  Seitenlinie  bis  zur  Caudale  gerade 
verlaufend  mit  weiten,  gegen  den  Rand  strahlig  auslaufenden  Neben- 
röhrchen;  alle  Flossenstrahlen  biegsam. 

Lachnolaitnus.  Der  Körper  des  untern  Schlundknochens  trägt 
zahlreiche  (ß — 6)  Zahnreihen,  von  denen  die  hintern  mittleren, 
besonders  in  letzter  Reihe  die  grössten  sind;  sie  bestehen,  wie  bei 
Cossyphus  aus  mehreren  verschmolzenen  Reihen  ĂĽber  einander. 
—  Fig.  6  von  Lachnol.  caninus,   vergrössert. 

Das  am  meisten  in  die  Augen  springende  Merkmal  dieser  Gat- 
tung bilden  die  drei  ersten,  verlängerten  und  biegsam  weichen  Strah- 
len der  Dorsale,  hinter  denen  erst  kürzere  steife  und  stachelähnliche 
folgen. 

b)  Mit  der  folgenden  Gattung  beginnt  die  Reihe  von  Labroiden, 
bei  welchen  die  Zahl  der  spitzen  Schlundzähne  zunimmt  und 
allmählich  vorherrschend  wird. 

Labrus.  Der  untere  Schlundknochen  mit  concavem  Hinterrande, 
Körper  und  Stiel  mit  drei  compl  et en Zahnreihen,  von  denen  nur  die 
zugleich  grössten  der  letzten  Reihe  kugelig  abgerundet,  alle  andern 
aber,  so  wie  auch  die  der  obern  Schlundknochen  mehr  weniger  spitz 
enden.  — Fig.  7  von  Lahr,  mixtus,  vergrössert. 

Schnauze  zugespitzt,  Lippen  gross  und  dick,  Zähne  blos  im 
Zwischen- und  Unterkiefer  und  zwar  etwas  längere  spitze  in  äusserer 
Reihe,  von  denen  die  mittleren  Hundszähne  sind;  Wange,  Deckel 
und  Unterdeckel  beschuppt,  Vorderdeckel  nicht  (Nebenkieme  wie 
bei  allen  Labroiden  gross,  fransig),  Seitenlinie  nicht  unterbrochen, 
mit  einfach  aufgesetzten  Röhrchen,  meist  nur  an  jeder  zweiten 
Schuppe  mĂĽndend. 

Ob  die  Gattung  Tautoga  sich  bezüglich  der  Schlundzähne 
zunächst  an  die  vorige  anreiht,  kann  ich  vorerst  nicht  behaupten,  da 
der  untere  Schlundknochen  meinem  Exemplare  fehlt;  die  theils  spitzen, 
theils  abgerundeten  Zähne  der  oberen  Schlundknochen  lassen  aber 
auf  ähnliche  Formen  auch  im  untern  schliessen.  —  Diese  Gattung  ist 
ĂĽbrigens  ohnehin  charakterisirt,  durch  die  enorme  Lippenausbildung 
und  starke  Faltung,  wie  auch  durch  die  zwei  langen,  geraden,  schief 
nach  vorne  gerichteten  mittleren  Zähne  im  Zwischen-  und  Unter- 
kiefer, hinter  welchen  allein  in  zweiter  Reihe  kleine  konische  Zähne 


Zur  Charakteristik  und  Systematik  der  Labroiden.  49 

stehen,  während  die  Seiten  beider  Kiefer  nur  eine  einfache  Reihe 
kleiner  ziemlich  stumpfer  Zähne  tragen. 

Julis.  In  Betreff  dieser  so  artenreichen  Gattung  muss  ich  vor 
allem  bemerken,  dass  ich  nach  sorgfältiger  Untersuchung  vieler  Arten 
die  Ăśberzeugung  gewann,  es  sei  eine  Trennung  derselben  in  minde- 
stens zwei  Genera  nicht  blos  durchführbar,  sondern  nöthig.  Da  schon 
RĂĽppel  dies  versuchte,  so  glaube  ich  auch  den  von  ihm  eingefĂĽhr- 
ten Gattungsnamen  Halichoeres  wieder  benĂĽtzen  zu  sollen ,  um  nicht 
die  Systematik  mit  einem  neuen  Worte  zu  beschweren.  —  Den  Cha- 
rakter der  Gattung  Halichoeres  begrĂĽnde  ich  jedoch  auf  andere  Merk- 
male, als  dies  von  RĂĽppel  geschah,  der  hiebet  blos  das  Vorhan- 
densein eines  längeren  Hundszahnes  am  Mundwinkel  im  Auge  gehabt 
zu  haben  scheint.  Cuvier  und  Valenciennes  legten  aber  mit 
Recht  auf  dieses  Merkmal  allein  kein  grosses  Gewicht  und  anerkann- 
ten RĂĽppeTs  Gattung  nicht.  Im  Regne  animal  deutete  Cuvier 
auf  die  Form  der  Schwanzflosse  hin,  um  darnach  die  grosse  Zahl 
der  schon  ihm  bekannten  Arten  in  Gruppen  zu  bringen.  Ich  habe 
bei  den  von  mir  untersuchten  Arten  hierauf  vorerst  keinen  Be- 
dacht genommen ,  sondern  nur  auf  die  Bezahnung.  Dieser  zufolge 
scheiden  sich  aber  alle  mir  näher  bekannten  Arten  in  folgende 
zwei  Gruppen: 

1.  Bei  der  einen  ist  der  nach  hinten  convexe  untere  Schlund- 
knochen in  der  Mitte  mit  kugelig  abgerundeten  Zähnen  besetzt,  von 
denen  der  mediane  in  letzter  Reihe  der  grösste  ist;  er  trägt 
überdies  meist  drei  complete  Reihen  von  Zähnen;  in  der  Mitte 
der  Kiefer  stehen  verlängerte  Spitzzähne.  Ich  vereinige 
diese  Arten  in  die  Gattung  Julis. 

2.  Bei  der  zweiten  Gruppe  ist  der  am  Hinterrande  coneave 
untere  Schlundknochen  nur  mit  zwei  Quer  reihen  von  Zähnen 
besetzt,  von  denen  die  hintere  grössere  und  compresse  Zähne 
besitzt,  welche  vorne  schief  abgedacht,  nach  rückwärts  in  eine  Spitze 
sich  erheben.  Der  mediane  Zahn  daselbst  zeichnet  sich  meist  eben- 
falls durch  Grösse  aus;  die  mittleren  Zähne  der  Kiefer  sind  nicht 
verlängert  und  enden  mit  schneidendem  Rande.  — Für  diese  Arten 
wähle  ich  den  Gattungsnamen  Halichoeres. 

Ăśbrigens  finden  sich  bei  beiden  also  charakterisirte  i  Gattungen 
Arten  vor,  die  einen  vorstehenden  Zahn  am  Mundwinkel  (Hundszahn) 
besitzen    und   andere,   denen   ein   solcher   fehlt.   Unter   den   sicher 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Gl.  XL.  Bd.  Nr.  7.  4 


50  K  n  e  r. 

bestimmten  Arten  meiner  Sammlung  erwiesen  sich  bei  der  Unter- 
suchung als  echte  Julis  und  zwar: 

a)  Mit  Hundszahn  am  Mundwinkel:  Jul.  vulgaris,  Geofredi, 
modestus,  annularis,  elegans  (un<\  Leschenaulti?) ,  nebidosus, 
poecilopterus. 

b)  Ohne  Hundszahn  am  Mundwinkel:  Jul.  purpureus  (Fig.  8 
Schlundknochen  desselben),  lunaris ,  variegutus  und  einige 
noch  unbestimmte  Arten  aus  Java. 

Als  Halle  Ihm  res  ergaben  sich  und  zwar: 

a)  Mit  Hundszahn  im  Mundwinkel:  Jul.  Sebae  (Fig.  9  Schlund- 
knochen  desselben),  balteatus  und  eine  unbestimmte  Art  aus  Am- 
boina,  die  sich  durch  besonders  compresse  und  spitze  Zähne  in 
zweiterReihe  am  untern  Schlundknochen  auszeichnet  (Fig.  10). 

b)  Ohne  Hundszahn:/«/,  strigiventeru.e.  noch  unbestimmte  Arten. 
Wie  sich  die  beiden  hier  unterschiedenen  Gattungen  bezĂĽglich 

der  Schlundzähne  verhalten,  so  ist  dies  auch  mit  den  zwei  Gattun- 
gen Xirichthys  und  Anampses  der  Fall;  erstere  schliesst  sich  in  dieser 
Hinsicht  zunächst  an  Julis,  leztere  an  Halichoeres  an. 

Bei  Xirichthys  trägt  der  Körper  des  untern  Schlundknochens 
m  ehr  als  zwei  Reihen  von  Zähnen,  die  der  letzten  Reihe  sind  zwar 
verlängert  aber  abgerundet  und  die  vier  mittleren  am  grössten ;  der 
besonders  lange  Stiel  ist  mit  zwei  Reihen  spitzer  Zähne  besetzt1). —  Die 
von  der  vorigen  durch  Valenciennes  getrennte  Gattung Novaeula 
stimmt  bezüglich  der  Schlundzähne  völlig  mit  ihr  überein  und  die 
Untersuchung  von  drei  Arten,  Nov.puuctulcda  (deren  Schlundknochen 
Fig.  11  zeigt),  pentadaetyla  und  tesselata  Hess  mich  ĂĽberhaupt 
keinen  andern  Unterschied  von  Xirichthys  gewahren  als  die  klein 
beschuppten  Wangen.  Allen  kommt  gemeinsam  zu:  Die  compresse 
Gestalt,  die  hohe  steil  abfallende  Stirn,  die  zu  Hundszähnen  verlän- 
gerten mittleren  Zähne  im  Zwischen-und  Unterkiefer  und  die  unter - 


')  Die  untersuchte  Art  steht  dem.V.  iorquatus  C.  V.  zunächst  durch  gestreckte  Gestalt, 
kleine  Schuppen  und  die  Zahl  der  Flossenstrahlen  :  I).  9/12,  A.  2/12 ;  doch  ist  die 
Totalgestalt  noch  niederer  und  .schlanker,  als  sie  die  Abbildung  von  torqnalus  in 
Fig.  392  zeigt,  die  Schuppen  sind  noch  kleiner  und  auch  die  Fiirhung  weicht  etwas 
ah.  Mein  Exemplar  ist  nämlich  von  halber  Länge  angefangen  regelmässig  mit 
schmalen  schwarzbraunen  Querbinden,  lĂĽ"  an  der  Zahl,  geziert,  von  denen  ein  Paar 
sieh  gegen  die  Basis  der  Analflosse  gabelig  theilt;  Vorderrumpf  und  Kopf  sind  ohne 
Binden  und  nur  der  Hand  des  Deckels  vor  dessen  rundlichem  Ilaullappen  ist  dunkel? 
braun  gefleckt.  —  Es  stammt  aus  Amhoina. 


Zur  Charakteristik  und   Systematik  der  Labroiden.  51 

brochene  Seitonlinie.  Ob  die  Beschuppung  der  Wangen  fĂĽr  sich 
allein  als  Gattungsmerkmal  genĂĽgend  erscheint,  lasse  ich  dahin 
gestellt  sein,  nur  muss  ich  erwähnen,  dass  ich  bei  den  von  mir  unter- 
suchten Arten  beider  Gattungen  hinter  der  äussern  Reihe  von  koni- 
schen Zähnen  in  den  Kiefern  noch  eine  Binde  verschmolzener  kurzer 
und  stumpfer  Zähne  wahrnehme,  während  sowohl  Cuvier  und 
Va  lenciennes,  wie  auch  van  d  er  Ho  e  ve  n  nur  von  einer  ein- 
fachen Reihe  von  Zähnen  in  den  Kiefern  sprechen. 

Anampses.  Der  untere  Schlundknochen  nur  mit  zwei  Quer- 
reihen von  Zähnen,  wie  bei  Halichoeres  besetzt;  die  der  hintern 
Reihe,  namentlich  die  mittleren,  bedeutend  grösser  und  weit  die  vor- 
dem ĂĽberragend,  stark  compress  und  nach  hinten  in  eine  Spitze  sich 
erhebend.  —  Fig.  12  von  An.  meleagrides ,  a  in  der  Seitenansicht. 

Diese  Gattung  zeichnet  sich  ĂĽbrigens  auf  den  ersten  Blick  durch 
zwei  schief  nach  auswärts  gebogene  Zähne  im  Zwischenkiefer  und 
zwei  nach  abwärts  gerichtete,  Stosszähnen  ähnliche,  starke  Spitzzähne 
im  Unterkiefer  aus.  Die  beiden  grossen  Zähne  des  Zwischenkiefers 
sind  übrigens  bald  schaufeiförmig  wie  bei  An.  meleagrides ,  bald 
enden  sie  in  eine  Spitze  wie  bei  An.  Tivistii  Bleek.  Zwischen  ihnen 
ragt  von  der  Lippe  ein  mit  Papillen  bedeckter  fleischiger  Zapfen 
herab.  Der  Kopf  ist  nackthäutig,  die  Schuppen  des  Rumpfes  sind 
gross,  die  des  VorderrĂĽckens  klein  und  stark  zugespitzt,  die  kleinsten 
liegen  an  der  Brust;  Seitenlinie  nicht  unterbrochen. 

Gromphosns.  Der  untere  Schlundkn  ochen  mit  mehreren  Quer- 
reihen stumpf  spitzer  Zähne  besetzt,  die  der  letzten  Reihe  grösser, 
sehwach  compress,  nach  hinten  in  eine  Spitze  sich  erhebend;  am  Stiele 
drei  Reihen  spitzer  Zähne.    —  Fig.   13,  von  Gomph.  Cepedianus. 

Die  röhrenförmig  verlängerte  Schnauze,  an  deren  Ende  die 
kleine  MundötTnung  sich  befindet,  ist  das  hervorstechende  Merkmal 
dieser  Gattung.  Die  Kieferzähne,  von  denen  zwei  mittlere  oben  und 
unten  etwas  länger  sind,  stehen  in  einfacher  Reihe;  Kopf  völlig  unbe- 
schuppt,  Auge  klein,  Seitenlinie  nicht  unterbrochen. 

Epibulus.  Unterer  Schlundknochen  mit  mehreren  Reihen  von 
Zähnen,  die  vordem  klein,  theils  kugelig,  theils  stumpfspitzig,  die  der 
letzten  Reihe  bedeutend  grösser,  sämmtlich  spitz  endend.  —  Fig.  14, 
von  Epib.  insidiator,  vergrössert. 

Während  bei  Gomphosus  die  Schnauze  in  eine  unbewegliche 
Röhre  verlängert  ist,  kann  hier  der  Mund  willkürlich  in  ein  langes 

4  6 


5  C  K   n  e  r. 

Rohr  vorgestreckt  werden.  Kieferzähne  in  einfacher  Reihe,  zwei  mitt- 
lere oben  und  unten  grösser  und  nach  vorwärts  gerichtet;  Kopf  und 
Rumpf  gross  beschuppt  (in  Schuppen-  und  Flossenbildung  zunächst 
der  Gattung  Cheilinus  stehend):  Seitenlinie  unterbrochen. 

c)  Die  folgenden  vier  Gattungen  gehören  der  Gruppe  von  La- 
broiden  an ,  welche  blos  mehr  oder  minder  spitze  Schlund- 
zähne, sowohl  oben  als  unten  besitzen;  bieher  als  Übergangsglied 
zunächst: 

Acantholabrus.  Alle  Schlundzähne  verlängert  und  mehr  minder 
zugespitzt,  blos  die  mittleren  der  hinteren  oder  zweiten  completen 
Reihe  des  unteren  Schlundknochens  abgerundet,  am  verdickten  Stiele 
drei  Reiben  von  Zähnen.  —  Fig.  15,  von  Actuith.  Pallonii,  c.  os 
pharyng.  inf.,  von  der  Seite,  in  natürlicher  Grösse. 

Die  Kiefer  tragen  dicke  konische  Zähne  in  äusserer  Reihe,  hin- 
ter welchen  kleinere  eine  schmale  Binde  bilden,  Vordeckel  gezähnelt, 
4 — 6  Stacheln  in  der  Afterflosse. 

Ctenolabrus.  Im  unteren  und  den  oberen  Schlundknochen  blos 
spitze  Zähne,  der  Körper  des  ersteren  mit  drei  completen  Querrei- 
hen, von  denen  die  hintere  die  grössten,  seitlich  schwach  compresse 
Zähne  enthält;  am  Stiele  2 — 3  Reihen  spitzer  Zähne. 

In  beiden  Kiefern  steht  hinter  den  längeren  konischen  Zähnen 
äusserer  Reihe,  von  denen  die  vier  mittleren  des  Zwischenkiefers  zu 
Hundszähnen  verlängert  sind,  eine  schmale  Binde  kurzer,  ziemlich 
dicker  Spitzzähne.  Nur  der  senkrechte  Rand  des  Vordeckels  bis 
gegen  den  Winkel  bezahnt;  blos  drei  Stacheln  in  der  Afterflosse. 

Coricus.  Schlundknochen  fast  wie  bei  der  vorigen  Gattung  mit 
konischen,  rasch  in  eine  Spitze  endenden  Zähnen  besetzt;  die  oberen 
mit  4  — 5  Reihen;  der  Körper  des  unteren  mit  drei,  der  Stiel  mit  einer 
einfachen. 

Kopf  verlängert,  zugespitzt,  die  vorsl reckbaren  Kiefer  mit  einer 
einfachen  Reihe  von  Spitzzähnen,  der  verticale  Rand  des  Vordeckels 
gezähnelt,  Seitenlinie  nicht  unterbrochen. 

Gattung  Labroides  B 1  e e  k.  (Flssllabrus  M  i  h  \).  R ĂĽ  p  p  e  1  hatte 
in  seinen  „neuen  Wirbelthieren  des  rothen  Meeres"  eine  Art  als 
LabruS  latovittatus  beschrieben  und  Taf.  2  abgebildet,  welcher  in  der 
H'istoire  des  poissons  als  Cossyphus  dimidiatus  C.  V.  angefĂĽhrt 
wird.  Ich  erhielt  (im  Jahre  1857)  diesen  niedlichen  Fisch  mit  einer 
Sendung  von  Bleeker  aus  Java  und  fand  bei  näherer  Untersuchung, 


Zur  Charakteristik  und  Systematik  der  Labroideii.  53 

diiss  er  weder  der  Gattung  Labrus,  noch  Cossyphus ,  noch  irgend 
einer  andern  bisher  aufgestellten  zugezählt  werden  kann,  sondern 
als  Vertreter  einer  eigenen,  streng  sich  abgrenzenden  Gattung  anzu- 
sehen ist.  RĂĽpp  eis  Beschreibung  und  Abbildung  sind  so  naturgetreu, 
dass  ich  es  fĂĽr  ĂĽberflĂĽssig  erachte,  nochmals  eine  Copie  dieses  so 
ausgezeichnet  gefärbten  Fischchens  zu  geben;  ich  beschränke  mich 
daher  nur  darauf,  durch  Hervorheben  der  charakteristischen  Merk- 
male die  Aufstellung  als  eigene  Gattung  zu  rechtfertigen.  —  Unter 
diesen  erwähne  ich  zunächst  die  eigentümliche  Bildung  der  L  ippen, 
da  sich  hierauf  die  von  mir  gewählte  Benennung  der  Gattung  basirt. 
Beide  Lippen  sind  wie  gewöhnlich  dick,  ragen  aber  weit  über  die 
Kiefer  vor  und  jede  ist  in  der  Mittellinie  durch  eine  Einbuchtung  in 
zwei  spitz  auslaufende  Lappen  getheilt,  von  denen  die  des 
Unterkiefers  bedeutend  länger  als  jene  des  Zwischenkiefers  sind. 
Fig.  16  c  zeigt  den  geöffneten  Mund  von  vorne  schwach  vergrössert; 
diese  Lippenbildung  mahnt  etwas  an  die  Gattung  Mastacemblus. 
—  Nicht  minder  eigens  ist  auch  die  Bezahnung  der  Kiefer. 
Zwischen-  und  Unterkiefer  tragen  (jeder)  nur  zwei  lange  Hunds- 
zähne, hinter  denen  aber  Binden  von  Sammtzähnen  stehen,  die  im 
Zwischenkiefer  vorne  ansehnlich  lang  sind,  nach  hinten  aber  kĂĽrzer 
werden.  Im  Unterkiefer  reicht  diese  Zahnbinde  weiter  zurĂĽck  und 
nimmt  die  ganze  Breite  desselben  ein,  die  Zähne  sind  aber  durchaus 
viel  kürzer:  die  Seitenränder  der  Kiefer  sind  nicht  bezahnt.  — 
Ganz  ausgezeichnet  ist  ferner  die  Form  und  Bezahnung  der 
Schi  und  kn  och  en.  Der  untere  (Fig.  16  a  von  vorne  und  von  der 
Seite  in  natürlicher  Grösse)  trägt  blos  am  hintern  Rande  eine  ein- 
fache Reihe  von  10  ziemlich  gleich  starken,  weiss  email- 
lirten  Spitz  zahnen  und  an  seinem  langen  dĂĽnnen  Stiele  gleichfalls 
nur  eine  Reiheungleich  feinerer,  spitzer,  nicht  emaillirter  Zähne.  Die 
oberen  Schlundknochen  (Fig.  16  b)  stellen  kleine  Plättchen  vor,  an 
deren  Rande  fünf  weiss  emaillirte  Zähne  stehen  und  auf  deren  Fläche 
noch  ein  kleiner  Zahn  sitzt. 

Der  Mund  ist  nicht  vorstreckbar,  der  Vordeckel  nicht  gezäh- 
nelt,  aber  überschuppt;  die  mit  einfachen,  weiten  Röhrchen  mündende 
Seitenlinie  verläuft  nahe  dem  Rücken  und  biegt  am  Schwänze  rasch 
zur  halben  Höhe  herab,  ohne  aber  unterbrochen  zu  sein.  Die 
Schwanzflosse  ist  gerade  abgestutzt,  der  Schuppenbau  im  Wesent- 
lichen wie  bei  allen  Labruiden. 


54  K.  n  e  r. 

Erst  vor  wenigen  Tagen,  bereits  nach  Beendigung  dieser 
Arbeit  erhielt  ich  durch  v.  Bleeker's  gĂĽtige  Zusendung  seine  Enu- 
meratio  specierum  piscium  hucusque  in  Archipelago  indico  obser- 
vat.  (Batav.  1859  in  4.)  und  fand  daselbst  p.  93  den  Labrus  lato- 
vittatus  Riipp.  als Labroides  Ia(ointtati(sB\eek.  angefĂĽhrt  mit  dem 
Citate:  Acta  Societ.  scient.  Ind.Neerl.  II,  8.  Bidr.  Amb.  p.  73.  Da 
die  beiden  ersten  Bände  dieser  Acta  bisher  iuWien  nicht  aufzutreiben 
sind,  so  kann  ich  nur  vermuthen,  dass  sich  v.  Bleeker  durch  die- 
selben Merkmale  zur  BegrĂĽndung  dieser  Gattung  bewogen  fand, 
welche  mich  dazu  bestimmten  *). 

Dass  die  Artbenennung  Rüppel's  „latovittatus"  jener  von 
Valenciennes  „dimidiatus"  als  der  neueren  und  minder  gut  be- 
zeichnenden vorzuziehen  ist,  darin  theile  ich  v.  Blee  ker's  Ansicht, 
doch  dürfte  auch  der  von  mir  gewählte  Gattungsname  Fissilabrus 
passender  als  der  Bleeker'sche  erscheinen. 

d)  Die  letzte  Gruppe  der  Labroiden,  die  man  geradezu  als  Sca- 
r  o  i  d  e  n  bezeichnen  könnte,  bilden  jene  Gattungen,  deren  Schlundzähne 
theils  in  quere  Schneiden,  theils  in  Kau  flächen  auslaufen,  und 
bei  denen  auch  die  oberen  lang  gezogenen  und  mächtig  ausge- 
bildeten Schlundknochen  völlig  an  einander  stossen  und  in  der  Mittel- 
linie scheinbar  durch  Nath  vereinigt  sind.  Die  mit  einem  derart  aus- 
gezeichneten Kau-  und  Malmapparat  versehenen  Gattungen  unter- 
scheiden sich  jedoch  gerade  durch  die  Form  und  Bezahnung  der 
Schlundknochen  ebenfalls  in  charakteristischer  Weise  von  einander. 

Bei  der  Gattung  Scarus  ist  die  Mitte  des  untern  Schlund- 
knochens und  dessen  Stiel  in  eine  elliptische  oder  eiförmig 
concave,  allein  zahntragende  Platte  ausgebildet,  von  welcher  beider- 
seits die  kurzen  und  dicken  Gelenkstücke  wie  nach  aufwärts 
gekrümmte  Arme  oder  Henkel  abstehen.  Die  Zähne  sind  daselbst  in 
Querreihen  von  je  4 — 5  gestellt  und  laufen  theils  in  gewölbte 
Schneiden,  theils  in  mit  einer  Querfurche  versehene  schmale  Kau- 
flächen aus.  Dieselbe  Form  zeigen  die  Zähne  an  den  langen,  aber 
schmalen  obern  Schlundknochen ,  deren  jeder  nur  eine  ein- 
fache Längsreihe  von   Zähnen  trägt,  die  aber  mit  ihren  vorste- 


')  Es  werden  zu  ihr  noch  Labroiä.  paradiseus  und  xanthurus  gezählt;  ersterer  soll 
der  Figur  in  Heuard  I,  Tat'.  Ăś,  F.  131  entsprechen,  letztere  ist  in  den  Acta 
80i ict.  â– sticni.  I.  Man.  p.  !J2  beschrieben. 


Zur  Charakteristik  und  Systematik   der  Labroiden.  5t) 

henden  Rändern  derart  alternirend  in  einander  greifen,  dass  es  den 
Anschein  hat,  als  wären  die  beiden  Schlundknochen  in  der  Median- 
linie durch  Zickzacknath  vereinigt1)-  Die  Abbildung  der  Schlundkno- 
chen eines  Scarus  in  R.  Owen's  ĂĽdontography  ist  so  vorzĂĽglich, 
dass  es  unnöthig  erscheint,  hier  abermals  eine  zu  geben. 

Die  Verschmelzung  der  Kieferzähne  zu  Platten  zeichnet  zwar 
diese  Gattung  auf  den  ersten  Blick  aus,  doch  findet  sie  gerade  durch 
die  Gattung  Julis  hierin  einen  vermittelten  Ăśbergang2).  Die  grossen 
leicht  abfallenden  Schuppen,  deren  Structur  sich  wie  bei  allen 
Labroiden  verhält,  die  unterbrochene,  mehr  weniger  verästelte 
Seitenlinie  gehören  ebenfalls  noch  zu  den  äusseren  Merkmalen 
dieser  Gattung. 

fallyodon.  Der  dĂĽnne  Stiel  des  unteren  Schlundknochens  ragt 
frei  vor  und  wird  nicht  von  der  Zahnplatte  ĂĽberdeckt,  welche  doppelt 
so  breit  als  lang  und  der  Quere  nach  mit  5 — 6,  der  Länge  nach  mit 
7 — 8  Reihen  von  Zähnen  besetzt  ist,  die  übrigens  auch  theils  in  eine 
Schneide,  theils  schmale  Kaufläche  enden;  die  seitlichen  Gelenk- 
stücke sind  kurz  ,  dick,  schwach  nach  aufwärts  gekrümmt.  Jeder  der 
oberen  Schlundknochen  trägt  drei  Längsreihen  ähnlicher 
Zähne;  sie  sind  im  abgebildeten  Exemplare  von  Call,  hypselosoma 
Figur  17  eben  im  Wechsel  begriffen  und  theilweise  ausgefallen. 

Von  Scarus  unterscheidet  sich  diese  Gattung  noch  durch  die 
Bezahnung  der  Kiefer,  indem  die  einzelnen  Zähne  viel  mehr  geson- 
dert sind  und  mit  ihren  Spitzen  meist  frei  vorragen  und  zum  Theile 
wie  am  Zwischenkiefer  auch  nach  auswärts  gebogen  sind;  hinter 
ihnen   steht  oben  eine  zweite  Reihe  kleinerer  Zähne. 


')  Dass  die  Schlundzähne  der  Labroiden  überhaupt  ebenso  einem  Wechsel  wie  die 
der  Cyprinoiden  unterliegen,  davon  geben  die  Schlundknochen  von  allen  häulig 
Zeugniss.  Am  auffallendsten  ist  dies  aber  bei  den  Scaroiden ,  man  bildet  regel- 
mässig' unter  den  fungirenden  Zähnen  in  der  Höhlung-  des  Knochens  vorräthige 
Zahnkeime,  die  hier  um  so  nöthiger  erscheinen,  als  offenbar  die  Schlundknochen 
bei  Scaroiden  nicht  hlos  gegen  einander  drĂĽcken,  sondern  sich  auch  ĂĽber  einander 
verschieben.  Sie  gelten  demzufolge  als  Wiederkäuer  und  gehören  zu  jenen 
Fischen,  die  Töne  von  sich  geben. 

2)  Beide  Gattungen  verhalten  sich  ĂĽberhaupt  in  mehrfacher  Beziehung  parallel  zu 
einander;  beide  zeichnen  sich  durch  Reichthura  an  Arten  aus,  bei  beiden 
linden  sieh  deren  ohne  und  mit  vorstehenden  Hundszähnen  im  Mundwinkel  und 
ebenso  auch  Arten  mit  abgestufzier  neben  solchen  mit  abgerundeter  und  gabelig 
getheilter  Caudale;  bei  beiden  Gattungen  endlich  fĂĽhlt  die  Systematik  das  Ăźe- 
dĂĽrfniss  der  Revision,  d.  h.  einer  genaueren  Vergleichung  und  Untersuchung  der 
zahlreichen    Arten. 


56  K   ii   e   r. 

Odax.  Vor  allen  andern  durch  die  mächtigste  Entwicklung  der 
Schlundknochen  ausgezeichnet:  der  untere  ist  gestreckt  oval,  nach 
vorne,  ĂĽber  dem  Ende  des  Stieles  zugespitzt,  stark  concav  und  mit 
viel  zahlreicheren  Reihen  kleiner  Kauzähne  besetzt,  als  dies  bei 
Scarus  der  Fall  ist.  Die  seitlichen  GelenkstĂĽcke  biegen  fast  unter 
einem  rechten  Winkel  nach  aufwärts  und  erheben  sich  bedeutend 
über  die  Ränder  der  Kaufläche.  Die  Bezahnung  der  obern  Schlund- 
knochen ist  ganz  eigenthĂĽmlich.  Sie  mahnt  an  die  der  Kiefer 
selbst  und  ist  am  besten  durch  naturgetreue  Abbildung  anschaulich 
zu  machen.  Figur  18  zeigt  die  Schlundknochen  von  Odax  molucca- 
nus  massig  vergrössert *) ;  am  rechten  obern  os  pharyng.  ist  das 
gesonderte  seitliche  KnochenstĂĽck  weggehoben,  um  die  concave 
Gelenkfläche  zu  zeigen,  mittelst  deren  es  sich  an  den  Schlundknochen 
anlegt.  Sämmtliche  Knochenstücke  sind  grün  gefärbt,  am  lebhaftesten 
die  Zahnplatten  selbst. 

Von  den  vorigen  Scaroiden  unterscheidet  sich  Odax  noch  durch 
gestreckte  Totalgestalt,  wenig  gewölbte  und  schmale  Kieferzahn- 
platten, seitlich  mit  freien  Spitzzähnen,  nicht  unterbrochener  Seiten- 
linie und  bedeutend  kleinere  Schuppen. 

Die  Gattungen  Scarichthys  Bleek.  und  Hoplegnathus  Rieh. 
(Scarodon  T.  Schleg.^  kenne  ich  aus  eigener  Anschauung  nicht. 
Erstere  scheint  nach  von  Bleeker's  Angaben  allerdings  zu  den 
Scaroiden  zu  gehören.  Was  aber  die  von  Richard  so  n  in  seiner 
Descript.  of  Austral  Fishes  (Transact.  of  the  zool.  soc.  of  London 
1849,  vol.  III,  p.  144)  aufgestellte  Gatt.  Hoplegnathus  mit  der  Art 
H.  Conwayi  (Taf.  7,  Fig.  1)  anbelangt,  so  Hesse  sich  vermuthen,  dass 
sie  eine  vermittelnde  Gattung  zwischen  Scarus  und  Odax  sei,  mit 
welch  letzterem  sie  die  nicht  unterbrochene  Seitenlinie  theilt,  wäh- 
rend sie  yoii  beiden  durch  noch  kleinere  Schuppen  abweicht.  In  der 
Fauna  jap onica  wurden  unter  dem  Namen  Scarodon  zwei  andere 
Arten:  Sc.  punetatus  und  fasciatus  beschrieben  und  letztere  auch 
abgebildet:  die  Stellung  der  Galtung  wurde  aber  als  zweifelhaft 
erklärt  und  ihre  Verwandtschaft  mit  Dipterodon  und  Pimelepterus 
hervorgehoben.  Und  in  der  That  mahnt  auch  die  daselbst  abgebildete 


')  Welche  Art  V alencien ne s  untersucht  haben  mag,  indem  er  die  Form  des 
unteren  Schlundknochens  als  dreieckig  bezeichnet,  kann  ich  vorerst  nicht  er- 
mitteln. 


Kurr.  Zur  Characterrstik  der  Labroideit 


Taf.I. 


Fio.  3. 


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Fig.  '/. 


Fig. 


Sil/.iniij-.sb.d.k.Akad  d.W  m.ith  iialiinv.Cl.A'L  Bd.X°L  1860. 


Kiit-r.  Zar  Characteristik  <1<m-  Latroiden. 


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SitaunÂŁsb.d.k.Akad.d.Wmata.naturw.Cl.XL  Bil.X"  I.  1860. 


Zur  Charakteristik  und   Systematik  der  Labroideo.  57 

Art  fasciatus  an  selbe  ungleich  mehr  als  Richardson's  Figur. 
Bleeker  betrachtet  in  seinem  neuesten  Werke:  Enumeratio  spec. 
pisc.  etc.,  in  welchem  auch  ein  Systematis  piscium  naturalis  tenta- 
men  mitgetheilt  wird,  die  Gattung  Hoplegnathus  Rieh.  =  Scarodon 
Seh  leg.  nicht  blos  als  Vertreter  einer  eigenen  Familie  ,  sondern 
trennt  sie  auch  weit  von  den  Scaroiden,  indem  er  sie  zwischen  die 
Chaetodonten  und  Teuthyes  einschiebt.  Da  aber  sowohl  bei  Ri- 
chardson  wie  bei  Schlegel  und  v.  Bleeker  jede  Angabe  ĂĽber 
die  Schlundzähne  fehlt,  so  ist  über  die  Stellung  dieser  Gattung  noch 
immer  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden. 


58  v.    S  o  n  k   I  a  r. 


Über  die  Änderungen  der  Temperatur  mit  der  Höhe. 
Von  R.  v.  Son kl  ar, 

k.   k.   Major. 

(Auszug  aus  einer  fĂĽr  die  Denkschriften  bestimmten  Abhandlung.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  16.   Februar   1860.) 

Im  Eingange  dieser  Abhandlung  erwähnt  der  Herr  Verfasser 
der  vergeblichen  BemĂĽhungen,  welche  bisher  gemacht  wurden,  das 
Quantum  der  Wärmeabnahme  mit  wachsender  Höhe,  auf  dem  Wege 
der  Theorie  so  zu  bestimmen,  dass  dasselbe  mit  der  Erfahrung 
zusammenfällt.  Er  übergeht  sodann  zu  den  Ergebnissen  der  Erfah- 
rung selbst,  und  zeigt  durch  beigebrachte  Daten,  dass  auch  diese 
Resultate  unter  einander  sehr  beträchtlich  verschieden  sind ,  welche 
Bemerkung  nicht  blos  fĂĽr  das  Jahr  im  Allgemeinen,  sondern  weit 
mehr  noch  für  einzelne  Abschnitte  der  jährlichen  Periode  Geltung  hat. 
Der  Verfasser  hat  nicht  minder  fast  alle  bisher  ausgefĂĽhrten  wissen- 
schaftlichen Luftreisen  in  Betracht  gezogen  und  gefunden,  dass  die 
Ăśbereinstimmung  in  den  Resultaten  derselben  nicht  im  geringsten 
grösser  sei  als  dort,  wo  das  Quantitative  der  Wärmeänderung  mit 
wechselnder  Höhe  durch  gewöhnliche  Thermometer-Beobachtungen 
in  der  Nähe  des  Bodens  aufgesucht  wurde. 

Der  Grund  dieses  Auseinandergehens  dieser  selbst  auf  dem  Wege 
der  unmittelbaren  Beobachtung  gewonnenen  Resultate  schien  dem 
Verfasser  in  dem  Umstände  zu  liegen,  dass  dieselben  aus  meist  ver- 
einzelten, im  Räume  und  in  der  Zeit  zerstreuten  Wahrnehmungen 
abgeleitet  wurden.  Er  stellt  mit  Recht  die  Behauptung  auf,  dass  nur 
durch  eine  grosse  Zahl,  nach  mehrjährigen  Temperaturmitteln  aus- 
geführten Untersuchungen  ein  verlässliches  und  von  dem  Einflüsse 
klimatischer  und  localer  Störungen  freies  Resultat  zu  gewinnen 
sein  wird. 

Zu  einem  solchen  Unternehmen  liefern  die  reichhaltigen  Publi- 
cationen  der  k.  k.  Centralanstalt  fĂĽr  Meteorologie  und  Erdmagne- 
tismus das  nöthige  Muteriale.  Mit  Hilfe  derselben  hat  es  der  Herr 


Über  die  Änderungen  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  59 

Verfasser  versucht,  den  Gesetzen  der  Wärmeabnahme  mit  zuneh- 
mender Höhe  einlässlich  nachzuforschen,  wobei  es  ihm  gelungen  ist, 
eine  Zahl  nicht  unwichtiger  Ergebnisse  zu  Tage  zu  fördern. 

Als  Grundlage  fĂĽr  seine  diesfĂĽlligen  Untersuchungen  diente  ihm 
eine  mĂĽhevolle  Zusammenstellung  aller  Monats-  und  Jahresmittel 
der  Temperatur  fĂĽr  61  theils  in  den  Alpen,  theils  am  SĂĽd-  und  am 
Nordfusse  derselben  liegenden  meteorologischen  Beobachtungsstatio- 
nen, die  nach  ihrer  Lage  in  klimatische  Regionen  getheilt  wurden. 

Er  übergeht  nun  zuvörderst  zu  einer  schärferen  Behandlung 
der  Frage,  ob  die  Wärme  bei  arithmetisch  zunehmenden  Höhen- 
abständen nach  einer  arithmetischen  oder  geometrischen  Progression 
abnehme  —  eine  Frage,  die  bekanntlich  selbst  nach  den  Unter- 
suchungen  von  Kämtz,  noch  nicht  völlig  entschieden  war.  Der  Ver- 
fasser hat  sich  dabei  der  Formeln 

1 .  th  =  t  —  ah 

2.  log.  th  —  log.  t  —  ah 

bedient,  wo  th  die  Temperatur  der  oberen  Station,  h  die  Höhe  der- 
selben,  t  die  Temperatur  der  unteren  Station  und  a  eine  constante 
Grösse  bedeutet,  und  wo  t  und  a  durch  die  Beobachtung  zu  bestim- 
men sind.  Mit  Hilfe  der  Theorie  der  kleinsten  Quadrate  hat  der  Ver- 
fasser sofort  die  numerischen  Werthe  beider  Gleichungen  fĂĽr  sechs 
verschiedene  Alpenregionen,  wie  auch  fĂĽr  die  Ergebnisse  von  zwei 
im  Jahre  1852  in  England  unternommenen  aerostatischen  Reisen 
ausgeinittelt,  und  hieraus  mit  Klarheit  dargethan,  dass  für  alle  Höhen, 
welche  noch  von  Menschen  bewohnt  oder  erreicht  werden,  die 
Abnahme  der  Wärme  mit  wachsender  Höhe  nach  dem  Gesetze  einer 
arithmetischen  Progression  vor  sich  gehe. 

Nun  geht  Major  von  Sonklar  zur  Bestimmung  jener  Höhe  über, 
um  welche  man  sich  erheben  müsse,  damit  die  Temperatur  um  1°  R. 
abnehme. 

Diese  höchst  mühevolle,  nach  allen  Monats  -und  Jahresmitteln 
der  Temperatur  ausgefĂĽhrte  Rechnung  wurde  von  dem  Verfasser  nach 
einzelnen  Alpensectionen,  und  innerhalb  der  letzteren  auch  nach  so 
vielen  Höhenzonen  geführt,  als  bei  der  Zahl  der  vorhandenen  Beobach- 
tungsstationen  zulässig  schien,  damit  noch  verlässliche  Mittel  erhalten 
werden  konnten.  Er  hat  hiebei  in  jeder  Alpensection  beinahe  jede 
Station  mit  jeder  anderen  verglichen,  und  aus  mehr  als  2400  solcher 


60  v.     S   o   n  k       :i 

Vergleichungen  hat  er  Mittel  werthe  fĂĽr  jede  Alpensection  und  fĂĽr 
einzelne  Hölienzonen  in  denselben,  für  grössere  Alpentheile  und  end- 
lich auch  die  Hauptmittel  fĂĽr  das  ganze  Gebiet  der  Ostalpen  erhalten, 
welche  ihm  zu  nachfolgenden  SchlĂĽssen  berechtigen. 

1.  Die  grosse  Verschiedenheit  der  fĂĽr  so  nahe  bei  einander 
liegende  Gegenden  aufgefundenen,  der  Temperaturabnahine  um  1° 
entsprechenden  mittleren  Höhenwerthe  beweisen,  dass  es  eine  ver- 
gebliche Mühe  wäre,  einen  für  alle  Breiten  und  Localitäten  giltigen 
Mittehverth  dieser  Art  auflinden  zu  wollen. 

2.  Für  das  ganze  System  der  Ostalpen  beträgt  die  Höhe  um 
die  man  sich  erheben  muss,  damit  die  Temperatur  um  1°  R.  sinke, 
im  Allgemeinen  843  P.  F.  FĂĽr  die  einzelnen  Monate  aber  stellen 
sich  diese  Höhen  wie  folgt  heraus: 

Jänner —  481  P.  F.  Juli +   796  P.  F. 

Februar +168    „  August +   745    , 

März +  642    „  September +   820    „ 

April +  670    „  October +   949    „ 

Mai      +  632    „  November +1008    „ 

Juni +  714    „  December —   141     „ 

Eben  so  fĂĽr  die  einzelnen  Jahreszeiten : 

FrĂĽhjabr +  647  P.  F.       Herbst +  932  P.  F. 

Sommer +  749    „  Winter +  148    „ 

3.  Die  Wärmeabnahme  mit  zunehmender  Höhe  ist  im  Innern 
des  GebirgsgĂĽrtels,  und  dort  wo  die  Tafelzone  der  Alpen  an  Breite 
zunimmt,  langsamer  als  an  den  Rändern  derselben. 

4.  Es  kann  nicht  behauptet  werden,  dass  die  Wärmeabnahme 
in  irgend  einer  Höhenschichte  der  Atmosphäre  rascher  vor  sich  gehe 
als  in  einer  anderen. 

5.  BezĂĽglich  der  Jahreszeiten  hat  sich  consequent  die  lang- 
samste Wärmeabnahme  im  Herbste  und  die  rascheste  im  Frühjahre 
gezeigt,  was  mit  allen  bisherigen  Annahmen  im  Widerspruche  steht. 

6.  In  mehreren  Alpentheilen,  besonders  aber  in  den  sĂĽd- 
norischen  und  karnischen  Alpen,  treten  in  den  Wintermonaten  sehr 
merkwürdige  und  abnorme  Temperaturverhältnisse  ein;  es  ist 
nämlich  daselbst  zur  Winterszeit  ein  successives  jedoch  ziemlich 
rasches  Steigen   der  Temperatur   mit    zunehmender  Höhe    wahrzu- 


Über  die  Änderungen  der  Temperatur  mit  der  Höhe.  61 

nehmen,  so  dass  die  Höhe,  welche  der  Wärmeverminderung  um  1° 
entspricht,  einen  negativen  Werth  erhält.  Ja  es  ist  diese  Erhöhung 
der  Temperatur  von  unten  nach  oben  in  der  erwähnten  Jahreszeit 
so  bedeutend  und  umfassend  ,  dass  in  den  Monaten  December  und 
Jänner  ßeobachtungs-Stationen,  welche  um  3000 — 4000  F.  höher  lie- 
gen als  andere,  uml — 2  Grade  wärmer  haben  als  diese,  und  dass  selbst 
die  allgemeinen  Monatmiltel,  wie  aus  dem  Obigen  zu  ersehen,  von 
diesen  anomalen  Verhältnissen  beherrscht  erscheinen. 

7.  Major  v.  Sonklar  sucht  nun  diese  höchst  beachtenswerthe 
Erscheinung  aus  den  herrschenden  Luftströmungen  zu  erklären.  Er 
beginnt  mit  dem  Grundsatze,  dass  alle  grösseren  Bewegungen  der 
Atmosphäre  ihre  Hauptursache  in  dem  zwischen  den  Tropen  auf- 
steigenden warmen  Luftstrome  finden.  Die  unveränderliche  Stetig- 
keit desselben  bedingt  das  eben  so  stetige  Auftreten  sowohl  des 
Nordost-  und  SĂĽdostpassates,  als  auch  des  sogenannten  rĂĽcklaufenden, 
d.  h.  des  SĂĽdwest -und  Nordwestpassates.  Es  mĂĽssen  sonach  in  den 
höheren  Breiten  stets  beide  Passate  gleichzeitig  vorhanden 
sein,  doch  hängt  es  von  Umständen  ab,  welcher  von  beiden  an 
einem  beliebigen  Orte  die  höheren  und  welcher  die  tieferen  Regionen 
der  Atmosphäre  einnimmt.  Waltet  nun  in  unseren  Gegenden  irgend- 
wo zu  einer  gewissen  Jahreszeit,  z.  B.  im  Winter,  der  kalte  oder 
Nordostpassat  in  der  Tiefe  vor,  so  muss  in  der  Höhe  der  warme  oder 
SĂĽdwestpassat  in  demselben  Grade  vorwalten,  und  es  werden  sonach 
die  höheren  Gegenden  um  so  mehr  erwärmt  und  die  tieferen  um  so 
mehr  abgekühlt  werden,  je  länger  die  angedeutete  Lage  beider  Luft- 
ströme andauert. 

Dieser  Fall  tritt  nun  in  den  sĂĽdnorischen  und  karnischen  Alpen 
zur  Winterzeit  thatsächlich  und  in  sehr  consequenter  Weise  auf,  und 
dass  dem  also,  das  beweisen  die  von  dem  Herrn  Verfasser  aus  viel- 
jährigen  Mitteln  der  Windvertheilung  für  jeden  Monat  berechneten 
mittleren  resultirenden  Windlichtungen  an  den  Stationen  Mailand, 
Udine,  Triest,  Wien,  KremsmĂĽnster  und  Salzburg.  Die  hindurch 
gewonnenen  Zahlen  zeigen  unwiderleglich,  dass  nirgends  so  nachhaltig 
wie  in  Udine  und  Triest  (welche  Stationen  für  die  erwähnten  Alpen- 
theile  massgebend  sind)  der  kalte  Passat  im  Winter  die  unteren,  und 
daher  der  warme  die  oberen  Regionen  des  Luftkreises  beherrscht, 
was  eben  die  grössere  Wärme  der  höheren  Gebirgslagen  in  dieser 
Jahreszeit  genügend  erklärt. 


62  v-  S on  klar.  Über  die  Änderungen  der  Temperatur  mit  der  Höhe. 

Eben  so  deutlich  spricht  sich  der  Zusammenhang  der  Luftströ- 
mungen mit  dem  Gange  der  Wärmeänderung  bei  wachsender  Meeres- 
höhe in  den  Jahreszeiten  aus,  zu  welchem  Ende  der  Verfasser  die 
den  Jahreszeiten  entsprechenden  mittleren  Windrichtungen  fĂĽr 
mehrere  der  vorgenannten  Stationen  berechnet  hat. 

Auch  hat  er  es  versucht,  die  beiläufige  Höhe  jener  Fläche  aus- 
zumitteln,  längs  welcher  beide  Passate  in  den  verschiedenen  Mona- 
ten des  Jahres  an  einander  grenzen.  Als  Mittelwerth  hat  sich  ihm 
die  Höhe  von  4700  P.  F.  ergeben. 

8.  Zum  Schlüsse  erklärt  Major  v.  So n klar  einige  andere  (in 
den  oben  mitgetheilten  Hauptmitteln  jedoch  nur  theilweise  ersicht- 
lichen) Eigenthümlichkeiten  in  dem  Gange  der  Wärmeänderung  mit 
wachsender  Höhe,  wie  z.  B.  die  Beschleunigung  dieser  Abnahme  im 
April  oder  Mai,  die  Verlangsamung  derselben  in  den  Sommermona- 
ten und  ihre  hie  und  da  auftretende  abermalige  Beschleunigung  im 
October  oder  November,  aus  den  herrschenden  meteorologischen 
Zuständen  in  der  Höhe  und  in  der  Tiefe  während  dieser  Monate,  aus 
der  beförderten  oder  gehemmten  Verbreitung  der  Wärme  durch  Mit- 
theilung, aus  den  EinflĂĽssen  der  Strahlung,  der  Hydrometeore  u.  s.  f. 


Pohl.    Ăśber  mikroskopische  Probeobjeete  etc.  (>3 


Ăśber    mikroskopische  Probeobjecle,    insbesonders   Nobert's 
Testobject-Platte. 

Von  Dr.  J.  J.  Pohl. 

(Vorgetragen  in  der  Sitzung  vom  9.  Februar  1860.) 

Die   PrĂĽfung  eines   Mikroskopes   mittelst  sogenannter  Probe- 
oder Testobjecte  entscheidet  nur  über  den  optischen  Werth,  während 
dabei    andere   fĂĽr    den  praktischen   Gebrauch    dieses  Instrumentes 
wichtige  Eigenschaften  unberĂĽcksichtigt  bleiben.  Nichtsdestoweniger 
stellt  man  diese  PrĂĽfung  der  Mikroskope  fast  immer  in  den  Vorder- 
grund und  bringt  selbe  häufig  ausschliesslich  in  Anwendung.    Seit 
Jahren  wurde  daher  eine  Reihe  solcher  Probeobjecte  zur  BenĂĽtzung 
vorgeschlagen,  von  denen  sich  aber  neuester  Zeit  nur  verhältniss- 
mässig  wenige  im  Ansehen  erhalten  haben.   Der  Grund  hievon  liegt 
wohl  zum  Theil  im  Fortschreiten  der  praktischen  Dioptrik,  indem 
kleinere  Instrumente,    von    ausgezeichneten   KĂĽnstlern   verfertiget, 
jetzt  die  schwierigsten  Proben  bestehen,   welche  sonst  nur  fĂĽr  In- 
strumente ersten  Ranges  galten,  zum  Theil  aber  leider  im  Ăśberhand- 
nehmen einer  einseitigen  PrĂĽfung  der  Mikroskope,  die  sich  blos  auf 
das  Sichtbarwerden  feiner  Linien  und  Streifen  beschränkt.  Klarheit 
und  Schärfe  derContouren  nebst  Helligkeit,  Grösse  des  Gesichtsfeldes, 
sowie  Gleichförmigkeit  des  Bildes  im  selben  etc.  bleiben  im  letzteren 
Falle  unberĂĽcksichtiget.  Soll  aber  ein  Mikroskop  im  optischen  Theile 
allen  Anforderungen  entsprechen,  so  muss  es  nicht  nur  die  letztge- 
nannten Eigenschaften  besitzen,  sondern  auch,  wie  bereits  Goring 
unterschied,  eine  hohe  penetrirende  und  definirende  Kraft  besitzen, 
in  so  ferne  unter  ersterer  die  Eigenschaft  eines  Mikroskopes  verslan- 
den wird,  feine  Streifen,  Linien  und  andere  Details  an  den  Objecten 
sichtbar  zu  machen,  unter  letzterer  hingegen  blos  die  Fähigkeit,  die 
Umrisse  der  Gegenstände  scharf,  klar  und  tief  schattirt  zu  zeigen.  Nur 
die  ausgezeichnetsten  Mikroskope  entsprechen  in  beiderlei  Richtun- 


Ăź4  Pohl. 

gen,  meist  ist  die  hohe  penetrirende Kraft  auf  Kosten  der  definirenden 
oder  umgekehrt  erzwungen,  in  welchen  Fällen  das  Instrument  bei 
gewissen  Untersuchungen  nur  mittelmässige  Dienste  leistet.  Zwar 
besitzt  man  in  der  Distanzänderung  der  Objectivlinsen  und  jener  des 
Oculars  vom  Objectivsysteme  ein  einfaches  Mittel ,  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  penetrirende  Kraft  in  definirende  und  vice  versa 
umzusetzen,  allein  nicht  an  allen  Mikroskopen  ist  auf  solche  Ver- 
schiebungen von  Seite  des  Verfertigers  RĂĽcksicht  genommen,  auch 
gehört  einige  Übung  zur  Richtigstellung  der  Linsen ,  so  dass  es  am 
besten  bleibt,  wenn  der  Optiker  selbst  an  seinem  Instrumente  den 
gĂĽnstigsten  Effect  zu  erreichen  strebt.  Jene  Optiker,  welche  als 
PrĂĽfungsmittel  ihrer  Mikroskope  das  Erscheinen  von  Querstreifen 
auf  gewissen  Schmetterlingsschuppen,  der  Liniensysteme  auf  Infu- 
sorienpanzern etc.  empfehlen,  nehmen  hauptsächlich  auf  die  pene- 
trirende Kraft  RĂĽcksicht.  Die  Linien  und  Streifen  erscheinen  dann 
vollständig,  aber  die  Contouren  des  Objectes  sind  häufig  verwaschen 
und  das  Object  selbst  zeigt  sich  wie  in  einen  dĂĽnnen  Nebel  ein- 
gehüllt, —  das  Rild  ist  milchig.  Unter  den  mir  genau  bekannten 
Mikroskopen  gehören  hieher  die  neueren  von  Amici,  Rene  che  und 
Wasserlein,  Nach  et  und  Oberhäuser  (Hartnak)  bei  Anwen- 
dung der  stärksten  Objectivsysteme.  Jene  Optiker  hingegen ,  welche 
Haare,  Insectentheile,  Knochenschliffe  etc.  zur  Probe  wählen  und 
verlangen,  dass  die  Contouren  dieser  Gegenstände  nicht  nur  scharf 
erscheinen,  sondern  auch  eine  möglichst  tiefe  Färbung  zeigen 
(schwarz  sind),  berĂĽcksichtigen  vorzugsweise  die  definirende  Kraft. 
Vortrefflich  definiren  so  z.  R.  die  schwächeren  Linsensysteme  an 
den  Mikroskopen  Oberhäuser's,  Prokesch's  in  Wien,  und  ebenso 
die  freilich  älteren  Mikroskope  von  Fraunhofer,  während  eine 
gewisse  Ausgleichung  beider  Eigenschaften  zur  vortrefflichsten  Wir- 
kung bei  den  neuesten  Mikroskopen  von  PIössl  und  jenen  neuesten 
Objectivsystemen  Amici's  und  Oberhäuser's  erzielt  ist,  welche 
beim  Gebrauche  in  Wasser  oder  Mohnöl  eingetaucht  werden  müssen. 

Es  mĂĽssen  hiernach  die  mikroskopischen  Probeobjecte  minde- 
stens in  zwei  Classen  getheilt  werden,  deren  eine  Objecte  zur  PrĂĽ- 
fung der  penetrirenden  Kraft,  die  andere  Objecte  zur  Ermittlung  der 
definirenden  Kraft  umfasst. 

Obschon  die  penetrirende  und  definirende  Kraft,  besonders  aber 
letztere,  Functionen  der  sphärischen  und  chromatischen  Aberration 


Ăśher  mikroskopische  Probeobjecfp.  Ăź  K 

sind,  so  kann  doch  von  beiden  Aberrationen,  namentlich  von  der 
chromatischen,  ein  guter  Theil  ĂĽbrig  bleiben,  ohne  in  obgenannten 
Beziehungen  störend  zu  wirken,  ja  die  definirende  Kraft  wird  oft 
scheinbar  durch  die  chromatische  Aberration  unterstĂĽtzt.  Das  Maxi- 
mum des  Erfolges  haben,  was  Farblosigkeit  betrifft,  in  neuester  Zeit 
wohl  Amici  und  Oberhäuser  (Hartnak)  bei  den  stärksten 
Objectivsystemen  erzielt,  welche  beim  Gebrauche  in  Mohnöl  oder 
Wasser  getaucht  werden  mĂĽssen.  Leider  ist  aber  diese  Beobach- 
tungsart so  unbequem,  dass  sie  nur  ausnahmsweise  Anwendung 
finden  kann  :  auch  zeigen  sich  beim  genauen  Vergleiche  verschie- 
dener neuerer  Mikroskope  Amici's  beträchtliche  Unterschiede  hin- 
sichtlich der  Farblosigkeit  der  Bilder.  Betreffs  des  Freiseins  von 
sphärischer  Aberration  muss  ich  unter  den  am  Continent  erzeugten 
Instrumenten  für  die  stärksten  Vergrösserungen  Amici's  Mikro- 
skopen bei  richtiger  Stellung  seiner  Correctionsoculare,  für  schwä- 
chere unbedingt  jenen  von  Plössl  mit  Benützung  des  aplanatischen 
Oculars  oder  Kellner's  orthoskopischen  Oculars  den  ersten  Rang 
einräumen.  Ich  glaube  bezüglich  der  gegebenen  Beurtheilungen  der 
Leistungsfähigkeit  in  so  ferne  auf  einige  Verlässlichkeit  Anspruch 
machen  zu  dürfen ,  als  selbe  auf  vieljährigen  häufigen  Gebrauch  der 
Mikroskope  und  der  genauesten  Durchmusterung  von  ĂĽber  einem 
halben  hundert  Mikroskopen  beruht. 

Nebst  diesen  zwei  Arten  von  Probeobjecten  dĂĽnkt  mir  aber 
noch  eine  dritte  Classe  wesentlich.  Es  ist  jene,  mittelst  welcher 
die  Grösse  der  übrig  gebliebenen ,  die  Beschauung  mehr  minder 
störenden  ,  sphärischen  und  chromatischen  Aberration  erkannt 
wird.  Endlich  abgesehen  von  diesen  Eintheilungen  der  Probeobjecte 
müssen  selbe  noch  in  zwei  andere  höhere  Gruppen  geschieden  wer- 
den, nämlich  natürliche  und  in  künstlich  erzeugte  Probeobjecte, 
welch'  Letztere  aber  bei  weitem  die  Minderzahl  bilden. 

Vor  Anwendung  der  doppelten  und  dreifachen  Objective  waren 
es  vorzĂĽglich  Definitionsobjecte,  welche  man  zur  Beurtheilung  der 
optischen  Kraft  eines  Mikroskopes  benutzte.  Diese  Objecte  sind  aber 
gegenwärtig  grossentheils  durch  Objecte  für  Penetration  verdrängt, 
obschon  mit  Unrecht,  während  auf  die  Aberrationen  am  wenigsten 
RĂĽcksicht  genommen  wird.  Im  Allgemeinen  scheinen  sich  jetzt  die 
Mikroskopiker  vorzugsweise  Ein  bestimmtes  Object  auszuwählen 
und  dieses  als  Hauptmassstab  fĂĽr  die  GĂĽte  der  Instrumente  gelten  zu 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XL-  Bd.  Nr.  7.  5 


66  p  °  '•  '■ 

lassen,  wie  z.  B.  Schacht»)  und  ihm  nachfolgend  Reinike") 
die  Navicula  angulata  (Pleurosigma ,  Gyrosigma  angulatum), 
obschon  eine  solche  PrĂĽfung  sehr  einseitig  genannt  weiden  muss, 
da  ein  sonst  schlechtes  Ohjectiv  diese  Linien  zeigen  kann,  wenn  es 
nur  einen  grossen  Ă–ffnungswinkel  besitzt3). 

Da  man  sich  leider  bis  jetzt  nicht  einigte,  eine  bestimmte  Reihe 
entsprechender  Probeobjecte  nach  obgenannten  drei  Richtungen  zur 
PrĂĽfung  der  Mikroskope  festzustellen,  so  dĂĽrfte  es  nicht  ohne  Inter- 
esse sein,  wenigstens  einige  der  PrĂĽfungsobjecte  fĂĽr  Mikroskope 
namhaft  zu  machen,  welche  in  neuerer  Zeit  von  ausgezeichneten 
Beobachtern  anempfohlen  wurden. 

Erste  Classe  von  Probe  ob jecten :  NatĂĽrliche  Objecte. 

Jacqnin's  Probeobjecte  *)  1829. 

Objecte  fĂĽr  Beleuchtung  von  UntPn. 

1.  FlĂĽgel  der  gemeinen  Hausfliege,  Musca  domestica,  welches 
Object  sowohl  für  schwache,  15 — 20  als  stärkere,  etwa 
240malige  lineare  Vergrösserung  gelten  soll, 

2.  Gelsen-FlĂĽgel  von  Culex  pipiens  von  40-  bis  zu  300maliger 
Vergrösserung  angerathen. 

3.  Menschen -Haare  für  schwache  und  stärkere  Vergrösse- 
rungen. 

4.  Haare  vom  RĂĽcken  der  Hausmaus,  Mus  mitsculus ,  erst  von 
200maliger  Vergrösserung  an  zu  gebrauchen. 

6.  Bauchhaare  der  gemeinen  Fledermaus,  Vespert ilio  murinus, 
wie  das  vorige  Object. 

6.  FlĂĽgelschuppen  von  Papilio  Crataegi  oder  Brassicae  L., 
deren  Längsstreifen  bei  G0  —  80maliger  Vergrösserung  er- 
scheinen sollen. 

7.  FlĂĽgelschuppen  von  Papilio  Menelaus,  welche  bei  200  bis 
300maliger  Vergrösserung  Querstreifen  zeigen. 


')   Beiträge  zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Gewächse,  1834.  S.  267 — 275. 

3)    Beiträge  zur  neueren  Mikroskopie.  Dresden  1838. 

:i)  Diese  Behauptung  war  so  wie  der  grösste  Theil  vorliegender  Arheit  bereits  im 
Jänner  1836  niedergeschrieben;  übrigens  hat  neuester  Zeit  auch  Hugo  von  Mo  hl 
denselben  Ausspruch,  jedoch  hesser  begrĂĽndet,  gethan.  (Botanische  Zeitung.  16.  Bd., 
1838,  S.  271.) 

'»  Zeitschrifl  für  Physik  und  Mathematik.  V    Bd.,  S.  189. 


Ăśber  mikroskopische  Proheobjeefe.  (j7 

5.  FlĂĽgelschuppe  der  Pelz-  oder  Kleidermotte.  Tinea  pellionella 
oder  sarcitella,  woran  die  Streifen  erst  bei  3 — 400maliger 
Vergrösserung  Sichtbarwerden  und  welche  Jacquin  als  fein- 
sten  PrĂĽfstein  fĂĽr  Mikroskope  der  ersten  Kategorie  hinstellt. 

9.  Einzelne  Schuppen  vom  Brillantkäfer.  Curculio  imperialis, 
deren  Streifungen  fast  noch  schwieriger  als  die  des  vorher- 
gehenden Objectes  zu  erkennen  sind. 

Objecte  fĂĽr   Beleuchtung-  von  Ohen. 

10.  Ein  StĂĽck  des  FlĂĽgels  von  Papilio  Crataegi  oder  Brassicae, 
woran  die  Längsstreifen  der  Schuppen  kenntlich  werden 
sollen. 

1 1.  Derlei  von  Papilio  Menelaus. 

12.  Querschnitt  des  Stengels  vom  Mais,  Zea  Mais  oder  Hollun- 
dermark,  Sambucus  nigra. 

1,3.   Querschnitt  vom  gemeinen  Regenschirmrohr. 
14.  FlĂĽgeldeckenstĂĽck  von  Curculio  imperialis. 

Goring's1)  Probeobjecte  1829. 

I.    Objecte  fĂĽr  Penetration. 

Leichte  Objecte. 

1.  Schuppen  von  Petrobius  marinus. 

2.  Schuppen  von  Lepisma  saccharina,  auf  beiden  Objecten 
sollen  Längenstreifen  und  schiefe  Streifen  erscheinen. 

Schwierigere   Ohjecte. 

3.  Schuppen  von  Morpho  Menelaus  ,  Längs-  und  Quer- 
streifen. 

4.  Körperschuppen  von  Alucita  pentadactyla ,  zeigen  Längs- 
streifen. 

o.  Körperschuppen  von  Alucita  lie.vodactyla ,  lassen  ebenfalls 
Längsstreifen  erkennen. 

6.  Die  gelben  Flügelschuppen  von  Lycaena  Argus,  Längs- 
streifen. 

7.  Tinea  vestianella,  Schuppen,  Längs-  und  Querstreifen 
sichtbar. 


*)   The  Microseopic  Cahinet  by  R.  Pritchard,  pag.  135. 


68  po''  '• 

Schwierige  Probeobjecte. 

8.  Die  schmalen,  an  einem  Ende  herzförmigen  Schuppen  von 
Pieris  brassicae.  Erkennbar  sind  Längs-  und  Querstreifen 
nebst  zwei  Systemen  diagonaler  Streifen. 

9.  Schuppen  der  Podura  plumbea,  Längs-  und  Querstreifen  zu 
ersehen. 

II.  Objecte  fĂĽr  Definition. 

1.  Haare  der  Hausmaus. 

2.  „     vom  Flügel  der  Fledermaus,  vespertilio  murinus. 

3.  Das  Blatt  einer  Hypnum-Y  nrietiit,  welche  jedoch  nicht  näher 
bezeichnet  ist. 

4.  Die  getĂĽpfelten  Schuppen  von  Lycaena  Argus. 

Chevaliers  Probeobjecte  *)  1839. 

Leichte  Probeobjecte. 

Lepisma  saccharina,   Schuppen,   die  Längstreifen  und  schiefen 

Streifen. 
Pieris  brassicae,  Schuppen,  die  Längsstreifen. 

Schwieriges    Probeobject. 

Pieris  rapae,  Schuppen,  die  Granulationen  der  Streifen. 

Schwierigeres  Probeobject. 

Pieris  brassicae,  Schuppen,  die  Querstreifen. 

Sehr   schwierige  Probeobjecte. 

Podura   plumbea,    die  Querstreifen  der    kleinen    und    mittleren 

Schuppen. 
Pieris   brassicae,    die  Granulationen   der  Längsstreifen   an   den 

Schuppen. 

NohTs  Probeobjecte2)  1846. 

Mohl  fĂĽhrt  besonders  Goring's  Probeobjecte,  jedoch  bezĂĽg- 
lich ihrer  Schwierigkeit  in  einer  andern  Reihenfolge  an,  stellt  aber 
unter  die  schwierigsten  Objecte  noch: 


*)  Chevalier:  Des  Microscopes  et  de  leur  usage.  pag.  17.'i. 
2)  Mohl,  Mikrographie  pag.  184. 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte.  Ăź  Q 

Die  Schuppen  von  Lycaena  Argus  und  zwar  die  lichten,  an  wel- 
chen Querstreifen  erscheinen  mĂĽssen. 

Die  FlĂĽgelschuppen  des  Weibchens  von  Hipparchia  Janira, 
welche  Längs-  und  Querstreifen  zeigen. 

Die  langen,  oben  gefransten  Schuppen  an  der  oberen  Seite  der 
Flügel  des  Männchens  von  Hipparchia  Janira  mit  Längs- 
streifen. Die  Hipparchia-Sc\ni\)[)en  wurden  ĂĽbrigens  zuerst 
von  Amici  als  Probeobject  empfohlen. 

QuecksilberkĂĽgelchen  als  PrĂĽfungsmittel  bezĂĽglich  der  Aber- 
rationen. 

Schachfs  Probeobjecte  9  1854  and  1855. 

1.  Lepisma  saccharina ,  Schuppen,  Längsstreifen  und  schiefe 
Streifen. 

2.  Hipparchia  Janira,  Flügelschuppen  des  Weibchens,  Längs- 
und Querstreifen. 

3.  Navicula  hippocampos  angulata!  sämmtliche  drei  Linien- 
systeme, aber  gilt  nur  fĂĽr  durchgelassenes  Licht,  da  es  im 
auffallenden  Lichte  zu  den  leichteren  Probeobjecten  gehört. 

4.  Holzquerschnitt  der  Wurzel  von  Pinus  sylvestris,  dient  zur 
Erkennung  des  Freiseins  von  chromatischer  Aberration. 

Griffitirs  Probeobjecte 2)  1856. 

1.  Das  Pygidium  einer  Fliege,  sowohl  transparent  als  opak 
betrachtet,  an  dem  die  Haare  sich  zeigen. 

2.  Maushaare.  Beide  Objecte  dienen  für  sogenannte  1*5 — 2zöl- 
lige  (englisch)  Objective  mit  20maliger  Vergrößerung  und 
12  —  20o  Öffnungswinkel. 

3.  Haare  von  Dermestes  lardarius. 

4.  „      der  Hausmaus. 

5.  Das  Pygidium  der  Fliege,  an  dem  die  Areolaeen  unterscheid- 
bar sein  mĂĽssen. 

Nr.  3—5  für  1—  0-67zöIüge  Objective  bei   60maliger 
Vergrösserung  und  22 — 27°  Öffnungswinkel. 


*)  Sehncht,  Beiträge  zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Gewächse,  S.  267  —  273.  Das 
Mikroskop  und  seine  Anwendung  insbesondere  in  der  Pflanzen-Anatomie,  2.  Auflage, 
1855,  S.  17. 

a)  Griffith  and  Henfrey,  The  Micrographic  Dictionary.  pag.  fi35. 


70  Pohl. 

6.  Haare  von  Dermestes  lardarius,  von  Vespertilio  pipistrellus 
und  Mus  domesticus  in  Balsam  eingelegt. 

7.  Längsschnitt  von  Abies  excelsa,  trocken  eingelegt. 

8.  Die  gröberen  Schuppen  von  Lepisma  saccharina. 

9.  Das  Pygidium  der  Fliege,  woran  die  feine  Structur  sichtbar 
werden  muss. 

10.  Eine  dunkle  Schuppe  von  Podura  plumbea. 

Nr.  6—10  gelten  für  0-5— 0'4tel  Objective  mit  100  bis 
120maliger  Vergrösserung  und  55°  Üffnungswinkel. 
1  l.  Haare  von  Dermestes  lardarius. 

12.  Längsschnitt  von  Abies  excelsa. 

13.  SchleimkĂĽgelchen. 

14.  Die  feineren  Schuppen  von  Lepisma  saccharina. 

15.  Die  blassen  und  dunklen  Schuppen  von  Podura  plumbea. 

16.  Die  Faserchen  von  Didymohelix  ferruginea. 

17.  Das  Pygidium  der  Fliege. 

18.  Die  Schuppen  von  Pontia  brassicae. 

Nr.  11  —  18  sind  für  0-25zöllige  Objective  mit  220  bis 
450maliger  Vergrößerung  und  75  —  150°  üffnungs- 
winkel. 

19.  Die  lichteren  Schuppen  von  Podura  plumbea 

20.  Das  Pygidium  der  Fliege. 

21.  Die  Schuppen  von  Pontia  brassicae. 

22.  Die  Faserchen  von  Didymohelix  ferruginea.  die  Primitiv- 
Fäserchen  zeigend. 

23.  Die  SchleimkĂĽgelchen. 

Nr.  19—23  sind  Objecte  für  0125  (>/8)  zöllige  Objec- 
tive mit  420 — 450maliger  Vergrösserung  und  110- — 150° 
Ă–ffnungswinke]. 

24.  Die  lichten  Schuppen  von  Podura  plumbea. 

25.  Die  Faserchen  von  Didymohelix  ferruginea,  in  Balsam  ein- 
gelegt. 

26.  Die  Primitiv-Fibrillen  der  Muskelfaser. 

Nr. 24— 26 gehören  für  0-083  (</„)  bis  0*067 (V16)zöll. 

Objective     mit    600  —  650  maliger    Vergrösserung    und 

80—120°  Öffnungswinkel. 

Die  gegebenen  Vergrösserungen  sollen  sich  blos  auf  das  Objec- 

tivsystem  beziehen.    Griffith  legt  ĂĽbrigens  wenig  Werth  auf  die 


Ober  mikroskopische  Probeobjecte. 

Streifungen  der  Infusorien  Panzer;  schlägt  jedoch  für  solche,  welche 
selbe  als  Probeobject  benutzen  wollen,  Panzer  von  Gyrosigma 
(Pleurosigma,  Navicula) ,  Grammatophora ,  Fragillaria,  Rhipi- 
dopkora,  Amphipleura,  Nitschia  taenia,  gewisse  Species  von 
Berkeleyia  vor. 

Robin's  Probeobjecte  l)  1856. 

1.  Die  Spinnenklaue. 

2.  Schuppen  von  Lepisma  saccharina. 

3.  „  „  Pieris  Rapae,  F  a  b  r  i  c  i  u  s, 

4.  „  „  Zygaena  Alexis,  L  i  n  n  e. 

5.  „  „  Satyrus  Janira. 
6-  „  „  Po dura  plumbea. 

7.  Pleurosigma  attenuatum,  YY.  Smith. 

8.  „  angulatum  „ 

9.  Navicula  Spenceri,  KĂĽtzing. 

10.  „         veneta  „  Oiatomaeen. 

I  i .   Verschiedene  Species  von  Gramma- 
tophora. 

1 2 .  Stria tella  unipunctata,  A  g  a  r  t  h . 

f  arpenter's  Probeobjecte  2)  1856. 

Carpenter  unterscheidet  nebst  der  penetrirenden  und  defi- 
nirenden  Kraft  der  Mikroskope  noch  eine  lösende  und  theilt  hier- 
nach auch  die  Probeobjecte  ein;  er  gibt  wörtlich  folgende  Defini- 
tionen: 

„Defining  power,  or  power  of  giving  a  clear  and  distinct  image 
of  all  well  marked  fratures  of  an  object,  especially  of  its 
boundaries" 
„Penetrating  power ,  or  power  of  enabling  the  observer  to  look 

into  the  structure  of  objects." 
„Resoloing  power,   by  which  it  enables   closely-approximated 
markings  to  be  distinguished." 
Für    schwache    Objective    mit    grösserer    Foeal  -  Distanz    als 
0-5  engl.  Zoll,   wählt  Carpenter  aber: 


')   Memoire  sur  les  objects  qui   peuvent  etre  conserves  en  preparations  mieroscopiques. 

Paris.  1856. 
i)   Carpenter,  The  Microscope  and  its  Revelatious.  Loudon  1856,  pag.  192. 


72  Pohl. 

Objecte   fĂĽr  Penetration. 

1.  Injection  der  Froschlunge. 

2.  Darmzotten  des  Affen. 

Objeete  fĂĽr  Definition. 

3.  Pollenkönier    der    Rosenpappel    oder    einer    anderen    Mal- 
vacaee. 

Objecte  für   lösende  Kraft. 

4.  Injection  der  Kieme  des  Aals. 

5.  „         irgend  einer  Vogellunge. 

6.  Schuppen  von  Morpho  Menelaus. 

7.  RĂĽssel  der  gemeinen  Fliege ;   wird    besonders  anempfohlen. 

8.  Tracheen  von  Insecten. 

Für  stärkere  Objective  von  0*5  bis  zu  0-2  Zoll  Focaldistanz. 

Objecte  für  lösende  und  penetrirende  Kraft. 

9.  Die  Längsstreifen   an  den   schaufeiförmigen  Schuppen   von 
Polyommatus  Argus. 

10.  Grössere  und  kleinere  Schuppen  von  Po  dura  plumbea. 

11.  Pleurosigma  hippocampos ,  die  Längs-  und  Querstreifen. 

Objecte  fĂĽr  Definition. 

12.  Die  Haare  der  indischen  Fledermaus  (indian  bat). 

13.  „       „       von  Dermestes  lardarius. 

14.  Die  Muskelfasern. 

Für  die  stärksten  Objective  von  0-2  Zoll  an  abwärts. 

Prob  e  objecte  für  Penetration,   Definition   und   Lösung. 

15.  Nob  ert' s  Linienscale. 

Iti.  Verschiedene  Diatomaeen  aus  dem  Genus  Pleurosigma. 
Carpenter  nimmt  an,  die  Schwierigkeit  des  Objectes 
wachse  mit  der  Zahl  der  Linien,  weichein  einem  bestimmten 
Raum  der  Länge  nach  zusammengedrängt  sind.  Er  gibt  daher 
zur  Ăźeurtheilung  des  Werthes  verschiedener  Diatomaeen 
als  Probeobjecte  Seite  205  folgende  kleine  Ăśbersicht  nach 
W.  Smith,  welche  ich  jedoch  von  engl.  Zoll  auf  Millimetei 
reducirte  und  der  ich  gleichfalls  die  Messungen  von  So!  litt 
and  H  a  r  r  i  s  o  n  ')  sowie  Hall2)  beifĂĽgte. 


')  The  Quarteiiy  Journal  of  the  Microscopical  Society.  1S.S3.  V,  nag.  62. 
i)  Idein.  1836.  XV.  Die  Beschreibung  der  13.  Tafel. 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte. 


73 


Anzahl  der  Linien  auf  001  Millimeter. 


Name 

Nach  der 
Länge 

Beobachter 

Nach  der  Quere 

Beobachter 

Pleurosigma  littorale     .    .    . 

9-4 

Sm. 





„           hippocampos 

11-8 
12-2 

Sm. 
H. 

16-5 
15-8 

S.u.  H. 
H. 

„           strigile  .... 

»                       n           .... 

130 
141 

S.  u.  H. 
Sm. 

— 

— 

„           formosum      .    . 

14-2? 

H. 

— 

— 

„            strigosum  .    .    . 
»                   »          ... 
„            angulatum     .    . 
»                    »              • 

15-7 

20-4 
20-4 

Sm. 

Sm. 
H. 

gross  27 '6 
klein  31*5 
gross  23*6 
klein  27-6 

S.  u.  H. 
S.  u.  H. 

„            Spenceri    .    .    . 

21-6 

Sm. 

19-7 

Sm. 

»                    »         •    •    • 

— 

— 

19-7 

S.  u.  H. 

— 

— 

23-6 

» 

Ceratoneis  fasciola    .... 
Pleurosigma  obscurum  .    .    . 

2b-2 
29-2 

Sm. 

35-4 

» 

„           macrum .... 

33-4 

„ 

— 

— 

Navieula  rhomboides     ,    .    . 

33-4 

„ 

— 

— 

„         sigmoidea  .... 

33-4 

» 

41-3 

S.  u.  H. 

— 

— 

51-2 

n 

Ich  glaube  hier  besonders  auf  den  Unterschied  zwischen  Pleu- 
rosigma hippocampos  und  angulatum  aufmerksam  machen  zu  mĂĽs- 
sen, welche  manche  deutsche  Mikroskopiker  noch  immer  verwech- 
seln ,  während  gerade  als  Probeobject  nach  obiger  Tabelle  ein 
namhafter  Unterschied  resultirt. 


Bailey's  Probeobjecte *). 

Diese  sind  vorzugsweise: 

Hyalodiscus  subtilis,  eine  zuerst  zu  Halifax  in  Neu-Schottland 
gefundene  Diatomaee. 

Grammatopliora  subtilissima,  ebenfalls  von  Halifax,  welche 
übrigens  Bailey  als  eine  Varietät  von  Ehrenbergs  Gram- 
matopliora strieta  bezeichnet. 


l)   Smithsonian,  Coutributions  to  Knowledge.  Vol.  VII,  article  III.  pag.  14. 


74  p  «•  •'  i 

liniri\  Probeobjecte  1856. 

Die  folgende  Zusammenstellung  sammt  den  hierauf  bezĂĽglichen 
Angaben  ist  eine  Zugabe  Amici' s  zu  einem  grossen  Mikroskope, 
welches  in  meinem  Besitze  und  nach  Amici's  eigenem  Ausspruche 
von  keinem  zweiten  seiner  Instrumente  ĂĽbertreffen  wird.  In  der  That 
zeigte  die  Vergleichung  mehrerer  Mikroskope  aus  der  neuesten  Zeit 
mit  dem  in  Rede  stehenden  selbes  als  das  Beste,  und  nur  auf  dieses 
Instrument  beziehen  sich  daher  die  folgenden  Original-Angaben 
Amici' s  vom  18.  Februar  1856. 

Trocken  eingelegte  Objecte. 

1.  Sporulae  di  Lycoperdon  —  Papille  e  Nucleo. 

2.  Squame  di  Hipparchia  Janira    —    linee  longitudinali  e 
trasversali  pik  difficili. 

3.  Squame  delV  argo  —  linee  trasversali. 

4.  Pleurosigma  angulatum.  Si  osservino  le  meno  sudice. 

5.  Striatellaunipunctata.   Cherbourg.  Si  osservino  i  framenti 
che  aderiscono  piani  softo  il  retro.  Buon  fest. 

In  Balsam  eingelegte  Objecte. 

6.  Tripoli  d'Eger. 

7.  Tripoli  d'Eger  e  Grammätophora  marina. 

8.  Tripoli  di  S"  Flora. 

9.  Tivoli  di  Lollhagysion,  Lapponia,  contiene  la  navicula 
Amici  et  altri  test  difficillimi. 

Ferner  fĂĽhrt  Amici  an:  Colla  Serie  IV"  (Objectivsystem- 
Bezeichnung)  e  questa  maniera  d  illuminare  col  prisma  i  Test- 
objeets : 

10.  Pleurosigma  angulatum  W.  Schmith,  nel  balsamo. 

1 1.  Ceru toneis  fasciola  Kg.  a  Secco. 

12.  Grammätophora  subtilissima,  New- York. 

13.  Navicula  Amici  Spr.  nel  balsamo  et  si  risolvono  completa- 
mente  e  si  distinguorno  le  parti  loro  pih  minute. 

La  quasi  totalitä  della  massa  di  quel  tripoli  d'Eger  si  compone 
del  Campilodiscus  Clypeus  e  di  una  navicula  in  cui  pre- 
parata  nel  balsamo  si  vedono  distintamente  t utte  le  pun- 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte.  7b 

teggiature  o  granulazioni  delle  due  linee  mediane  longitu- 
dinali  e  delle  strie  trasversali  (per  la  serie  Ha).  1  micros- 
copi  fabbricati  a  Parigi  e  da  Vienna  che  sono  in  Italia  non 
hanna  tarda  forze  penetrante  per  f'are  distinguere  quelle 
granulazioni  specialmente  si  V  oggetto  sia  coperto  da  uu 
vetro  grosso  un  millimetro. 
Questa  Navicula  sarebbe  un  Test  grossolano  per  la  Serie  ///", 
la  quäle  e  capace  di  mostrare  tanto  per  luce  centrale  e 
meglio  per  luce  obblique  le  granulazioni  della  Gramma- 
tophora  marina  Kg.  e  de  Pleurosigma  angulatum  W.  Sm. 

Die  obenerwähnte  Navicula  im  Tripel  von  Eger  ist  übrigens 
bei  weitem  nicht  so  schwierig  als  Probeobject,  wie  Amici  zu 
glauben  scheint,  da  ich  mit  meinem  im  Jahre  1845  von  PIössl  ver- 
fertigten Mikroskope  selbst  bei  Anwendung  eines  dicken  Deckgläs- 
chens mit  dem  Linsensystem-Aplanat)  5,  6,  7  und  215maliger  Ver- 
größerung, bezogen  auf  250  Millim.  Sehweite,  so  wie  bei  centraler 
Beleuchtung  die  Granulationen  vollkommen  deutlich,  ja  sogar  schärfer 
als  mittelst  Amici' s  Mikroskop  zu  sehen  im  Stande  bin.  Wie  ferner 
aus  der  von  Amici  beigegebenen  Zeichnung  zu  ersehen,  ist  dieses 
Probeobject  Ehren berg'  s  Navicula  sculpta ,  welche  letzterer 
Forscher  bereits  im  Jahre  1854  vollkommen  richtig  bei  300maliger 
Vergrösserung  und  centraler  Beleuchtung  seines  Mikroskopes  von 
Schickh  abbildete  »). 

In  der  That  zeigt  ferner  Amici's  Mikroskop  mit  dem  Oculare 
X  und  dem  Objectivsysteme  III",  bei  etwa  1  Millimeter  Distanz  der 
untersten  Objectivlinse  vom  Objecte  und  235maliger  Vergrösserung 
auf  250  Millimeter  Sehweite  bezogen,  die  Liniensysteme  von  Pleuro- 
sigma angulatum.  Dies  fiel  mir  um  so  mehr  auf,  als  ich  bisher  (1856) 
bei  centraler  Beleuchtung  mit  keinem  anderen  Mikroskope  die  gleiche 
Wirkung  erzielen  konnte.  Zwar  zeigten  PIössTs  neuere  grosse 
Mikroskope  die  Linien  im  grellen  Sonnenlichte  auch  bei  centraler 
Beleuchtung,  allein  äusserst  milchig,  so  dass  das  Gesehene  keines- 
wegs befriedigte.  Ich  habe  diese  Thatsache  PIössl  mitgetheilt,  der 
alsbald  den  Grund  davon  fand.  Amici  hat  nämlich  in  der  Trommel 
unter  dem  Objecttische  eine  Sammellinse  centrisch  eingesetzt,  welche, 


')   Ehrenberg,    Mikrogeologie  ,  Atlas,  Tal.  X,  Fig.  ö  a  und  b. 


76  Pohl. 

wie  man  sich  leicht  ĂĽberzeugen  kann,  allein  die  genannte  gĂĽnstige 
Wirkung  bedingt.  Eine  ähnliche  Linse  von  Plössl  an  seinen  Mikro- 
skopen neuester  Zeit  angebracht,  liefert  gleiche  Resultate  und  es  ist 
ein  Leichtes,  durch  diese  kleine  Zuthat  Plössl's  neuere  Mikroskope 
zu  vervollständigen. 

Diesen  verschiedenen  Testobjecten  glaube  ich  endlich  noch 
folgende  beifügen  zu  können,  deren  ich  mich  seit  längerer  Zeit  mit 
dem  besten  Erfolge  bediene. 

Objeete   fĂĽr  Definition. 
Die  VorderrĂĽsselhaut  der  gemeinen  Fleischfliege,  Musca  erythro  - 

cephala  *)• 
Die  Tracheen  des  Seidenwurmes  2). 

Die  getĂĽpfelten  Schuppen  von  Lycaena  Alexis.  Ich  verdanke  dies 

ausgezeichnete  Probeobject  Herrn  Plössl.  Meines  Wissens 

haben   zwar  Lycaena   Argus  und   Argiolus   auch   ähnliche 

Schuppen,  welche  aber  dem  gewählten  als  Probeobject  weit 

nachstehen. 

Ich  ziehe  besonders  das  erste  und  dritte  Object  allen  ĂĽbrigen 

zu  gleichem  Zwecke  anempfohlenen,  besonders  für  starke  Vergrös- 

serungen,  bei  weitem  vor. 

Objeete   fĂĽr  Penetration. 

Die  lichten  FlĂĽgelschuppen  von  Lycaena  Alexis,  an  welchen  die 
Querstreifen  deutlich  erscheinen  mĂĽssen.  Ich  verdanke  dieses  Object 
ebenfalls  Herrn  Plössl,  welcher  selbes  seit  Jahren  im  Gebrauche 
hat.  Es  hält  nach  meiner  Meinung  die  Mitte  zwischen  den  Hipparchia- 
Schuppen  und  den  Kieselpanzern  von  Pleurosigma  angulatum  und 
bildet  besonders  für  Objective  mit  grösserer  Focaldistanz  ein  ausge- 
zeichnetes Probeobject. 

Probeobject    zur   Erkennung'   des   Freiseins    von    ehromatiseber 

Aberration. 

Kartoffelstärke  mit  Wasser  benetzt.   Nur  die  wenigsten  Mikro- 
skope geben  das  Bild  der  mit  Wasser  benetzten  Kartoffelstärke  voll- 


1)  Sehr   schön    präparirt    zu    erhalten    durch    Herrn    Einest   Heeger   zu    Laxenhurg 
hei  Wien. 

2)  Ausgezeichnet  präparirt  von  Bourgogne  zu  Paris,  Rue  Massilon  Nr.  4. 


Ăśber  mikroskopische  Proheobjecte.  77 

kommen  farblos  und  man  kann  sich  leicht  ĂĽberzeugen,  dass  dieses 
Object,  wenn  man  so  sagen  darf,  bezĂĽglich  des  Erscheinens  von 
Farben  viel  empfindlicher  ist  als  der  von  Schacht  zu  gleichem 
Zwecke  vorgeschlagene  Pmtts-Querschnitt. 

Zweite  Classe  von  Probeobjecten :  KĂĽnstliche  Objecte. 

FĂĽr  Penetration  und  Definition. 

Auf  Glas  befindliche  Liniensysteme,  deren  Linien  nach  einer 
gewissen  Reihenfolge  immer  feiner  werden  und  sich  in  kleineren 
Entfernungen  befinden,  vorgeschlagen  von  Nobert1). 

Probeobjecte  fĂĽr  die  gehobenen  Aberrationen. 

QuecksilberkĂĽgelchen,  in  welchen  das  Bild  des  Fensterkreuzes 
reflectirt  wird,  von  List  er  vorgeschlagen2).  Die  KĂĽgelchen  mĂĽssen 
nicht  nur  ohne  farbigen  Säumen  (Freisein  von  chromatischer  Aber- 
ration), sondern  auch  scharf  begrenzt  erscheinen.  Verwaschenes 
und  gleichsam  nebliges  Aussehen  beweist  das  Vorherrschen  der 
sphärischen  Aberration. 

Ein  Quecksilberfaden  in  einem  Haarröhrchen  eingeschmolzen, 
ersetzt  nach  Moser3)  besonders  für  stärkere  Objective  mit  Vortheil 
die  QuecksilberkĂĽgelchen. 

Die  verschiedenen  Formen  der  in  Gummischleim  gebildeten 
Luftbläschen  empfiehlt  Hasting  als  eines  der  besten  Probeobjecte 
in  dieser  Richtung4). 

Weisse  Figuren  auf  schwarzem  Grunde  sind  zur  Erkennung  der 
sphärischen  Aberration  von  Goring  benützt5). 

Durchsichtige  kleine  Ringelchen  etc.  erhalten  durch  dickes 
Überstreichen  eines  Glastäfelchens  mit  Tusche  und  Radiren  der 
geeigneten  Figuren  aus  dem  Deckgrund  mit  einer  Nadel,  schlug  hin- 
gegen für  durchfallendes  Licht  zur  Erkennung  der  sphärischen  Aber- 
ration Mo  hl 6)  vor. 


1)   Poggendorffs  Annalen,  LXVII.  Bd.,  S.  175  und  LXXXV.  Bd.,  S.  83. 
8)   Philosophical  Transactions  for  the  year  1S30,  vol.  I,  pag.  190. 
3J  Repertorium  der  Physik.  V.  Bd.,  S.  397. 

4)  Quarterly  Journal  of  Microscopical  Science,  vol.  I,  pag.  292. 

5)  Pritchard,  Microscopic  Cabinet  pag.  197. 
•)  Mikrographie,  S.  171. 


78 


Pohl. 


Zählt  man  die  Objecte  Carpenter's  für  lösende  Kraft  jenen 
für  Penetration  bei ,  fasst  man  ferner  sämmtliche  genannte  Piobe- 
Objecte  zusammen  und  theilt  selbe  je  nachdem  sie  zur  PrĂĽfung  der 
definirenden  oder  penetrirenden  Kraft  oder  endlich  zur  Beurtheilung 
der  gehobenen  Aberrationen  am  Mikroskope  dienen  in  Gruppen,  so 
resultirt  folgendes  Schema. 


Probeobjecte. 


FĂĽr  Definition: 


Querschnitt  der  Wurzel  von  Zea  Mais 
„  von  Sambucus  nigra 

„  vom  Regenschirmrohr 

Längsschnitt  \on  Abies  excelsa. 
Blatt  einer  Varietät    des  Laubmooses 

Hypnum, 
Pollenkörner  von  der  Rosenpappel. 
Sporen  von  Lycoperdon. 
Fäserchen     von    Didymohelix    ferru- 

ginea. 
Spinnenklaue. 
Lunge  des  Frosches  oder  eines  Vogels. 

injicirt. 
Kieme  vom  Aal. 
RĂĽssel  der  Musca  domestica. 
Pygidium  der  Musca  domestica. 
VorderrĂĽsselhaut  der  Musca  erythro- 

cephala. 
Tracheen  der  Seidenraupe. 
FlĂĽgel  der  Musca  domestica. 

„      von  Culex  pipiens. 
FlĂĽgelstĂĽck  von  Papiiio  Crataegi. 
„  „    Pieris  Brassicae. 

„  „   Morpho  Menelaus. 

Flügeldecke    „    Curculio  imperialis. 
Haare  vom  Menschen. 
Bauchhaare     von     Vespertilio    muri- 

nus. 
Haare  von  Dermestes  lardarius. 
„       „     Vespertilio  pipistrelli/s. 
„       „    der  indischen  Fledermaus. 
GetĂĽpfelte    Schuppen    von     Lycaena 

Argus. 
GetĂĽpfelte    Schuppen    von     Lycaena 
Alexis. 


FĂĽr  Penetration: 


FlĂĽgelschuppen  von  Papiiio  Crataegi. 
,,  „     Morpho  Menelaus. 

„  „     Tinea  pelionella. 

„  ,,         „      surcitella. 

„  „    Alucita  pentadac- 

tyla. 
„  „    Alucita  hexadac- 

tyla. 
„  „    Lycaenae  Argus. 

„  „    Podnra  plumbea. 

„  „     Hipparchia  Jani- 

ra,  Männchen. 
„    Hipparchia  Jani- 
ra,  Weibchen, 
„    Pieris  rapae. 
„  .,    Lycaena  Alexis. 

„  „    Paliomatus  Argus. 

FlĂĽgeldeckensclmppen    von    Curculio 

imperialis. 
Schuppen  von  Lepisma  saccharina. 

„  „    Petrobius  marinus. 

Tripel  von  Eger. 
„       „    St.  Fiora. 
„       „    Lollhagysion. 
Grammatophora  rnarina. 

„  subtilissima. 

tiyalodiscus  subtilis. 
Striatella  unipunctata. 
Nitschia  taenia. 

„        sigmoidea. 
Navicu/a  rhoiuboides. 
„         veneta. 
„         viridis. 
„        Atniei. 
„        seulpta. 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte. 


79 


SchleimkĂĽgelchen. 

Primitiv-Fibrillen  der  Muskelfasern. 
Nobert's  Priifunp-sseala. 


Pleurosigma  angulatum. 

„  attenuatum. 

elongatum. 
fasciola  fCeratoneis  fas- 

ciola) , 
,.  hyppoeampos. 

„  littorale. 

„  macrum. 

obscurum. 
„  Spenceri. 

„  strigile. 

„  strigosum. 

Nobert's  PrĂĽfungsseale. 


Objecte  zur  PrĂĽfung  der  Mikroskope  bezĂĽglich  der  Aberrationeu. 

Weisse  Figuren  auf  schwarzem  Grunde  als  opakes  Object. 
Durchsichtige  weisse  Figuren  auf  schwarzem  Grunde  als  trans- 
parentes Object. 

Feine  QuecksilberkĂĽgelchen. 

Ein  feiner  Quecksilberfaden. 

Kartoffelstärke. 

Der  Querschnitt  von  Pinus  sylvestris. 

In  dieser  Zusammenstellung  blieb,  abgesehen  von  dem  Ordnen 
der  Objecte  in  Gruppen,  ihr  Werth  als  Probeobject  unberĂĽcksichtigt. 
Letzterer  ist  in  der  That  äusserst  schwierig  genau  zu  bestimmen. 
Der  Werth,  welchen  man  einem  Probeobjecte  beilegt,  hängt  näm- 
lich nicht  nur  vom  optischen  und  mechanischen  Theil  des  benutzten 
Mikroskopes  ab,  er  steht  auch  mit  der  erlangten  Ăśbung  des  Beob- 
achters im  Einstellen,  Beleuchten,  Sehen  etc.  im  innigsten  Zusam- 
menhange, ja  wird  selbst  oft  vom  Individuum  des  Probeobjectes, 
der  Art  der  Präparirung  etc.  bedingt.  Dies  die  Gründe,  warum  den 
meisten  Probeobjecten  verschiedener  Werth  beigelegt  wird,  wie  man 
sich  leicht  durch  Nachlesen  der  obcitirten  Literatur  der  Testobjecte 
ĂĽberzeugen  kann. 

Meiner  Ăśberzeugung  nach  gibt  es  nur  einen  Weg  diesem 
Schwanken  in  der  Werthbestimmung  der  Probeobjecte  fĂĽr  Defini- 
tion und  Penetration  einigermassen  abzuhelfen.  Dies  ist  die  Ver- 
gleichung  derselben  mit  einem  bestimmten  Objecte,  welches   aber 


80  Pohl. 

genau  bekannte  unveränderlich  gegebene  Unterabtheilungen  haben, 
selbst  zu  den  schwierigsten  und  zugleich  leichtesten  Probeobjecten 
gehören  und  endlich  sowohl  für  Definition  als  Penetration  gelten 
muss.  Es  lassen  sich  dann  alle  andern  Testobjecte  bezĂĽglich  des  an 
die  Spitze  gestellten  in  eine  Reihe  bringen  und  sind  die  Verhältnisse 
einmal  richtig  bestimmt,  so  kommt  es  kaum  mehr  darauf  an,  ob  das 
Normalobject  constanten  Werth  in  allen  vorkommenden  Exemplaren 
besitze  oder  kleinen  Schwankungen  unterworfen  sei. 

Bis  jetzt  kennen  wir  erwiesenermassen  kein  Object  natĂĽrlichen 
oder  kĂĽnstlichen  Ursprunges,  das  in  allen  vorkommenden  Exemplaren 
gänzlich  gleich  wäre,  es  bleibt  aber  immerhin  wünschenswerth  als 
Massstab  derVergleichung  ein  sich  möglichst  gleich  bleibendes  Object 
zu  wählen,  um  innerhalb  gewisser  Grenzen  auch  Anderen  die  Mög- 
lichkeit der  Vergleichung  zu  bieten. 

Diesen  Bedingungen  kann  ein  kĂĽnstliches  Probeobject  ent- 
sprechen und  zwar  eignet  sich  hinzu  Nobert's  PrĂĽfungsseale  vor- 
trefflich. Durch  die  Liniengruppen  ,  welche  selbe  enthält  und  die 
bezĂĽglich  der  Feinheit  und  Entfernung  von  einander  eine  bestimmte 
Reihe  bilden,  sind  genĂĽgende  Anhaltspunkte  zur  Vergleichung  gege- 
ben ,  ja  sogar  der  Werth  eines  Objectes  in  Zahlen  mittelbar  aus- 
drĂĽckbar. Die  Nobert'sche  Scale  dient  ferner  sowohl  fĂĽr  defini- 
rende  als  penetrirende  Kraft  der  Mikroskope  als  Massstab  .  da  fĂĽr 
erstere  die  Schärfe  und  Klarheit  der  Linien  ,  für  letztere  haupt- 
sächlich die  Zahl  der  gelösten  Liniengruppen  berücksichtiget  wird. 
Endlich  sind  die  verschiedenen  Exemplare  der  neuesten  Probeplatten 
Nobert's  ziemlich  gleich  ausgeführt ,  was  jedoch  für  die  älteren 
Probeplatten  nicht  gilt.  Ich  habe  daher  bei  der  bedingten  Wichtig- 
keit, welche  Definitions-  und  Penetrations-Objecte  fĂĽr  die  Beurthei- 
lung  des  Werthes  von  Mikroskopen  besitzen,  eine  Reihe  der  zweck- 
mässigsten  ausgesucht,  um  selbe  unmittelbar  mit  Nobert's  Prüfungs- 
scale  bei  gleichbleibenden  Umständen  derart  zu  vergleichen  ,  dass 
ich  bestimme,  welche  Liniengruppe  Nobert's  und  wie  selbe  sichtbar 
sein  muss,  um  das  eigentlich  wesentliche  Detail  des  Probeobjectes 
zu  sehen.  Die  Probeobjecte  sind  übrigens  so  gewählt,  dass  bei 
stufenweisem  Fortschreiten  sowohl  die  schwachen  als  die  stärksten 
Linsensysteme  berĂĽcksichtiget  sind  und  daher  auch  selbe  zur  PrĂĽfung 
der  Definitions-  und  Penetrations  -  Fähigkeit  aller  Gattungen  von 
Mikroskopen  ausreichen.    Sie  sind; 


Ăśber  mikroskopische  Proheohjecte. 


81 


Proheohjecte. 


FĂĽr  Definition: 

Längsschnitt  von  Abies  excelsa. 
Spinnenklaue. 
Muskelfaser  vom  Ochsen. 
VorderrĂĽsselhaut  der  Musca  erythro- 

cephala. 
Tracheen  der  Seidenraupe. 
Haare    der    Fledermaus,     Vespertilio 

murinus. 
KĂĽckenhaare  der  Hausmaus,  Mus  du- 

mestica. 
FlĂĽgeldecke  von  Curculio  imperialis. 
GetĂĽpfelte    Schuppen    von     Lycaena 

Alexis. 
FlĂĽgel  von  Culex  pipiens. 


FĂĽr  Penetration: 
Schuppen  von  Lepisma  saccharina. 
„  „    Curculio  imperialis. 

FlĂĽgelschuppcn  von  Morph)  Neue/aus. 
„  „   Podura  plumbea. 

„  ,,    Hipparehia  J ant- 

ra, Weibchen. 
„  „   Lycaena  Alexis, 

n  »   Pontia  Brassicae. 

„  „  Picris  Crataegi. 

Striatella  unipunctata. 
Grammatophora  marina. 

„  subtilissima. 

Plewosigma  angulatum. 
„  attenuatum. 

Navicula  Spencerii. 
„  Veneta. 

„         viridis. 
„         Amici. 
„        sculpta. 
„         arcus. 
„         sigmoidea. 

Vor  Angabe  der  Resultate  dieser  Vergleichung,  welche  gegen 
Mangel  an  Zeit  nur  sehr  langsam  fortschreitet,  muss  ich  jedoch  not- 
wendig Nobert's  Probeplatte  selbst  besprechen  ,  welche  neuerer 
Zeit  mit  einem  gewissen  Misstrauen  von  Seite  vieler  Mikroskopiker 
betrachtet  wird.  Den  Anlass  hiezu  scheint  Mo  hl  gegeben  zu  haben, 
indem  er  bedingungsweise  mit  Recht  auf  die  Ungleichheit  von  N  o  b  e  r  t's 
Scalen  aufmerksam  machte1).  'n  Folge  deren  die  mit  verschiedenen 
Probeplatten  erhaltenen  Resultate  nicht  vergleichbar  seien.  Beim  Ver- 
gleiche zweier  Platten  betrug  nämlich  nach  Mo  hl  diese  Ungleich- 
heit die  Lösungsfähigkeit  einer  ganzen  Liniengruppe.  Mohl  schreibt 
selbe  der  Form  der  Diamantspitze,  womit  die  Linien  geritzt,  der 
Beschwerung  selber,  und  der  Härte  des  Glases  zu,  auf  dem  die  Scale 
aufgetragen.  Dass  die  Umstände  unter  denen  mehrere  Platten  verfer- 
tiget werden,  nie  vollkommen  gleich  seien,  lässtgewiss  keinen  Zweifel 
zu,  allein  ein  genauer  Anblick  der  N ober t'schen  Probescalen  zeigt 


1)  Mohl,  Mikrographie,  S.  191. 

Sitzb.  d.  mathenj.-iiiUurw.  Ct.  XL,  Bd.  Nr.  7. 


82  Fohl 

durch  die  Gleichförmigkeit,  sowie  Glätte  der  Linien,  ferner  das  nie- 
malige  Vorkommen  aufgesprungener  Striche  fast  zur  Evidenz  ,  dass 
die  Linien  nicht  mit  dem  Diamant  gerissen,  sondern  mit  Flusssäure 
geätzt  seien. 

Ich  selbst  hatte  vor  einiger  Zeit  zwei  Nob  ert'sche  Probescalen, 
deren  eine  mit  10  Gruppen  im  Besitze  des  physikalischen  Cabinetes 
am  k.  k.  polytechnischen  Institute,  die  andere  mit  15  Liniengruppen 
Eigenthum  des  Herrn  PI  össl  ist,  mit  einander  verglichen  1).  An  erst- 
genannter Probeplatte  sind  die  Linien  weit  feiner  als  an  Plössl's 
Scale,  so  dass  an  letzterer  im  Durchschnitte  immer  eine  Gruppe 
mehr  gelöst  wurde.  Mittlerweile  fand  ich  Gelegenheit  mit  diesen 
beiden  Probeplatten  noch  mehrere  andere  vergleichen  zu  können, 
welche  theils  als  Testobjecte  ,  theils  als  Platten  zur  Bestimmung 
der  Wellenlänge  des  Lichtes  in  der  Luft  und  im  Glase  dienen 
sollen  2)  und  welch'  letztere  zugleich  Probescalen  fĂĽr  Mikroskope 
bilden.  Zur  Vergleichung  bei  möglichst  constanter  Beleuchtung 
mittelst  Lampenlicht,  benĂĽtzte  ich  mein  grosses  Mikroskop  von 
Plössl,  das  ich  bezüglich  seiner  Leistungsfähigkeit  schon  früher 
beschrieb3).    Die  verglichenen  N  obert'schen  Scalen   waren  aber: 

FĂĽnf  Testobject-Platten  von  Nobert  zu  Ende  des  Jahres  1855 
verfertiget,  damals  Eigenthum  der  Fabrik  chemischer  und  physika- 
lischer Apparate  des  Herrn  Lenoir  in  Wien.  Diese  Platten  tragen 
die  Aufschrift  von  Nobert  mit  dem  Diamant  eingeritzt: 


1000  6000 

also  sind  die  Entfernungen  der  einzelnen  Linien  in  der  ersten 
Gruppe  0001  Pariser  Linien,  in  der  letzten  hingegen  0-0001 67  Linien. 
Sämmtliche  Platten  nachstehend  mit  I  bis  V  bezeichnet,  enthalten 
20  Liniengruppen  *). 

Eine  Testobject-Platte  wie  die  Obigen  und  zu  gleicher  Zeit  ver- 
fertiget ,  Eigenthum   des    k.  k.  physikalischen  Institutes   zu    Wien, 


*)  Sitzungsberichte  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften,  mathem.-naturw.  ("lasse, 
Bd.  XI,  S.  504. 

2)  Poggendoiffs  Annalen,  l.XXXV.  Bd.,  S.  80  und  8:5. 

3)  Sitzungsberichte  XI.  Bd.,  S.  517. 

4j  Von  diesen  Probescalen  wurde  später  eine  an  das  Joauneum  in  Gratz,  eine  an 
Professor  Kuczinsky  in  Krakau,  eine  an  die  k.  k.  Universität  zu  Prag-,  eine  an 
Herrn  S.   E.  von  Madarasz  in  I'estli   und  eine  nach  London   verkauft. 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte.  $J$ 

welche  mir  Herr  Regierungsrath  R.  v.  Etti  ngshausen  gĂĽtigst  zur 
Vergleichung  anvertraute,  unten  mit  E  bezeichnet. 

Eine  Platte  zur  Bestimmung  der  Wellenlänge  des  Lichtes  in  der 
Luft  und  im  Glase  ebenfalls  Ende  1855  von  Nobert  an  Lenoir 
abgeliefert,  und  im  Folgenden  mit  W unterschieden. 

Eine  gleiche  Platte  zur  selben  Zeit  verfertiget.  Eigenthum  des 
k.  k.  physikalischen  Institutes,  später  mit  W  angeführt. 

Eine  grosse  Testobject-Platte  mit  30  Liniengruppen;  die  feinste 
Theilung  Nobert's  enthaltend ,  ebenfalls  Ende  1855  vollendet  und 
mein  Eigenthum.  Diese  Platte  trägt  mit  dem  Diamant  geschrieben  die 
Aufschrift: 

Testobject. 


1 

1 

TobT 

8000 

1  Dw.  ==  0"'001000 

15  Dw.  =  0*000200 

5     „     =             550 

20     „     =             1G7 

10     „     =             275 

25     „     =.             143 

30  Dw.  = 

0 

'000125. 

Diese  Platte  soll  später  durch  P  kenntlich  gemacht  werden. 

Alle  Platten  wurden  ĂĽbrigens  durch  Herrn  Lenoir  direct  von 
Nohert  bezogen,  betreffs  welcher  dieser  unter  dem  17.  Deeember 
1855  folgende  schriftliche  Mittheilung  machte: 
.  .  .  .  „Alle  diese  Theilungen  sind  ganz  vorzüglich  ausge- 
fallen, wie  man  am  besten  an  der  Lebhaftigkeit  der  Farben  der  feineren 
Gruppen,  sowohl  der  dickeren  Interferenz -Platten  (Wellenplatten) 
als  auch  der  Testobject-PIatten  erkennt,  wobei  ich  nicht  unterlassen 
will  zu  bemerken ,  dass  die  drei  feinsten  Gruppen  der  Testobject- 
PIatten  keine  Farben  mehr  erzeugen  können  ,  weil  der  Abstand  der 
Linien  dieser  Gruppen  kleiner  als  die  Länge  der  kleinsten  Licht- 
welle in  der  Luft  ist.  Könnte  an  diesen  Platten  das  Licht  in  ähnlicher 
Weise  geleitet  werden,  wie  bei  den  dicken  Interferenz-Platten,  so 
wĂĽrden  auch  an  ihnen  diejenigen  Farben  entstehen,  welche  wir  an 
Gruppen  von  gleicher  Feinheit  der  dicken  Interferenz -Platten  mit 
so  grosser  Bestimmtheit  sich  entwickeln  sehen.  Die  Deckgläschen  der 
Testobject-PIatten  sind  von  der  Dicke  gemacht,  welche  die  ersten  engli- 
schen KĂĽnstler  fĂĽr  ihre  l/ia  Zoll  Objective  vorschreiben  und  welche 
die  grösste  noch  zulässige  für  diese  Objective  ist.  Meine  stärksten 
yJ4  Zoll  Objective  ,  lassen  Deckplättchen ,    die  um   i/z  stärker  sind, 

0* 


84  H  ĂĽ  >>  ' 

zu  und  es  tritt  dann  die  grösste  Apertur  und  die  günstigste  optische 
Wirkung  ein.  Ich  habe  sogar  einige  Deckgläschen  noch  dünner  als 
nach  englischer  Vorschrift  gemacht,  weil  ich  erfahren  habe,  dass 
Plössl  in  den  letzten  Jahren  Objective  gemacht  hat,  welche  nur 
sehr  dünne  Deckplatten  zulassen,  so  dünn,  dass  die  Deckplättchen 
frĂĽherer  PrĂĽfungsplatten  von  mir  sich  zu  dick  erwiesen. 

„Mit  dem  */2  Zoll  Objective  meiner  Mikroskope  (Abstand  von 
der  Objecttafel  2'!'8)  werden  sechs  Gruppen,  mit  dem  i/k  Zoll 
Objective  (zulässige  Deckplatte  0"'8  dick)  werden  neun  Gruppen, 
mit  dem  1/8  Zoll  Objective  (zulässige  Deckplatte  0"'36  dick) 
15  Gruppen  und  mit  dem  yi4  Zoll  Objective  (dickste  Deckplatte 
0"'17)  alle  20  Gruppen  unter  den  günstigsten  Beleuchtungsumständen 
zerlegt.  Ich  habe  noch  gestern  am  Vormittag  bei  herrlich  heiterem 
Himmel  an  den  PrĂĽfungsscalen,  welche  sie  jetzt  erhalten ,  schon  bei 
340  Vergrösserung  (!/14  Zoll  Objective  mit  Ocular  1)  die  19. 
Gruppe  ausserordentlich  fein  zerlegt  gesehen  und  bei  520  Ver- 
grösserung trat  die  20.  Gruppe  völlig  sicher  hervor.  Am  Nachmittage 
bei  bedecktem  Himmel  konnte  ich  ohne  irgend  einer  Schwierigkeit 
mit  340  Vergrösserung  die  17.,  selbst  18.  Gruppe  sehen." 

Diese  Zeilen  bieten  mehrfaches  Interesse  dar.  Sie  erklären  die 
von  mir  geprĂĽften  Scalen  als  vorzĂĽglich  gelungene ;  sie  geben  Auf- 
schluss  ĂĽber  die  penetrirende  Kraft  von  Nobert's  Mikroskopen  zu 
genannter  Zeit  und  sie  berĂĽhren  noch  einen  anderen  wichtigen 
Punkt,  die  Dicke  der  Deckgläschen  an  den  Prüfungsscalen.  Dass 
Nobert  neuerer  Zeit  dünnere  Deckgläser  braucht,  muss  unbedingt 
als  Fortschritt  bezeichnet  werden.  Der  Plössl  berührende  Aus- 
spruch kann  sich  jedoch  nur  auf  dessen  früher  gelieferte  stärk- 
sten Linsensysteme  beziehen  ,  welche  in  der  That  nur  mit  den 
dünnsten  Deckgläschen  vollkommen  scharfe  Bilder  zeigten.  Seit  dem 
Jahre  1852  verfertiget  aber  bekanntlich  Plössl  sogenannte  Cor- 
rections-Einsätze,  an  welchen  durch  Verschiebung  der  Objectiv- 
linsen  gegen  einander,  der  nachtheilige  Eintluss  selbst  ziemlich 
dicker  Deckgläschen  aufgehoben  wird  *).  Ich  habe  übrigens  diese 
Linseneinsätze  PlössPs  bei  Gelegenheit  der  Naturforscher- Ver- 
sammlung zu  Wien  im  Jahre  1856  im  Beisein  des  Herrn  k.  Staats- 


r)  Pohl,  Sitzungsberichte  der   kais.  Akademie  der  Wissenschaften  mathem.-naturw, 
Classe,  XI.  Bd.,  S.  523. 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte,  8o 

ratlies  Fritsche  aus  St.  Petersburg,  Herrn  Beneche  gezeigt, 
dem  selbe  damals  noch  völlig  neu  waren,  und  welcher  gegenwärtig 
ebenfalls  dieses  System  adoptirt  hat.  Dies  mag  zugleich  als  Berich- 
tigung beistehender  Angabe  Ăźeinike's  dienen1). 

„Unter  den  mancherlei  Nebenapparaten,  welche  die  englischen 
Optiker  ausser  den  zur  Beleuchtung  gehörigen  noch  fertigen  und 
unter  welchen  sich  noch  so  manches  Zweckmässige  finden  mag,  will 
ich  nur  eine  einzige  Vorrichtung  erwähnen,  welche  bis  jetzt  in 
Deutschland  unbekannt  war,  und  welche,  so  viel  ich  weiss,  nur 
Beneche  und  Wasser  lein  in  Berlin  seit  kurzem  ebenfalls  liefern." 

Nach  Obigem  waren  es  entschieden  Plössfs  Corrections- 
Einsätze,  welche  sich  Beneche  und  Was  seriein  als  Muster 
nahmen.  Obscbon  nun  Plössl  gewiss  um  die  erwähnte  Zeit  diese 
Einsätze  ersann,  und  in  Deutschland  zuerst  anwandte,  so  sind  doch 
selbe  (wie  zur  Vermeidung  jedes  Missverständnisses  bemerkt  sein 
muss)  eine  längst  beschriebene  Erfindung  von  Andrew  Boss  in 
England.  Nachdem  nämlich  zuerst  Amici  im  Jahre  1829  auf  den 
Einfluss  der  Deckgläschen  bei  mikroskopischen  Beobachtungen  auf- 
merksam gemacht  hatte  und  besondere  Linsensysteme  fĂĽr  den  Ge- 
brauch von  Deckgläschen  verschiedener  Dicke  zusammenstellte 3), 
erfand  Boss  im  Jahre  1836/1837  die  Correctionslinsen,  welche  je 
nach  der  Stellung  der  untersten  Linse  gegen  die  beiden  oberen 
Objectivlinsen  zum  Beobachten  mit  oder  ohne  Deckgläschen  dienen. 
Ross  gab  diesem  Objectivsysteme  den  Namen  „Adjusting  Object 
Glass"  und  es  ist  selbes  von  ihm  genau  beschrieben  im  Kl.  Bande 
der  Transactions  of  the  Society  for  the  Encouragement  of  art,  manu- 
factures  and  Commerce.  Vol.  2,  pag.  99  — 108,  welcher  Band  im 
Jahre  1838  veröffentlicht  wurde.  Ross  erhielt  damals  von  genann- 
ter Gesellschaft  fĂĽr  seine  Erfindung  die  goldene  Isis -Medaille.  In 
England  fand  ĂĽbrigens  Boss  bald  Nachahmer  und  meines  Wissens 
construiren  vorzugsweise  Powell  and  Lealand,  ferner  Schmith 
and  Beck  seit  Jahren  Correctionslinsen,  welche  sich  von  jenen  des 
A.Boss  nur  durch  kleine  Abänderungen  in  der  Form  der  Linsenfassung 
unterscheiden.  So  viel  ich  weiss,  construirt  aber  auch  Nobert  seit 
1852  und  Nachet  et  Fils  zu  Paris  seit  dem  Jahre  1856  zu  Paris 


1)  Reinike,  BeitrĂĽge  zur  neueren  Mikroskopie,  18Ăś7,  S.  28. 

2)  Mo  hl,  Mikrographie,  S.  70. 


86  '•  o  h  i. 

solche  Correctionslinsen,  wie  aus  dem  gedruckten  Kataloge  letzterer 

Firma  zu  ersehen1).  Ross  adjusting  object  glass  so  wie  die  selben 
nachgebildeten  Systeme  wurden  aber  mehrfach  von  englischen  und 
amerikanischen  Schriftstellern  in  ihren  HandbĂĽchern  ĂĽber  Mikro- 
skopie beschrieben,  wie  z.  B.  von  Quekett2)  Charpenter3)  und 
Wythes4).  Unter  solchen  Umständen  scheint  es  erstaunlich,  dass 
die  in  Rede  stehenden  Correctionslinsen  den  meisten  Optikern  am 
Continent  so  lange  unbekannt  oder  von  ihnen  unberĂĽcksichtigt  blei- 
ben konnten.  Es  gebührt  daher  jedenfalls  Plössl  und  nach 
selben  Nobert  das  Verdienst,  die  Aufmerksamkeit  der  praktischen 
Optiker  und  Mikroskopiker  Deutschlands  thatsächlich  auf  die  Cor- 
rectionslinsen gelenkt  zu  haben,  welche  Combination  ersterer  erfand, 
ohne  von  den  adjusting  object  glasses  der  Engländer  Kenntniss  zu 
haben.  Seit  Kurzem  hat  übrigens  auch  Oberhäuser  (Hartnak)  bei 
seinen  stärksten  Objectiven  das  Correetions-System  angenommen. 
Während  also  jetzt  Noberts  Probeplatteu-Deckgläschen  selbst 
für  das  neueste  stärkste  Objectivsystein  Plössl's  (1858)  voll- 
kommen ausreichen,  ist  wenigstens  bei  meiner  Probeseale  das  unge- 
fähr 0*25  Millim.  dicke  Deckglas  für  die  stärksten  Linsensysteme 
anderer  Optiker  desswegen  unbrauchbar,  weil  sieb  das  Objectiv- 
system  dem  Objecte  nicht  mehr  genügend  nähern  lässt.  So  z.  B. 
kann  ich  das  stärkste  Objectivsystein  Nr.  1 1  meines  grossen  Mikro- 
skopes  von  Beneche  und  Wasserlein  Nr.  1159,  abgeliefert  im 
Herbste  1 856 ,  eben  wegen  zu  grosser  Dicke  des  Deckglases  selbst 
mit  dem  Oculare  I,  nicht  an  meiner  Probeplatte  prüfen.  Es  wäre 
daher  sehr  zu  wĂĽnschen  dass  Nobert  in  Zukunft  au  seinen  Test- 
object-Platten  noch  dünnere  Deckgläser  verwende.  Die  folgende 
Zusammenstellung  gibt  nun  die  Resultate  i\er  Vergleichung  der  ver- 
schiedenen Probeplatten  mit  der  LinsencoinbinaĂĽon  II)  5,  6,  7 
meines  grossen  Plössl's  unter  ganz  gleichen  Umständen  ausgeführt, 
bei  einer  linearen  Vergrößerung  von  541  ,  bezogen  auf  250  Millim. 


')  Naeliet,  Catalogue  descriptif  des  Instruments  de  Micrographie.  Imp.  8°.  Paris  1856, 

pag.  5  et  I !». 
-)  Quekett,  On  the  Microscope  ith  edition.  London   1S4S.  2th.edU.  lS.'i'i.  Deutsch 

von  Hartmann,  I.  Auflage,  Weimar  1849,2.  Auflage   1854,   J.  30,  735  und  736  und 

Tal'.  2,  Fig.  ->'l. 
'â– )  Charpent er,    The   Microscope   and    its  Revelations    J lh   edition.    London    1856, 

pag.   166. 
4J  Wythes,  The  Microscopist.  Uli  edition.  Philadelphia  1851,  pag.   14 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte 


«7 


Sehweite.   PI.  bedeutet  PIössl's  Scale,  ./  hingegen  jene  des  k.  k 
polytechnischen  Institutes. 


J 

1 

II 

III 

IV 

V 

E 

w 

10 

20 

20 

20 

20 

20 

20 

w 

G 

r     u     p 

P     e 

n 

30 


Gruppen 


Gelöste  Gruppen  bei  centraler  Beleuchtung 


höchst 
fein 


XV 

sehr 
schön 


8 

9 

9 

9 

9 

IX 

IX 

sehr 

sehr 

fein 

scharf. 

scharf, 

milchig', 

scharf, 

fein 

fein 

fein 

fein 

fein 

fein 

9 

Beginn 

IX 

scharf, 
fein 


Gelöste  Gruppen  hei  .schiefer  Beleuchtung 


X 

XX 

XX 

XX 

XX 

XX 

XX 

letzte 
Gruppe 

letzte 
Gruppe 

XXX 

ausge- 

fein, 

etwas 

fein, 

etwas 

etwas 

fein, 

fein, 

zeichnet 

gut 

feiner 

gut 

feiner 
als  bei 

milchig 

sehr  gut 

deut- 
licher 

deutlich 

Mit  der  Linsen-Combination  1)  J>,  6,  7  bei  463  maliger  Ver- 
grösserung  wird  an  PIössl's  Scale  die  VII.  Gruppe  bei  centraler 
Beleuchtung  und  die  XV.  bei  schiefer  Beleuchtung  gelöst,  während 
bei  letzterer  Beleuchtung  auch  an  allen  ĂĽbrigen  Probeplatten  die 
letzten  Gruppen  äusserst  fein  und  matt  gelöst  werden. 

Mit  der  Combination  Aplanat)  5,  6,  7  und  nur  215maliger  Ver- 
grösserung  bekam  ich  an  der  Wellenplatte  W  die  letzte  Gruppe 
deutlich  gelöst;  ich  halte  jedoch  diese  Lösung  für  das  Feinste,  was 
ich  je  unter  dem  Mikroskope  sah.  Am  feinsten  gezogen  erscheint 
die  zehngruppige  älteste  Scale  J,  dann  folgt  PlössTs  Scale,  während 
die  übrigen  Platten  die  Striche  alle  etwas  schärfer  (tiefer)  gezogen 
enthalten,  unter  einander  aber  zur  GenĂĽge  stimmen. 

Diese  PrĂĽfungen  zeigten  aber  ferner,  das  Nobert  bei  den 
feinsten  Liniengruppen  die  Gleichförmigkeit  der  Striche  nicht  mehr 
ganz  in  seiner  Macht  habe. 

So  zeigt  sich  an  der  Wellenplatte  W 
bei  541  maliger  Vergrösserung  deutlich, 
dass  in  der  letzten  Gruppe,  wie  Figur  1  o  — 
andeutet,  der  Strich  aa  gegen  den  End- 
strich ee  hin  stärker  als  die  übrigen 
gezogen  sei.  In  der  vorletzten  Gruppe  f,  _ 
ist   dies    der   Fall   bei    einer   Linie    bb, 


Fie.  l. 


Fig. 


88  I*  o   h  I. 

Figur  2;  in  der  drittletzten  Gruppe  end- 
lieh ist  es  der  Endstrich  cc,   Figur  3,  lg"    ' 


welcher  stärker  gezogen  erscheint. 

An  der  Wellenplatte  W  sind  in  der      '' c 

letzten   Gruppe  die  Striche  dd  und  ee,  Fi    4 

wie  Figur  4  andeutet,  stärker  gezogen         

und  in  der  vorletzten  Gruppe  sind  sogar,      e e 

wie  Figur  5  versinnlichet,   vier   Theil- 

striche  gegen  die  ĂĽbrigen  zu  stark.  Fig.  5. 

Es  finden  somit,   wie  schon  ander-  ^^ 

seits  bemerkt,  thatsächlich  kleine  Unter- 
schiede an  den  verschiedenen  Probe- 
platten Nobert'sStatt,  und  diese  bei  den  neueren  Platten  unbedeutend, 
treten  gegen  die  älteren  Scalen  deutlich  hervor.  Diese  merklichen 
Unterschiede  sind  nach  meiner  Ăśberzeugung  am  wenigsten  durch 
die  ungleiche  Tiefe  der  Striche  in  Folge  unvollkommener  mechani- 
scher AusfĂĽhrung  bedingt,  welche  den  Grund  der  weit  geringeren 
Ungleichheiten  der  neuesten  Platten  abgibt;  sie  liegen  vielmehr  im 
Theilungsprincip  No  bert's. 

Nobert  gibt  nämlich  in  seinem  ursprünglichen  Aufsatze  über 
dieTestobject-Platten  vom  Jahre  1846')  fĂĽr  die  zehngruppige  Scale 
die  Linien-Distanzen: 

Gruppe    I,  Distanz  0-001000  P.  Linien, 


II, 

0-000875 

III, 

0- 000735 

IV, 

0- 000630 

V, 

0- 000540 

vi, 

0- 000463 

VII, 

0- 000397 

VIII. 

0-000340 

IX, 

0-000292 

X, 

0-000250 

wo  im  Originale  fĂĽr  die  Gruppe  X  durch  einen  Druckfehler  die 
Zahl  0-000225  steht,  die  offenbar  unrichtig,  da  die  Entfernungen  der 
Parallellinien  der  einzelnen  Gruppen  die  Glieder  einer  geometrischen 
Heihe  bilden  sollen  und  Nobert  selbst   im  Texte  die    Distanz    der 

r        •  1'" 

Linien  in   der  10.  Gruppe  zu  -; ansetzt. 

n  4000 


')  Poggendorff's  Annalen,  LXVII.  Bd.,  S.  175. 


Ăśber  mikroskopische  Probeohjecte.  iS!) 

Nach  Nobert's  Aufsätze  über  die  Wellenplatten  vom  Jahre 
1852  l)  haben  selbe  15  Gruppen  mit  A  bis  P bezeichnet,  deren 
Linien-Entfernungen  folgende  sind: 

Gruppe  A  =  0-000400  P.  Linien,    Gruppe    I  =  0- 000200  P.  Linien, 


B  = 

350 

C  = 

300 

n           D  = 

275 

„   E  = 

250 

F  = 

237 

„   G  = 

225 

H  = 

212 

K  = 

188 

L  = 

175 

M  = 

163 

N  = 

150 

O  = 

138 

P  = 

125 

AusdrĂĽcklich  bemerkt  aber  Nobert  dass,  um  die  Platte  auch 
als  Prüfungsmittel  für  Mikroskope  brauchen  zu  können,  die  Inter- 
valle der  Theilung  der  Wellenplatte  A,  B,  C  .  .  .  J,  genau  jenen 
der  VII.,  VIII.,  IX  .  .  .  XV.  Gruppe  der  PrĂĽfungsplatte  fĂĽr  Mikro- 
skope entsprechen.  Hienach  wären  aber  die  Werthe  und  Theilungs- 
Unterschiede  den  lOgruppigen  und  15gruppigen  Platten  Nobert's 
bis  zum  Jahre  1852  in  Pariser  Linien  ausgedrĂĽckt: 

„  lOirruppiRe  Scale,        läfrruppijre  Scale,  ...         ... 

Gruppe  b     "  ",.  '  b    ,\?  *.  '  Unterschiede 

"  Wertlie  Werthe 


I. 

0~001000 

O^OOJOOO 

0-000000 

IL 

857 

857 

» 

III. 

735 

735 

n 

IV. 

630 

630 

n 

V. 

540 

540 

n 

VI. 

463 

463 

» 

VII. 

397 

400 

+ 

0-000003 

VIII. 

340 

350 

+ 

10 

IX. 

292 

300 

+ 

8 

X. 

250 

275 

+ 

25 

also  Beispielsweise  die  Linien  der  letzten  Gruppen  an  Plössl's 
Scale  principiell  in  bedeutend  grösseren  Entfernungen  als  an  der 
lOgruppigen  Scale  des  k.  k.  polytechnischen  Institutes  gezogen 
(nämlich  um  0-1  weiter)  und  somit  die  Unterschiede  in  der  Lös- 
barkeit der  feineren  Gruppen  beider  Scalen  bei  gleichen  Umständen 
zu  Genüge  erklärt. 


t)  P  o  g  g  e  n  d  o  r  f  f  's  Annaleii,  LXXXV.  Bd.,  S.  84. 


<H> 


Pohl. 


i)c  l.t  Uue  J)  hat  nach  dein  Jahre  1850  eine  Testobject-PIatte 
mit  15  Gruppen  von  Nobert  erhalten,  in  welcher  die  Distanzen 
der  Linien,  die  in  nachstehender  Tabelle  gegeben  sind,  welche 
zugleich  die  Unterschiede  dieser  Testobject-PIatte  gegenĂĽber  der 
ursprĂĽnglichen  Wellenplatte  so  wie  der  lOgruppigen  Testobject- 
PIatte  vom  Jahre  1846  veranschaulicht: 


Gruppe 

De  la  Rue's 
Scale 

Wellenplalte 
1852 

Differenz 

Differenz  zur 

10  grupp.  Scale 

von  IS46 

1. 

(»'"OOIOOO 





o- 

II. 

850 



— 

+  0- 000007 

III. 

730 

— 

— 

+                  5 

IV. 

620 

— 

— 

+               10 

V. 

550 

— 

— 

10 

VI. 

480 



— 

—               17 

VII. 

400 

0-000400 

0 

3 

VIII. 

350 

350 

0 

—               10 

IX. 

300 

300 

0 

8 

X. 

275 

275 

II 

25 

XI. 

280 

250 

0 

— 

XII. 

238 

237 

—  o-oooooi 

— 

XIII. 

225 

225 

0 

— 

XIV. 

213 

212 

—  0- 000001 

— 

XV. 

200 

200 

0 

■ — 

Hienach  herrscht  zwischen  der  Wellenplatte  vom  Jahre  1852 
und  De  la  Rue's  Probeplatte  fast  vollkommene  Ăśbereinstimmung, 
während  sich  gegen  die  erst  verfertigten  Testobjekt  -  Platten 
namhafte  Unterschiede  zeigen ,  welche  in  den  ersten  Gruppen 
positiv,  in  den  letzteren  hingegen  negativ  sind.  Somit  folgt  abermals 
dass  Nobert  seine  Testobject-PIatten  etc.  zu  verschiedenen  Zeiten 
absichtlich  ungleich  tlieilte. 

Gehen  wir   nun  zu  den  neueren  Probeplatten  Nr.  I  bis  incl.  \ , 

V" 


dann  E  ĂĽber,  welche  in  20  Gruppen  getheilt  die  Aufschrift 


1000 


l.i 


1'" 
6000 


tragen,  so  gibt  dies  in  Decimalen  ausgedrĂĽckt  0-001000  bis 


0000 167  Pariser  Linien,  also  die  letzte  Gruppe  zwischen  L  und  M 


')  Quekett,    Praktisches    Handbuch    «1er    Mikroskopie    deutsch     von     Hartmann. 
â– >    Auflage,  S.  732. 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte 


91 


der  Wellenplatte  vom  Jahre  1852  fallend,  deren  Distanzen  0*000 175 
und  0-000163 Pariser  Linien  sind.  Da  aber  Gruppe  «/der  15.  Gruppe 
von  De  la  Rue's  Scale  entspricht,  so  sollte  eigentlich  nach  dein 
System  der  Wellenplatten  vom  Jahre  1852  fortschreitend,  die  20. 
Gruppe  der  neuen  Testobject-Plalten  vom  Jahre  1855,  die  18.  Gruppe 
heissen.  Da  dies  nicht  der  Fall,  so  zeigt  sich  abermals  eine  Änderung 
im  Theilungssysteme. 

Die  neuen  Wellenplatten  vom  Jahre  1855,  oben  mit  W  und  W 
bezeichnet,  umfassen  12  Gruppen.  Die  nachstehende  Tabelle  gibt 
die  Werthe  der  Linien- Intervalle  in  den  einzelnen  Gruppen  der- 
selben und  veranschaulicht  zugleich  die  Unterschiede  gegen  die 
nächststehenden  Gruppen  der  Wellenplatte  vom  Jahre  1852  und  die 
15gruppige  Scale  De  la  Rue's. 


Wellenplatten 

Wellenplatte 

Intervall- 

De  la  Rue's 

Intervall- 

W  und  W 

Intervall 

v.  J.  1832 

Differenz 

Testohject-Platte 

Differenz 

Gruppe    I. 

0"'000350 

Gruppe  B 

0'" 

Gruppe   VIII. 

0 

„    II. 

306 

,,    c 

—  0"'000006 

IX. 

— 

0- 000006 

„    111. 

275 

„      t> 

0 

x. 

0 

»    iv. 

244 

„       K 

+   0-000006 

XI. 

+ 

0-000006 

v. 

225 

,,      G 

0 

„        XIII. 

0 

„      VI. 

206 

„        I 

—  0- 000006 

XV. 

+ 

0-000006 

„     YII. 

188 

»      K 

0 

— 

— 

„    VIII. 

175 

»       L 

0 

— 

— 

„      IX. 

163 

„      M 

0 

— 

— 

„        X. 

150 

„      N 

0 

— 

— 

„      XI. 

138 

,        0 

0 

— 

— 

„     XII. 

125 

„         P 

0 

— 

— 

Die  neuen  Wellenplatten  zeigen  somit  gegen  jene  vom  Jahre 
1852  beträchtliche  Unterschiede  bezüglich  der  Zahl  der  Gruppen 
sowie  des  Werthes  der  einzelnen  Linien -Intervalle,  was  auch  im 
Vergleich  zur  Scale  De  la  Rue's  gilt.  Aus  dem  Vorhergehenden  folgt 
aber  auch,  dass  die  20.  Gruppe  der  neuen  Testobject -Platten  I  bis 
V,  dann  E,  zwischen  die  VIII.  und  IX.  Gruppe  der  neuen  Wellenplatten 
falle  und  zwar  letzterer  Gruppe  sich  nähere. 

Es  erĂĽbriget  nunmehr  die  in  meinem  Besitze  befindliche  Test- 
Object- Platte  mit  30  Gruppen.  FĂĽr  diese  folgen  nach  Nobert's 
Angaben  der  Linien-Intervalle  in  den  einzelnen  Gruppen  und  deren 


92  p  o  h  i. 

Unterschiede  gegen  die  vorher  genannten  Scalen  in  beistehender 
Tabelle,  fĂĽr  welche  zugleich  angenommen,  dass  PlĂĽssTs  lSgruppige 
Scale  als  nahe  zu  gleicher  Zeit  mit  jener  De  la  Rue's  bezogen,  mit 
selber  identisch  sei.  Bei  dieser  Probeplatte  enthalt  ĂĽbrigens  die 
dritte  Liniengruppe  einen  Strich  weniger  als  sie  enthalten  soll,  ob- 
schon  die  Intervalle  richtig  sind.  Die  Gruppe  erscheint  nämlich 
schmäler  als  die  Vorhergehenden  und  enthält  nur  8  Linien,  während 
sie  9  enthalten  soll,  denn 

die  erste  Gruppe  umfasst    7  Linien, 
„    zweite     „  „  8       „ 

„    vierte      „  „        10 

wo  also  das  dritte  Glied  mit  ebenfalls  8  Linien  nicht  passt. 


Ăśber  mikroskopische  Probeohjeote 


93 


B 
& 

a 

©       co                ©       co       co       -^       ?•»            -rt 

o 

o 

o 

1  1  1  1  1  1  1 ."?.     1 .  1    1    1    1    1    II    III. 

©  o  o          o                                                                       © 
+       |                +      +      4-      +        |             | 

0. 
Ort 

'i 

1 1 1  M  i  r-s>  i>  |£  i=  ie  1«  i*  1 1»  1 1  iä 

s 

— <            "H                     CO            CO            TH            tM                      IH 
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©            © 
©            © 

1         1         i         1         1         1 ?     .      ?      .          |                  1                  1                  I                  ||                  III. 

©©©©©©©©©                                                                                                                                   © 
II                         4             +            +               1                           1 

9 

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© 
© 

© 

s 

<U  P   0   h   I. 

Diese  Tabelle   zeigt    am    besten  in  wiefern  die  gleichnamigen 
Gruppen  der  untersuchten  Scalen  verglichen  werden  dĂĽrfen. 

Die  vorstehende  Untersuchung  erweiset  daher  aufs  deutlichste, 
dass  die  von  verschiedenen  Beobachtern  gerĂĽgten  Ungleichheiten 
der  Testobject- Platten  hauptsächlich  im  willkürlichen  Wechsel  des 
Werthes  der  Linien  -  Intervalle  fĂĽr  bestimmte  Gruppen  von  Seite 
Nobert's  ihren  Grund  haben.  Obschon  auch  kleine  Ungleich- 
heiten durch  das  befolgte  mechanische  Verfahren  der  Herstellung 
bedingt  sind,  wie  Plössl's  Scale  im  Vergleiche  zu  den  neueren 
Platten  beweiset,  welche  die  gleichnamigen  Gruppen  immer  feiner 
gezogen  erhält,  so  ist  doch  dieser  Unterschied  kaum  von  Belang.  Die 
Ungleichheit  erstreckt  sich  niemals  auf  die  Sichtbarkeit  oder  Nicht- 
sichtbarkeit  einer  ganzen  Gruppe.  Dieser  Ăśbelstand  ist  aber  auch  hier 
eher  kleiner  denn  grösser  als  bei  den  gleichförmigsten  sogenannten 
natĂĽrlichen  Probeobjecten,  denn  welchem  aufmerksamen  Beobachter 
entging  es  wohl,  dass  die  Querstreifen  nicht  auf  allen  Hipparchia- 
Schuppen  gleich  deutlich  erscheinen?  und  eben  so  wenig  die  Streifen 
an  den  Kieselpanzern  von  Pleurosigma  angulatumundi  anderen  Probe- 
objecten? Schon  List  er  hob  ja  diesen  Ăśbelstand  der  natĂĽrlichen 
Probeobjecte  hervor  1)  und  so  mancher  Verfertiger  von  Mikroskopen 
weiss  von  dieser  ĂĽblen  Eigenschaft  der  natĂĽrlichen  Probeobjecte 
bei  Vorführung  seiner  Instrumente,  Anfängern  in  der  Mikroskopie 
gegenĂĽber,  den  nĂĽtzlichsten  Gebrauch  zu  machen. 

Ich  glaube  daher  keinen  Fehltritt  zu  tlmn.  wenn  ich,  um  in  der 
Folge  den  relativen  VVerth  der  von  mir  oben  ausgewählten  Test- 
objeete  numerisch  auszudrĂĽcken,  die  in  meinem  Besitze  befindliche 
Nobcrt'sche  Testobject-Platte  mit  30  Gruppen  vom  Jahre  1855  zu 
Grunde  lege.  Bei  künftigen  Vergleichungen  der  Leistungsfähigkeit 
verschiedener  Mikroskope  bleibt  es  daher  auch  unerlässlich  bei  Be- 
nutzung von  Nobert's  Testobject-Platte  nicht  nur  die  Zahl  der 
Liniengruppen  namhaft  zu  machen,  welche  die  gebrauchte  Platte  ent- 
hält, sondern  auch  die  Jahreszahl  der  Verfertigung  derselben  anzu- 
führen. Von  Seite  Nobert's  wäre  es  aber  sehr  wünschenswerth, 
wenn  er  sich  dazu  entschlösse  in  der  Folge  seine  Testobject-Platten 
nur  mehr  nach  einem  bestimmten  unveränderlich  beibehaltenen  Prin- 
cipe zu  theilen.  FĂĽr  den  Zweck  dieser  mĂĽhsamen Vergleichung  dĂĽrfte 

')  Philosophien!  Transactions  for  the  year  1830.  vol.  I ,  pag.  190. 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte. 


95 


endlich  die  nachstehende  Tabelle  nicht  am  unrechten  Platze  sein, 
welche  als  Erweiterung  der  fĂĽr  Nobert's  Scale  von  mir  bereits 
frĂĽher  gegebenen  Tabelle  ĂĽber  die  Grenzen  der  Trennbarkeit  der 
einzelnen  Liniengruppen  betrachtet  werden  muss.  Ich  gebe  jetzt 
diese  Tabelle  für  30  Gruppen,  die  Vergrößerungen  auf  250  Milliin. 
Sehweite  bezogen.  Columne  v  enthalt  die  Vergrößerungen  bei  denen 
es  unter  der  Voraussetzung  möglich  sein  soll,  die  Gruppen  zu  lösen, 
dass  mit  freiem  Auge  bei  250  Millim.  Sehweile  noch  Linien  von 
nur  0-0278  Pariser  Linien  Distanz  unter  gleichem  Sehen  wie  beim 
Gebrauche  des  Mikroskopes  getrennt  erscheinen.  Columne  V  hingegen 
gibt  die  an  meinem  grossen  Mikroskope  von  Plössl  nöthigen  Ver- 
grösserungen,  um  diese  Trennung  wirklich  zu  bewirken.  Diese  Ver- 
grösserungen  beziehen  sich  aber  nicht  nur  auf  mein  Mikroskop,  son- 
dern auch  auf  eine  Reihe  neuerer  Mikroskope  Plössfs,  die  ich  zu 
prĂĽfen  Gelegenheit  hatte.  Hiemit  liefert  diese  Tabelle  einen  aberma- 
ligen Beweis  der  Vortrefflichkeit  von  Plössl's  neueren  Mikroskopen, 
die  bei  gleicher  Vergrösserung  von  keinem  mir  bekannten  Mikroskope 
in  der  optischen  Gesammt-Leistungsfähigkeit  erreicht  werden. 


Gruppe 

Linien-Intervall 

V 

V 

Art  der  Sichtbarkeit 

i. 

(TOOIOOO 

28 

39 

sehr  gut 

ii. 

8S0 

33 

39 

sehr  fein 

in. 

730 

38 

63 

fein 

IV. 

620 

45 

73 

gut 

V. 

550 

50 

73 

fein 

VI. 

480 

58 

73 

höchst  fein 

VII. 

400 

70 

83 

gut 

VIII. 

350 

79 

111 

gut 

IX. 

300 

93 

153 

sehr  gut 

X. 

275 

101 

153 

sehr  gut 

XI. 

250 

111 

153 

fein 

XII. 

238 

117 

153 

äusserst  fein 

XIII. 

225 

123 

158 

gut 

XIV. 

213 

131 

181 

scharf 

XV. 

200 

139 

215 

sehr  schön 

XVI. 

192 

144 

215 

sehr  schön 

XVII. 

185 

150 

215 

gut 

XVIII. 

178 

156 

215 

gut 

XIX. 

172 

163 

215 

fein 

XX. 

107 

167 

215 

sehr  fein 

DO 


Pohl. 


Gruppe 

Linien-Intervall 

V 

V 

Art  iler  Sichtbarkeit 

XXI. 

0"'000162 

172 

215 

sehr  fein 

XXII. 

1S7 

178 

215 

äusserst  fein 

XXIII. 

152 

182 

215 

äusserst  fein 

XXIV. 

147 

189 

463 

sehr  gut 

XXV. 

143 

194 

463 

sehr  gut 

XXVI. 

139 

200 

463 

sehr  gut 

XXVII. 

135 

206 

463 

sehr  gut 

XXVIII. 

131 

212 

463 

sehr  gut 

XXIX. 

128 

217 

463 

gut 

XXX. 

125 

222 

463 

gut.  scharf 

Leider  musste  in  den  Vergrösserungen  plötzlich  der  Sprung 
von  215  zu  463  gemacht  werden.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel, 
dass  bei  viel  schwächeren  Vergrösserungen  die  letzten  7  Gruppen 
lösbar  sind.  Die  mir  thatsächlich  gelungene,  obschon  wunderbar 
feine  Lösung  der  30.  Gruppe  mit  der  Linsencombinatiou  Aplanat) 
5,  6,  7  und  215maliger  Vergrösserung,  während  die  Tabelle  222 
fordert,  beweiset  sogar,  dass  die  Zahl  00278,  welche  der  Columne  v 
als  Argument  zu  Grunde  liegt,  noch  zu  gross  angenommen  sei.  Ich 
habe  aber  absichtlich  diese  Lösung  der  30.  Gruppe  mit  so  schwacher 
Vergrösserung  nicht  in  die  Tabelle  aufgenommen,  weil  selbe  nur 
bei  dem  günstigsten  Zusammentreffen  von  Umständen  gelingt. 

Ich  kann  ĂĽbrigens  die  Bemerkung  nicht  unterlassen,  dass  die 
betreffenden  Vergrösserungen  sämmtlich  mit  grösster  Sorgfalt  nach 
der  von  mir  modificirten  Jacquin  'sehen  Methode  bestimmt  wur- 
den !).  Der  Berichterstatter  in  Liebig  und  Kopp's  Jahresbericht 
hat  zwar  die  Ausstellung  gemacht2),  dass  man  bei  Anbringung 
der  von  mir  vorgeschlagenen  Vereinfachung  einer  zweckmässigen 
und  mit  geringer  MĂĽhe  beizuschaffenden  Controle  entbehre,  welche 
Bemerkung  ohne  weitere  PrĂĽfung  auch  von  Anderen  abgeschrieben 
wurde.  Ich  muss  jedoch  dieser  Ansicht  auf  das  Entschiedenste  ent- 
gegentreten. Wer  wie  ich,  mehr  als  ein  halbes  Hundert  von  Mikro- 
skopen bezüglich  der  Vergrösserungen  auf's  Sorgfältigste  zu  unter- 


')  Sitzungsberichte  der  kais.  Akademie    der  Wissenschaften  mathem.-uaturw.  Classe, 

XI.  ISd..  S.  504. 
~)  Jahresbericht  ĂĽber  die  Fortsuliritte  der  Chemie  und  Physik  fĂĽr  1853,  S.  214. 


Ăśber  mikroskopische  Probeobjecte.  97 

suclien  Gelegenheit  hatte,  wird  wohl  wissen,  welche  Schwierig- 
keiten Ja cqu in  's  Methode  selbst  mit  Benutzung  von  Ettings- 
hausen's  Abänderungen  bei  hohen  Vergrösserungen  darbietet.  Die 
scharfe  Projection  der  Mikrometerlinien  auf  jene  des  Massstabes,  ist 
da  mit  grossen  Schwierigkeiten  verknüpft,  die  zu  schätzenden  Linien- 
Intervalle  werden  ebenfalls  beträchtlich  und  der  in  Folge  dessen  be- 
gangene Schätzungsfehler  von  bedeutendem  Einfluss  auf  die  Vergrös- 
serungszahl,  ja  meist  ist  blos  durch  den  eintretenden  Lichtmangel  die 
Abschätzung  äusserst  erschwert.  Wer  es  versucht,  mehrmals  nach  klei- 
nen Zwischenräumen  die  Vergrösserungen  derselben  stärkeren  Linsen- 
Combination  direct  zu  bestimmen-,  wird  gewiss  ĂĽber  die  erhaltenen  Unter- 
schiede stauneu !  Sie  fallen  so  gross  aus,  dass  selbst  eine  Vereinigung 
von  8 — 10  Messungen  zu  einem  brauchbaren  arithmetischen  Mittel  dem 
gewissenhaften  Experimentator  unthunlich  erscheint.  Wo  bleibt  dann 
die  Controle  und  in  was  soll  selbe  bestehen?  Bei  gewissen  Linsen- 
Combinationen  wird  sogar  eine  directe  Messung  nach  Jacquin's 
Methode  gänzlich  unausführbar,  weil  der  Sommering'sche  Spiegel 
zur  AulTangung  des  Mikrometerbildes  so  nahe  an  die  Ocularlinse 
gerĂĽckt  werden  muss,  dass  keine  Projection  auf  den  zum  Vergleich 
benützten  Massstab  gelingt.  Dies  ist  z.  B.  bei  Verwendung  der  stär- 
keren Ohjectivsysteme  an  Nach  et 's,  in  seiner  Art  als  Meister- 
werk zu  betrachtenden  Microscope  de  poche  der  Fall.  Meine  Me- 
thode gibt  hingegen  scharfe  Resultate,  ja  auch  eine  sehr  gute  Con- 
trole, wenn  die  Optiker  sich  herbeiliessen,  jedem  ihrer  Mikroskope 
eine  Blende  mit  nicht  zu  grosser  Öffnung,  aus  einem  geschwärzten 
Metallplättcben  bestehend  beizufügen,  welche  blos  auf  die  Blenden 
der  verschiedenen  Oculare  gelegt,  das  Gesichtsfeld  beschränkt,  oder 
auf  was  es  hier  ankömmt,  die  Undeutlichkeit  der  Bilder  an  den 
Bändern  eliminirt.  In  der  kürzesten  Frist  und  mit  aller  Bequem- 
lichkeit kann  dann  Jedermann  durch  Messung  den  Gesichtsfelder- 
Durchmesser  eines  bestimmten  schwachen  Oeulares  mit  allen  vorhan- 
denen Objectivsystemen  die  Vergrösserungen  seines  Mikroskopes 
controliren ,  sobald  nur  nach  Jacquin-Ettingshausen's  Me- 
thode die  Vergrösserungen  einer  schwachen  Linsencombination  genau 
gegeben  sind,  was  keinen  Schwierigkeiten  unterliegt. 


Sitzb.  d    malliein  -.naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  7. 


98  F  r  i   l  s  c  h. 


Nachricht  von  den  in  Ă–sterreich  im  Laufe  des  Jahres  18  08 
angestellten  phänologischen  Beobachtungen. 

Von  dem  c.  M.  Karl  F  ritsch, 

Ailjuncten  der  k.  k.  Central-Anstalt  fĂĽr  Meteorologie  und  Erdmagnetismus. 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  15.  Deeember  18d9.) 

Im  Vorworte  zum  VII.  Hefte  oder  Jahrgange  I806  der  „Phäno- 
logischen Beobachtungen  aus  dem  Pflanzen-  und  Thierreiche  ist  die 
Notwendigkeit  dargestellt,  an  die  Stelle  der  Monats- Ăśbersichten, 
welche  von  den  im  Jahre  1856  und  1857  angestellten  Beobachtungen 
ausgegeben  worden  sind,  ähnliche  Jahres -Übersichten  treten  zu 
lassen,  wie  solche  von  den  Beobachtungen  in  den  Jahren  1853 — 1855 
den  Stationen  zugekommen  sind. 

Eine  solche  Übersicht  enthält  im  Folgenden  für  das  Jahr  1858: 

1.  Ein  Verzeichniss  der  während  desselben  thätigen  Stationen 
mit  ihrer  geographischen  Lage. 

2.  Einen  BlĂĽthenkalender  dieser  Stationen,    als  den   wich- 
tigsten und  interessantesten  Theil  der  Beobachtungen. 

Der  Druck  des  VIII.  Heftes  der  Beobachtungen,  Jahrgang  1857, 
nahet  seiner  Vollendung.  Das  Manuscript  des  IX.  Heftes,  Jahrgang 
1858,  der  Beobachtungen,  welchem  die  hier  zusammengestellten 
Daten  entlehnt  sind,  ist  in  der  Vorbereitung  fĂĽr  den  Druck  begriffen. 

Da  nach  Vollendung  dieses  Jahrganges  im  Manuscripte,  die 
Bearbeitung  des  Jahrganges  1859  beginnen  wird,  so  werden  jene 
Herren  Theilnehmer,  welche  mit  der  Erstattung  dieses  Jahresberich- 
tes noch  aushaften,  freundlichst  ersucht,  denselben  mit  thunlicher 
Beschleunigung  einzusenden. 


Ülier  die  phänologisehen  Beobachtungen  im  .Talire  iSäS. 


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Über  die  phänologischen  Beobachtungen  im  Jahre  1SÖ8. 


101 


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102  F  r  i  t  s  c  Ii. 

Die  folgende  Tafel  wirft  ein  penetrantes  Streiflicht  auf  die 
eben  so  interessanten  als  lehrreichen  Ergebnisse,  welche  von  den 
vereinten  Bemühungen  der  Theilnehmer  an  den  phänologischen 
Beobachtungen  in  Ă–sterreich  zu  hoffen  sind. 

Sie  enthält  beispielsweise  das  Datum  der  ersten  Bliithe  für 
mehrere  der  wichtigsten  Pflanzen  von  allen  Stationen  in  Ă–sterreich, 
welche  im  Jahre  I808  in  Thätigkeit  waren.  Dieses  Datum  ist  nur 
bei  Wien  selbst  durch  den  Monatstag  ausgedrĂĽckt,  an  welchem  hier 
die  erste  Bliithe  beobachtet  worden  ist;  an  den  ĂĽbrigen  Stationen 
hingegen  durch  die  Anzahl  der  Tage,  um  welche  dieselbe  Erschei- 
nung bei  derselben  Pflanzenart  früher  oder  später  erfolgte.  Im  ersten 
Falle  ist  der  Zahl  das  Zeichen  Minus  ( — ),  im  letzteren  Plus  (-f-) 
vorgesetzt. 

Es  ist  jedenfalls  von  Interesse,  den  Gang  dieser  Unterschiede 
im  Laufe  des  Jahres  an  den  einzelnen  Stationen  zu  verfolgen.  Die 
sämmtlichen  Aufzeichnungen  über  die  Bliithe  wurden  demnach  in  so 
viele  Gruppen  abgetheilt,  als  sich  fĂĽr  Wien  ergaben,  wenn  man  hier 
alle  in  denselben  Monat  fallenden  Aufzeichnungen  zusammenfasst  und 
von  den  ĂĽbrigen  sondert.  So  entstand  eine  Gruppe  fĂĽr  jene  Pflanzen, 
welche  in  Wien  im  März,  eine  zweite  für  jene,  welche  hier  im 
April  u.  s.  w.  in  den  verschiedenen  Monaten  des  Jahres  zur  Bliithe 
gelangten. 

Auf  diese  Weise  erhielt  man  fĂĽr  jeden  Ort  in  jedem  Monate  eine 
Reihe  von  Unterschieden,  welche  fĂĽr  jeden  einzelnen  Monat  in  ein 
Mittel  vereint  worden  sind,  um  die  Störungen  auszugleichen,  welche 
in  Beobachtungsfehlern,  individuellen  BedĂĽrfnissen  der  einzelnen 
Pflanzen  u.  s.  w.  den  Grund  haben  und  zum  Theil  eine  beträchtliche 
Verschiedenheit  dieser  Unterschiede  bewirken. 

Auf  diese  W'eise  fand  man  z.  B.  dass  in  Admont  die  Pflanzen, 
welche  in  Wien  im  März  blühten,  um  G;  jene,  welche  hier  im  April 
blühten,  dort  um  9  Tage  u.  s.  w.  später  zur  Bliithe  gelangten; 
dagegen  waren  dieselben  Pflanzen  in  Agram  beziehungsweise  um 
1  und  7  Tage  gegen  Wien  in  Vorsprung. 

Aus  den  Monatmitteln  dieser  Unterschiede  wurden  sodann  fĂĽr 
alle  Stationen  Jahresmittel  abgeleitet,  dabei  aber  nur  die  Munal e 
April,  Mai  und  Juni  berĂĽcksichtiget,  weil  in  diesen  Monaten  die  Zahl 
der  Beobachtungen  hinreichend  gross  ist,  um  annehmen  zu  können, 


Über  die  phänologischen  Beobachtungen  im  Jahre  18i>8.  10»» 

dass  das  Mittel  nur  mit  einem  geringen  wahrscheinlichen  Fehler 
behaftet  ist. 

Wollte  man  die  Stationen,  von  welchen  Beobachtungen  vor- 
liegen, nach  dem  mittleren  jährlichen  Unterschiede  der  Blüthezeit 
reihen,  so  ginge  Villa-Carl otta  am  Como-See  allen  ĂĽbrigen  voran; 
hier  gelangen  dieselben  Pflanzenarten  um  14  Tage  frĂĽher  als  in  Wien 
zur  BlĂĽthe.  Den  Schluss  dieser  Reihe  wĂĽrde  Gurgl  im  Ăśtzthale  in 
Tirol  bilden,  wo  sich  eine  Verspätung  gegen  Wien  um  31  Tage 
herausstellt,  also  ein  Unterschied  gegen  Villa-Carl  otta  von  45  Tagen. 
Und  das  sind  lange  noch  nicht  die  äussersten  Extreme,  die  in  Öster- 
reich vorkommen  können. 

Schliesst  man  nach  der  gewöhnlichen  Annahme,  dass  einem 
Unterschiede  in  der  BlĂĽthezeit  von  8  Tagen  ein  Unterschied  in  der 
mittleren  Jahrestemperatur  von  einem  Grad  entspreche,  so  wĂĽrde 
folgen,  dass  z.  B.  in  Prag  die  mittlere  Jahrestemperatur  um  einen 
Grad  gegen  jene  von  Wien  zurĂĽckstehe,  da  sich  ein  Unterschied  in 
der  Blüthezeit  von  9  Tagen  herausstellt.  Durch  mehrjährige  Tem- 
peratur-Beobachtungen gelangte  man  in  der  That  zu  einem  nahe 
ĂĽbereinstimmenden  Resultate. 

Man  sieht,  dass  phänologische  Beobachtungen  von  solchen  Orten, 
wo  keine  meteorologischen  angestellt  werden,  die  letzteren  zu  ver- 
treten geeignet  erscheinen. 

Auf  approximative  Werthe  dieser  Art  von  einiger  Sicherheit  ist 
indess  nur  dann  zu  rechnen,  wenn  die  Verhältnisse,  unter  welchen 
sich  an  beiden  Orten  die  Pflanzen  entwickeln,  dieselben  sind.  Man 
kann  aus  diesem  Grunde  Beobachtungen  von  Gebirgs-Stationen  nicht 
gut  mit  jenen  der  Ebene  vergleichen.  Dort  spielt  die  Neigung  des 
Bodens  eine  grosse  Bolle  und  kann,  wenn  sie  gegen  SĂĽden  gerichtet 
ist,  besonders  im  ersten  FrĂĽhjahre  eine  sehr  frĂĽhzeitige  Entwicklung 
der  Vegetation  bewirken.  Ein  auffallendes  Beispiel  finden  wir  an 
Innsbruck.  Niemand  wird  erwarten,  dass  eine  Station,  deren  mitt- 
lere Jahrestemperatur  gegen  Wien  um  einen  bis  zwei  Grad  geringer 
ist,  so  zeitlich  im  FrĂĽhjahre  BlĂĽthen  aufzuweisen  hat,  und  dennoch 
finden  Mir  hier  im  März  1858  einen  Vorsprung  gegen  Wien  von 
20  Tagen. 

An  mehreren  Orten  stellt  sich  eine  Zu-  oder  Abnahme  der 
Unterschiede  im  Laufe  des  Jahres  heraus,  die  keineswegs  als  eine 
zufällige  angesehen  werden  kann.  So  beträgt  dieser  Unterschied  bei 


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April   .    . 

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Mai      .    . 

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Juni     .    . 

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1  04  Fritsch.   Über  die  phänologischen  Beobachtungen  im  Jahre  18Ö8. 

Innsbruck  WĂĽten 

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Man  sieht,  mit  welcher  Vorsicht  und  Beschränkung  man 
Angaben,  wie  z.  B.  „an  diesem  Orte  kommt  die  Vegetation  um  so 
und  so  viel  Tage  später  oder  früher  zur  Entwickelung"  aufzunehmen 
hat.  Es  scheint  ĂĽberdies,  als  ob  viele  Pflanzen  ihre  eigenen  Con- 
stanten  in  dieser  Hinsicht  hätten. 

Über  diese  und  andere  Verhältnisse  können  nur  die  aus  mehr- 
jährigen Beobachtungen  abgeleiteten  Normalmittel  entscheiden.  In 
solchen  ausgedrĂĽckt,  werden  sich  wohl  nicht  wenige  der  in  der  bei- 
geschlossenen Tabelle  ersichtlichen  Besultate  anders  gestalten,  da 
nicht  anzunehmen  ist,  dass  die  klimatischen  Agentien  in  einem  Lande 
von  der  Ausdehnung  wie  Ă–sterreich,  schon  im  Laufe  eines  einzelnen 
Jahres  einer  „normalen"  Vertheilung  unterliegen. 


sitzungsbki{r;iitk 


KAISERLICHEN  AKADEMIE   DER    WISSENS!  HAFTEN. 


MATHEM  VTISCH  -NATURWISSENSCHAFTLICHE  CLASSE. 


XL.  RA\I>. 


SITZUNG  VOM  15.  MÄRZ  1860. 


N°  8. 


105 


VIII.    SITZUNG  VOM   15.  MÄRZ   1860. 


Das  k.  k.  Ministerium  des  Innern  übersendet  die  nun  vollstän- 
dig eingelangten  Berichte  und  Erhebungen  über  die  Verhältnisse 
des  Cretinismus  in  Ă–sterreich,  welche  von  der  Classe  gewĂĽnscht 
wurden,  um  über  diesen  Gegenstand  ein  erschöpfendes  Elaborat 
vorlegen  zu  können. 

Herr  Prof.  Helmholtz  in  Heidelberg  dankt  der  Akademie  fĂĽr 
die  Wahl  zu  ihrem  correspondirenden  Mitgliede. 

Der  Lehrkörper  des  k.  k.  Gymnasiums  zu  Unghvär  dankt  für  die 
demselben  bewilligte  Betheilung  mit  den  Schriften  der   Akademie. 

Der  Central- Ausschuss  der  k.  k.  steiermärkischen  Landwirth- 
schafts- Gesellschaft  ĂĽbersendet  das  von  derselben  durch  ihren 
Secretär,  Herrn  Prof.  Hlubek,  zur  Feier  des  Gedächtnisses  Sr. 
k.  Hoheit  des  Erzherzogs  Johann  herausgegebene  Werk:  „Ein  treues 
Bild  des  Herzogthums  Steiermark". 

Herr  Director  v.  Littro w  liest  ein  an  ihn  gerichtetes  Schreiben 
des  Herrn  Aguilar,  Director  der  Sternwarte  in  Madrid,  vom 
25.  Februar  1860,  das  die  Anordnungen  enthält,  welche  die  Regierung 
getroffen,  um  den  Astronomen,  die  zur  Beobachtung  der  totalen 
Sonnenfinsterniss  im  kommenden  Juli  die  Halbinsel  besuchen  wollen, 
die  Lösung  ihrer  schwierigen  Aufgabe  zu  erleichtern. 

Das  correspondirende  Mitglied  Herr  Prof.  Wedl  legt  den 
ersten  Theil  einer  „vergleichenden  Anatomie  und  Physiologie  der 
Ă–striden-Larven"  von  Herrn  Dr.  S.  H.  Scheiber  vor. 

Herr  Prof.  Schneider  überreicht  eine  Abhandlung:  „Über 
das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  bezĂĽg- 


10(5 

lieh  dessen  Nachweisbarkeit  im  Allgemeinen  und  in  thierischen  Sub- 
stanzen insbesondere" . 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Academie  Imp.  de  Medecine.  Tom.  XXII.  et  XXIII.  Paris,  1858 

und  1859;  4»- 
Akademie  der  Wissenschaften,  kön.,    zu  Stockholm.  Öfversigt   af 
kongl.  Vetenskaps-Akademiens  Förhandlingar.  Femtonde  Argän- 
gen.    1858;  8°*    —    Berättelse  om  framstegen  i  Fysik  under 
ar  1853.  Afgifven  tili  k.  V.  A.  af  E.  Edlund.  1859;  8»-  — 
Berättelse   om   framstegen   i   Insekternas,    Myriapodernas   och 
Arachnidernas  Naturalhistoria  för   1855  och   1856  tili  k.  V.  A. 
afgifven  af  C.  H.  Boheman.  1859;  8°*  —  Kongl iga  Svenska 
fregatten  Eugenies    resa  omkring  jorden  under  befäl  af  C.  A. 
Virgin  aren  1851  —  1853.  Zoologi,  III.  1859;  4»- 
Annalen   der    Chemie  und   Pharmacie,  red.    von  F.  Wohl  er,   «I. 
Liehig    und  H.Kopp.    N.    F.   Band  XXXVII,  Heft  2.  Leipzig 
und  Heidelberg,  1860;  So- 
Archiv  der  Mathematik  und  Physik,  herausgegeben  von  J.  A.  GrĂĽ- 
ner f.  Band  XXXIV,  Heft  1.   Greifswalde,  1859;   So- 
Astronomische  Nachrichten,  von  Dr.  CA.  F.  Peters.  Nr.  1238 — 

1239.  Altona,  1860;  4°- 
Bauzeitung,   Allgemeine,    red.   von    Prof.   Chr.   F.   L.   Förster. 

Jahrgang  XXV,  Heft  2,  sammt  Atlas;  fol.  und  40# 
Cosmos,  IXe  annee,  XVP  vol.,  livr.  10.  Paris,  1860;  8°- 
Erlangen,   Universität.  Akademische  Gelegenheitsschriften  für  das 

Jahr  1859. 

Fortschritte  der  Physik  im  Jahre  1857.  Jahrgang  XIII,    red.  von 

Dr.  A.  Krön  ig  und  Dr.  0.  Hagen.  Zweite  Abtheilung.  Berlin, 

1859;   So- 

Gemmellaro,  Carlo,  La  Vulcanologia  dell'  Etna  che  comprende  la 

topografia,  la  geologia,  la  storia  delle  sue  eruzioni ,  non  che  la 

descrizione  e  lo  esame  de'  fenomenivulcanici.  Catania,  1858;  4°- 

Geological  Survcy  of  India,  The.  Memoirs.  Vol.  II,  part  I.  Cal- 

cutta,  1859;  4W- 
Hlubek,    D.  F.  X. ,   Ein    treues   Bild  des  Herzogtbums  Steiermark 
als    Denkmal  dankbarer    Erinnerung  an   weiland  Se.   k.  Hoheit 


107 

den  durchlauchtigsten  Erzherzog  Johann;  herausgegeben  von 
der  k.  k.  steienn.  Landwirthschafts  -  Gesellschaft    durch  ihren 
Secretär.  Gratz,  1860;  4°- 
Joch  mann,  Dr.  E.,    Beiträge   zur   Theorie   der   Gase.   (Separat- 
abdruck  aus    dem   Unterprogramm    des   colnischen    Realgym- 
nasiums für  1859;  4°-) 
Kirschbaum,  C.  L. ,    Die  Athysanus-Arten  der  Gegend  von  Wies- 
baden. 1858;  4°- 
Kokscharof,  N.  v.,  Über  die  Krystallform  der  Nitrophensäure  und 
der  Isonitrophensäure,  so  wie  auch  einiger  Salze  dieser  Säuren. 
1858;  8°- 
Land-   und   forstwirtschaftliche    Zeitung,   Allgemeine,    red.    von 

Dr.  J.  Aren  stein.  Jahrgang  X,  Nr.  8,  1860;  So- 
Planta  mour,  E.,  Resume  meteorologique  de  l'annee   1858  pour 
Geneve    et   le    Grand    Saint -Bernard.    Geneve,    1859:  8°-  — 
Observations  astronomiques  faites  a  l'observatoire  de  Geneve 
dans  les  annees  1853  et  1854.  Geneve,  1859;  4°- 
Verein  fĂĽr  Naturkunde  im  Herzogthum  Nassau.  JahrbĂĽcher,  13. Hft. 

Wiesbaden,  1858;  So- 
Wiener  medizinische  Wochenschrift,  red.  von  Dr.  Witte lshöfer. 

Jahrgang  X,  Nr.  10,  1860;  4»- 
Zeitschrift,  kritische,  fĂĽr  Chemie  und  die  verwandten  Wissen- 
schaften und  Disciplinen,  red.  von  Dr.  E.  Erlenm  eyer  und 
Dr.  G.  Lew  in  stein.  Jahrgang  1859,  Heft  5  und  6.  —  Vom 
Jahrgänge  1860  (unter  dein  Titel:  Zeitschrift  für  Chemie  und 
Pharmacie  etc.).  Heft  1,2,3.  Erlangen,  1859  und  1860;  8°- 


109 


ABHANDLUNGEN  UND  MITTHEILUNGEN. 


Ăśber   Calcitkrystalle   mit  K  e  r  n  e  n. 

Von  Dr.  Gnstav  Tschermak. 

v 

(Mit  i    Tafel.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  8.  März  1860.) 

Das  Vorkommen  von  Krystallen  mit  Kernen  ist  an  Mineralien 
schon  öfter  beobachtet  worden.  Die  Erscheinung,  dass  Krystalle  einen 
verschieden  gefärbten  Kern  von  derselben  Form  im  Innern  zeigen, 
ist  namentlich  beim  Flussspath  häufig.  Seltener  hingegen  sind  die 
Fälle,  wo  die  Hülle  eine  andere  Form  der  Krystallreihe  darstellt,  als 
der  Kern.  Kopp  hat  in  einer  Abhandlung  ĂĽber  diesen  Gegenstand  *) 
ein  solches  Vorkommen  an  Calcitkrystallen  beschrieben.  Der  Kern 
hatte  die  Form  i?3,  die  HĂĽlle  hingegen  zeigte  das  Rhombneder  4Ăź 
nebst  den  rauhen  Flächen  eines  Skalenoeders.  Der  Kern  war  mit 
einem  röthlichen  Sediment  überzogen.  Mehrere  Beobachtungen  die- 
ser Art  sind  ferner  von  Bournon2)  und  von  Richter3)  gemacht 
worden. 

Eine  hierher  gehörige  Erscheinung  beobachtete  ich  an  einem 
Handstück  von  Celadna  in  Mähren  aus  meiner  Sammlung.  Auf  einem 
kalkreichen  Sandstein  sitzen  dicht  an  einander  gedrängt  Calcit- 
krystalle. Sie  sind  beim  Ă–ffnen  der  Spalte,  deren  einer  Wand  das 
Stück  früher  angehörte ,  sämmtlich  stark  beschädigt  worden.  Man 
erblickt  weisse  und  dunkelbraune  Flächen,  die  mit  einander  wechseln 


»)  Annaleo  der  Chemie  Bd.  XCIV,  S.  118. 

2)  Traite  coinplet  de  la  chaux  carbonate'e.   T.  I,   pag.  340. 

3)  Zeitschrift  fĂĽr  Physik  und  verwandte  Wissenschaften.   Bd.  2  und  3. 


JlO  Tscher  mak. 

und  sämmtlich  dem  Calcit  angehören,  nebst  einigen  grauen  Quarz- 
krystallen  und  Körnern  von  Eisenkies.  Das  Ganze  sieht  sehr  eigen- 
tĂĽmlich aus,  so  dass  man  im  ersten  Augenblicke  versucht  ist,  die 
braunen  Partien  fĂĽr  ein  vom  Calcit  ganz  verschiedenes  Mineral  zu 
halten,  um  so  mehr  da  man  häufig  braune  rechtwinklige  Flächen,  und 
manchmal  braune  antrifft,  die  ein  Krystalle  monoklinisches  Prisma 
darzustellen  scheinen  (Fig.  1).  Eine  genauere  Untersuchung  zeigt 
indessen,  dass  man  es  mit  braunen  Calcitkrystallen  zu  thun  habe,  die 
sämmtlich  von  einer  Hülle  wasserhellen  oder  weissen  Calcites  über- 
zogen sind.  Die  Krystalle  sind  oben  beschädigt ,  und  nach  unten 
natĂĽrlicher  Weise  nicht  ausgebildet.  Die  Restauration  eines  solchen 
Doppelkrystalls  stellt  Fig.  2  dar.  Der  innere  braune  Krystall  hat  die 
Form  — 2  R,  die  Hülle  zeigt  die  Form  des  Grundrhomboeders,  häufig 
findet  man  an  der  letztern  auch  Flächen  von — %R  (Fig.  3,  4). 
Kern  und  HĂĽlle  sind  mit  einander  fest  verbunden  und  trennen  sich 
beim  Spalten  nach  den  Theilungsrichtuugen  des  Calcites  nicht.  Wird 
der  ganze  Doppelkrystall  nach  einer  Theilungsrichtung  gespalten,  so 
erblickt  man  auf  der  entstehenden  Fläche  eine  dem  Rhombus  ein- 
geschriebene dunkle  Rechtecktläche,  die  von  dein  braunen  Rhom- 
boeder  herrührt  (Fig.  5,  6).  Desshalb  erscheinen  an  den  beschä- 
digten Stellen  der  Druse  die  braunen  rechteckigen  Flächen  in  weis- 
sem Felde  (Fig.  1).  Manchmal  ist  die  HĂĽlle  entfernt  und  man  findet 
dann  Individuen  des  braunen  Calcites,  an  denen  eine  Kante  abge- 
sprengt ist,  so  dass  dieselben  wie  monoklinische  Krystalle  aussehen,  da 
sie  mit  der  Polkante  a  b  (Fig.  7)  festsitzen. 

Der  weisse  einhĂĽllende  Calcit  zeigte  sich  in  chemischer  Be- 
ziehung fast  ganz  rein,  es  Hessen  sich  blos  Spuren  von  Magnesia 
nachweisen.  Der  dunkle  Calcit  hingegen  zeigte  nebstdem  die  Reac- 
tion  auf  Eisen  und  eine  geringe  Spur  von  Mangan.  Beim  Auflösen 
in  Säuren  blieb  eine  geringe  Menge  eines  feinen  schwarzbraunen 
Pulvers  zurück,  das  vor  dem  Löthrohre  als  ein  Eisensilicat  erkannt 
wurde.  Um  die  Bestandteile  der  Quantität  nach  zu  bestimmen, 
wurde  zuerst  eine  gewogene  Menge  in  einen  nur  13  Gramm  wie- 
genden Kohlensäureapparat  gebracht,  und  die  Kohlensäure  durch 
Salzsäure  ausgetrieben,  aus  der  Gewichtsdifferenz  die  Menge  der 
Kohlensäure  bestimmt.  Der  oben  erwähnte  Rückstand  wurde  nun 
abfiltrirt,  darauf  das  Eisen  als  Oxyd  durch  Ammoniak,  die  Kalkerde 
durch  Oxalsäure  aus  der  Lösung  abgeschieden.    Es    fiel   dann    nach 


Ăślier  Calcytkrystalle  mit  Kernen, 

Hinzufügen  von  phosphorsaurem  Natron  und  Ammoniak  eine  höchst 
geringe  Menge  Magnesiasalz  nieder,  welche  nicht  gewogen  wurde. 
So  wurden  die  nachstehenden  Zahlen  erhalten  : 

Menge  der  angewendeten  Substanz     .    .    .  553  Mg. 

Der  unlösliche  Rückstand  wog 5  Mg. 

An  Eisenoxyd  wurden  erhallen  8  Mg.;  dies 

entspricht  12  Mg.  kohlens.  Eisenoxydul  12  Mg.  entspr.  5  Mg.  Kohlensaure. 

An  kohlens.  Kalkerde  wurden  erhalten    .    .  534    „         „  235    ,,               „ 

Die  Menge  des  Magnesiasalzes  wurde  an- 
genommen zu  5  Mg.,  dieses   entspricht 

2  Mg.  kohlensaurer  Magnesia    ....  2  Mg.  entspr.  1  Mir.  Kohlensäure. 

Zusammen  .    .  553  Mg.      „    241  Mg.  Kohlensäure. 

Dagegen  bestimmte  sich   nach   dem   obigen   Versuch  die  Mcage  der 
Kohlensäure  zu 236  Mg. 

Auf  Procente  berechnet  liefert  dies  die  folgenden  Zahlen: 


Kohlensaure   Kalkerde  .    .    . 

.     96-57 

1» 

•ocent. 

Kohlensaures  Eisenoxydul    . 

.       217 

« 

„               Manganoxydul 

Spur 

Kohlensaure  Magnesia      .    . 

0-36 

,. 

Unlöslich  (Eisensilicat)   .    .    . 

0-90 

100-00  Procent. 

Das  spec.  Gewicht  des  braunen  Calcites  wurde  mittelst  des 
Pyknometers  bestimmt  zu  2'80  bei  0°  C. ;  es  wog  nämlich  die  ange- 
wendet Substanz  628  Mg.,  das  hiedurch  verdrängte  Wasser  224  Mg- 
Die  Temperatur  des  Wassers  war  17°  C. 

Die  Farbe  des  dunkelbraunen  Minerals  rührte  also  grössten- 
theils  von  der  J  Procent  betragenden  Beimengung  her,  die  von 
einem  schwarzbraunen  Eisensilicat  gebildet  wurde. 

Man  sieht  aus  dem  Ganzen,  dass  in  jener  Spalte  zuerst  ein 
verunreinigter  Calcit  abgesetzt  wurde,  später  aber  eine  reinere 
Substanz  sich  ausschied  und  die  frĂĽher  gebildeten  Krystalle  ĂĽber- 
zog, nach  aussen  eine  von  der  des  Kernes  verschiedene  Form  an- 
nehmend. 

Die  bekannte  Erscheinung  an  Krystallen  ,  die  in  der  Lösung 
isomorpher  Salze  fortwachsen,  ist  der  eben  besprochenen  ähnlich; 
doch  werden  an  der  Form  des  Kernes  und  der  HĂĽlle  so  bedeutende 
Verschiedenheiten    wie   7? 3    und    4/2,    — 2R  und    R   nicht   häufig 


11^  Tscher  malt.  Ăśber  Calcitkrystalle  mit  Kernen. 

beobaclitet.  Wenn  es  gelänge,  einen  kubischen  Alaunkrystall  mit 
einer  HĂĽlle,  deren  Form  dem  Octaeder  entspricht,  zu  erhalten,  so 
wäre  dies  dem  eben  angeführten  analog.  Doch  scheint  es  nach  den 
Versuchen  des  Herrn  K.  v.  Hauer,  dass  kubische  Alaunkrystalle,  die 
keine  Spur  der  Flächen  das  Octaeders  zeigen,  nicht  erhalten  werden 
können. 

Ăśbrigens  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  es  gelingen  werde ,  die 
zuvor  erwähnte  Erscheinung  nachzuahmen,  und  es  wird  von  Inter- 
esse sein,  wenn  durch  viele  Beobachtungen  festgestellt  wird,  unter 
welchen  Umständen  ein  Krystall  von  einer  Hülle  derselben  Species 
umgeben  wird,  die  eine  andere  Form  der  Krystallreihe  zeigt,  gegen- 
über jenen  Fällen,  wo  der  Krystall  beim  ferneren  Wachsen  dieselbe 
Form  beibehält  oder  wo  er  von  kleinen  Krystallen  derselben  Species 
ĂĽberdeckt  wird,  die  sich  in  paralleler  Stellung  anreihen,  oder  wo 
die  letzteren  sich  regellos  darauf  absetzen. 


Tschermak:    ĂśTber  Calcitkrystalle  mit  Kernen  . 
Fig.  /. 


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SiiRuusSst.d .k.Akad.d  W.mntli  .na.turw.Cl.  X1L  .   Bd  N*fll860. 


Tächermak.  Über  secundSre  Minevalbildungen  etc.  113 


Über  secundäre  Mineralbildungen  in   dem  Grünsteingebirge 
bei  Neutitschein. 

Von  Dr.  Gustav  Tscher mak. 

(Mit  2  Tafeln.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  8.  März  1860.) 

In  dem  Folgenden  werden  einige  Beobachtungen  mitgetheiit, 
die  ich  bei  meinen  Exemtionen  im  Jahre  1857  in  der  Umgegend 
von  Neutitsehein  in  Mähren  zu  machen  Gelegenheit  hatte,  nebst 
einigen  Untersuchungen,  die  ich  an  dem  hierbei  gesammelten  Material e 
angestellt  habe. 

Es  war  anfangs  mein  Plan,  eine  vollständige  Bearbeitung  der 
dortigen  GrĂĽnsteinformation  zu  liefern,  da  mir  indess  nicht  die  Gele- 
genheit gegeben  wurde,  die  Gegend  in  diesem  Sinne  genauer  zu 
durchforschen,  so  konnte  diese  Arbeit  nicht  weiter  fortgefĂĽhrt  werden. 
Ich  fasse  daher  die  von  mir  gemachten  Erfahrungen  in  der  Form  einer 
Studie  zusammen,  die  namentlich  die  seeundären  Bildungen  betrifft, 
weil  ich  der  Meinung  bin,  dass  Forschungen  in  dieser  Richtung  so 
viel  Wichtigkeit  haben,  dass  der  Versuch  durch  Sammeln  einiger 
Beobachtungen  die  Aufmerksamkeit,  wenn  auch  nur  auf  ein  einzelnes 
Gebirge  zu  lenken,  der  Sache  wĂĽrdig  erscheint. 

Ich  kann  hier  nicht  unterlassen,  mit  Dank  der  BemĂĽhungen  des 
Herrn  Dechants  J.  Prorok  und  des  Herrn  Oberlehrers  Olb rieh 
in  Neutitschein  zu  gedenken,  welche  mir  bei  meinem  Dortsein 
freundlichst  zu  Dienste  waren. 

Das  GrĂĽnsteingebirge  zwischen  Neutitschein  und  Teschen,  an 
Ausdehnung  das  bedeutendste  der  Monarchie ,  umfasst  eine  Reihe 
Gesteine  von  verschiedenem  Aussehen  und  mannigfaltiger  Zusammen- 
setzung, die  sämmtlich  der  Grünsteingruppe  angehören  und  die 
unter  den  verschiedensten,  mitunter  sehr  interessanten  Verhältnissen 
auftreten.  Ich  kenne  den  nördlichen  Theil  der  Formation  nicht  aus 
eigener  Anschauung.    Aus  dem  Vergleiche   des   darĂĽber  Bekannten 


|  ^  T  s  c  I)  e  r  in  :t  k.     Öbev  secundäre  Miiieriilliiltliingen 

mit  meinen  Erfahrungen  ĂĽber  den  sĂĽdlichen  Theil  ergibt  sich,  dass 
der  letztere  viel  mehr  des  Interessanten  bietet  als  der  erstere.  Neben 
dem,  dass  die  ganze  Grünsteinformation  von  verhältnissmässig  gerin- 
gem Alter  ist  (das  durchbrochene  Gestein  entspricht  nach  Hohen- 
egger  dem  Neocomien),  zeigt  sich  im  Süden  eine  grössere  Mannig- 
faltigkeit der  Felsarten.  Von  einem  syenitartigen  Diorit  bis  zu 
einem  doleritähnlichen  Diabas  und  einer  zeolithreichen  Wacke, 
andererseits  bis  zu  einem  ausgezeichneten  Kalkdiabas  herab  trifft 
man  eine  ganze  Reihe  von  Gliedern  an.  Das  Auftreten  des  Gesteins 
ist  ebenfalls  recht  verschieden:  Bald  bricht  ein  mächtiger  Gang 
durch  den  dunklen  Schiefer  und  bildet  eine  flach -kegelförmige 
Erhebung,  bald  dringt  ein  isolirter  Zapfen  von  dunkel- blasigem 
Gestein  mitten  in  der  Ebene  hervor,  bald  breitet  sich  der  GrĂĽnstein 
in  der  Form  einer  Decke  aus,  über  welche  später  emporgequollene 
Fjava  sich  wieder  ergoss,  oder  es  zieht  sich  eine  Schichte  sandigen 
Tuffes  dahin,  der  nach  der  Eruption  mit  Hilfe  des  Wassers  sich 
gebildet.  Ăśberall  erblickt  man  Spuren  ehemaliger  vuleanischer 
Thätigkeit  in  vielfältigem  Wechsel.  Die  Gegend  hat  in  verschiedenen 
Zwischenräumen  eine  Reihe  von  Eruptionen  gesehen,  wenngleich 
die  eruptive  Thätigkeit  nirgends  so  bedeutendeDimensionen  erreichte, 
wie  sie  uns  das  Wort  Vulcan  gewöhnlich  in  die  Vorstellung  ruft. 

Die  folgenden  Zeilen  sind  dazu  bestimmt,  Beobachtungen  an 
einander  zu  reihen ,  welche  die  Verhältnisse  einiger  secundären 
Mineralien  betreffen,  die  sich  in  diesem  Gebirge  finden.  Zuerst  muss 
ich  mich  ĂĽber  die  letztere  Bezeichnung  aussprechen:  Jene  Mineral- 
bildungen,  die  erst  nach  der  Eruption  und  dem  vollständigem  Erkalten 
des  Gesteins  in  demselben  und  aus  dessen  Substanz  (natĂĽrlich 
meist  durch  wässerige  Eintlüsse)  gebildet  wurden,  mögen  als 
secundär  bezeichnet  werden,  während  die  beim  Erkalten  des  Gesteins 
ausgeschiedenen  Verbindungen  primäre  Minerale  genannt  werden 
können.  Nim  ist  es  in  einzelnen  Fällen  allerdings  nicht  scharf  nach- 
weisbar, welche  Entstehungsweise  einem  Mineral  zuzuschreiben  sei, 
und  die  Ansichten  gehen  hierin  manchmal  weit  auseinander.  Dieses 
kann  indess  bei  dem  Folgenden  von  keinem  Belange  sein,  da  es  mir 
mehr  um  treue  Darstellungen  der  Beobachtung  zu  thun  ist,  und  wenn 
auch  nach  andern  Ansichten  das  eine  oder  das  andere  der  aufgefĂĽhr- 
ten Mineralien  nicht  in  die  Reihe  der  secundären  gehört,  so  wird 
doch  die  Sache  dadurch  nicht  geändert. 


in  dem  Griinsteing-eliirge  bei  Neutitschein.  \  ÂŁ) 

Es  ist  wĂĽnschenswerth,  bei  dergleichen  Untersuchungen  die 
Felsarten,  welche  das  Material  zur  Bildung  neuer  Mineralien  gegeben 
haben,  zuerst  möglichst  genau  zu  kennen;  namentlich  ist  hier  das 
chemische  Moment  zu  berĂĽcksichtigen.  Dass  ich  nun  in  dieser 
Beziehung  nicht  alles  gethan.  was  nothwendig  erschien,  darf  ich 
damit  entschuldigen,  dass  es  mir  nicht  gegönnt  war  eine  vollständige 
Untersuchung  der  Vorkommnisse  auszuführen,  so  dass  nach  sorgfäl- 
tiger Auswahl  des  Materials  eine  chemische  Untersuchung  in  der 
angestrebten  Richtung  hätte  ausgeführt  werden  können.  Ich  musste 
mich  auf  Einzelnes  beschränken,  wodurch  indess  schon  viel  gewonnen 
war.  Die  chemische  Beschaffenheit  der  Gesteine  nahezu  gleichen 
Alters  in  einem  kleinen  Verbreitungsbezirke  ist  nicht  so  verschieden, 
dass  man  von  der  Zusammensetzung  eines  derselben  nicht  weiter 
schliessen  dĂĽrfte. 

Ich  bringe  die  Felsarten  der  gesammten  Gegend  zuerst  in  drei 
Abtheilungen,  die  sich  ungefähr  abgrenzen  lassen.  Jene  Grünsteine, 
die  vorwaltend  Hornblende  enthalten,  sollen  wie  gewöhnlich  Di  o  rite 
genannt  werden.  Die  mehr  basischen  Gesteine  von  mehr  dunkler 
Farbe  und  bedeutenderem  Gehalt  an  Augit  sollen  als  Diabase  auf- 
gefĂĽhrt werden.  Eine  Grenze  zwischen  den  beiden  genannten 
Reihen  ist  ziemlich  willkürlich,  da  Übergänge  an  demselben  Gange 
vorkommen,  dagegen  lässt  sich  der  Kalkdiabas  gut  von  den  vori- 
gen trennen.  Er  ist  von  klein-krystallinischem  GefĂĽge,  von  lichten 
grĂĽn-grauen  Farben  und  durch  den  bedeutenden  Gehalt  an  kohlen- 
saurem Kalk  ausgezeichnet.  Nach  diesen  drei  Abtheilungen  soll  nun 
das  Folgende  geordnet  werden,  um  die  Ăśbersicht  zu  erleichtern. 

Was  die  Beschreibung  der  Gesteine  anbelangt,  werde  ich 
immer  nur  den  Haupttypus  einer  Gruppe  angeben;  eine  eingehende 
Schilderung  mehrerer  Felsarten  findet  man  in  Hochs  tetter's 
Abhandlung:  „Über  einige  Grünsteine  aus  der  Umgegend  von.  Te- 
scben"  *)•  Ich  kann  darauf  verweisen,  da  viele  Gesteine  des  süd- 
lichen Verbreitungsbezirkes  mit  denen  im  nördlichen  Theile  gleich- 
artig sind. 

Ich  gehe  nunmehr  zur  Beschreibung  der  ersten  Hauptgruppe 
ĂĽber: 


')  Jahrb.  der  k.  k,  geologischen  Reichsanstalt,  Bd.  IV,  S.  411. 


Iß  Tsehermak.    Über  secundäre  Mineralbildungen 

I.  Diorit. 

Die  GrĂĽnsteine,  welche  sich  in  diese  Gruppe  bringen  lassen, 
finden  sich  meist  im  SO.  von  Neutitschein.  Sie  gehören  zu  den 
ältesten  Grünsteinen  der  Gegend,  wovon  man  sich  an  einigen  Punkten 
ĂĽberzeugen  kann,  wo  die  vom  Diorite  gebildeten  Lager  und  Decken 
vom  Diabas  gehoben  oder  durchbrochen  werden.  Dagegen  habe  ich 
nirgends  beobachten  können,  wie  sie  sich  in  dieser  Beziehung  dem 
Kalkdiabas  gegenĂĽber  verhalten.  Im  Ganzen  jedoch  machte  es  mir 
den  Eindruck,  dass  auch  der  Kalkdiabas  ein  jĂĽngeres  Gebilde  sei 
als  die  Diorite. 

Um  ein  Bild  von  der  mineralogischen  Beschaffenheit  dieser 
Gruppe  zu  entwerfen,  will  ich  ein  typisches  Gestein  näher  beschrei- 
ben, welches  zwischen  Sohle  und  Seitendorf  auftritt. 

Das  Gestein  ist  mittelkörnig,  dunkelgrün,  mit  vielen  hervor- 
stechenden weissen  Flecken.  Von  den  Gemengtheilen  erkennt  man 
sogleich  die  Hornblende  an  den  fast  schwarzen,  säulenförmigen 
Krystallen  und  glänzenden  Spaltflächen.  Sie  ist  gleichförmig  durch 
das  Gestein  verbreitet,  von  dem  sie  ungefähr  40  Procent  ausmacht,  die 
einzelnen  Krystalle  sind  im  Mittel  6  Millim.  lang  und  2  Millim.  breit. 
Die  Feldspathmasse  ist  von  weisser  oder  grĂĽnlicher  Farbe,  sehr 
feinkörnig,  fettglänzend,  von  unebenem,  oft  splitterigem  Bruche,  nur 
hie  und  da  erscheint  eine  Theilungsfläche,  die  ein  grösseres  Indivi- 
duum anzeigt,  welches  indess  niemals  länger  als  3  Millim.  erscheint. 
Splitter  des  Feldspathes  schmelzen  in  der  Löthrohrflamme  erst  nach 
einiger  Zeit.  Von  Säuren  wird  das  feine  Pulver  aufgeschlossen  und 
es  bleibt  pulvrige  Kieselsäure  zurück. 

Das  Gestein  ist  von  sehr  frischem  Aussehen.  Es  enthält  nur 
sehr  wenig  kohlensauren  Kalk.  Nur  hie  und  da  entsteht  beim  dar- 
aufbringen  von  Säuren  ein  Bläschen,  nur  selten  bemerkt  man  eine 
höchst  feine  Spalte,  die  mit  Calcit  ausgefüllt  ist. 

Die  Beschreibung,  welche  Hochstetter  vom  Diorite  von 
Boguschowitz  gibt,  passt  nahezu  auf  dieses  Gestein,  nur  tritt  hier 
der  Augit  zurĂĽck.  Den  Feldspath  der  Diorite  halt  Hochstetter 
für  Anorthit,  wegen  des  Verhaltens  in  der  Hitze  und  gegen  Säuren. 
Ich  bin  derselben  Ansicht,  um  so  mehr  als  eine  später  anzuführende 
Analyse  eines  Gesteines  die  Gegenwart  dieses  Feldspathes  sehr 
wahrscheinlich  macht. 


in  tlem  GrĂĽnsteingebirge  bei  Neutilschein. 

Alle  ĂĽbrigen  Diorit-Gesteine  der  Gegend  stehen  in  mineralogi- 
scher Beziehung  dem  eben  beschriebenen  sehr  nahe  und  unter- 
scheiden sich  meist  nur  durch  die  Grösse  derHornblendekrystalle.  Hie 
und  da  tritt  auch  derAugit  etwas  hervor.  Er  erscheint  dann  in  kurzen 
Säulen  von  der  gewöhnlichen  Form.  Das  äussere  Ansehen  der  Fels- 
art ist  nach  der  Grösse  des  Korns,  der  Farbe  des  Feldspathes  etc. 
verschieden.  Schiefer  und  Aphanite  wurden  nicht  beobachtet.  Das 
specifische  Gewicht  bewegt  sich  meist  in  den  Grenzen  2*8  .  .  .  29. 
Das  Auftreten  des  Diorites  ist  ein  sehr  mannigfaltiges.  Ich  will 
hier  blos  einige  auffallende  Vorkommnisse  beschreiben. 

Im  S.  von  Neutitschein  am  rechten  Ufer  der  Titsch  setzt  ein 
etwa  10  Klafter  breiter  Gang  im  Thonschiefer  auf.  Das  Gestein  ist 
stark  zerklĂĽftet,  am  Ausgehenden  bedeutend  verwittert  und  braun 
gefärbt,  tiefer  unten  besitzt  es  noch  das  frische  Ansehen  und  die 
grĂĽne  Farbe.  Die  Spalten  sind  meist  mit  Calcit  erfĂĽllt.  Der  Thon- 
schiefer ist  durch  die  hervorbrechende  Masse  gehoben  und  bis  auf 
die  Entfernung  von  einer  Klafter  in  eine  dickschiefrige,  hornstein- 
ähnliche  Masse  verwandelt  worden,  die  eine  lichtere  Farbe  zeigt 
als  das  unveränderte  schiefergraue  Gestein.  Der  Schiefer  hat  eine 
Neigung  von  46°  in  ONO.  und  einen  Fall  von  56°  in  SSO.  erhalten. 
Fig.  1  auf  Taf.  I  stellt  eine  Contactstelle  dar. 

Bei  Sohle  im  0.  des  GĂĽmbelberges  ist  ein  bedeutender  Bruch 
im  Diorit  eröffnet.  Das  Gestein  bietet  namentlich  an  den  Stellen, 
wo  es  bereits  mehr  angegritfen  ist,  eine  sehr  interessante  Erschei- 
nung. Es  zeigt  nämlich  sehr  häutig  ausgezeichnet  kugelförmige 
Absonderung.  Das  Gestein  theilt  sich  zuerst  in  würflige  Blöcke, 
welche  nach  einiger  Zeit  mehr  abgerundet  werden,  bis  endlich  eine 
Menge  von  grossen,  concentrisch-schaligen  Kugeln  hervorstehen,  die 
sich  oft  ablösen  und  aus  der  Gesteinswand  herausfallen.  Die  ganze 
Erscheinung  ist  um  so  interessanter,  als  sie  beim  Diorite  nicht  häufig 
angetroffen  wird.  AufTaf.  I,  Fig.  2  ist  eine  solche  Felspartie  abgebildet. 
Eine  wichtige  Beobachtung  ergab  sich  ferner  an  einem  bloss- 
gelegten  Punkte  bei  Sohle,  sĂĽdlich  von  dem  ebengenannten  Bruche. 
Ein  kleiner  HĂĽgel  war  daselbst  angebrochen  und  so  eine  Stelle 
eröffnet  worden,  welche  bei  sehr  geringen  Dimensionen  sechs  ver- 
schiedene Gesteine,  welche  ebenso  vielen  verschiedenen  Perioden 
angehören,  zugleich  aufweist.  AufTaf.  II  ist  eine  Zeichnung  aus- 
gefĂĽhrt,  welche  das  Ganze  deutlich  machen  wird. 


1  $  Tsehermak.    Über  secundäre  Mineralbildiingen 

Die  Wand  war  etwa  8  Fuss  hoch.  Zu  oberst  erscheint  eine 
Schicht  dunklen  Thonschie  fers,  der  identisch  mit  den  ringsum 
vorkommenden  Schiefern  ist.  Hierauf  folgt  eine  fast  2  Fuss  mächtige 
Schichte  von  Diorit.  Er  ist  bereits  stark  verwittert  und  nicht  mehr 
mit  einem  Gestein  der  Gegend  zu  identificiren.  Unter  diesem  eine 
fast  eben  so  mächtige  Schichte  von  Diorittuff.  Derselbe  sieht 
ziemlich  compact  aus,  zerfällt  jedoch  bei  der  Berührung  sogleich  in 
eine  Menge  eckiger  DioritstĂĽckchen  von  1  Centim.  Durehmesser  bis 
zur  Grösse  eines  Sandkorns.  Nunmehr  folgt  eine  2  Zoll  dicke  Schicht 
von  stängligem,  weissem  Ar  ra  go  nit,  welche  sicli  gleichförmig  über 
die  nächste  Schicht  ausbreitet.  Die  letztere  ist  etwa  8  Zoll  dick  und 
bestellt  aus  einem  frisch  aussehenden,  lichten  Diorit,  welcher  dem 
oben  genauer  beschriebenen  gleich  kömmt.  Unter  diesem  folgt  ein 
verwitterter  schwarzgrĂĽner  Diabas,  der  in  der  Tiefe  fortsetzt. 

Dieser  Durchschnitt  gibt  bereits  viele  Mittel  an  die  Hand,  die 
Geschichte  der  GrĂĽnsteineruptionen  dieser  Gegend  theilweise  zu  ent- 
wickeln. 

Man  sieht  hier  zu  unterst  eine  dĂĽnne  Dioritschichte,  den  Rest 
eines  Lavastromes,  welcher  sich  hier  ergossen.  Nach  der  Eruption, 
welche  dieser  Schichte  Entstehung  gegeben  hatte,  mögen  heisse 
Quellen,  die  in  der  Nähe  empordrangen,  den  Arragonit  abgesetzt 
haben.  Bei  einem  ferneren  Ausbruche  ward  durch  gleichzeitige  oder 
spätere  Einwirkung  aus  dem  Sande  und  Rapillo  eine  Tuffmasse  zu- 
sammengesetzt, welche  nur  eine  geringe  Mächtigkeit  erreichte  und 
nur  unter  den  vorliegenden  Umständen  erhalten  werden  konnte.  Es 
hat  sich  nämlich  bei  einem  späteren  Ausbruche  ein  neuer  Lavastrom 
darĂĽber  ergossen  und  die  Tuffschichte  an  dieser  Stelle  vor  der  zer- 
störenden Einwirkung  des  Wassers  geschützt.  Nach  all  diesen  Erup- 
tionen muss  eine  Bedeckung  durch  Wasser  und  der  Absatz  des Thon- 
schiefers  erfolgt  sein.  In  einer  ferneren  Periode  ward  der  ganze 
Schichtencomplex  durch  eine  emporgedrängte  Lavamasse  gehoben, 
welch  letztere  zu  einem  Diabas  erstarrte. 

In  der  Umgebung  spricht  nichts  dafĂĽr,  dass  die  Schichtenfolge 
etwa  umgekehrt  wäre  und  man  ein  Überkippen  annehmen  dürfte. 
Dass  der  unten  anstehende  Diabas  das  Ganze  gehoben  habe,  erscheint 
hier  nicht  so  augenfällig,  da  man  für  diesen  Fall  eine  gewaltsame 
Einwirkung  auf  die  untersten  Schichten  erwarten  könnte.  Doch 
spricht   dafür    das  Auftreten  desselben  Diabas   in   der  Nähe  dieser 


in  dem  GrĂĽnsteingebirge  bei  Neutitschein.  119 

Stelle,  sĂĽdlich  davon,  wo  er  in  einem  Gange  emporgedrungen  ist  und 
eine  Dioritschichte  gehoben  hat,  deren  Gestein  dem  im  vorgenannten 
Anbruche  zu  oberst  befindlichen  so  wie  dem  nördlich  davon  vorkom- 
menden Kugeldiorite  ähnlich  ist. 

Man  ersieht  aus  all  dem,  dass  einige  Diorite  älter  seien  als  die 
Schiefer  des  Neocomien,  während  andere  Diorite,  so  wie  sämmtliche 
Diabase  ein  geringeres  Alter  besitzen. 

Nunmehr  gelange  ich  zur  Aufzählung  der  secundären  Minera- 
lien, welche  im  Gebiete  des  Diorites  beobachtet  wurden. 

1.  Quarz . 

Wenn  auch  im  Ganzen  der  Quarz  in  den  Dioriten  sich  häufiger 
ausgeschieden  findet  als  in  den  mehr  basischen  Gesteinen,  so  ist  doch 
die  Menge  desselben  an  einem  Orte  niemals  sehr  bedeutend.  Er  fin- 
det sich  krystallisirt  in  Spalten  zu  Drusen  versammelt,  wie  in  dem 
Bruche  an  der  Titsch,  im  Kugeldiorite  von  Sohle,  in  dem  obersten 
Dioritlager  des  Anbruches,  oder  er  kommt  als  AusfĂĽllung  runder 
Hohlräume  vor.  Solche  runde  Quarzmassen  zeigen  sich  häufig  im 
Diorite  an  der  Titsch.  Jede  derselben  stellt  ein  Quarzindividuum  vor. 
Die  ganze  Kugel  ist  gleichförmig  durchsichtig,  schwach  gelblich  ge- 
färbt, von  3  —  1  Centim.  Durchmesser,  manchmal  scharf  gegen 
das  Gestein  hin  abgegrenzt,  manchmal,  namentlich  die  kleineren 
Kugeln,  fast  mit  dem  Gestein  verfliessend,  ohne  scharfe  Grenze.  Zu 
bemerken  ist  noch,  dass  sich  in  dem  Bruche  im  Kugeldiorite  ein 
Block  krystall inisehen  Quarzes  von  2  Fuss  Länge  vorfand  ,  welcher 
EindrĂĽcke  von  zollgrossen  Calcitrhomboedern  und  Stalaktiten  enthielt. 

2.  Calcit. 

Der  Calcit  kömmt  im  Diorite  nicht  häufig  in  kleinen  Partikelchen 
mitten  im  Gesteine  vor,  wesshalb  diese  mit  Säuren  wenig  oder  gar 
nicht  brausen,  vielmehr  tritt  er  meist  in  Spalten  und  Hohlräumen  auf. 
Sehr  häufig  findet  man  ihn  in  deutlichen  Krystallen.  In  dem  Bruche 
an  der  Titsch  beobachtete  ich  die  Form  113  an  mehr  oder  weniger 
verkrĂĽppelten  ,  mit  einer  Kruste  von  Brauneisenstein  ĂĽberzogenen 
Krystallen.  In  anderen  Spalten  fand  sich  Calcit  in  der  Form  — 2B 
neben  Bitterspath  und  Eisenkies  auf  Drusen  von  Quarz.  Im  Kugel- 
diorit  von  Sohle  kömmt  häufig  krystallinischer  Calcit  vor.  Bemerkens- 
wert!) ist  das  Auftreten  einer  kreideartigen  AusfĂĽllung  vieler  Gesteins- 
spalten daselbst.  Die  staubartige  weisse  Substanz  (sogenannte  Berg- 
Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XU  Bd.  Nr.  S.  9 


|20  Tscher  mak.    Üher  secundäre  Mineralbildung-en 

milch)  ist  fast  reines  Kalkcarbonat.  Durch  eindringende  Gewässer 
wird  dieselbe  weiter  gefĂĽhrt  und  ganze  Gesteinspartien  werden 
damit  bedeckt,  so  dass  dieselben  durch  diesen  Ăśberzug  ein  fremd- 
artiges Aussehen  erhalten.  Der  Calcit  findet  sich  ferner  in  Rhom- 
boedern  von  der  Form  — 2R  in  fast  zollgrossen  Krystallen  neben 
Baryt  und  Analcim  in  den  bei  der  TeufelsmĂĽhle  umherliegenden  Ge- 
steinstrĂĽmmern. Die  Krystalle  sind  durch  Einwirkung  des  Wassers 
an  der  Oberfläche  rauh  geworden  und  man  bemerkt  die  dem  Grund- 
rhomboeder  angehörige  Schraffirung  in  vertieften  Linien  ausgeprägt. 
Interessant  erscheint  ferner  das  Vorkommen  krystallinischen  Calcites 
als  Spalten  ausfĂĽllig  in  folgendem  Falle:  In  dein  Diorite  an  der 
Titsch  finden  sich,  wie  bereits  erwähnt,  kugelförmige  Ausscheidungen 
von  durchsichtigem  Quarze.  Hie  und  da  setzt  sich  nun  mitten  durch 
eine  solche  Quarzkugel  ein  feiner  Spalt  fort,  welcher  von  weissem 
krystallinischen  Calcit  erfĂĽllt  ist,  so  dass  diese  weissen  Adern  von 
dem  gelblichen,  durchsichtigen  Quarz  eben  so  deutlich  abstechen  als 
von  dem  dunklen  Gestein.  Dies  zeigt,  dass  die  Ausscheidung  des 
Quarzes  viel  frĂĽher  stattfand  als  die  Spaltenbildung  und  AusfĂĽllung 
durch  Calcit.  Es  kann  hier  durchaus  nicht  angenommen  werden,  dass 
der  Quarz  beim  Erstarren  der  Masse  gebildet  worden,  da  dieser  mit 
der  basischen  Natur  des  Gesteines  unverträglich  ist,  eben  so  wenig 
lässt  sich  behaupten,  dass  dies  eingeschmolzene  Quarzstücke  seien, 
da  man  das  Verfliessen  des  Quarzes  mit  der  Gesteinsmasse  hier  oft 
beobachten  kann,  wogegen  eingeschmolzene  StĂĽcke  dies  nicht  zei- 
gen, vielmehr,  wie  man  es  in  Basalten  öfter  sieht,  immer  scharf  ab- 
gegrenzt, ganz  undurchsichtig  und  mĂĽrbe  erscheinen. 

3.  Arragonit. 

Ein  ausgezeichnetes  Vorkommen  des  Arragonites  ist  das  bereits 
frĂĽher  angedeutete  im  Anbruche  bei  Sohle.  Daselbst  setzt  dieses 
Mineral  eine  ganze  Schichte  zusammen,  welche  im  Mittel  2  Zoll  dick 
ist  und  zwischen  einem  dunklen  Diabas  und  einer  dĂĽnnen  Schichte 
hellen  Diorites  eingeschoben  ist.  Er  bildet  ein  gleichförmig  dünn- 
stengeliges  Aggregat  von  rein  weisser  Farbe.  Als  Arragonit  ist  der- 
selbe sogleich  an  den  Theilungsflächen  der  ungefähr  1  Millimeter 
breiten  Individuen  erkennbar.  Die  Axen  der  Individuen  stehen  auf  der 
Schichtfläche  senkrecht.  Die  ganze  Schichte  zeigt  sich  hie  und  da 
in  zwei  bis  drei  Etagen  abgetheilt.    Eine  Partie  einer  solchen  kleinen 


in   dem  Griinsteingehirge  bei  Neutitschein.  14  [ 

Schichte  zeigte  sieb  in  Steatit  umgewandelt.  Da  das  umgehende  Ge- 
stein leicht  hei  der  Verwitterung  in  Trümmer  zerfällt,  die  Arragonit- 
schichte  aber  grössere  Festigkeit  besitzt,  so  kömmt  es,  dass  dieselbe 
auf  der  einen  Seite  dos  HĂĽgels  ĂĽberall  aus  dem  Boden  hervorragt 
und  streckenweise  einen  weissen  Streif  bildet. 

Da  diesei-  Arragonit  wahrscheinlich  ein  Absatz  heisser  Quellen 
ist,  so  wäre  er  in  sofern  nicht  zu  den  seeundären  Bildungen  gegen- 
ĂĽber dem  GrĂĽnstein  zu  rechnen,  als  er  vielleicht  nicht  aus  dessen 
Substanz  gebildet  wurde,  doch  habe  ich  dieses  Vorkommen  der  Voll- 
ständigkeit wegen  angeführt. 

4.  Bitterspath. 

Dieses  Mineral  tritt  überall,  wo  es  vorkömmt,  in  Gesellschaft 
des  Calcites  auf.  Dies  ist  der  Fall  in  dem  Bruche  an  der  Titsch,  wo 
es  in  kleinen  Partien  auf  den  Quarzdrusen  neben  Calcit  und  Eisen- 
kies in  gekrĂĽmmten  Khomboedern  sich  findet,  ferner  in  den  Spalten 
des  Kngeldiorites  bei  Sohle,  endlich  bei  Seitendorf. 

5.  Baryt. 

Der  Baryt  kommt  in  undurchsichtigen  rein  weissen  StĂĽcken, 
welche  lue  und  da  die  Fläche  ooPoo  erkennen  lassen,  neben  Calcit 
und  Analcim  in  den  GesteinstrĂĽmmern  bei  der  TeufelsmĂĽhle  vor.  Da 
er  mit  dem  Calcit  und  Analcim  innig  verwachsen  erscheint,  so  hat 
man  alle  drei  Mineralien  als  gleichzeitige  Bildungen  anzusehen  und 
der  Baryt  ist  hier  als  seeundäre  Bildung  aufzufassen,  sobald  man  den 
in  Hohlräumen  des  Diorites  auftretenden  Analcim  und  Calcit  für 
seeundär  ansieht.  Der  Baryt  findet  sich  sonst  an  keinem  anderen 
Orte  dieser  Gegend. 

6.  Serpentin. 

Der  Serpentin  findet  sich  hie  und  da  als  Zersetzungsproduct 
der  Hornblende  und  des  Augites  in  geringer  Menge  in  den  Binden 
der  Gesteine  wie  bei  Sohle,  bei  Hotzendorf.  Die  Serpentinbildung 
ist  in  den  Dioriten  bei  weitem  nicht  so  bedeutend  als  im  Diabas. 

7.  Steatit. 

Dieses  Mineral  tritt  in  der  bereits  erwähnten  Arragonitschichte 

pseudomorph    nach  Arragonit   auf.     Der  Steatit   ist   von    grĂĽnlicher 

Farbe  und  zeigt  grösstenteils  noch  das  stengelige  Gefüge  des  Arra- 

gonits.   Stellenweise  ist  noch  etwas  Arragonit  zurĂĽckgeblieben,  wel- 


|22  Tschermak.    Ăśber  secundiire  Mineralbildungen 

eher  dann  sehr  morsch  und  mĂĽrbe  erscheint.  Die  Steatitmasse  zer- 
fällt beim  Daraufschlagen  gerade  so  wie  der  Arragonit,  nach  der 
Länge  der  Säulchen  hin,  in  prismatische  Stücke;  dagegen  lässt  sie 
sich  nach  jeder  Richtung  hin  mit  dem  Messer  schaben  ohne  zu  bre- 
chen und  ohne  im  Querschnitte  die  stengelige  Structur  zu  zeigen. 
Der  Steatit  Gndet  sich  ferner  hie  und  da  in  den  Spalten  des  Kugel- 
diorites  in  geringer  Menge. 

8.  (Jliminer. 
Im  Diorite  kommt  nur  wenig  Glimmer  vor  und  dann  nur  immer 
die  eine  Art:  ein  tombakbrauner  metallisch  glänzender  Glimmer, 
von  dessen  seeundärer  Natur  man  sich  leicht  durch  Betrachtung  ein- 
zelner Gesteinspartien  überzeugen  kann,  wo  die  Glimmerblättchen 
genau  parallel  den  Theilungsflächen  auf  den  Hornblendekrystallen 
liegen  oder  durch  dieselben  hindurch  gewachsen  erscheinen,  wie  dies 
im  Gesteine  von  Hotzendorf  der  Fall  ist.  Sehr  häufig  kann  man  auch 
die  Beobachtung  machen,  dass  der  Glimmer  nur  auf  der  Verwitte- 
rungsrinde erscheint,  oder  dass  er  gegen  die  Oberfläche  des  Ge- 
steines zu  immer  häufiger  wird. 

9.  Chlorit. 

Noch  weniger  häufig  als  der  Glimmer,  findet  sich  der  Chlorit 
nur  in  Gesteinen,  die  schon  merkbar  angegriffen  sind,  in  kleinen 
grĂĽnen  SchĂĽppchen  als  Zersetzungsproduct  der  Hornblende,  wie  bei 
Seitendorf;  doch  niemals  trifft  man  ihn  in  grösserer  Menge  an. 
Hochstetter  hat  einen chlorithaltigenDiorit  von  Kalembitz  genauer 
beschrieben. 

Zeolithe. 

Im  Gebiete  des  Diorites  treten  die  Mineralien  dieser  Familie 
nicht  häufig  auf  und  kommen  nur  in  geringen  Mengen  vor.  Im  Dio- 
rite bei  Sohle  ,  so  wie  in  vielem  Gerolle  finden  sich  einzelne  feine 
Nadeln,  so  wie  spärliche  Aggregate  derselben,  welche  sich  durch 
ihr  Verhalten  in  der  Hitze  und  gegen  Säuren  leicht  als  Zeolithe  er- 
kennen lassen,  doch  war  eine  genauere  Bestimmung  nicht  ausfĂĽhrbar. 
Nur  eine  Zeolithspecies  kömmt  in  grösseren  Krystallen  vor. 

10.  Analciin. 

Das  Vorkommen  dieses  Minerals  wurde  schon  früher  erwähnt. 
Der  Analcim   findet  sich  bei  der  TeufelsmĂĽhle  in  Gesellschaft  von 


in  dem  Griinsteiiigebirge  bei  Neutitschein.  123 

Calcit  und  Baryt  in  meistens  hellen  Krystallen  von  im  Mittel  5  Millim. 
Durchmesser.  Sie  zeigen  die  Form  ooOao.202,  liegen  meist  dicht 
an  einander  und  sind  den  hegleitenden  Mineralien  gleichsam  zwischen 
gestreut1)-  Beim  Ahlösen  derKrystalle  hemerkt  man  oft  inderünter- 
lage  hinterlassene  EindrĂĽcke,  wornach  also  die  gleichzeitige  Bildung 
der  drei  Mineralien  keinem  Zweifel  unterliegt. 

II.  Magneteisen. 

Der  Magnetit  tritt  der  Menge  nach  in  demselben  Verhältnisse 
auf,  wie  der  Augit  und  es  gehört  der  erstere  als  Zerlegungsproduct 
vorzĂĽglich  dem  Augite  zu.  Im  Diorite,  wo  der  Augit  nur  in  geringer 
Menge  vorkömmt,  findet  sich  auch  das  Magneteisen  nur  in  ganz  unbe- 
deutenden Quantitäten,  so  dass  es  niemals  mit  blossem  Auge  bemerkt 
werden  kann.  Der  Magnet  zieht  aus  dem  feinen  Gesteinspulver  nur 
geringe  Mengen. 

12.  Pyrit. 

Den  Eisenkies  trifft  man  im  Diorite  viel  häufiger  an  als  im  Dia- 
bas. Er  findet  sich  fast  überall  in  Spalten  und  Hohlräumen,  oft  neben 
Calcit  und  Quarz,  wie  bei  Sohle,  bei  Seitendorf.  Die  Krystalle  sind 
meist  von  ungefähr  2  Millim.  Durchmesser,  manchmal  sind  auch 
blos  sehr  kleine  Individuen  staubförmig  auf  Calcit  vertheilt.  Auch 
mitten  im  Gesteine  kommt  er  in  kleinen  Körnern  eingesprengt  vor. 

13.  Branneisen. 

Ausserdem,  dass  das  Eisenhydrat  in  den  stark  angegriffenen  Ge- 
steinen als  Best  der  Zersetzung  nach  den  Augitspathen  in  mehr  oder 
weniger  reinem  Zustande  oft  anzutreffen  ist,  kömmt  es  auch  als  Absatz 
der  Gewässer  in  Spalten  vor.  Im  Bruche  an  der  Titsch  fand  ich 
unter  anderen  eine  ganz  junge  Bildung  als  lederartigen  Ăśberzug  der 
Calcitkrystalle. 

II.  Diabas. 

Die  GrĂĽnsteine  dieser  Gegend,  welche  hier  als  Diabase  aufge- 
fĂĽhrt werden,  sind  im  Allgemeinen  mehr  basische,  dunklere,  an  Augit 
reichere  Gesteine  von  höherem  specifischen  Gewichte  als  die  Dio- 
rite. Sie  sind  von  geringerem  Alter  als  die  letztere  Gesteinsgruppe 
und  jĂĽnger  als  die  Schiefer  und  Kalke  desNeocomien.    Mehrere  der- 


*)  S.  G  lock  er,  Verhandl.  der  kais.  Leop.  Carol.  Akademie.  Bd.  15. 


•J24  Tschermak.    Über  secundäre  Mineralbildung'en 

selben    sind  frĂĽher  fĂĽr  Basalte   gehalten  worden,  wie  z.  B.  der  vom 
GĂĽmbelberge,  doch  ist  nirgends  eine  Spur  von  Olivin  zu  bemerken. 

Ich  will  zuerst  wieder  die  Beobachtungen  an  einem  typischen 
Gesteine  vom  GĂĽmbelberge  anfĂĽhren,  welches  zwischen  den  ĂĽbri- 
gen Felsarten  dieser  Gruppe  so  ziemlich  die  Mitte  hält. 

Der  Diabas  ist  von  mittlerem  Korne  und  von  schwärzlichgrüner 
Farbe.   Er  ist  ungemein  zähe,  so  dass  sich  nur  mit  grosser  Mühe  ein 
Handstück   aus   einem  Blocke  schlagen  lässt.    Von  den  zusammen- 
setzenden Mineralien  ist  der  Feldspath  der  vorherrschende  Gemeng- 
theil. Er  ist  dunkelgrün,  zeigt  auf  dem  Bruche  glasglänzende  Thei- 
lungsflächen,   welche   im  Mittel  6  Millimeter   lang   und  4  Millimeter 
breit  und  ĂĽberall  von  feinen Hornblendetheilchen  durchwachsen  sind. 
Splitter  desselben  schmelzen   in    der  Löthrohrflamme   nach   einiger 
Zeit,  jedoch  schwieriger  als  Labrador.   Von  Salzsäure  wird  das  Pul- 
ver ganz  zersetzt  und  es  bleibt  pulverige  Kieselsäure  zurück.  Er  ver- 
liert durch  Behandeln  mit  verdünnten  Säuren  bald   die  dunkelgrüne 
Farbe  und  wird  schneeweiss.     Beim  Verwittern   hinterlässt  er  eine 
gelblich  gefärbte   pulverige  Masse.  Die  Augitspathe  lassen  sich  erst 
genauer  beobachten,  nachdem  der  Feldspath-Bestandtheil  durch  Atzen 
mit  Säuren  weiss  geworden:  dann  bemerkt  man  sogleich,  dass  die 
Augitspathe  blos  ungefähr  30  Percent  des  Gesteins  ausmachen,  und 
dass  sie  in  ganz  kleinen  Krystallen  zwischen  den  Feldspathkrystallen 
gelagert  oder  durch  dieselben  hindurchgewachsen  sind.   Mit  Hilfe  der 
Loupe  erkennt  man  sogleich  die  Hornblende  an  ihren  charakteristi- 
schen Kennzeichen:  der  fast  schwarzen  Farbe  und  den   glänzenden 
Spaltflächen.  Daneben  zeigt  sich  Augit  in  kleinen  Krystallen,  von  der 
Hornblende  leicht  an  dem  matten  Aussehen  und  dem  muschligen  Bru- 
che zu  unterscheiden.  Ferner  beobachtete  ich  hie  und  da  feine  Kry- 
stalle  von  hellgrüner  Farbe;  dieselben  mögen  Epidot  gewesen  sein. 
Aus  dem  Pulver  des  Gesteins  zieht  der  Magnet  eine  nicht  ganz  un- 
bedeutende Menge  Magneteisen  heraus,  doch  lässt  sich  bekanntlich 
die  Menge  desselben  wegen  anhängendem  Gesteinspulver  nicht  ein- 
mal richtig  schätzen.  Das  Gestein  siebt  ganz  frisch  aus;  mit  Säuren 
behandelt  gibt  es  eine  geringe  Menge  Kohlensäure.  Dagegen  ist  der 
Gehalt  an  Wasser,  wie  später  angeführt  weiden  wird,  nicht  unbe- 
deutend. 

Das  speeifische Gewicht  wurde  von  Hrn.  L.  Knaffl  und  von  mir 
an   zwei  verschiedenen  Proben  mit  Hilfe  des  Pyknometers  bestimmt. 


in  dem  GrĂĽnsteingebirge  bei  Neutitschein.  I<iO 

In  dem  Folgenden  bezeichnet  P  die  Capacität  des  Pyknometers 
in  Grammen,  p  das  Gewicht  der  angewendeten  Gesteinsprobe,  p' 
das  Gewicht  des  dadurch  verdrängten  Wassers  in  Grammen,  t  die 
Temperatur  des  Wassers  (die  Correctionen  ĂĽberall  inbegriffen).  Die 
Proben  waren  gepulvert  und  vor  dem  Wägen  getrocknet,  die  Luft 
aus  dem  Wasser  durch  Kochen  entfernt.   Es  wurden  bestimmt: 

A.  P=30  052  ,  ^  =  5  081  ,  p'  =  1-721  ,  *  =  17-S»C..  .  K 

daraus—  =  2-952. 
V 

B.  P=  15-010  ,  ^  =  7-275  ,  ^'  =  2-453  ,  t  =  16»  C T 

daraus-  =  2-966. 
P' 
Hiernach  berechnet  sich  das  specifische  Gewicht  bei  0°C.  für  A 

zu  2-95,  fĂĽr  B  zu  2-96. 

Das  Gestein  ist  noch  weiter  untersucht  worden.  Herr  L.  Knaffl 
hat  auf  meine  Bitte  eine  chemische  Analyse  desselben  vorgenommen. 
Ich  theile  im  Folgenden  die  Methode  und  die  erhaltenen  Resul- 
tate mit. 

Die  qualitative  Analyse  erwies  die  Gegenwart  von  Kieselsäure, 
Kohlensäure,  Eisen  ,  Kupfer ,  Kalk ,  Magnesia,  Kali,  Wasser.  Zur 
Bestimmung  von  Kieselsäure,  Kupfer,  Eisen,  Kalk,  Magnesia  wurde 
eine  Partie  der  fein  gepulverten,  bei  100u  getrockneten  Probe  genom- 
men und  mit  kohlensaurem  Natron  aufgeschlossen.  Die  Kieselsäure 
wurde  nach  sorgfältigem  Eindampfen  abfiltrirt,  im  Filtrate  das  Kupfer 
durch  Schwefelwasserstoff  gefällt,  hierauf  nach  dessen  Entfernung 
Thonerde  und  Eisen  durch  Ammoniak  gefällt,  der  Niederschlag 
respective  deren  Lösung  in  zwei  Theile  getheilt.  In  dem  einen  ward 
das  Eisen  durch  Titriren  mit  ĂĽbermangansaurem  Kali  bestimmt,  der 
andere  Theil  ward  zur  Ermittelung  der  Summe  der  Thonerde  und 
des  Eisenoxydes  verwendet.  Die  Kalkerde  wurde  als  oxalsaures  Salz 
abgesondert,  letzteres  in  Salzsäure  gelöst  und  dessen  Quantität  durch 
Titriren  mit  Chamäleon  bestimmt,  die  Magnesia  wurde  wie  gewöhn- 
lich als  pyrophosphorsaures  Salz  gewogen.  Zur  Bestimmung  der 
Alkalien  wurde  eine  weitere  Probe  durch  Flusssäure  aufgeschlossen. 
Nachdem  alles  übrige  mit  Hilfe  von  Ätzbaryt  entfernt  war,  wurde 
die  erhaltene  Chlorverbindung  gewogen,  endlich  durch  Silberlösung 
die  zweite  nöthige  Bestimmung  gemacht.  Zur  Ermittelung  der 
Quantität  des  im  Gestein  enthaltenen  Eisenoxyduls  wurde  eine  sehr 


1  £0  Tscher  mak,   Über  secundäre  Miiieralbildung-en 

fein  gepulverte  Probe  längere  Zeit  mit  conceutrirter  kochender  Salz- 
säure in  einer  Atmosphäre  von  Kohlensäure  behandelt,  bis  das  Pulver 
vollständig  weiss  geworden.  Hierauf  konnte  sogleich  das  Titrirver- 
fahren  angewendet  werden.  Die  Kohlensäure  wurde  mittelst  eines 
kleinen  Fresenius'schen  Apparates  bestimmt.  Der  Gewichtsverlust 
beim  GlĂĽhen  wurde  als  Wassergehalt  in  Rechnung  gebracht.  Es  folgen 
die  Zahlenresultate: 

1.  Augewendete  Menge  Substanz  1*018  Gramm 

An  Kieselsäure  erhalten:  398  Mg 3910  Procent. 

Eisenoxyd  und  Thonerde  aus  der  Hälfte  der  Sub- 
stanz 148  Mg.,  im  Ganzen  29-08  Procent.  Bestim- 
mung des  Eisens  in  der  Hälfte  der  Substanz:  Titre 
des  Chamäleon  a  =  0*085,  Anzahl  der  gebrauchten 
C.  C.  der  Lösung:  n  =  9*6.  Daraus  berechnet  sich 
Eisenoxyd  65*3  Mg.,  im  Ganzen  12*82  Procent, 
hiernach  berechnet  sich  Thonerde 29*08— 12*82=  16*26 
Das  gefällte   Schwefelkupfer  in   Oxyd  verwandelt 

und  16  Mg.  erhalten  oder 1*57 

Bestimmung  der  Kalkerde:  a  =  0*042,  n  =  492, 
hieraus  berechnen  sich  57*8  Mg.  Kalkerde    .    .    .        5*68        „ 
Das  erhaltene  Magnesiasalz  wog  537  Mg.,  dem  ent- 
sprechen 193*5  Mg.  Magnesia 1901 

,  2.  Aus  879  Mg.  Substanz  wurden  11  Mg. 
Chloralkalien  erhalten.  Es  wurden  von  der  Silber- 
lösung gebraucht  1*5  C.  C.  ,  dein  entsprechen 
0  Chlornatrium  11  Mg.  Chlorkalium  oder  7  Mg. 
Kali 0-79 

3.  In  1*054  Gramm  der  Gesteinprobe  wurde 
das  Eisenoxydul  bestimmt  und  erhalten  a  =  0*085, 
n  =  12*8,  daraus  ergibt  sich  78*3  Mg.  Eisenoxy- 
dul oder 7*43 

dem  entsprechen  Eisenoxyd  8*26  Procent.  Darnach 
berechnet  sich  die  Menge  des  im  Gestein  enthaltenen 
Eisenoxydes  zu  12*82  —  8*26= 4*56 

4.  Aus  1*704  Gramm  Substanz  wurde  die  Koh- 
lensäure entfernt  und  eine  Gewichtsdifferenz  gefun- 
den von  2  Mff.  oder 0*12 


in  dein  GrĂĽnsteingebirge  bei  Neutitschein.  1  ÂŁ,  i 

5.  Der  GlĂĽhverlust  betrug  bei  3*32  Gramm 
Substanz  145  Mg.  ,  dem  entspricht  ein  Wasser- 
gehalt von 4-37  Procent. 

Das  Verhältniss  der  zusammensetzenden  Bestandteile  ist 
demnach : 

Kieselsäure 39"  10 

Thonerde 16*26 

Eisenoxyd 4*56 

Eisenoxydul 7  "43 

Kupferoxyd 1-57 

Kalkerde      5-68 

Magnesia 19-01 

Kali 0-79 

Wasser 4-37 

Kohlensäure 0-12 

98-89 

Um  eine  Andeutung  ĂĽber  die  Art  und  Menge  der  in  dem 
Gestein  enthaltenen  Salze  zu  erhalten  ,  soll  das  Aquivalenten-Ver- 
hältniss  der  genannten  Bestandteile  näher  betrachtet  werden.  Die 
Menge  der  Kieselsäure  in  Äquivalenten  ist  hier  =  800  gesetzt.  Hier- 
nach ist  das  Verhältniss  folgendes: 

Kieselsäure 800     ...     800        (Si03) 

Thonerde 197     ...      197       (A1303) 

Eisenoxyd 35  \ 

dem  entspricht  um  Magneteisen  zu  bilden  >  .    .    .        70        (Fe304) 

Eisenoxydul 35  ) 

Ăśbrige  Menge  Eisenoxydul 92 

Kupferoxyd 24 

Kalkerde 125  }.    .    .     834        (ROJ 

Magnesia 585 

Kali 8 

irr: mJ...  »  (ho 

Kohlensaure ö  ) 

Die  Zusammensetzung  kann  daher  durch  die  folgenden  Zahlen 
repräsentirt  werden: 


(Si02)8     (A1203)3     (RO)8.3     (HO),     (Fe304) 


()•  7 


Man  bemerkt  sogleich  ,   dass   die  Zersetzung  schon  bedeutend 
Platz  gegriffen  hat ,  da  der   Wassergehalt   ein  namhafter  ist.    Der 


128  Ts.he 


:i  k.     Ăśber  seeundiire  Miiier;ill)ildunt,reii 


Kupfergehalt  ist  auch  bemerkenswerth;  das  Gestein  ist  ferner 
so  stark  basischer  Natur,  dass  dies  bei  einem  GrĂĽnstein  ziemlich 
auffällig  erscheint.  Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  der  enthaltene 
Feldspath  ein  sehr  basischer  sein  mĂĽsse,  so  dass  auch  nicht  Labra- 
dor, für  welchen  das  Verhältniss  (Si02)  3  (Al203)  (RO)  gilt,  ange- 
nommen werden  kann.  Dagegen  ist  der  Annahme  von  Anorthit, 
sowohl  der  Zusammensetzung,  als  der  frĂĽher  ĂĽber  das  Verhalten  des 
Feldspathes  angefĂĽhrten  Beobachtungen  ganz  entsprechend.  Dem 
Wassergehalt  muss  irgend  ein  Hydrat  entsprechen,  welches  eben  so 
wie  das  Magneteisen  als  Zersetzungproduct  abzusondern  ist.  Das 
Eisenoxyd  gehört  wahrscheinlich  ganz  dem  Magneteisen  an.  Dem- 
nach könnte  das  Verhältniss  der  Bestandteile  vielleicht  auf  folgende 
Art  gedeutet  werden  *)  : 

f[(Si02)6(RO)5] Augitspathe 

2[(Si02)2(Al203)(RO)] Anorthit 

|[(Fe2Os)(FeO)j Magneteisen 

3[(RO)(HO)] Hydrat 

Der  hiernach  berechnete  Gehalt  an  Magneteisen  von  8  Procent 
und  an  Augitspathen  von  ungefähr  33  Procent  entspricht  sehr  gut 
der  direeten  Beobachtung  an  der  Felsart.  Das  angefĂĽhrte  Hydrat 
kann  einer  eingetretenen  Serpentin-  oder  Zeolith-Bildung  angehören 
und  es  würde  in  Folge  dieserlnterpretation  eine  Änderung  der  ange- 
nommenen Verhältnisse  vorzunehmen  sein.  Dagegen  ist  es  fast  ganz 
sicher,  dass  der  Feldspathbestandtheil  von  Anorthit  gebildet  werde. 
Was  die  Bildung  von  Serpentin  in  diesem  Gesteine  betrifft,  werde 
ich  später  noch  Einiges  anführen. 

Es  lohnt  ĂĽbrigens  hier,  so  wie  ĂĽberhaupt  bei  Gebirgsarlen, 
kaum  der  MĂĽhe,  aus  den  Daten  der  Analyse  die  Mengen  der  zusam- 
mensetzenden Mineralien  berechnen  zu  wollen;  doch  verleiht  die 
Discussion  Anhaltspunkte ,  um  auf  die  ursprĂĽngliche  Zusammen- 
setzung, die  bei  Gesteinen  aus  frĂĽheren  Perioden  wohl  nur  sehr 
selten  ungeändert  geblieben  ist,  zurückzuschliessen  und  so  einige 
Einsicht  in  die  seeundären  Bildungsproeesse  zu  erlangen.  Ich  komme 
auf  das  Einzelne  noch  weiter  unten  zu  sprechen. 

Um  die  Felsarten  ,  welche  dem  eben  beschriebenen  Gesteine 
ähnlich  sind  ,    lassen  sich   die  übrigen  Diabase  folgender  Art  grup- 


')  Ich  gebrauche  liier  blos  Äquivalentzeichen;   daher  0  =  8,  Si  =;  14*2  etc. 


in  dem  GrĂĽnsteingebirge  l>ei  Neutitschein.  149 

piren.  Eine  Reihe  bilden  die  mehr  grobkörnigen  Diabase,  bei  denen 
auch  die  Hornblende-  und  Augit-Krystalle  eine  Länge  von  3  Centim. 
erreichen,  wie  z.  B.  das  Gestein  von  Lichnau,  einer  zweiten  Gruppe 
kann  man  die  Aphanite  zuth eilen,  die  von  sehr  feinem  Korn  und 
schwarzgrüner  Farbe  sind,  wie  das  Gestein  von  Schönau.  Von  beiden 
verschieden  ist  das  letzte  Glied:  eine  zeolithische  VVacke,  welche 
mitten  im  Dorfe  Liebiscb  unterhalb  der  Kirche  ansteht. 

Die  dem  Gestein  vom  Gümbelberge  ähnlichen  Diabase  haben 
dieselbe  mineralogische  Zusammensetzung  wie  dieses,  die  genannte 
Wacke  aber  scheint  ehedem  Labrador  enthalten  zu  haben,  wofĂĽr 
die  Ausscheidungen  von  Kalk  und  Apophyllit  sprechen.  In  den 
Aphaniten  ist  das  Vorkommen  von  Labrador  nicht  wahrscheinlich, 
da  sie  dieselben  Zersetzungserscheinungen  zeigen,  wie  der  anorthit- 
hältige  Diabas.  Von  einer  Prüfung  des  Feldspathes  der  Aphanite  kann 
natĂĽrlich  nicht  die  Rede  sein.  Der  Gehalt  an  Magneteisen  und  Kalk- 
Carbonat  ist  beim  Diabas  allgemein.  Auch  tritt  fast  ĂĽberall  etwas 
Glimmer  auf.  Das  specifische  Gewicht  hält  sich  meist  innerhalb  der 
Grenze  2-9  .    .    .  3-0. 

Das  Auftreten  des  Diabas  ist  zweierlei.  Meistens  setzen  die 
Gänge  im  Kalk  oder  Schiefer  auf,  das  Gestein  tritt  am  Gipfel  eines 
HĂĽgels  zu  Tage,  wie  am  GĂĽmbelberge,  bei  Lichnau,  oder  es  steht  auf 
einer  flachen  Stelle  an,  wie  die  Wacke  von  Liebisch.  Manchmal  hin- 
gegen trifft  man  den  Diabas  unterhalb  des  Diorites  oder  neben  dem- 
selben, wie  bereits  früher  erwähnt  wurde. 

Als  Zersetzungsproducte  des  Diabas  können  die  folgenden  auf- 
gefĂĽhrt werden: 

1.  Quarz. 

Das  Vorkommen  des  Quarzes  im  Gebiete  des  Diabas  ist  ein  sel- 
tenes ,  was  sich  aus  der  Zusammensetzung  des  Gesteines  leicht 
erklären  lässt.  Man  findet  nur  hie  und  da  beim  Verschwinden  des 
Feldspathes  nach  totaler  Zersetzung  in  den  hinterlassenen  Hohl- 
räumen mehr  minder  reine  Qtiarzskelete.  Mit  Hilfe  des  Mikroskopes 
entdeckt  man  manchmal  deutliche  Quarzkryslalle  in  solchen  Hohl- 
räumen. Dagegen  ist  das  Auftreten  bedeutender  Quantitäten  von 
Mineralien,  welche  Quarzvarietäten  darstellen,  auf  dein  Gümbelberge 
merkwürdig.  Man  sieht  auf  dem  Gipfel  des  Hügels  häutig  knollige 
StĂĽcke,  bis  1  Fuss  Durchmesser  zeigend ,  umherliegen.  Sie  bestehen 


1  30  Tschermak.    Ăśber  secundiire  Mineralbildungen 

aus  Chalcedon  oder  Achat ,  hie  und  da  finden  sich  auch  schöne 
Quarzdrusen;  mehrere  davon  fand  ich  auf  Kalkspath-Unterlage  auf- 
sitzen, die  einzelnen  Kiystalle  waren  bis  i/2  Zoll  lang,  milchweiss. 
Deutliche  Achatmandeln  wurden  nicht  beobachtet.  Die  Menge  des 
hier  auftretenden  Quarzes  ist  wohl  zu  bedeutend,  als  dass  man  den- 
selben blos  als  eine  Ausscheidung  aus  dem  daselbst  vorkommenden 
Diabas  erklären  könnte.  Auch  ist  keine  Verbindung  zwischen  beiden 
zu  bemerken.  Da  nun  beide  am  Gipfel  des  HĂĽgels  zu  Tage  liegen,  so 
könnte  es  auch  sein  ,  dass  die  Quarzpartie  von  dem  Gesteine  aus 
der  Tiefe  empor  gebracht  worden. 

2.  Calcit. 

Der  Calcit  tritt  als  Zersetzungsproduct  ĂĽberall  im  Diabas  auf, 
wo  er  mindestens  durch  das  Aufbrausen  beim  Zusammenbringen  des 
Gesteines  mit  Säuren  seine  Gegenwart  verräth.  Im  Folgenden  mögen 
nur  jene  Vorkommnisse  erwähnt  werden,  wo  das  Mineral  in  grösseren 
Quantitäten  ,  oder  unter  besonderen  Verhältnissen  sich  findet.  In 
den  Klüften  des  Schönauer  Aphanites  kommen  grössere  Partien  von 
Calcit  vor ,  welche  öfters  abwechselnd  Schichten  mit  Serpentin 
bilden.  Er  besitzt  daselbst  immer  die  Form  —  2  R.  Kristallinische 
Partien  finden  sich  im  Diabas  von  Lichnau,  von  Sohle.  Im  Gesteine 
von  Lichnau  trifft  man  an  den  mehr  angegriffenen  Stellen  häufig 
klare  durchsichtige  Blättchen  eingewachsen.  Die  Wacke  von  Lie- 
bisch enthält  nur  geringe  Mengen  Calcites.  Neben  Apophyllit  und 
Arragon  vorkommend,  bildet  er  daselbst  kristallinische  AusfĂĽllungen 
von  Hohlräumen  und  erscheint  als  ein  Zersetzungsproduct  aus  der 
jĂĽngsten  Zeit. 

Ich  kann  hier  nicht  unterlassen  eine  Metamorphose  zu  erwähnen, 
welche  der  Kalk  durch  die  empordringende  heissflĂĽssige  Gesteins- 
masse erlitten  hat.  Ein  solches  eigenthümliches  Verhältniss  beob- 
achtete ich  am  GĂĽmbelberge,  wo  der  Diabas  einzelne  KalktrĂĽmmer 
entweder  aus  der  Tiefe  empor  gebracht,  oder  oben  angetroffen  und 
verändert  bat.  Es  finden  sich  nämlich  hie  und  da  grobkörnige  Kalk- 
blöcke von  blaulich-grüner  Farbe  und  mattem  Ansehen  auf  den  Spalt- 
flächen, umschlossen  von  einer  blasigen  Diabas-Masse.  Bei  genauerer 
Befrachtung  des  zerstĂĽckten  Minerales  bemerkt  man,  dass  dem 
Calcit  kleine  dunkelgrĂĽne  Theilchen  mehr  oder  weniger  gleich- 
förmig eingestreut  sind.    Ich    habe    ein    solches  Stück  etwas  näher 


in  dem  Griinsteingebirge  bei  Neutitschein.  1  O  1 

untersucht1),  indem  ich  es  durch  stark  verdünnnte  Salzsäure  zerlegte 
und  die  Bestandteile  des  löslichen  Theiles  hestimmte.  So  wurden 
die  Zahlen  erhalten: 

Kohlensäure 33-10  Procent. 

Kieselsäure 0-12        „ 

Eisenoxydul 4-57         „ 

Kalkerde 40-41 

Magnesia 1-09         „ 

Wasser 1'80 

Unlöslich  (Diabas) 19-07 

100-16  Procent. 
Der  grüne  Calcit  enthält  demnach  19  Procente  Diabas,  der  in 
dem  ersteren  in  höchst  fein  vertheiltem  Zustande  verbreitet  war,  und 
dessen  Spaltflächen  rauh  machte.  Diese  Erscheinung  lässt  sich  wohl 
nur  dadurch  erklären,  dass  der  Diabas  den  Kalkblock  aus  der  Tiefe 
empor  brachte  und  umhüllte,  während  dessen  der  letztere  geschmol- 
zen wurde  und  eine  ziemlich  grosse  Quantität  von  der  Substanz  des 
Gesteines  in  sich  aufnahm,  so  dass  beim  Erstarren  diese  Verun- 
reinigungen gleichsam  mitkrystallisirten.  Dass  die  Silicate,  welche 
die  Beimengung  ausmachen,  durch  den  Kalk  nicht  aufgeschlossen 
wurden,  ist  wohl  eigentümlich:  man  müsste  es  damit  erklären,  dass 
der  Kohlensäure  wegen  des  allseitigen  Verschlusses  keine  Gelegen- 
heit zu  entweichen  gegeben  war  und  so  die  Zersetzung  nicht  eintreten 
konnte.  Dass  diese  Bildung  nicht  auf  nassem  Wege  entstanden  sei, 
beweist  sogleich  das  Vorkommen  in  dem  schlackigen  Diabas ,  das 
stellenweise  Eindringen  des  letzteren  in  die  Calcit-Masse, derart,  dass 
man  häutig  bemerkt  wie  eine  dunklere  ,  an  Diabas  reichere  Partie 
des  Calcites  mit  solch  einer  eindringenden  Diabas-Ader  in  Verbin- 
dung steht. 

Eine  andere  Metamorphose,  wie  solche  schon  öfter  beobachtet 
wurden,  konnte  ich  auf  dem  GĂĽmbelberge  wahrnehmen.  Ein  Calcit- 
block  von  etwa  zwei  Fuss  Höhe  war  daselbst  durch  sein  Äusseres 
sogleich  auffallend.  Er  bildete  ein  StĂĽck  einer  Kugel,  die  als  sie 
vollständig  war,  einen  Durchmesser  von  vier  Fuss  gehabt  hatte.  Er 
war  von  weisser  Farbe,  feinkörnigem  Gefüge  und  besass  eine  eigen- 
thümliche  Structur:  er  bestand  nämlich  aus  einer  Anzahl  meist 
sechsseitiger   Pyramiden,    deren   Spitzen    im    Centruin    der    Kugel 

1)  Das  Resultat  wurde  bereits  mitgetheilt  im  Jahrb.    der  geologischen  Reichsanstalt 
Bd.  VIII,  S.  615. 


IOä  Tscher  mak.    Über  secundäre  Mineralhildungen 

vereint  waren.  Die  Oberfläche  der  Kugel  war  durch  die  Grundflächen 
der  Pyramiden  gebildet  und  demnach  in  meist  sechsseitige  Felder 
gefheilt.  Zwischen  den  einzelnen  Pyramiden,  welche  fest  zusammen- 
hingen, fand  sich  häufig  etwas  feinkörniger  Diabas,  der  von  aussen 
in  die  Zwischenräume  eingedrungen  war.  Auf  Taf.  II,  Fig.  1  ist 
eine  Zeichnung  hierĂĽber  gegeben.  Diese  Erscheinung  sagt,  dass  der 
ompordringende  heissflĂĽssige  Diabas  einen  Kalkblock,  den  er  ent- 
weder von  unten  heraufgebracht  oder  oben  angetroffen,  in  eine  Kugel 
von  radialer  Structur  umgewandelt  hat. 

3.  Arragonit. 

In  der  Wacke,  die  unterhalb  der  Kirche  des  Dorfes  Liebisch 
ansteht,  findet  sich  Arragonit  in  parallel  fasrigen  Aggregaten  in  den 
senkrechten  Klüften.  Die  Nadeln  stehen  auf  den  Wänden  der  1/4  Zoll 
weiten  Spalte  nahezu  senkrecht  und  treffen  in  der  Mitte  derselben 
in  einem  sehr  stumpfen  Winkel  zusammen.  An  der  Oberfläche  ist 
der  Arritgonit  oft  in  Calcit  verwandelt,  wo  er  dann  leicht  zu  einein 
feinen  Krystallmehl  zerrieben  werden  kann.  Kleine  Partien  von 
Arragon  finden  sich  auch  im  Diabas  von  Sohle. 

4.  Serpentin. 

Unter  allen  seeundären  Mineralbildungen  im  Diabas  ist  der  Ser- 
pentin die  interessanteste,  weil  sich  die  Bildungsweise  desselben 
durch  alle  Stadien  verfolgen  lässt.  So  haben  sich  an  dem  Gesteine 
vom  Günibelberge,  von  Sohle,  an  dem  Aphanite  von  Schönau  instruc- 
tiveBeobachtungen  ergeben  *).  Ich  will  zuerst  die  Beschreibung  einer 
Partie  des  letzteren  Aphanites  anfĂĽhren.  Fig.  2  auf  Taf.  II  stellt 
den  Durchschnitt  einer  Spalte  in  dem  Gesteine  vor.  Das  letztere  ist 
im  frischen  Zustande  von  schwarzgrĂĽner  Farbe,  unebenem  Bruche, 
sehr  feinem  Korne.  Unter  dem  Mikroskope  bemerkt  man  als  Bestand- 
teile einen  grĂĽnlichen  Feldspath,  viele  kleine  deutliche  Krystalle 
von  Augit,  sehr  wenig  Hornblendenadeln,  hie  und  da  ein  Körnchen 
Eisenkies.  Öfters  erscheinen  kleine  schwarze  Glimmerblättchen  und 
weisse  Calcittheilchen  darin.  Verfolgt  man  nun  das  Gestein  von  dem 
noch  wenig  veränderten  Innern  her  gegen  gewisse  Spalten  hin,  so 
bemerkt  man  als  erstes  Stadium  der  tiefer  eingreifenden  Zersetzung 
das  Auftreten   von  schwarzen  glänzenden  Glimmerblättchen ,   deren 


*>  Vgl.  Glocker,  Jahrb.  rl.  geol   Reichsanstalt,   Bd.  VI. 


in  dem  Grünsteingebirge  bei  Neutitschein.  Id») 

Durchmesser  4  Millimeter  erreicht.  Dieselben  werden  häufiger, 
man  merkt  auch  die  Zunahme  des  Calcites  an  dem  lebhafteren  Auf- 
brausen mit  Säuren.  Bei  genauer  Betrachtung  findet  man  hie  und  da 
neben  den  Glimmerblättern  kleine  grüne  Partien  von  flachmusch- 
ligem ,  spittrigem  Bruche:  es  ist  Serpentin.  Diese  Partien  werden 
in  der  Richtung  gegen  die  Spalte  hin  immer  häufiger.  —  Die  in 
diesem  Stadium  der  Zersetzung  sich  befindliche  Gesteinspartie 
bildet  bezüglich  der  Spalte  eine  Schichte  von  1 — 2  Zoll  Mächtigkeit 
(in  der  Fig.  mit  b  bezeichnet).  —  Nunmehr  nimmt  der  Serpentin  über- 
hand, so  dass  die  Glimmerblätter  darin  eingewachsen  erscheinen,  hie 
und  da  erscheint  eine  Nadel  von  Zeolith.  Der  Glimmer  tritt  nun 
ganz  zurĂĽck  und  unmittelbar  an  der  Spalte  zeigt  sich  reiner  Ser- 
pentin von  flachmuschligem  Bruche.  Die  Spaltwände  sind  meist  von 
Calcit  ĂĽberkleidet,  oder  es  ist  der  Spalt  damit  ausgefĂĽllt.  Manchmal 
wechsellagern  Schichten  von  Calcit  und  Serpentin  von  1  —  2  Milli- 
meter Dicke  mit  einander  (wie  in  der  Fig.  angedeutet).  Zu  oberst 
erscheinen  häufig  Calcitkrystalle  der  Form  —  2R,  überdies  manch- 
mal Krystalle  von  Eisenkies,  so  wie  halbkugelförmige  Aggregate  von 
Natrolith.  Ähnliche  Verhältnisse  zeigen  sich  an  dem  Diabas  vom 
GĂĽmbelberge.  In  dem  Gesteine  vom  genannten  Anbruche  bei  Sohle 
kommt  ebenfalls  eine  nicht  unbedeutende  Serpentinbildung  vor.  Der 
Diabas  ist  bereits  stark  angegriffen  und  zerfällt  bald  in  Kugeln  von 
ungefähr  4  Zoll  Durchmesser.  Im  Innern  dieser  Kugeln  sieht  man  einen 
unreinen  Serpentin ,  von  Glimmerblättchen  und  öfter  von  rundlichen 
Kürnern,  welche  die  Spaltflächen  der  Hornblenden  zeigen,  durch- 
wachsen; auch  Theilchen  von  Calcit,  so  wie  einzelne  Nadeln  von 
Zeolith  fehlen  nicht. 

Aus  diesen  Beobachtungen  ergibt  sich,  dass  die  durch  Spalten 
dringenden  Gewässer  das  Gestein  auf  2 — 3  Zoll  weit  ganz  oder 
theilweise  in  Serpentin  umgewandelt  haben.  Nach  der  oben  ange- 
fĂĽhrten Untersuchung  kann  man  auf  die  ursprĂĽngliche  Zusammen- 
setzung des  Gesteines  aus  Anorthit  und  Augit  (und  Amphibol) 
schliessen,  so  dass  man  sich  einen  Ăśberblick  des  Processes  zu  bilden 
vermag. 

Den  Beobachtungen  an  den  meisten  dieser  Gesteine  entspricht 
ungefähr  die  Zusammensetzung  aus  gleichen  Mengen: 

Anorthit  (Si0j,(Al203)(R0)     U  (SiOa)5  (AI,  Os)  (RO), 

und  Augit 3[(SiO.)(RO)]  (        ^        2j'K     '     "" 


134-  Tscher  mak.   Über  secundäre  Mineralbildung-en 

Es  kann  nun  eine  Zerlegung  in   der  Art  eintreten,   dass   ein 
Zeolith  und  Serpentin  gebildet  wird: 

i(SiO8)3(Al2O3)(RO)(H0)2  Mesotyp. 


(Si0,).(Al,O.)(R0).  +  (H0),==1(s.o)(ao)(HO)i  Serpenl.n 

Die  gelöste  kalkhaltige  Zeolithsubstanz  kann  nun  durch  Ein- 
wirkung von  Gewässern,  die  kohlensaure  Alkalien  führen,  wie  diese 
namentlich  in  den  ersten  Stadien  der  Zersetzung  auftreten,  in  koh- 
lensauren Kalk  und  einen  alkalihaltigen  Zeolith  umgesetzt  werden. 
Das  letztere  Salz  wird  dann  meistens  weggefĂĽhrt. 

In  einem  andern  Falle,  oder  auch  zugleich,  kann  eine  Bildung 
von  Glimmer  eintreten.  Es  ist: 

CSiO  1   TAI   0  ^n\0^    -  i   (Si°^  (A1s°.)(R0)s Glimmer. 

(S.OJ5(Al203)(HO)4_  j2[(Si0a)(R0)] -.    Augit. 

Der  hier  unverändert  gebliebene  Augit  kann  hierauf  durch  Verlust 
von  Kieselsäure  ebenfalls  in  Serpentin  umgewandelt  werden  1)  etc. 

Es  entspricht  diese  Auffassung  in  der  Hauptsache  den  Erschei- 
nungen auf  befriedigende  Weise,  so  dass  man  dadurch  einige  Anhalts- 
punkte zur  Beurtheilung  der  Serpentinbildung,  wo  sie  in  grossarti- 
gem Massstabe  stattgefunden  hat,  erreicht.  Beachtenswerth  erscheint 
mir  unter  den  angefĂĽhrten  Beobachtungen  auch  die,  dass  der  Ser- 
pentin in  dünnen  Schichten  mit  Calcit  wechsellagernd  vorkömmt, 
wo  er  demnach  durch  Absatz  aus  Gewässern  entstanden  ist.  Daher 
mag  der  Serpentin  nicht  immer  als  Zerlegungsrest  an  Ort  und  Stelle 
bleiben,  sondern  auch,  wie  dies  ĂĽberdies  bei  der  Chrysotilbildung 
der  Fall  sein  muss,  aus  wässeriger  Lösung  ausgeschieden  werden. 

5.  Glimmer. 

Glimmerblättchen  kommen  im  Diabas  sehr  allgemein  vor.  In 
manchen  Partien  des  Gesteins  von  Schönau,  von  Sohle,  ist  der 
Glimmer  gleichförmig  verbreitet,  sonst  aber  erscheint  er  immer 
gegen  die  Oberfläche  hin  in  wachsender  Menge.  Er  ist  natürlicher- 
weise immer  als  ein  seeundäres  Mineral  zu  betrachten.  Dem  Ansehen 
nach  kann  man  zwei  verschiedene  Arten  unterscheiden,  einen  glas- 
glänzenden schwarzen  und  einen  tombakbraunen  metallisch  glän- 
zenden Glimmer.  Doch  ist  der  letztere  nur  ein  Umwandlungsproduct 
des  ersteren.  Der  schwarze  Glimmer  lindet  sich  nämlich  meist  im 


ij  S.  Bischoff,  Chem.  Geologie,  IM.  II,  S.  530. 


in  dem  Griinsteingebirge  bei  Neutitsehein.  1  OO 

Innern,  im  frisch  aussehenden  Gestein,  wogegen  der  metallglänzende 
nur  in  den  bereits  stärker  angegriffenen  Partien  und  auf  der  Ober- 
fläche des  Gesteins,  in  der  Verwitterungsrinde  auftritt.  Man  über- 
zeugt sich  ĂĽberall  leicht,  dass  die  Glimmerbildung  mit  der  Zer- 
setzimg des  Gesteins  gleichen  Schritt  hält,  bis  endlich  bei  der  Ver- 
witterung der  Glimmer  den  mächtigeren  Einflüssen  ebenfalls  weichen 
muss. 

In  dem  Gestein  von  Lichnau  fand  sich  der  Glimmer  pseudo- 
morph  nach  Augit,  indem  StĂĽcke  von  Augitkrystallen  von  Glimmer 
ersetzt  waren,  während  der  übrige  Theil  derselben  in  Grünerde  um- 
gewandelt erschien. 

6.  Iralit. 

Der  Diabas  von  Sohle  ist  im  frischen  Zustande  nahezu  fein- 
körnig und  besteht  ungefähr  zur  Hälfte  aus  kleinen  Augitkrystallen. 
An  jenen  Stellen  hingegen,  wo  die  Umwandlung  schon  bedeutender 
vorgeschritten  ist,  bemerkt  man  nichts  mehr  von  Augit.  Das  Ganze 
erscheint  vielmehr  als  ein  Gemenge  aus  Serpentin  und  Glimmer.  In 
diesem  Gemenge  nun  sieht  man  oft  rundliche  Körner  eingewachsen, 
welche  die  Spaltbarkeit  der  Hornblende  sehr  deutlich  zeigen.  Von 
einer  regelmässigen  äusseren  Begrenzung  lässt  sich  nichts  beobach- 
ten. Diese  Körner  zeigen  sich  manchmal  in  parallelfaserige  Aggre- 
gate von  Seidenglanz  umgewandelt,  manchmal  erscheinen  sie  von 
Glimmer  ersetzt.  Diese  Thatsachen  sprechen  dafĂĽr,  dass  die  schwarz- 
grünen Körner  Uralit- Individuen  darstellen.  Obwohl  der  directe 
Beweis  dafĂĽr  fehlt,  so  ist  es  doch  nach  dem  AngefĂĽhrten  sehr  wahr- 
scheinlich. 

7.  Grimerde. 

In  der  Wacke  von  Liebisch  und  im  Gestein  von  Lichnau  finden 
sieb  ausgezeichnete  Pseudomorphosen  von  GrĂĽnerde  nach  Augit. 
Solche  umgewandelte  Augitkrystalle  zeigen  sich  in  der  genannten 
Wacke  namentlich  an  den  Stellen,  wo  die  letztere  grossblasig  er- 
scheint. Sie  erreichen  eine  Länge  von  3  Centim.,  eine  Breite  von 
1  Centim.,  sind  meist  sehr  weich,  mit  dem  Fingernagel  leicht  ritzbar, 
werden  im  Striche  glänzend.  Hie  und  da  zeigen  sich  auch  rundliche 
Hohlräume  von  unregelmässiger  Gestalt  durch  Grünerde  erfüllt.  Kein 
einziger  Krystall  dieses  Gesteins  ist  der  Umwandlung  entgangen.  Der 
Diabas  von  Lichnau  bestellt  im  frischen  Zustande  ungefähr  zu  einem 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  CI.  XL.  Bd.   Nr.  8.  1() 


lob  Tschermak.   Über  secundäre  Mineralbildung-en 

Drittheil  aus  Äugitkrystallen  von  1  —  3Centim.Länge,  einer  geringen 
Quantität  Hornblende  und  einem  weisslichen  Feldspath,  wahrschein- 
lich Anorthit.  An  jenen  Stellen  ,  wo  das  Gestein  mehr  angegriffen 
erseheint,  ist  der  Augit  sämmtlich  in  Grünerde  verwandelt,  doch  sind 
die  Pseudomorphosen  etwas  weniges  härter  als  die  von  Liebisch.  Die 
Hornblende  ist  ganz  mĂĽrbe  geworden,  so  dass  sie  sich  leicht  zu 
Stückchen  zerreiben  lässt,  doch  hat  sie  noch  einen  bedeutenden  Grad 
des  Glanzes  auf  den  Theilungsflächen  behalten.  Die  Zerlegungspro- 
ducte :  Glimmer,  Magneteisen,  Zeolith,  fehlen  nicht.  Der  Glimmer 
hat  hie  und  da  Tlieile  von  Augitkrystalle  verdrängt.  Die  liier  be- 
schriebenen Pseudokrystalle  nach  Augit  haben  alle  die  gewöhn- 
lich auftretende  Form. 

Zeolithe. 

In  allen  als  Diabas  aufgefĂĽhrten  Gesteinen,  namentlich  in  den 
mehr  angegriffenen  Partien,  finden  sich  geringe  Mengen  von  Mine- 
ralien dieser  Familie  vor.  Bei  aufmerksamer  Betrachtung  des  Ge- 
steins bemerkt  man  bald  einzelne  wasserhelle  Nadeln  oder  auch 
kleine  Krystallbüschel  ,  welche  sich  ohne  Brausen  in  Säuren  lösen 
und  durch  die  Reactionen  auf  Kieselsäure,  Thonerde  und  Wasser 
sich  leicht  als  Zeolithe  zu  erkennen  geben.  Dagegen  gelingt  es 
selten,  eine  genĂĽgende  Menge  dieser  Krystallnadeln  zu  erhalten,  um 
eine  weitere  Bestimmung  durchzuführen.  Sie  mögen  wohl  meist  der 
mitMesotyp  bezeichneten  Gruppe  angehören.  Mit  Sicherheit  Hessen 
sich  die  folgenden  erkennen: 

8.  Apophyllit. 
Dieser  Zeolith  kömmt  in  ziemlich  bedeutender  Menge  in  der 
mandelsteinartigen  Wacke  von  Liebisch  vor.  Das  Gestein  bestand 
wahrscheinlich  aus  Augit  und  Labrador.  Der  sämmtliche  Augit  ist 
in  GrĂĽnerde  verwandelt;  auf  die  frĂĽhere  Gegenwart  von  Labrador 
lässt  sich  blos  aus  den  Zersetzungsproducten :  Apophyllit,  Natrolith, 
kohlensaurer  Kalk,  schliessen.  Das  Gestein  ist  durchaus  blasig;  die 
Blasenräume  haben  alle  Dimensionen  von  verschwindender  Kleinheit 
bis  zu  1  Zoll  Durchmesser.  Sämmtliche  Hohlräume  sind  ausgefüllt. 
Die  ausfĂĽllende  Masse  wird  fast  blos  von  Apophyllit  gebildet.  Der- 
selbe ist  trĂĽbe,  milchweiss,  nirgends  linden  sich  ausgebildete  Kry- 
stalle,    da  er  die  Blasen  total  erfüllt.    Die  Menge  der  Blasenräume 


in  dem  Griinsteingebirge  hei  Neulitschein.  1  o  i 

und  somit  des  Apophyllites  macht  im  Mittel  ungefähr  40  Procent  des 
Gesteines  aus.  Wo  das  Gestein  zu  Tage  steht,  dort  ist  der  Apo- 
phyllit  stark  verändert.  Er  ist  mürbe  geworden  und  zeigt  mit  Säuren 
starkes  Aufbrausen.  Neben  dem  Apophyllit  findet  sich  hie  und  da 
etwas  Natrolith.  Von  dem  Vorkommen  des  Arragonits  ist  bereits 
frĂĽher  die  Rede  gewesen. 

9.  Natrolith. 

In  den  Spaltenräumen  des  Aphauites  von  Schönau,  ferner  in 
einigen  Blasenräumen  der  Wacke  von  Liebisch  finden  sich  öfters 
halbkugelige,  radial  faserige  Aggregate  von  weisser  Farbe,  die  sich 
durch  das  Verhalten  vor  dem  Lüthrohr  und  gegen  Säuren  durch 
die  Abwesenheit  von  Kalkerde  und  den  Gehalt  an  Natron  bald  als 
Natrolith  zu  erkennen  geben.  Im  Gesteine  von  Schönau  findet  sich 
derselbe  auf  den  Schichten  von  Serpentin  oder  Calcit  aufge- 
wachsen. In  der  genannten  Wacke  trifft  man  ihn  öfters  mit  Apo- 
phyllit in  derselben  Höhlung.  Die  kleinen  Krystallbüschel .,  die  in 
den  mehr  angegriffenen  Partien  des  Gesteins  von  Sohle  auftreten, 
mögen  auch  zu  Natrolith  zu  rechnen  sein,  doch  gelang  es  mir  nicht 
eine  genĂĽgende  Menge  zur  Untersuchung  zu  isoliren. 

10.  Skolezit. 

Dieses  Mineral  scheint  einen  ziemlieh  grossen Tbeil  jener  feinen, 
wasserhellen  Nadeln  zu  bilden,  welche  man  öfters  im  Diabas  einge- 
wachsen findet.  Nur  in  einem  Falle  indess  liess  sich  eine  nähere 
Bestimmung  vornehmen.  An  einem  flachen  HĂĽgel  im  0.  von  Lichnau 
beobachtete  ich  eine  eigentluimliche  aussehende  Gesteinpartie,  auf 
welche  ich  durch  Herrn  M.  Mauer,  der  mich  auf  jener  Expedition 
begleitete,  aufmerksam  gemacht  worden.  Das  Gestein  ist  ziemlich 
grobkörnig,  bereits  stark  verändert.  Die  Gemengtheile  sind  ein  weiss- 
lieber  Feldspath  (Anorthit)  und  Augitkrystalle  von  2  Centim.  mittlerer 
Länge,  die  meistens  in  Grünerde  umgewandelt  sind.  Nebenher  tritt 
etwas  Hornblende,  so  wie  Magneteisen  auf.  Ăśberall  finden  sich  feine 
Zeolith-Nadeln  im  Gestein,  welche  öfters  auch  mitten  durch  die  Grün- 
erde hindurchgewachsen  erscheinen.  Sie  sind  ungefähr  */a  Millim. 
dick  und  im  Mittel  5  Millim.  lang.  An  einzelnen  Stellen  treten  sie  so 
dicht  neben  einander  auf,  dass  das  GesteinsstĂĽck  wie  mit  kurzen 
feinen  Haaren  bestreut  aussieht.  Die  Nadeln  erscheinen  dem  bewaft- 

to* 


1  oö  Tscher  mak.    Über  secundäre  Mineralbildung-en 

neten  Auge  als  rechtwinkelige  glasglänzende  Prismen.  Da  sie  erst 
nach  dem  Zerschlagen  des  Gesteins  aus  den  StĂĽckchen  herausgelesen 
werden  konnten,  so  ist  es  erklärlich,  dass  keine  deutlichen  Endflächen 
gefunden  wurden.  Beim  Auflösen  in  Säuren  hinterliessen  dieselben 
schleimige  Kieselsäure.  Neben  Thonerde  liess  sich  eine  bedeutende 
Menge  Kalkerde  nachweisen.  Aus  diesen  Beobachtungen  lässt  sich 
mit  Sicherheit  auf  Skolezit  schliessen.  Die  im  Diabas  allgemein  vor- 
kommenden Zeolith- Nadeln  gehören  wahrscheinlich  sämmtlich  der 
mit  Mesotyp  bezeichneten  Gruppe  an,  ein  bedeutender  Theil  mag 
dem  Skolezit  entsprechen. 

Es  ist  zwar  in  den  meisten  Fällen  sicher,  dass  die  Zeolithe  als 
secundäre  Bildungen  zu  betrachten  seien,  bei  dem  Vorkommen  in 
Mandelsteinen  und  Wacken  hingegen  erscheint  der  Vorgang  wahr- 
scheinlicher, dass  sich  die  Zeolithe  schon  beim  Erstarren  der  Gesteins- 
masse gebildet  haben.  So  wäre  auch  bei  dem  oben  angeführten  Vor- 
kommen von  Apophyllit  die  Entstehung  durch  Infiltration  weniger 
wahrscheinlich  und  derselbe  in  diesem  Falle  nicht  als  eine  secundäre 
Bildung  aufzufassen;  vielmehr  könnte  die  Sache  so  erklärt  werden, 
dass  die  heissflĂĽssige  Gesteinsmasse  beim  Empordringen  mit  Kalk  und 
Wasser  in  BerĂĽhrung  gekommen  sei  und  so  diesen  kalkreichen  Zeolith 
in  ziemlich  bedeutender  Menge  gebildet  habe.  Freilich  fehlen  in  dieser 
Richtung  noch  viele  experimentelle  Beweise,  und  es  ist  die  letztere 
Erklärungsweise  der  Zeolithbildung  in  Mandelsteinen  als  keine 
sichere  hinzunehmen. 

11.  Magneteisen. 

Der  Magnetit  ist  nach  der  Menge  des  Augits  und  dem  Grade  der 
Zersetzung  in  demselben  Sinne  im  Gesteine  verlheilt.  Er  ist  meistens 
mit  blossem  Auge  darin  nicht  zu  erkennen,  in  den  mehr  angegriffe- 
nen Partien  hingegen  tritt  er  etwas  deutlicher  hervor.  So  findet  er 
sich  in  dem  stark  veränderten  Gesteine  von  Lichnau  in  kleinen,  deut- 
lich wahrnehmbaren  Körnern ,  öfters  auch  in  Oktaedern  von  etwa 
3  Millim.  Höhe. 

12.  Brauneisen. 

Das  Brauneisen  kommt  als  Zersetzungsproduct  nur  selten  und 
in  kleinen  Quantitäten  vor,  als  Product  der  Verwitterung  erscheint 
es  nach  den  Augitspathen  und  dem  Magneteisen. 


I 


in  dem  Griinsteingebirge  bei  Neutitschein.  J  ',){) 

13.  Eisenkies. 

Der  Pyrit  erscheint  in  kleinen  Körnern  im  Gesteine  eingesprengt, 
in  deutlichen  Krystallen  in  Spaltenräumen  und  Höhlungen  der  Gesteine, 
der  Quantität  nach  so  wie  in  den  Dioritgesteinen. 

III.  Kalkdiabas. 

Die  Gesteine  dieser  Gruppe  treten  namentlich  im  SĂĽden  von 
Neutitschein  auf,  wo  sie  bei  Blauendorf,  Seitendorf,  Hotzendorf  häufig 
Erhebungen  bilden.  Die  Felsart  ist  fast  ĂĽberall  von  gleichem  Anse- 
hen, von  graugrĂĽner  Farbe,  die  bei  der  Verwitterung  in's  Braune 
übergeht,  von  unebenem  öfter  auch  von  flachmuscheligem  Bruche, 
meist  von  sehr  feinem  Korne,  so  dass  sie  zum  grössten  Theile  Aphanit 
genannt  werden  kann.  Unter  dem  Mikroskope  zeigt  sie  stets  drei  ver- 
schiedene Bestandteile:  einen  weissen  trĂĽben  Feldspath,  kurze 
dunkelgrüne  Säulchen  von  Augit  und  viele  weisse  Kalkspathköin- 
chen,  welche  hie  und  da  eine  gelbe  Oberfläche  bieten.  Wird  das 
Gestein  mit  Salzsäure  angeätzt,  so  verliert  es  die  grünliche  Färbung 
und  wird  heller,  die  Betrachtung  mit  dem  Mikroskope  zeigt  nun  die 
Feldspath-  und  Augitkrystalle  deutlicher,  zwischen  denselben  ist  der 
Calcit  verschwunden  und  hat  entweder  leere  oder  mit  einem  Kiesel- 
skelet  theilweise  erfüllte  rundliche  Hohlräume  hinterlassen.  So  wie 
die  kleinen  Calcitkügelchen  verhalten  sich  auch  die  grösseren  hie  und 
da  vorkommenden  Partien  dieses  Minerales,  wenn  das  Gestein  mit 
Säuren  behandelt  wird.  Sie  lassen  entweder  rauhwandige  Höhlungen 
oder  auch  mit  einem Kieselskelet,  öfter  aber  mit  kleinen  Quarzkrystal- 
len  besetzte  Bäume  zurück.  Splitter  der  von  Calcit  befreiten  Gesteine 
schmelzen  in  der  Luftröhrflamme  leicht  zu  einem  in  Säuren  lösli- 
chen Glase,  das  speeifische  Gewicht  der  Grundmasse  ist  im  Mittel 
2-8  ....  2*9.  Die  angefĂĽhrten  Beobachtungen  lassen  schliessen,  dass 
der  Feldspath- Bestandteil  von  Labrador  gebildet  werde  und  die 
Grundmasse  stellt  somit  einen  aphanitischen  Labrador-GrĂĽnstein  dar. 
Das  äussere  Ansehen  des  Gesteins  variirt  nur  in  zweierlei  Beziehung. 
Manchmal  werden  die  enthaltenen  Calcitkugeln  bedeutend  gross  und 
es  entsteht  so  ein  Aphanit -Mandelstein  von  schönem  Aussehen,  die 
weissen  Calcitmandeln  heben  sich  angenehm  von  der  grĂĽnen  Grund- 
masse ab.  Manchmal  hingegen  tritt  eine  variolitische  Structur  auf. 


\  40  Tschermak.  Über  secundäre  Mineralbildungen 

Am  Ende  von  Blauendorf  am  Bache  »)>  so  wie  bei  Seitendorf  finden 
sich  Partien  ausgezeichneten  Variolites,  der  namentlich,  wenn  bereits 
eine  oberflächliche  Verwitterung  eingetreten  ist,  durch  die  regel- 
mässig gefleckte  Oberfläche  von  weitem  bemerkbar  wird.  Die  ein- 
zelnen hervorragenden  Kugeln  von  etwa  8  Millim.  Durchmesser  lösen 
sich  dann  allmählich  von  einander  und  bilden  zuletzt  ein  lockeres 
Aggregat,  welches  beim  Stosse  in  Tausende  von  Kügelchen  zerfällt. 
Die  Variolite  haben  eine  feinere  körnige  Grundmasse  als  die  anderen 
Aphanite.  Im  frischen  Zustande  lässt  sich  ihre  künftige  Structur 
nicht  leicht,  öfters  aber  daran  voraus  erkennen,  dass  der  Bruch  nicht 
gleichförmig  flachmuschlig  erscheint,  sondern  die  Bruchfläche  von 
einer  Menge  kleiner  Flächen  zusammengesetzt  wird,  deren  jede 
einer  kĂĽnftigen  Kugel  entspricht. 

Der  Kalkdiabas  zeigt  in  seinem  Auftreten  nirgends  etwas  Beson- 
deres. Das  Verhältuiss  desselben  zu  den  übrigen  Grünsteinen  liess 
sich  nicht  bestimmen.  Fernere  Beobachtungen  werden  wahrschein- 
lich hierüber  Aufklärung  verschaffen. 

Als  Producte  secundärer  Bildung  können  angeführt  werden: 

1.  Quarz. 

Die  Kieselsäure  kommt  selten  in  grösserer  Menge  vor.  Ausser- 
dem dass  sie  öfter  in  den  vom  Calcit  befreiten  Hohlräumen  auftritt, 
findet  man  sie  auch  als  Hornstein  in  SchnĂĽren  das  Gestein  durch- 
ziehend, neben  weissem  grobkristallinischen  Calcit.  Besonders  schöne 
Partien  solchen  Vorkommens  beobachtete  ich  im  Kalkdiabas,  der 
zwischen  Seitendorf  und  Hotzendorf  zu  Tage  steht.  Es  finden  sich 
dort  Hornsteinadern  von  2  —  G  Cenlim.  Dicke  neben  meist  dickeren 
Adern  von  Calcit  in  einer  mandelsteinartigen  Masse. 

Ausgebildete  Quarzkrystalle  finden  sich  auch  im  Gesteine  bei 
Blauendorf. 

2.  Opal. 

Opal  wurde  nur  an  einem  Orte  beobachtet.  Dies  ist  der  Bruch 
am  Ende  von  Blauendorf  am  rechten  Bachufer.  Er  fand  sich  daselbst 
als  Ausfüllung  rundlicher  Bäume  im  Gestein.  Er  war  ganz  undurch- 
sichtig, von  gelblich  weisser  Farbe,  ziemlich  spröde. 


l)  Dieser  Variolit  wurde  von  Prof.  G  lock  er  aufgefunden  (siehe  Jahrb.  d.  geologischen 
Reichsanstalt  iö52,  3.  lieft,  S.  130J. 


in  dem  GrĂĽnsteingebirge  bei  Neutitschein.  14-1 

3.  Calcit. 

DerCalcit  ist,  wie  bereits  erwähnt,  in  kleinen,  kaum  wahrnehm- 
baren Kugeln  gleichmässig  im  Gesteine  veitheilt.  Diese  Kugeln  sind 
auch  manchmal  grösser  und  das  Gestein  gewinnt  das  Ansehen  eines 
Mandelsteines.  Jede  Kugel  zeigt  meist  ununterbrochene  Theilbarkeit 
und  stellt  somit  ein  Individuum  dar.  Manchmal  zeigt  sich  indess  auch 
die  Kugel  feinkörnig,  und  es  ist  dies  immer  der  Fall  bei  der  Aus- 
füllung der  Spaltenräume. 

Die  Calcitkugeln  in  diesem  Gesteine  sind  wohl  kaum  fĂĽr  secun- 
däre  Bildungen  zu  erklären,  vielmehr  sprechen  die  Thatsachen,  dass 
der  Calcit  in  Kugeln  auftritt,  deren  jede  ein  Individuum  bildet  und 
die  gleichförmig  in  dem  Gesteine  verbreitet  sind,  für  die  Ansicht, 
dass  die  empordringende  Gesteinsmasse  eine  bedeutende  Menge 
Calcit  aufgenommen  und  eingeschmolzen  habe,  der  Art,  dass  das 
Carbonat  nicht  zerlegt  wurde.  Die  Entstehung  durch  Infiltration  ist 
viel  weniger  wahrscheinlich,  da  das  frische  Aussehen  des  Gesteines 
die  Umgebung  desselben  und  die  oben  angeführten  Umstände  sehr 
dagegen  sprechen.  Es  wäre  auch  nicht  begreiflich,  wie  gerade 
dieses  Gestein  eine  so  ungeheuere  Metamorphose  durchgemacht  hätte, 
während  die  ringsum  auftretenden  Felsarten  desselben  Alters  verhält- 
nissmässig  gar  nicht  angegriffen  worden  wären. 

Es  möge  nun  noch  ein  eigenthümliches  Vorkommen  besprochen 
werden,  das  den  secundären  Bildungen  angehört. 

An  manchen  Stellen  finden  sich  Partien  eines  dunklen  grau- 
grünen körnigen  Kalkes  von  eigentümlichem  Aussehen.  Die  Spalt- 
flächen der  einzelnen  Körner  sind  fettglänzend  oder  matt,  oft 
gekrümmt,  das  Korn  ist  gleichförmig,  jedes  Individuum  von  ungefähr 
5  Millim.  Durchmesser.  Der  von  den  Spaltflächen  eingeschlossene 
Winkel  konnte  annähernd  bestimmt  werden,  indem  die  eine  Fläche 
weiss  bestrichen',  hiernach  beide  bis  zu  deren  Verschwinden  zur 
Linie  am  Goniometer  gedreht  wurden.  Es  wurden  Zahlen  zwischen 
105°  und  106°  erhalten.  Das  Gestein  hinterlässt  beim  Behandeln  mit 
Säuren  einen  bedeutenden  Rückstand,  wird  ein  Stück  davon  in  ver- 
dünnte Säure  gelegt,  so  verschwindet  bald  das  gleichförmig  körnige 
Aussehen;  man  erblickt  ein  schön  regelmässig  geschichtetes,  fein- 
sandiges Gestein  und  gewinnt  so  die  Ăśberzeugung,  dass  man  es  mit 
einem  eigenthümlichen  Producte  wässerigen  Absatzes  zu  thun  habe. 


1  42  Tschermak.  Über  secundäre  Mineralbildung'en 

Der  beim  Behandeln  mit  Säuren  bleibende  Rest,  ein  dunkelgrünes 
sandiges  Pulver,  ist  gleichförmig  im  Gesteine  vertheilt  und  bildet  die 
Ursache  des  matten  Aussehens  der  Spaltflächen.  Ich  habe  die  Be- 
standteile dieses  Gesteines  zu  ermitteln  versucht  und  dabei  folgen- 
den Weg  eingeschlagen :  Von  dem  Gesteine,  welches  sich  aus  Kalk- 
und  Magnesia- Carbonat,  Eisenoxyd  und  einem  alkalifreien  Silicat 
bestehend  erwiesen  hatte ,  wurde  eine  gewogene  Menge  durch 
Essigsäure  bei  einer  Temperatur  von  ungefähr  50°  C.  zerlegt.  Aus 
dem  gelösten  Theile  wurde  das  Eisen  durch  Schwefelammonium 
entfernt  und  in  Oxyd  verwandelt,  Kalkerde  und  Magnesia  nach  den 
gewöhnlichen  Methoden  bestimmt.  Der  ungelöste  Theil  ward  durch 
kohlensaures  Natron  aufgeschlossen,  die  Bestandteile  wurden  auf 
gewöhnliche  Art  bestimmt.  Der  Ammoniak -Niederschlag  wurde  in 
zwei  Theile  gesondert,  in  dem  einen  das  Eisen,  in  dem  andern  die 
Summe  von  Eisenoxyd  und  Thonerde  bestimmt.  Zur  Ermittlung  der 
Menge  der  Kohlensäure  diente  der  Apparat  von  Schaffner.  Es 
wurden  folgende  Zahlen  erhalten : 

Angewendete  Menge  Substanz:  1149  Gramm. 

Davon  blieben  in  Essigsäure  ungelöst  412*5  Mg. 

oder 34-29  Procent. 

1.  Aus   der    Lösung    wurden   erhalten     876   Mg. 
schwefelsauren   Kalkes,    dem   entspricht   360-7 

mg.  Kalkerde  oder 31-39  Procent. 

An  pyrophosphors.  Magnesia  erhalten  84  Mg., 

entsprechend  29-4  Mg.  Magnesia 2-63        „ 

Eisenoxyd  46  Mg.,  oder 4-00 

2.  In  dem  aufgeschlossenen  Theile  blieb  ein  Kiesel- 
säurerückstand von  333  Mg.,  d.  i 28-98       „ 

An  Eisenoxyd  wurden  erhalten  11-2  Mg.,   ent- 
sprechend 10-1  Mg.  Oxydul  oder      1-76       „ 

Eisenoxyd  und  Thonerde  wogen  31-5  Mg.,  daher 

die  Thonerde  20-3  Mg.,  d.  i 3-52 

An  Magnesiasalz  erhalten  20  Mg.,  entsprechend 
Magnesia  7-3  Mg.,  oder 0-63 

3.  1-131  Gramm  Substanz  verloren  beim  Behandeln 

mit  Salzsäure  315  Mg.  Kohlensäure      ....  27-85        „ 

T00-76  Procent. 


in  dem  GrĂĽnsteingebirge  bei  Neutitschein.  143 

Im  löslichen  Theile  wurden  gefunden  : 

Kalkerde  31-39  Procent,  dem  entsprechen  an  kohlensaurem  Kalk  56*06 Procent. 
Magnesia    2-63        „  „  „  „   kolilens.  Magnesia    5*53       „ 

Eisenoxyd  4"  00        „  „  „  „    Eisenoxyd  .    .    .    .    4 '00        „ 

Summe  der  lösliehen  Bestandtheile  .  65-59  Procent. 
Dieselhe  wurde  direct  gefunden  zu  .  65-71        „ 
Kohlensäure  aus  der  Menge  der  Basen  berechnet  .  27-157       „ 
„  direct  gefunden 27-85       „ 

In  dem  unlöslichen  Theile  wurden  gefunden: 

Kieselsäure 28-98  Procent. 

Thonerde       3 -52         „ 

Eisenoxydul 1-76         „ 

Magnesia 0*63         „ 

Summe  der  unlöslichen  Bestandtheile    .  34*89  Procent. 
Direct  wurde  dieselbe  bestimmt  zu      .    .  34*29         „ 

Die  Zusammensetzung  des  löslichen  Theiles  ist  demnach: 

85*47  Procent  kohlensaure  Kalkerde, 
8*43        „  „  Magnesia, 

6   10        „        Eisenoxyd. 

Der  in  Essigsaure  unlösliche  Theil  besteht  aus: 

83*07  Procent  Kieselsäure, 
10*09        „        Thonerde, 

5*04        „        Eisenoxydul, 

1*80        „        Magnesia. 

Das  untersuchte  Gestein  scheint  demnach  ein  Product  secun- 
därer  Bildung  aus  Labrador  und  Augit  zu  sein.  Man  hat  einerseits 
die  Carbonate  von  Kalk  und  Magnesia  (62  Procent),  andererseits 
Eisenoxyd  (4  Procent)  und  einen  kieselsäurereichen  Zersetzungsrest 
(34  Procent),  der  keiner  bestimmten  Verbindung  entspricht.  Dieser 
ist  gleichförmig  in  dem  Gesteine  vertheilt,  wovon  ich  mich  durch 
die  Zerlegung  einer  andern  Partie  mit  Essigsäure  überzeugte;  der 
ungelöste  Theil  betrug  3356  Proeent,  also  nahezu  die  ohen  ange- 
fĂĽhrte Menge. 

Man  ersieht  aus  dem  Ganzen  ,  dass  diese  Zerlegungsproducte 
des  Griinsteins ,  nachdem  sie  vom  Wasser  an  einemPunkte  abgesetzt 
waren,  zu  einer  homogenen  krystallinischen  Masse  erhärteten,  der  Art, 
dass  die  34  Procente   fremder  Substanz  mit  dem  Calcit  gleichsam 


I  44  T  s  c  h  e  r  m  a  k.   Über  secundäre  Mineralbildungen 

mitkrystallisirten.  Dies  erinnert  an  die  sogenannten  Sandstein - 
Krystalle  vom  Mont-rnartre,  doch  ist  hier  die  Erscheinung  etwas  ver- 
schieden, immerhin  aber  recht  interessant. 

Solche  Gesteinspartien  fand  ich  im  Kalkdiabas  von  Blauen- 
dorf, vom  Herrn  Pfarrer  Prorok  erhielt  ich  ein  HandstĂĽck  von 
Senftlehen. 

4.  Chlorit. 

Der  Chlorit  findet  sieh  oft  im  Kalkdiabas,  doch  ist  die  Gegen- 
wart desselben  meist  schwer  zuerkennen,  da  er  gleichsam  staub- 
förmig im  Gestein  vertheilt  ist.  Dagegen  erscheint  ein  Vorkommen 
desselben  wegen  seiner  EigentĂĽmlichkeit  bemerkenswert!!.  Bei 
Hotzendorf  fand  sieh  in  einem  Bruche  eine  Aphanitpartie,  welche 
sogleich  durch  eine  Menge  grüner  Blättchen,  die  dem  Gestein  ein- 
gewachsen waren,  auffiel.  Die  Blattchen  hatten  im  Mittel  1  Centim. 
Länge  und  Breite,  bei  sehr  geringer  Dicke  und  unregelmässigem 
Umrisse.  Sie  lagen  in  keiner  bestimmten  Richtung  zu  einander, 
sondern  waren  ohne  Regel  in  verschiedenen  Ebenen  geneigt.  Mit 
der  Nähe  der  Erdoberfläche  wuchs  die  Menge  der  Blättchen.  Sie 
besassen  keine  glänzende  Oberfläche,  sondern  einen  derartigen 
Schimmer,  als  ob  sie  aus  kleinen  SchĂĽppcheu  bestĂĽnden.  Das  letz- 
tere bestätigt  sich  sogleich  bei  der  Betrachtung  mit  dem  Mikroskope. 
Jede  solche  Partie  ,  welche  dem  blossen  Auge  als  ein  Blättchen 
erschien,  besteht  aus  einer  Schaar  von  kleinen  Chlorit-Krvstallen 
von  der  Form  OP  .  coP ,  an  denen  man  die  sechseckigen  Umrisse 
meistens  deutlich  wahrnimmt.  Die  Pinakoide  liegen  sänimtlich  in 
einer  Ebene ,  daher  es  kommt ,  dass  die  ganze  Gruppe  als  ein 
Blättchen  erscheint.  Die  Zwischenräume  zwischen  den  Krystallen 
sind  fast  so  breit  als  die  letzteren.  Die  Krystalle  stehen  nicht  parallel. 

Das  EigenlhĂĽmliche  dieses  Vorkommens  liegt  namentlich  darin. 
dass  hier  ein  Nebeneinanderlagern  kleiner  Krystalle  eintrat,  wobei 
das  Gestein  gleichsam  durchdrungen  werden  musste.  Wenn  man 
indess  bedenkt,  dass  bei  der  mikroskopischen  Kleinheit  der  Krystalle 
in  dem  etwas  porösen  Gestein  sich  der  eulsprechende  Baum  genü- 
gend vorfand,  und  dass  der  Thatsachen,  die  einen  gegenseitigen  Ein- 
lluss  der  Krystalle  während  der  Krystallisation  beweisen,  bereits 
mehrere  bekannt  sind ,  so  erscheint  diese  secundäre  Bildung  nicht 
befremdend. 


in  dem  GrĂĽnsteingebirge  bei  Neutitschein. 


145 


Zeolithe. 

Im  Bereiche  des  Kalkdiabas  wurden  keine  Mineralien  dieser 
Familie  beobachtet ,  doch  ist  dadurch  nur  bewiesen,  dass  keine 
grosseren  Mengen  derselben  auftreten.  Fernere  Beobachtungen 
werden  ein  mehr  entscheidendes  Resultat  liefern  können. 

5.  Pyrit,  Magnetit,  Brauneisen. 

Geringe  Mengen  dieser  Substanzen  finden  sieh  ĂĽberall  im  ivalk- 
diabas.  Das  Auftreten  ist  dasselbe,  wie  in  den  ĂĽbrigen  Gesteinen. 


Die  folgende  Tafel  gibt  eine  Ăśbersicht  der  in  dem  GrĂĽnstein 
beobachteten  secundären  Mineralien,  letztere  nach  den  genannten 
Gesteingruppen  geordnet.  In  den  Zwischencolumnen  ist  durch  die 
Zeichen  > ,  < ,  =  angedeutet,  ob  in  dem  einen  Gestein  die  auf- 
tretende Menge  des  bezeichneten  Minerals  grösser  oder  geringer 
sei  als  in  dem  anderen  ,  oder  ob  das  Mineral  in  ungefähr  gleicher 
Menge  vorkomme. 


D  i  o  r  i  t 

> 
< 

Diabas 

< 

Kalkdiabas 

Bestand: 
Anorthit,  Amphibol,  Augil 

Bestand: 
Anorthit.  Augil,  Amphibol 

Secund.  Bildungen: 

Quarz 

Caleit   (Arragonit) 

Bestand: 
Labrador,  Augit 

Secund.  Bildungen: 

Quarz,  (Opal) 
Caleit 

Chlorit 

Magneteisen 

Pyrit 
Brauneisen 

Secund.  Bildungen: 

Caleit 

Baryt    

Steatit 

Serpentin     .... 

< 
> 

< 

Analcim 

Natrolitli       .... 
Magneteisen     .    .    . 

Pyrit 

Brauneisen  .... 

< 

> 
< 

Skolezit 

Natrolitli      .... 

Magneteisen     .    .    . 

Pyrit 

Brauneisen  .... 

â– ^ 

Die  Übersicht  der  secundären  Mineralien  zeigt,  dass  die  beiden 
ersten  Abtheilungen  der  GrĂĽnsteine  fast  genau  gleiche  Zerlegungs- 
produete  liefern,  was  der  gleichen  Zusammensetzung  genau  entspricht. 
Der  Diabas    unterscheidet    sich   indess   doch  durch  die  bedeutende 


14b  T  s  c  h  e  r  m  a  k.  Über  secundäre  Mineralbildungen  etc. 

Serpentinbildimg  und  durch  die  grössere  Menge  des  Magneteisens, 
was  wieder  dem  Umstände  entspricht,  dass  das  ursprüngliche  Gestein 
reicher  an  Augit  ist  als  die  Diorite.  Der  Kalkdiabas  zeichnet  sich 
durch  die  geringe  Verschiedenheit  der  secundären  Mineralien  aus. 
Es  fehlen  namentlich  die  Silicate. 

Sämmtliche  Zersetzungsproducte  lassen  sich  naturgemäss  in 
folgende  Abtheilungen  bringen:  1.  Kieselsäure  und  Carbonate,  2.  im 
Wasserlösliche  Silicate  oderZeolithe,  3.  unlösliche  Silicate,  4.  Eisen- 
erze. Dieser  Eintheilung  entsprechen  auch  die  einzelnen  Perioden 
der  Zersetzung:  im  Anfange  erscheinen  namentlich  Kieselsäure  und 
Calcit,  einer  spätem  Periode  gehören  die  Zeolithe  an,  die  unlös- 
lichen Silicate  treten  zugleich  mit  diesen  auf  und  nehmen  dann  mit 
dem  Fortschreiten  der  Zersetzung  rasch  an  Menge  zu.  Sie  bilden 
die  an  Ort  und  Stelle  bleibenden  Zerlegnngsreste,  während  die  Zeo- 
lithe meist  weiter  gefĂĽhrt  werden.  Die  Eisenerze  treten  sogleich  im 
Anfange  in  bedeutender  Menge  auf,  später  erfolgt  deren  Ausschei- 
dung in  geringerer  Menge  allmählich  und  gleichförmig. 

Die  zwei  Hauptstadien  der  Zersetzung  lassen  sich  schon  bei 
oberflächlicher  Betrachtung  der  Gesteine  studiren.  In  dein  ersten 
Stadium  zeigen  dieselben  nur  Quarz  und  Calcit  ausgeschieden,  in 
der  zweiten  Periode  erscheinen  darin  Glimmer,  Serpentin,  Zeolithe. 
Der  Kalkdiabas  zeigt  blos  die  erstere  Erscheinung.  .Ie  nach  den 
speciellen  EinflĂĽssen,  denen  das  Gestein  ausgesetzt  ist,  erfolgen  dann 
verschiedene  Erscheinungen  der  Zersetzung.  Doch  kann  nur  eine 
genaue  und  eingehende  Untersuchung  der  Auffindung  der  einzelnen 
Ursachen,  der  Erklärung  des  ganzen  Vorganges  entgegenführen. 

Die  im  Vorigen  angefĂĽhrten  Beobachtungen  sind  noch  nicht 
vollständig  genug  ,  um  den  Grund  für  ein  genaueres  Studium  der 
Umwandlung  des  GrĂĽnsteins  jener  Gegend  abzugeben.  Erst  eine 
eingehende  Untersuchung  der  weniger  veränderten  Felsarten,  ver- 
bunden mit  genauen  Beobachtungen  an  vielem  veränderten  Material 
aus  den  verschiedenen  Stadien  der  Umwandlung,  werden  einen  tie- 
feren Einblick  in  den  ganzen  Vorgang  verschallen.  Mir  fehlte  es  an 
Mitteln,  dies  schon  jetzt  auszufĂĽhren.  Das  Interesse  fĂĽr  diese  Stu- 
dien ist  nicht  so  allgemein,  als  dass  viele  Unternehmungen  in  dieser 
Richtung  zu  erwarten  Mären.  So  bleibt  denn  immer  vieles  der 
Zukunft  ĂĽberlassen.  Die  Gegend,  ĂĽber  welche  der  vorliegende  Auf- 
satz handelt,  ist  bezüglich  der  sedimentären  Bildungen  von  Hohen- 


T.silicrniak     Ăśbersee  Mmeralbd  im  Grinistgeb   b.  Neutitsckein..  TafI 


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Sit7,un<lNb  ilk.ARad  d.  W.  tuatli  lu.liirw  Cl.XL.  Bd.  N?  8. 1860. 


Tsdicrmab     Ăśber  aecimdĂĽe  Minerallii 


■[i,.i.-liii---.-  bei  N«uli1.m)li«a 


Äjr./ 


il..„,,.j.<l,  ,1  k  Ak„,l  ,1  V  miitll  nntuiw.n    XL    RJ    X°  3.1860. 


Reuss.  Die  Foramiuiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  14< 

egg  er  durchforscht  worden,  so  dass  fĂĽr  das  Studium  der  dortigen 
Grünsteine  schon  eine  sichere  Basis  gewonnen  ist.  Es  wäre  nur  zu 
wĂĽnschen  ,  dass  diese  Gegend  ,  welche  fĂĽr  die  Petrographie  der 
genannten  Gesteinsgruppe  vieles  Interessante  zu  liefern  verspricht, 
noch  ferner  der  Gegenstand  eifriger  Forschung  wĂĽrde. 

Ich  habe  den  Versuch  gemacht,  auf  die  vielen  interessanten 
Erscheinungen,  welche  die  dort  auftretenden  Eruptivgesteine  bieten, 
aufmerksam  zu  machen,  nicht  als  ob  die  anderen  Vorkommnisse  dieser 
Art  in  der  Monarchie  besser  studirt  wären,  sondern  weil  ich  Gele- 
genheit hatte,  eben  dort  einige  Beobachtungen  zu  sammeln,  die  ich 
der  Mittheilunff  fĂĽr  werth  hielt. 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation. 
Von  dein  w.  M.  Prof.  Dr.  Aug.  Em.  Reuss. 

(Mit  13  Tafeln.) 


(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  20.  Oetober  18Ă–9.) 

1.  Allgemeine  Bemerkungen. 

Seit  zwei  Decennien,  als  man  ĂĽberhaupt  der  Kreideformation  eine 
grössere  und  ausgedehntere  Aufmerksamkeit  zu  widmen  begonnen 
hat,  haben  auch  die  Kreidegebilde  Westphalens,  die  eine  so  reiche 
FĂĽlle  wolilerhaltener  Versteinerungen  beherbergen,  das  Interesse  der 
Geognosten  und  Paläontologen  in  hohem  Grade  erregt.  F.  A.  Bö- 
mer  *)  war  jedoch  der  erste,  der  es  versuchte,  nach  den  vorliegen- 
den Petrefacten  das  relative  Alter  einiger  dieser  Schichten  sorgfäl- 
tiger festzustellen  und  dieselben  mit  den  in  der  Kreideformation 
anderer  Länder ,  besonders  Englands ,  das  in  dieser  Beziehung 
damals  allein  etwas  genauer  bekannt  war,  nachgewiesenen  Etagen 
zu  parallelisiren.  Dieser  Versuch  konnte  in  einer  Zeit,  wo  die  »eo- 
gnostische  und  paläontologische  Kenntniss  der  Kreideformation  im 
Allgemeinen  und  der  westphälischen  insbesondere  noch  sehr  unvoll- 


')  Die  Versteinerungen  des  norddeutschen  Kreidegehirges.   Hannover  1841. 


1  4(S  R  e  u  s  s. 

kommen  und  lĂĽckenhaft  war,  natĂĽrlich  nicht  in  allen  Beziehungen 
vollkommen  gelingen. 

Später  hat  der  7.11  früh  der  Wissenschaft  entrissene  Professor 
Becks  in  MĂĽnster  durch  eifriges  locales  Forschen  und  Sammeln 
von  Versteinerungen  wesentlich  zur  Förderung  der  Kenntniss  des 
in  Rede  stehenden  Schichtensystemes  beigetragen.  Leider  sind 
die  Resultate  seiner  Forschungen  nicht  veröffentlicht,  sondern  nur 
theilweise  von  Anderen  benutzt  worden.  Die  vollständigste  und  dem 
jetzigen  Stande  der  Wissenschaft  entsprechendste  Untersuchung  der 
Kreidegebilde  Westphalens  verdanken  wir  Herrn  Prof.  Dr.  F.  Römer. 
der  die  Ergebnisse  derselben  in  einer  umfassenden  Monographie  *) 
zur  Kenntniss  der  gelehrten  Welt  brachte.  Nicht  wenig  haben  ferner 
zur  Aufhellung  mancher  dunkler  Punkte  und  zur  Berichtigung 
einzelner  IrrthĂĽmer  die  trefflichen  sehr  detaillirten  Untersuchungen 
beigetragen,  die  Herr  v.  Strombeck  ĂĽber  die  Reihenfolge,  beson- 
ders der  norddeutschen  Kreideschichten  anstellte.  Endlich  darf  ich 
die  Bereicherungen  nicht  unerwähnt  lassen,  welche  besonders  der 
chemischen  Kenntniss  der  westphälischen  Kreidegebilde  durch  die 
eifrigen  und  erfolgreichen  BemĂĽhungen  des  Herrn  von  der  Marck 
in  Hamm  zu  Theil  wurden  2). 

Gleichen  Schritt  mit  den  geognostischen  Studien  dieser  Gebilde 
gingen  die  paläontologischen  Forschungen;  ja  diese  bildeten  vielmehr 
die  Basis  der  ersteren.  Schon  Goldfuss  lieferte  in  seinem  bekannten 
Prachtwerke:  „Petraefacta  Germaniae"  die  Beschreibung  und  Abbil- 
dung einer  nicht  unbedeutenden  Anzahl  von  Versteinerungen  aus  den 
in  Rede  stehenden  Schichten,  welche  Graf  von  MĂĽnster  gesammelt 
hatte.  Eine  noch  grössere  Anzahl  derselben  finden  wir  in  dem  schon 
oben  angeführten  Werke  F.  A.  Römer's  verzeichnet  und  bildlich 
dargestellt.  Ihre  Zahl  wurde  durch  den  Sammeleifer  des  Prof. 
Becks  nicht  unbedeutend  vermehrt.  F.Römer  benützte  dieselben 
vorzugsweise  zur  Charakterisirung  einzelner  Etagen  der  westphäli- 
schen Kreideformation  und  zur  Bestimmung  ihres  Alters,  und  lieferte 


1)  Die  Kreidebildungen  Westphalens.  Eine  geognostische  Monographie.  Bonn  1854. 

~)  Chemische  Untersuchung  von  Gesteinen  der  oberen  westphälischen  Kreideformation. 
In  den  Verhandl.  d.  naturf.  Ver.  f.  Rhein),  u.  Westph.  Bd.  XII,  p.  2CĂĽ>  u.  f.,  und  in 
d.  Zeitschrift  d.  deutschen  geol.  Ges.  Bd.  VIII,  p.  1T>2  n.  f.  —  Chemische  Untersuchung 
westphälischer  Kreidegesteine.  Zweite  Reihe.  In  d.  Verhandl.  der  nalurf.  Ver.  f. 
Rheinl.  u.  Westph.  Jahrg.  XVI. 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  14:9 

zuerst  vollständigere  Listen  der  in  einzelnen  derselben  vorkommen- 
den Versteinerungen.  Werthvolle  Beitrage  hat  in  der  jĂĽngsten  Zeit 
auch  Herr  von  derMarck,  besonders  durch  Beschreibung  interes- 
santer Reste  von  Fischen,  Crustaceen  und  Cephalopoden  geliefert  *). 
Eine  vollständige  Zusammenstellung  der  westindischen  Kreidever- 
steinerungen ist  aber  bisher  noch  nirgends  gegeben  worden. 

Alle  genannten  Untersuchungen  beschränken  sich  ferner  auf  die 
grösseren  Versteinerungen.  Jene  von  sehr  kleinen  Dimensionen,  wie 
z.  ß.  die  Foraminiferen  wurden  bisher  gänzlich  vernachlässigt,  trotz- 
dem dass  sie  dieselbe  Bedeutung  fĂĽr  die  Charakterisirung  der  einzel- 
nen Schichten  für  sich  in  Anspruch  nehmen  können ,  wie  die  Reste 
höher  organisirter  Thiere.  Herrn  von  der  Marck  gebührt  das 
Verdienst,  zuerst  seine  Aufmerksamkeit  dieser  umfassenden  aber 
sehr  stiefmütterlich  behandelten  Thierclasse  innerhalb  der  westphäli- 
schen  Kreidegebilde  zugewendet  zu  haben.  Er  scheute  die  mĂĽhevolle 
Arbeit  nicht,  eine  grosse  Anzahl  derselben  zu  sammeln  und  theilweise 
auch  zu  bestimmen. 

Einen  Theil  der  gewonnenen  Resultate  legte  er  in  einer  interes- 
santen Abhandlung  ĂĽber  die  Diluvial-  und  Alluvialablagerungen  im  In- 
nern des  Kreidebeckens  von  MĂĽnster  nieder,  welche  eine  reiche  FĂĽlle 
von  Kreideversteinerungen  auf  secundärer  Lagerstätte  beherbergen. 
Ăśberdies  stellte  er  umfassende  Listen  der  in  den  Kreideschichten 
zahlreicher  einzelner  Localitäten  gefundenen  Arten  zusammen,  die 
er  im  Manuscripte  mir  mitzutheilen  die  Gefälligkeit  hatte.  Ebenso 
verdanke  ich  seiner  zuvorkommenden  Güte  Schlämmrückstände  der 
Kreidegesteine  von  zahlreichen  Fundstellen,  welche  grösstenteils 
mehr  weniger  reich  an  Foraminiferenschalen  waren,  so  wie  einzelne 
Partien  schon  ausgelesener  solcher  kleiner  Fossilreste.  Mit  diesen 
weithvollen  Gaben  verband  Herr  von  der  Marck  zugleich  das 
Ersuchen,  das  erhaltene  Material  einer  genauen  Untersuchung  zu 
unterziehen  und  das  Resultat  als  einen  Beitrag  zur  umfassenden 
paläontologischen  Kenntniss  Westphalens  der  Öffentlichkeit  zu  über- 
geben. 

Sehr  gerne  habe  ich  die  gewĂĽnschte  und  auf  die  freundlichste 
und  uneigennĂĽtzigste  Weise  unterstĂĽtzte  Arbeit    unternommen    und 


*)  Über  einige  Wirbelthiere ,  Crustaceen  und  Cephalopoden  der  westphälischen  Kreide. 

In  der  Zeitschrift  der  deutschen  geol.  Ges.  18Ă–8,  p.  231  u.  f. 


150  Reuss. 

theile  nun  die  Ergebnisse  derselben  auf  den  nachfolgenden  Blättern 
mit,  mit  dem  Wunsche,  dadurch  wenigstens  theilweise  eine  LĂĽcke 
in  der  Kenntniss  der  reichen  Kreidefauna  Westphalens  ausgefĂĽllt  zu 
haben. 

Die  Zahl  der  wohlerhaltenen,  zum  grössten  Theile  mit  voll- 
kommener Sicherheit  bestimmbaren  Foraminiferenarten,  die  in  den 
Gesteinen  der  westphälischen  Kreideformation  aufzufinden  mir  gelang, 
erhebt  sich  bis  zu  152.  Es  ist  ĂĽbrigens  wahrscheinlich,  dass  diese 
Zahl  sich  in  der  Folge  noch  bedeutend  erhöhen  wird.  Von  den 
genannten  Arten  ist  unter  den  Monothalamien  nur  die  Gattung  Cornu- 
spira,  welche  nebst Lagena  unter  denselben  am  frĂĽhesten  aufzutreten 
scheint,  durch  eine  Species  vertreten.  Die  ĂĽbrigen  151  Arten  sind 
ohne  Ausnahme  mehrkammerige  Arten  (Polythalamia,  Polystegia) . 
Von  den  Hauptabtheilungen  derselben  erscheinen  hier  die  Sticho- 
stegier (68  Arten),  Helicostegier  (70  Arten)  und  Enallostegier 
(13  Arten).  Die  Agathistegier,  die  in  der  Kreideformation  ĂĽberhaupt 
nur  selten  und  ausnahmsweise  zum  Vorschein  kommen ,  scheinen 
der  westphälischen  Kreide  ganz  zu  fehlen.  Ebenso  suchte  ich  unter 
den  Helicostegiem  die  Abtheilung  der  zweireihigen  Cassiduliniden 
vergebens. 

Die  68  Species  von  Stichostegiern  sind  auf  7  Gattungen  ver- 
theilt  —  Nodosaria  und  Dentalina  aus  den  Nodosariden;  Glandulina 
aus  den  Glanduliniden  ;  Frondicularia  und  Iihabdogonium  aus  den 
Frondiculariden  ;  Vaginnlina  aus  äenVaginnliniden  und  Pleurosto- 
mella  aus  den  Pleurostomelliden.  Neben  den  Stichostegiern  (Iihab- 
doideen)  sind  unter  den  Helicostegiem  die  gleichseitigen  Nauti- 
loiden  mit  37  Arten  besonders  reich  vertreten,  während  die  doch 
eine  weit  grössere  Anzahl  von  Gattungen  umfassenden  ungleich- 
seitigen Turbinoidcn  nur  29  Arten  ,  die  in  den  Kreidegebilden 
ĂĽberhaupt  seltenen  Polymorphinideen  nur  4  Arten  geliefert  haben. 
Unter  den  Nautiloidcn  ist  es  wieder  die  Familie  der  Cristellariden, 
die  die  Mehrzahl  der  erwähnten  Arten  (33)  dargeboten  hat.  Neben 
ihnen  sind  aber  auch  die  Pencropliden  mit  3  Arten,  die  ĂĽberhaupt 
vorzugsweise  der  Tertiärzeit  und  der  Jetztwelt  angehörigen  Nonio- 
niden  nur  mit  einer  Species  vertreten. 

Unter  den  Turbinoiden  fallen  nur  die  Gattungen  Rotalia 
(6  Arten)  und  Bulimina  (9  Arten)  durch  eine  grössere  Artenzahl  auf. 
Dagegen   erscheinen   sämmtliche    bisher    in   der    Kreide   überhaupt 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation. 


151 


bekannten  drei  Gaudryina  -  Arten  in  den  westphälischen  Kreide- 
gebilden. —  Die  13  Arten  der  Textilarideen  gehören  nur  zwei 
Gattungen  —  Proroporus  (1  Sp.)  und  Textilaria  (12  Sp.)  —  an. 

Das  eben  Angegebene  lässt  sich  deutlicher  und  mit  einem 
Blicke  aus  der  nachstehenden  tabellarischen  Ăśbersicht,  deren  Anwen- 
dung sich  yoii  selbst  ergibt,  ersehen. 


Cristellaridae 


Peneroplidae 


Cornuspira  S  c  h  u  1 1  z  e 

Nodosaria  d'Orb 10)  ,T   ,         . , 

}  Jyodosaridae  .  • 

Dentalina  d'Orb 28) 

Glandulina  d'O  r  b 3J  Glandulinidae  . 

FrondiculariaVeir..    .    .  ^)Fron(Ucularidae 

Rhabdogonium  Rss.    .    .    .  3[ 

Vaginulina  d'Orb 4}  Vaginulinidae  . 

Pleurostomella  Rss.    .    .    .  2}  Pleurostomellidae 

Margimdina  d'Orb.    .    .    .  11 
Cristellaria  d'Orb.      .    .    .16 

Robulina  d'Orb 1 

Flabellina  d'Orb 5 

Haplopliragmium  Rss.    .    .  2 

Lituola  Lamk 1 

Nonionina  d'Orb ll  Nonioninidae 

Rotalia  Lamk 6 

Valmdina  d'Orb 2 

Rosalina  d'Orb 2 

Anomalina  d'Orb 2 

Truneatulina  d'Orb.  ...  1 

Globigerina  d'Orb.     ...  1 

Bulimina  d'Orb 9 

Verneuilina  d'O  r  b.    .    .    .  2 

Tritaxia  Rss 1 

Gaudryina  d'Orb 3 

Pyrulina  d'Orb 1 

Guttulina  d'Orb 1 

Globulina  d'Orb 2 

Proroporus  Ebrbg.    . 
Textilaria  Defr.     .    . 


Tabellarische  Ibersicht. 

.     1} Monothalamia  1 

.  38\  \ 


s. 


I  68 


33 

3 

1 


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1   )  an 


5-29N3 


70 


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1  4 


n 

12) 


§13 


Die  Gesteine,  in  deren  Schlämmrückständen  ich  Foraminiferen 
in  grösserer  oder  geringerer  Zahl  aufgefunden  habe,  gehören  theils 
den  oberen  Seiionschichten  mit  Belemnitella  mucronata,  theils  dem 
unteren  Senonien  (Schichten  mit  Belemnitella  quadrata),  theils  dem 
Pläner,  theils  der  Tourtia,  theils  dem  Gault  an. 


SiUfo.  (1.  matuein.-uaturw.  Cl.  XL.  Bd.  Kr.  N. 


II 


152  I!    e  u  s  s. 

Die  untersuchten  Gesteine  der  oberen  Senongrnppe  stammen 
vom  Hilgenberge,  Westberge,  Herrnsteinberge,  Kurkenberge  bei 
Hamm  ,  von  Dolberg  und  SĂĽstwarte  bei  Beckum,  und  von  Drenstein- 
furth.  Der  unteren  Senongrnppe  zuzurechnen  sind  die  Gesteine  von 
Hamm,  Flierich,  Haustenbeck,  Bergeamen,  Uedinghoff,  Ostheide  bei 
Hamm  und  vom  Rhynerberg  bei  Haustenbeck  an  der  Senne.  In  das 
Gebiet  des  Pläners  müssen  die  Schichten  von  Horde,  Ahaus,  Unna, 
Graes,  Wullen  bei  Ahaus,  und  Opherdieke,  so  wie  die  oberen  Schich- 
ten von  Essen  und  von  Rheine  eingereiht  werden,  während  die  tiefer 
liegenden  von  letzterer  Fundstätte  dem  Gault  beizuzählen  sind. 
Am  wenigsten  ergiebig  in  Beziehung  auf  Foraminiferen  waren  die 
Gesteine  der  Tourtia  von  Essen  und  von  Spelldorf  zwischen  Essen 
und  Mühlheim;  der  grösste  Reichthum  dagegen  entfaltete  sich  in  den 
oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei  Hamm. 

Ich  halte  es  fĂĽr  ĂĽberflĂĽssig,  die  in  den  Gesteinen  jeder  der  eben 
genannten  Localitäten  aufgefundenen  Foraminiferen  speciell  anzu- 
fĂĽhren, um  so  mehr  da  im  speciellen  Theile  dieser  Abhandlung  ohne- 
dies bei  jeder  Species  sämmtliche  mir  bekannte  Fundorte  namhaf 
gemacht  werden.  Eine  wiederholte  Aufzählung  würde  einerseits 
unnbthigen  Raum  in  Anspruch  nehmen  und  ĂĽberdies  den  Leser 
ermüden.  Von  der  andern  Seite  könnten  die  gegebenen  Listen  doch 
keinen  Anspruch  auf  irgend  eine  Vollständigkeit  machen,  da  meine 
Untersuchungen  sich  nur  auf  die  geringe  Menge  des  mir  zur  Dispo- 
sition gestellten  Schläuimrückstaudes  stützen.  Eine  vollständigere 
Übersicht  der  Foraminiferenfauna  einer  Localität  Iässt  sich  aber  nur 
durch  fortgesetzte  und  möglichst  umfassende  Forschungen  erlangen, 
weil  nach  meinen  bisherigen  vielfachen  Erfahrungen  jede  einzelne 
Schichte  neben  einer  Anzahl  durch  alle  identische  Schichten  hin- 
diirchgeliender  gemeinschaftlicher  Arten  immer  mehr  weniger  zahl- 
reiche eigenthĂĽmliche  Formen  umschliesst. 

Herr  von  der  Marck  fĂĽhrt  desshalb  in  seinen  Verzeichnissen 
von  manchen  Fundorten  eine  grössere  Anzahl  von  Arten  an,  als  ich 
zu  entdecken  im  Stande  war ,  und  manche  Gesteine,  in  denen  ich 
durch  meine  beschränkten  Untersuchungen  nichts  aufzufinden  ver- 
mochte, haben  ihm  bei  reicherem  Materiale  eine  Ausbeute  geliefert. 
Ich  beschränke  mich  daher  darauf,  die  Foraminiferen,  welche  ich  in 
den  allgemein  angenommenen  Schichtengruppen  der  westphälischen 
Kreideformation  durch  Autopsie   kennen  gelernt  habe,   collectiv  zu- 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Ki-eideformation.  153 

sammenzustellcn,  da  sich  daraus  wenigstens  annähernd  jene  Formen 
ergeben  werden,  die  als  charakteristisch  fĂĽr  die  einzelnen  Etagen 
anzusehen  sind. 

Die  grösste  Anzahl  von  Arten  lieferte  die  obere  Abtheilung  der 
Senongruppe  —  die  Schichten  mit  Belemnitella  mucronata  — ,  ins- 
besondere jene  vom  Hilgenberge  bei  Hamm,  die  einen  ungemeinen 
Formenreichthum  zu  beherbergen  scheint.  Die  gefundenen  Arten 
sind:  Cornuspira  cretacea  Rss.  (1),  —  Nodosaria  lepida  m.,  N. 
concinna  m.,  N.  intercostata  m.,  N.  obscura  Rss.,  N.  Zippei 
Rss.,  N.  inflata  Rss.  (6),  —  Dentalina  acuminata  m.,  D.  subrecta 
m.,  D.  megalopolitana  Rss.,  D.  annulata  Rss.,  D.  pugiunculus  m., 
D.  cognata  rn. ,  D.  Lilli  Rss.,  D.  marginuloides  Rss.,  D.  cylin- 
droides  m. ,  D.  catenulu  m.,  D.  oligostegia  Rss.,  D.  Lomeiana 
d'Orb.,  D.  gracilis  d'Orb.,  D.  legumen  Rss.,  D.  expansa  m., 
D.  filiformis  Rss.?,  D.  lineolata  Rss.,  D.  Marcki  m.,  D.  acu- 
leata  d'Orb.  (19),  —  Glandidina  manifesta  Rss.,  Gl.  elongata 
in.,  Gl.  cylindracea  Rss.  (3),  —  Frondicularia  turgida  Rss., 
Fr.  angulata  d'Orb.,  Fr.  Decken i  m.,  Fr.  BecJcsi  m.,  Fr.  Gold- 
f'ussi  in.,  Fr.  marginata  Rss.,  Fr.  striatula  Rss.,  Fr.  inversa 
Rss.,  Fr.  angusta  Nilss. ,  Fr.  angustissima  m.,  Fr.  Archiacina 
d'Orb.  (H),  —  Khabdogonium  Römeri  m.,  Rh.  globuliferum  m., 
(2),  —  Pleurostomella  subnodosa  m.  (1),  —  Marginulina  bid- 
lata  Rss.,  M.  elongata  d'Orb.,  31.  ensis  Rss.,  M.  bacĂĽlum  m., 
M.  seminotata  m. ,  31.  omatissima  m.  (6),  —  Cristellaria  recta 
d'Orb.,  Cr.  Hagenowi  m.,  Cr.  inepta  m.,  Cr.  harpa  m.,  Cr.  trian- 
gularis  d'Orb.,  Cr.  Marcki  m. ,  Cr.  inflata  m. ,  Cr.  ovalis  Rss., 
Cr.  rotulata  Lam.  sp.,  Cr.  microptera  m.  (10),  —  Robulina  lepida 
Rss.  (1),  —  Flabellina  rugosa  d'Orb.,  Fl.  interpunctata  v.  d. 
Marck,i<7.  macrospira  m.  (3),  —  Haplophragmium  aequale  Rom. 
sp.,  H.  irreguläre  Rom.  sp.  (2),  —  Lituola  nautiloidea  Lam.  (1), 
Nonionina  quaternaria  Rss.  (1),  - —  Rotalia  polgrraphes  Rss., 
R.  eoesculpta  m.,  /?.  nitida  Rss.,  i?.  31icheliniana  d'Orb.  (4),  — 
Valrulina  allomorphinoides  in.  (1),  — Rosalina  ammonoides  Rss., 
.#.  marginata  Rss.  (2),  — Anomal ina  moniliformis  Rss.  (1),  — 
Bulimina  varbiailis  d'Orb.,  Z>.  ofos«  Rss.,  2?.  Murchisoniana 
d'Orb.  2?.  intermedia  Rss.,  2?.  Ovulum  Rss.,  2?.  Presli  Rss.,  2?. 
Orbignyi  Rss.,  (7),  —  Yerneuilina  Bronni  Rss.,  F.  Münsteri 
Rss.  (2),  —   Tritaxia  tricarinata  m.   (1),—    Gaudryina   oxy- 

11* 


[  5  4  R  e  U  8  s. 

cona  m.,  G.  rugosa  d'Orb.  (2),  —  Pyrulina  acuminata  d'Orb. 
(1),  —  Guttulina  elliptica  Rss.  (1), —  Globulina  globusa  v.  M. 
sp.,  G.  porrecta  m.  (2),  —  Textilaria  tarris  d'Orb.,  T.  conulus 
Rss.,  T.  pupa  m.,  T  globifera  m. ,  T.  concinna  Rss.,  T.  foeda 
Rss.,  T,  Partschi  Rss.,  T.  flexuosa  m.  (8). 

Vorstellende  Liste  weiset  in  den  westphälischen  Mukronateu- 
scliicbten  die  bedeutende  Zahl  von  99  Arten  auf,  —  eine  Anzahl,  die 
durch  fernere  Untersuchungen  ohne  Zweifel  vermehrt  werden  wird. 
Ăśberblickt  man  die  Liste  nur  flĂĽchtig,  so  bemerkt  man  sogleich,  dass 
die  monothalamen  Foraminiferen,  die  überall  erst  in  der  Tertiärperiode 
in  etwas  reicherer  Artenzahl  erscheinen,  hier  nur  durch  Comuspira  cre- 
tacea  vertreten  werden,  sämmtliche anderen  98  Arten  aberpolythalame 
Formen  sind.  Von  diesen  fallen  42  Arten  auf  die  Stichostegier,  48  auf 
die  Helicostegier  und  8  Arten  auf  die  Textilariden.  Von  den  Helico- 
stegiern  gehören  24  Arten  den  gleichseitigen Nautiloiden  —  und  zwar 
20  den  Cristellariden ,  3  den  Peneropliden  und   1   den  Nonioniden 

—  an,  20  Species  den  ungleichseitigen  Turbinoiden  und  nur  4  den 
Polymorphiniden,  die  sich  auch  erst  in  derTertiärperiode  zu  reicherer 
FĂĽlle  entfalten.  Wir  sehen,  dass  also  auch  hier,  wie  in  der  gesammten 
Kreideformation,  die  Stichostegier  und  die  Cristellariden  die  grösste 
Artenzahl  und  Mannigfaltigkeit  entwickeln.  Die  reichste  Artenzahl 
bieten  ĂĽbrigens  die  Gattungen  Nodosaria  (5),  Dentalina  (19), 
Frondicularia  (11),  Cristellaria  (10),  Bulimina(7),  und  Textilaria 
(8)  dar,  und  hierin  kömmt  die  westphälische  Kreide  mit  jener  anderer 
Länder  überein. 

Die  untere  Abtheilung  der  Senonschichten  —  die  Schichten  mit 
Belemnitella  quadrata  —  lieferten  mir:  Comuspira  cretacea  Rss. 
(1),  —  Dentalina  tenuicaudata  m.,  D.  distincta  m.?,  D.  discre- 
pans  in.,  D.  cylindroides  m.,  D.  Lorneiana  d'Orb.,  D.  communis 
d'Orb.,  D.  gracilis  d'Orb.,  D.  legumen  Rss.,  D.  aculeata 
d'Orb.  (9),  —  GlanduUna  cylindracea  Rss.  (I),  —  Frondi- 
cularia marginata  Rss.,  Fr.  striatula  Rss.,  Fr.  lanceola  m.  (3), 

—  Margiuulina  lata  m.,  M.  modesta  in.,  M.  ensis  Rss.  (3),  — 
Cristellaria  navicula  d'Orb.,  Cr.  ovalis  Rss.,  Cr.  rotulata  Lam.  s  p. 
(3),  —  Flabellina  rugosa  d'Orb.,  Fl.  cordata  Rss.,  Fl.  interpunc- 
tata  v.  d.  Mk.  (3),  —  Haplophragmium  irreguläre  Rom.  sp.  (1), 

—  Nonionina  quaternaria  Rss.  (1),  —  Iiotalia  polyrraphes 
Rss.,  II.  e.vsculpta  m.,   It.  nitida  Rss.,  R.  Micheliniana  d'Orb. 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  1  o5 

(4), —  Valvulina  allomorphinoides  m. ,  V.  spicula  Rss.  (2),  — 
Rosalina  marginata  Rss.  (1),  —  Truncatulina  convexa  Rss. 
(1),  —  Globigerina  cretacea  Rss.  (1),  —  Bulimina  variabilis 
d'Orb.,  B.  Murchisoniana  d'Orb.,  B.  Ovulum  Rss.,  B.  Presli 
Rss.,  B.  Orbignyi  Rss.  (5),  —  VerneuiUna  Bronni  Rss., 
V.  Münsteri  Rss.  (2),  —  Tritaxia  tricarinata  m.  (1),  — 
Gaudryina  oxycona  m.,  G.  rugosa  d'Orb.  (2),  —  Globulina 
porrecta  m.  (1),  —  Textilaria  conulus  Rss.,  T.  pupa  in., 
T.  globifera  m.,  7".  /o^rf«  Rss.,  T.  anceps  Rss.,  71.  praelonga 
Rss.,  T.  flexuosa  m.  (7). 

Die  Zahl  der  im  unteren  Senonien  gefundenen  Foraminiferen  ist 
demnach  beinahe  nur  halb  so  gross,  als  in  dem  oberen.  Sie  beträgt 
nur  öl  Arten.  Sie  gehören,  mit  Ausnahme  der  schon  vorerwähnten 
Cornuspira,  insgesammt  den  Polythalamien  an.  Wiewohl  diese  der 
Art  nach  grösstentheils  mit  jenen  der  oberen  Senonschichten  über- 
einstimmen, so  stellen  sich  doch  in  der  Quadratenkreide  die  relativen 
Zahlenverhältnisse  ganz  anders  dar.  Die  Stichostegier  treten  sehr 
zurück,  belaufen  sich  nur  auf  13  Species,  während  die  einreihigen 
Helicostegier  31  Species ,  mithin  mehr  als  das  Doppelte  liefern. 
Unter  den  letzteren  sind  wieder  die  Nautiloiden  im  Verhältnisse  zu 
den  Turbinoiden  in  den  Hintergrund  getreten  ;  beide  verhalten 
sich  wie  11  :  19.  Die  Polymorphiniden  sind  bis  auf  vier  Species 
herabgesunken.  Dagegen  haben  die  Textilariden  relativ  nicht  ab-, 
eher  zugenommen ;  sie  haben  noch  7  Arten  aufzuweisen.  Die 
artenreichsten  Gattungen  des  unteren  Senon  sind:  Dentalina  (9), 
Bulimina  (5)  und  Textilaria  (7);  die  anderen  bei  dem  oberen 
Senonien  hervorgehobenen  sind  an  Artenfiille  schon  zurĂĽck- 
gegangen. 

Noch  geringer  scheint  die  Zahl  der  Arten  zu  sein,  welche  der 
westphälische  Pläner  umschliesst.  Ich  kann  nach  eigener  Untersuchung 
nennen:  Cornuspira  cretacea  Rss.  (1),  —  Dentalina  subrecta  in., 
D.  legumen  Rss.  (2),  —  Cristellaria  acuta  m.?,  Cr.  rotulata  Lam. 
sp.  (2), —  Haplophragmium  irreguläre  Rom.  sp.  (1),  —  Rotalia 
lenticula  Rss.  ,i?.  polyrraphes  Rss. ,  R.  nitida  Rss.,  R.  Miche- 
liniana d'Orb.  (4),  —  Valvulina  spicula  Rss.  (1),  —  Rosalina 
ammonoides  Rss.,  R.  marginata  Rss.  (2),  —  Anomalina  compla- 
nata  Rss.  (1),  — Globigerina  cretacea  d'Orb.  (1),  —  Bulimina 
variabilis   d'Orb.,  B.  Murchisoniana  d'Orb.,  B.   Ovulum  Rss.,   B. 


1  50  R  e  u  ss. 

Presll  Rss.,  B.Orbignyi  Rss.,  B.polystropha  Rss.  (6), —  Verneui- 
lina  Münsteri  Rss.  (1),  —  Tritaxia  tricarinata  m.  (1),  —  Gau- 
dryina  pupoides  d'Orb.,  G.  oxycona  Rss.  (2),  —  Textilaria  tur- 
ris  d'Orb.,  T.  globifera  Rss.,  T.  concinna  Rss.,  T.  foeda  Rss., 
T.  anceps  Rss.,  T.  praelonga  Rss.  (6).  — 

Die  Zahl  der  Arten,  welche  ich  aus  dem  Pläner  Westphalens 
sammelte  (31),  beträgt  beinahe  nur  ein  Dritttheil  jener  der  oberen 
Senonabtheilung.  Auch  hier  gehören  beinahe  wieder  alle  (o0) 
den  Polythalamien  an.  Die  vorwiegendste  Gruppe  bilden  aber  im 
Gegensatze  zu  den  frĂĽher  dargelegten  Ergebnissen  die  llelico- 
stegier  mit  22  Species,  von  denen  der  bei  weitem  grösste  Theil  (19) 
den  Turbinoiden,  nur  drei  den  Nautiloiden  angehören.  Die  Zahl 
der  Stichostegier  ist  sogar  bis  auf  zwei  Dentalina- Arten  herab- 
gesunken. Die  Gattung  Textilaria  ist  in  ihrer  Artenzahl  beinahe 
gleich  geblieben  (6).  Neben  diesen  sind  Bulimina  und  Rotalia 
(4)  die  artenreichsten  Gattungen.  In  der  Individuenzahl  dĂĽrften 
aber  Rosalina  marginata  und  Globigerina  cretacea  alle  anderen 
ĂĽbertreffen. 

Reicher  an  Arten  ist  wieder  der  Gault,  von  dem  aber  nur  die 
oberste  Abtheilung  —  der  Minimusthon  —  bei  Rheine  entwickelt 
zu  sein  scheint.  Wenigstens  gehören  alle  Schichten,  von  denen  mir 
Proben  zur  Untersuchung  vorlagen,  diesem  an.  Die  Entscheidung, 
ob  auch  tiefere  Schichten  dieser  Gruppe  innerhalb  der  Grenzen 
Westphalens  entwickelt  sind,  muss  kĂĽnftigen  Forschungen  anheim- 
gestellt bleiben.  Die  von  mir  nachgewiesenen  Foraminiferenarten 
sind:  Cornuspira  cretacea  Rss.  (1),  —  Nodosaria  nana  m.,  N. 
duplicicostata  m. ,  N.  obscura  m.,  N.  prismatica  m. ,  X.  tetragona 
m.  (5),  —  Dentalina  subrecta  m. ,  D.  commutata  m. ,  D.  distincta 
m.,D.  cyUndroides  m.,D.  catenula  m. ,  D.  strangulata  in.,  D. 
intermedia  m.,  D.  legumen  Rss.  (8),  —  Frondicularia  gaultina 
m.,  Fr.  g uest phalica  m.  (2),  —  Vaginulina  transversalis  m.,  V. 
arguta  m.,  V.  bicostulata  m.,  V.  notata  m.  (4),  —  Pleurostonw/fa 
fusiformism.  (1),  —  Marginulina  soluta  m.,  M.  inaequdlis  m. 
(2),  —  Cristellaria  tripleurtt  m.,  Cr.  acuta  in.,  Cr.  rotiilata  Lam. 
sp.,  Cr.  secans  in.  (4),  —  Rotalia  polyrraphes  Rss.,  R.  umbonella 
in.  (2),  —  Rosalina  marginata  in.  (1),  —  Globigerina  cretacea 
d'Orb.  (1),  —  Bulimina  Presli  Rss.,  B.  Orbignyi  Rss.  (2),  — 
Verneuilina  Münsteri  Rss.  (1),  —  Tritaxia  tricarinata  in.  (1),  — 


Die  Forarainiferen  der  wesiphälischen  Kreideformation.  157 

Gaudryina  pupoides  d'Qrb.,  G.  oxycona  m.  (2),  —  Proroporus 
complanatus  m.  (1),  —  Textilaria  bolivinoides  m.,  T.  parallela 
m.  (2).  - 

Wie  aus  dem  vorstehenden  Verzeichnisse  hervorgeht,  steigt 
die  Zahl  der  im  Minimusthone  Westphalens  angetroffenen  Foramini- 
feren  wieder  bis  auf  40,  von  denen  39  den  Polythalamien  beizuzäh- 
len sind.  Zugleich  gewinnen  die  Stichostegier  mit  20  Arten  wieder 
die  Oberhand,  wie  in  den  beiden  Abtheilungen  der  Senongruppe. 
Davon  gehört  die  Mehrzahl  (13)  den  Nodosariden  an,  nur  zwei  den 
Frondiculariden,  eine  den  Pleurostomelliden,  dagegen  4  den  Vagi- 
nuliden,  die  in  den  frĂĽher  besprochenen  Kreideetagen  keine  Vertreter 
gefunden  hatten.  Die  Helicostegier  haben  nur  15  Arten  aufzuweisen, 
von  denen  die  Mehrzahl  (9)  wieder  den  Turbinoiden,  und  nur  (6) 
den  Nautiloiden  angehören  und  zwar  durchgehends  den  Cr ist eil 'ari- 
den. Die  Polymorphiniden  sind  unter  den  bisher  bekannten  Arten 
gar  nicht  vertreten.  Auch  die  Enallostegier  sinken  von  ihrer  For- 
menfülle herab;  sie  beschränken  sich  auf  3  Species,  den  Gattungen 
Proroporus  und  Textilaria  angehörend.  Mit  Ausnahme  der  Sticho- 
stegier-Gattungen  Dentalina  (8),  Nodosaria  (5)  und  Yaginulina 
(4)  ist  nur  noch  die  spiralreihige  Sippe  Cristellaria  etwas  reich- 
licher—  mit  4  Arten  —  vertreten. 

In  der  zweiten  Reihe  seiner  chemischen  Untersuchungen  westphä- 
lischer  Kreidegesteine  (Verhandl.  des  naturhist.  Vereines  der  Rhein- 
lande  und  Westphal.  Jahrg.  XVI)  beschreibt  Herr  von  der  Marck 
auch  Gaultgesteine  von  Ahaus  und  gibt  von  dem  Gault  an  der  Fran- 
kenmĂĽhle ein  in  den  dortigen  SteinbrĂĽchen  sichtbares  Profil  und 
fĂĽhrt  auch  eine  Anzahl  von  Foraminiferen  an,  welche  er  darin  ent- 
deckte. Es  sind  dies  aber,  mit  Ausnahme  einiger  auch  in  den  höheren 
Kreideschichten  heimischer  Arten,  Species,  die  nicht  dem  Gault,  son- 
dern dem  Hils  angehören.  Diese  Ansicht  wurde  durch  Autopsie  der 
Fossilreste,  welcheHerr  von  derMarck,  meiner  Bitte  entsprechend, 
mir  mit  freundlicher  Bereitwilligkeit  zusandte,  bestätigt.  Leider  konnte 
ich,  da  die  Foraminiferen  zwischen  Glasplatten  in  Canadabalsam  ein- 
geschlossen waren,  keine  ganz  genaue  Untersuchung  derselben  vor- 
nehmen. Doch  waren  Botalia  caracolla  Rom.  sp. ,  R.  ornata  Rom. 
sp.  und  R.  Orbignyi  Rom.  sp.  mit  ziemlicher  Sicherheit  zu  erken- 
nen. Diese  drei  Species  sind  von  Römer  und  mir  im  Hilsthon,  nie 
aber  im  Gault  gefunden  worden.  Die  anderen  mir  zugesandten  Arten 


158  R  e  u  s  s. 

sind  Vaginulina  hamulosa  n.  sp.,  ähnlich  der  V.  arguta  in.,  aber 
deutlich  verschieden,  Cristellaria  nodigera  n.  sp.,  zwei  Vaginulina, 
l  Rosalina,  1  Frondicularia  (Bruchstück),  die  alle  nicht  näher 
bestimmt  werden  konnten.  Mit  Sicherheit  lässt  sich  aber  der  Ausspruch 
thun  ,  dass  sich  darunter  keine  einzige  charakteristische  Gaultspecies 
befindet.  Es  werden  daher  M-enigstens  jene  Schichten,  denen  die 
besprochenen  Fossilreste  angehören,  nicht  dem  Gault  zugezählt 
werden  können.  Vielmehr  dürfte  es  wahrscheinlich  sein,  dass  sie  in 
die  Abtheilung  des  Hils  gehören. 

Die  Tourtia  von  Essen,  ein  festes  Gestein,  von  dem  mir  keine 
geschlämmlen  Proben  zukamen,  hat  wohl  desshalb  nur  drei  Forami- 
niferenarten  geliefert,  die  durch  ihre  Grösse  ausgezeichnete  Denta- 
lina polypkragma  m.  und  die  weit  verbreiteten  Rotalia  polyrraphes 
Rss.  und  Rosalina  marginata  Rss.  Vielleicht  gelingt  es  später 
ihre  Zahl  zu  vermehren  und  dadurch  ein  zur  Vergleichung  taugliches 
Material  zu  erlangen. 

Um  eine  genauere  Vergleichung  der  in  den  einzelnen  Etagen 
der  westphälischen  Kreideformation  vorkommenden  Foraminiferen- 
species  zu  erleichtern  und  ĂĽberhaupt  die  Vertheilung  derselben  mit 
einem  Rlicke  ĂĽberschauen  zu  lassen,  gebe  ich  hier  eine  tabellarische 
Zusammenstellung  sämmtlicher  mir  bisher  daraus  bekannt  gewordener 
Species  nach  den  einzelnen  Etagen,  in  welche  die  Formation  nach 
der  allgemeinen  Annahme  zerfällt.  Zugleich  sind  die  Abtheilungen 
der  Kreidegebilde,  in  welchen  die  betreffenden  Species  auch  ausser- 
halb Westphalens  angetroffen  wurden  ,  beigefĂĽgt,  ohne  aber  die  ein- 
zelnen Fundorte  namhaft  zu  machen.  Es  wĂĽrde  dies  der  Tabelle 
einen  zu  grossen  Umfang  verliehen  haben,  dĂĽrfte  ĂĽberdies  ĂĽber- 
flĂĽssig sein,  da  in  dem  speciellen  Theile  der  Abhandlung  ohnehin 
bei  jeder  Species  sämmtliche  mir  bekannte  Fundorte  namentlich  ange- 
fĂĽhrt werden. 


Die  Foraminiferen  der  westphäliselien   Kreideformation. 


159 


Tabellarische  Zusammenstellung  der  Kreideforamiiiiferen  Westphalens 
nach  den  einzelnen  Etagen. 


9. 
10. 
11. 
12. 
13. 
14. 
15. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 
23. 
24. 
25. 
26. 
27. 
28. 
29. 
30. 
31. 
32. 
33. 
34. 
35. 
36. 
37. 
38. 
39. 
40. 
41. 
42. 


Cornuspira  cretacea  Rss. 
Nodosaria  lepida  m.     .    . 

„  concinna  m. 

„  nana  in.  .    .    . 

„  intercostata  m. 

„  duplicicostata  m. 

„  obscura  Rss.  . 

„  prismatica  m.  . 

„  Zippei  Rss.     . 

„  inflala  Rss.     . 

„  tetragona  m. 
Dentalina  acuminata  in.    . 

„  subrecta  in.  .    . 

„  megalopolitana  R 

„  annulata  Rss.  . 

„  tenuicaudata  m. 

„  commutata  in.  . 

„  pugiunculus  m. 

„  co g natu  m.    .    . 

„  distincta  m.  .    . 

„  discrepans   in.  . 

„  Lilli  Rss.     .    . 

„  marginuloides  R  s 

„  cylindroidcs  m. 

„  catenula  in.  .    . 

„  strangulata  in.  . 

„  oligostegia  Rss. 

„  Lorneiana  d'Orb 

„  intermedia  m.   . 

„  communis  m.     . 

„  gracilis  d'Orb. 

„  legumen  Rss.  . 

„  expansa  m.  .    . 

;>  filiformes  Rss. 

„  lineolata  Rss.  . 

„  Marcki  in.     .    . 

„  polyphragma  in. 

„  aculeata  d'Orb. 

„  foedissima  in.   . 
Glandulina  manifesta  Rss. 

„  elongatu  m. 

„  cylindracea  Rss. 


Krpidpgebildc 
Westphalens 


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KreidegrliiUlc  anderer 
Länder 


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Kreidegebilde 

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Kreidegebilde  anderer 
Lander 

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44.            „            angulata  d'Orb. 

47.  „             apicidata  Rss.     . 

48.  „            Goldfitssi  m.     .    . 

49.  „             marginata   Rss.  . 

50.  „             canaliculata  Rss. 

52.  „            inversa  Rss.    .    . 

53.  „            strigiUata  m.  .    . 

55.  „            microdisca  m. 

56.  „             striatula  Rss. 

57.  „             angusta  Nilss.    . 

59.            „            Archiacina  d'O  r  b. 

62.  „                globidiferum  in. 

63.  „               anomalum  m.    . 

68.  Plcurostomclla  subnodosa  m.     . 

73.            „           elongata  d'Orb.     . 

76.  „           ensis  Rss.      ... 

77.  „           bacillum   in.     .    .    . 

81.  Cristellaria  recla   d'Orb.      .    . 

82.  „           angusta  Rss.     .    . 

87.  „           triangularis  d'Orb. 

88.  „           navicula  d'Orb.    . 

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Die  Foraminiferen  der  west|>halischen  Kreideformation. 


161 


Kreidegebih 
WestpEalens 

Kreidegebilde  anderer 
Länder 

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89.  Cristellaria  Marcki  m.    .    . 

91.  „           oligostcgia  Rss. 

92.  „           ovalis  Rss.  .    . 

93.  „            acuta  m.  .    .    . 

94.  „           rotulata  Lam.  sp 

97.  Rohulina  lepida  Rss.  .    .    . 

98.  Flabellina  rugosa  d'Orb.   . 

99.  „       Bau  dou  in  ia  na  d'Orb 

100.  „       cor  data  Rss.     .    . 

101.  „       inter punctata  v.  d.  M 

103.  Haplophragmium  aequale  R.  sp 

104.  „         irreguläre  R.  sp 

105.  Lituola  nautiloidea  Lam.    . 

106.  Nonionina  quaternaria  Rss. 

108.        „      polyrraphes  Rss.  . 

112.  „       Micheliniana  d'Orb. 

113.  Valvulina  allomorphinoidesM 

114.  „           spicula  Rss.  .    . 
113.  Rosalina  ammonoides  Rss. 

116.  „        marginata  Rss.    . 

117.  Anomalina  complanata  Rss. 

118.  ,,            moniliformis  Rss 

119.  Truncatulina  conrexa  Rss. 

120.  Gluhigerina  cretacea  d'O  r  b. 

121.  Bulimina  variabilis  d'Orb. 

123.  „       Murchisoniana  d'Orb 

124.  „        intermedia  Rss.     . 

126.  Bulimina  ovulum  Rss.    .    . 

127.  „          Presli  Rss.      ... 

128.  „          Orhignyi  Rss. 

129.  „         polystropha  Rss.     . 

130.  Verneuilina  Bronni  Rss.    . 

131.  „              Münsteri  Rss. 

132.  Tritaxia  tricarinata  m.  .    . 

133.  Gaudry  ina  pupoides  d'O  r  b. 

134.  „            oxycona  m.    .    . 

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162 


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Hroidogebilde 
Westpbalens 

KrcideÂŁebilde  anderer 
Länder 

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135.  Gaudryina  rugosa  d'O  r  b.  .    . 

139.           „        porrecta  m.     .    .    . 

141.  Textilflria  iurris  d'Orb.    .    . 

142.  „          conidus  Rss.    .    . 

144.  „          glubifcra  m.  .    .    . 

145.  „           concinna  Rss.  .    . 

147.  „          foeda  Rss.    .    .    . 

148.  „           Partschi  Rss.   .    . 

149.  „          aneeps  Rss.  .    .    . 

150.  „          praclonga  Rss.     . 

152.           „          flcxuosa  m.   .    .    . 

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Aus  der  voranstellenden  tabellarischen  Ăśbersicht  lassen  sich 
bei  genauerer  PrĂĽfung  einige  SchlĂĽsse  ziehen.  Vor  allem  ergibt  sich, 
dass  59  Species  den  Schichten  der  westphälischen  Kreideformation 
eigenthĂĽmlich  oder  doch  bisher  nirgend  anders  gefunden  worden 
sind.  Es  sind:  Nodosaria  lepida,  concinna,  nana,  intercostata, 
duplicicostata,  prismatica,  tetragona;  Dentalina  acuminata ,  sub- 
reeta,  tenuicaudata ,  commutata,  pugiunculus,  cognata,  distineta, 
discrepans,  catenula,  sträng ulata,  intermedia,  expansa,  Marcki, 
polyphragma ,  foedissima;  Glandulina  elongata ;  Frondicularia 
Decheni,  Becksi,  Goldfussi,  gaultina,  strigiĂĽata,  guestphalica, 
microdisca,  angustissima,  lanceola;  Rhabdogonium  Römeri,  globu- 
liferum,  anomalum;  Vaginulina  transversalis,  bicostulata,  notata, 
ornatissima;  Cristellaria  Ilagenowi,  inepta,  liarpa,  tripleara, 
Marcki,  inflata,  microptera;  Flabellina  interpunetata,  macrospira; 
Rotalia  utnbonclla,  exsculpta;  Globulina  porrecta;  Proroporus 
complanatus ;  Textilaria  parallela. 

Freilich  wird  ohne  Zweifel  ein  Theil  der  genannten  Fossilreste 
sich  in  der  Folge  auch  anderwärts,    besonders   in  der  Kreide  des 


Die  Foiaminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  1  63 

nordwestlichen  Deutschlands  und  des  nachbarlichen  Aachener  Ge- 
bietes, wiederfinden,  wenn  diese  in  dieser  Beziehung  genauer 
durchforscht  sein  wird.  Von  den  oben  angefĂĽhrten  59  Arten 
gehören  38,  also  beinahe  zwei  Drittheile  den  Stichostegiern,  19  den 
Helicostegiern  und  nur  3  den  Textilariden  an;  und  selbst  von  den 
19  spiralreihigen  Arten  sind  16  zu  den  Cristellariden,  welche 
mit  den  Rhabdoiden  unmittelbar  zusammenhängen,  nur  2  zu  den 
Turbinoiden,  1  zu  den  Polymorphinideen  zu  rechnen.  Man  muss 
also  den  hervorstechenden  Charakter  der  westphälischen  Kreide- 
gebilde ,  besonders  der  oberen  ,  in  der  grossen  Anzahl  der  ihnen 
eigentĂĽmlichen  Stichostegier  und  Cristellariden  suchen. 

Ferner  gelangt  man  zu  der  Ăśberzeugung,  dass  die  Foramini- 
feren-Fauna  des  Gault  in  ihrer  Physiognomie  wesentlich  verschieden 
ist  von  jener  der  oberen  Kreideschichten,  wenn  auch  fernere 
ausgedehntere  Untersuchungen  des  in  dieser  Beziehung  bei  weitem 
nicht  genügend  erforschten  Gault  noch  eine  etwas  grössere  Zahl 
beider  gemeinschaftlicher  Species  herausstellen  werden.  In  dem 
in  Westphalen  nur  spärlich  vertretenen  Gault  (von  Rheine  und 
Ahaus)  sind  bisher  39  Species  —  1  Monothalamier,  20Stichostegier, 
15  Helicostegier  (6  Cristellariden  und  9  Turbinoiden)  und  3  Texti- 
lariden —  von  mir  nachgewiesen  worden,  also  beinahe  das  Vier- 
theil sänimtlicher  westphälischer  Kreideforaminiferen.  Von  ihnen 
gehören  19  dem  westphälischen  Gault  eigentümlich  an;  zwei  sind 
auch  im  Gault  Norddeutschlands,  7  zugleich  in  den  oberen  Kreide- 
schichten Westphalens  und  anderer  Länder,  10  endlich  sowohl  in 
diesen  ,   als  auch  im  Gault  anderer  Gegenden  aufgefunden  worden. 

Untersucht  man  die  12  im  Gault  anderer  Länder  wieder- 
gefundenen Arten,  so  findet  man,  dass  6  auf  das  Niveau  des  oberen 
Gault  (Minimusthon),  3  auf  den  mittleren  Gault  (Milletianus-  und 
Tardefurcatusthon),  2  auf  beide  zugleich,  1  endlich  (die  fast  durch 
die  gesammte  Kreideformation  hindurchgehende  Cristellaria  rotulatd) 
auf  alle  drei  Abtheilungen  des  Gault  fallen.  Wir  dĂĽrfen  daher  wohl  mit 
ĂĽberwiegender  Wahrscheinlichkeit  schliessen,  dass  dieGaultschichten 
von  Rheine  dem  oberen  Gault  und  zwar  dem  Minimusthone  angehören, 
was  durch  die  anderen,  die  Foraininiferen  begleitenden  grösseren 
Versteinerungen  bestätigt  wird. 

Nur  eine  Species — Haplophragmium  aequale  Rom.  sp.  — ,  die 
in  Westphalen   in    den  Mucronatenschichten   liegt,  taucht  in  Nord- 


1  64  Heus  s. 

deutscliland  im  Hilsthone  des  Hilses  wieder  auf,  ohne  dass  sie  mir 
bis  jetzt  aus  den  zwischenliegenden  Schichten  der  Kreideformation 
bekannt  geworden  wäre  i').  So  auffallend  dies  ist,  vermag  ich  doch 
die  Exemplare  von  beiden  Fundstätten  durch  kein  wesentliches  Merk- 
mal zu  unterscheiden. 

Weit  grösser  ist  die  Anzahl  der  Foraminiferen  in  den  oberhalb 
des  Gault  liegenden  Schichten  der  westphälischen  Kreideformation. 
Wenn  man  die  17  zugleich  im  Minimusthone  vorkommenden  Arten 
hinzu  zählt,  steigt  ihre  Zahl  auf  119.  Dagegen  sind  bisher  102  nur  in 
den  Schichten  der  oberen  Kreide  aufgetreten.  Aus  diesem  Verhält- 
nisse leuchtet  die  grosse  Verschiedenheit  der  oberen  Kreide  und  des 
Gault  in  Beziehung  auf  die  zugehörigen  Foraminiferen  am  klarsten 
hervor.  —  Aus  dem  Cenomanien  —  derTourtia  von  Essen  und  Spell- 
dorf  —  habe  ich  leider  nur  3  Species  (Dentalina  polyphragma, 
CristeĂĽaria  rotulata  und  Rotalia  polyrraphes)  kennen  gelernt,  von 
denen  aber  die  beiden  letzten,  in  fast  allen  Kreideetagen  wieder- 
kehrend, keine  Bedeutung  haben  können.  Nur  die  erstgenannte 
dürfte  der  Tourtia  eigenthümlich  angehören.  Bei  der  so  geringen 
Anzahl  der  Arten  ist  ĂĽbrigens  jeder  Versuch,  das  Cenomanien  durch 
seine  Foraminiferen  zu  charakterisiren,  von  vorne  herein  unmöglich. 
Ich  muss  aber  gleich  hier  erwähnen,  dass  es  mir  auch  nach  den 
zahlreichen  Arten,  welche  ich  im  norddeutschen  Cenomanien  auf- 
fand, nicht  thunlich  scheint,  einen  unterscheidenden  Charakter  des- 
selben in  seinen  Foraminiferen  zu  suchen.  Es  sind  mit  wenigen 
Ausnahmen  Arten,  die  auch  dem  Senon  und  dem  Planer  gemein- 
schaftlich zukommen  3).  Vielleicht  fĂĽhren  ausgedehntere  Unter- 
suchungen in  der  Folge  zu  den  gewĂĽnschten  Besultaten. 


')  Das  Neocomien  zeigt  in  Beziehung-  auf  seine  Foraminiferen  eine  noch  bei  wei- 
tern grössere  Selbstständigkeit  und  eine  schärfere  Abgrenzung,  als  der  Gault, 
indem  es  nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  kaum  eine  Species  mit  dem  Gault 
und  den  höheren  Kreideschichten  theilt.  Eine  Annäherung  an  den  Gault  ver- 
räth  es  nur  darin,  dass  es  gleich  diesem  besonders  reich  an  Arten  von  Vaginulina, 
Rhäbdagonium ,  Frondicularia  und  Cristeüaria  erscheint;  jedoch  sind  dieselben 
ohne  Ausnahme  specifisch   verschieden   von    den   Arten   des   Gaultes. 

a)  Solche  gemeinschaftliche  Species  sin  d:  Oristellaria  rotulata  La  m.sp.,  Haplophragmium 
irreguläre  Rom.  sp.,  Rotalia  polyrraphes  llss.,  Rosalina  ammonoides  Rss.,  Bulimina 
variabilis  d'Orb. ,  />'.  Prcsli  Rss. ,  />'.  Orbignyi  Rss.,  Tritaxia  tricarinata  m.  Als 
eigenthĂĽmlich  kann  ich  nur  anfĂĽhren  :  Textilaria  platycona  m.,  Tritaxia  pyrami- 
dalis und  sulcata  in.  und  Quinqueloculina  acutimargo  m. 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  \  ߣJ 

Der  nicht  sehr  artenreiche  Planer  Westphalens  hat  mir  bisher 
31  Species  geliefert.  Von  diesen  ist  eine  einzige  Species  sowohl 
in  Westphalen  als  auch  in  Böhmen  auf  den  Pläner  beschränkt  ge- 
blieben (Bulimina  polystropha  Rss.).  Alle  ĂĽbrigen  kommen  auch  in 
anderen  Kreideschichten  Westphalens  und  anderer  Länder  vor. 
Nur  eine  Species  hat  der  Pläner  ausschliesslich  mit  dem  Gault 
gemeinschaftlich  (Cristcllaria  acuta  m.);  17  mit  dem  Senonien, 
12  zugleich  mit  diesem  und  dem  Gault,  —  fast  sämmtlich  Arten, 
die  eine  sehr  ausgedehnte  verticale  Verbreitung  zeigen.  Acht  seiner 
Arten  kehren  auch  im  Cenomanien  wieder;  aber  dies  sind  auch 
fast  durcbgehends  Arten  von  sehr  weiter  Verbreitung  in  den  Kreide- 
gebilden, die  insbesondere  auch  in  der  obersten  Abtheilung  der- 
selben zum  Vorschein  kommen.  Daraus  ergibt  sich  zur  Geniige,  dassdie 
Foraminiferenfiiuna  des  Planers  die  grösste  Verwandtschaft  mit  jener 
der  Senonschichten,  besonders  der  Quadratenkreide,  verräth  und 
beinahe  gar  keine  besonderen EigenthĂĽmlichkeiten  darbietet.  Dieselbe 
Erscheinung  wiederholt  sich  an  dem  Pläner  anderer  Länder.  Eine 
ausgedehntere  Kenntniss  der  Pläiierforaminiferen  dürfte  in  Zukunft  viel- 
leicht doch  noch  eine  grössere  Zahl  charakteristischerFormen  liefern. 

Viel  des  EigenthĂĽmlichen  bieten  dagegen  die  Senonschichten 
dar,  so  dass  dieselben  auch  durch  die  Foraminiferen  recht  wohl 
charakterisirt  erscheinen.  Vor  allem  umschliessen  sie  unter  allen 
Kreideschichten  —  in  Westphalen  sowohl  als  in  anderen  Ländern  — 
die  grösste  Fülle  von  Foraminiferen.  In  Westphalen  liegen  von  der 
Gesammtzahl  derselben  113  Species,  also  fast  drei  Viertheile,  in  den 
Senonschichten.  Unter  denselben  befinden  sich:  1  Monothalamier, 
47  Stichostegier,  55  Helicostegier  und  10  Textilariden.  Vier  Arten 
"aben  die  Senonschichten  mit  dem  Gault,  15  Arten  mit  dem  Pläner, 
9  mit  beiden  zugleich  und  2  endlich  mit  dem  Pläner,  Cenomanien  und 
Gault  gemeinschaftlich;  daraus  ergibt  sich  die  schon  erwähnte  grosse 
Verwandtschaft  der  senonischen  Foraminiferen  mit  jenen  des 
Planers,  dagegen  eine  viel  entferntere  mit  jenen  des  Gault.  Es  bleiben 
daher,  wenn  man  zugleich  das  Vorkommen  in  anderen  Ländern  in 
Rechnung  bringt,  68  Arten  auf  die  Senongruppe  beschränkt,  mithin 
eine  hinreichend  grosse  Anzahl  um  diesen  Schichtencomplex  zu  cha- 
rakterisiren.  Wenn  dieselbe  sich  in  der  Folge  auch  von  einer  Seite 
verringern  sollte,  wird  sie  dagegen  von  der  andern  gewiss  einen  noch 
stärkeren  Zuwachs  erhalten. 


166  R  «  "  ■  s. 

Von  den  genannten  Arten  gehören  36  den  Stichostegiern, 
28  den  Helicostegiern  (19  den  Nautiloideen,  9  den  Tnrhinoideen) 
und  4  den  Textilarideen  an.  Darin  spricht  sich  die  Erscheinung  aus, 
dass  das  Senonsystem  vorzugsweise  durch  das  Ăśbergewicht  und  die 
besonderen  Formen  der  Rhahdoideen,  vorzĂĽglich  Nodosariden ,  und 
der  gleichseitigen  Helicostegier,  charakterisirt  werde. 

Weit  schwieriger  dürfte  eine  schärfere  Trennung  der  Forami- 
niferen  der  oberen  und  unteren  Senonabtheilung  —  der  Mucrona- 
ten-  und  der  Quadratenkreide  —  werden,  besonders  wenn  noch  um- 
fassendere Untersuchungsresultate  gewonnen  sein  werden,  indem 
sich  dann  gewiss  manche  Species,  die  nach  den  bisherigen  Erfah- 
rungen auf  eine  der  beiden  Abtheilungen  beschränkt  ist,  auch  in  der 
andern  wiederfinden  wird.  Am  meisten  des  Eigenthümlichen  trägt 
die  Mucronatenkreide  an  sich,  was  sich  auch  an  jener  Westphalens 
erkennen  lässt.  Dieselbe  zählt  30  Species,  die  bisher  in  keiner  andern 
Abtheilung  der  Kreideformation  angetroffen  worden  sind.  Freilich 
befindet  sich  darunter  ein  grosser  Theil  der  59  Arten,  die  bis  jetzt 
überhaupt  auf  die  westphälische  Kreideformation  beschränkt  geblieben 
sind.  25  Arten  hat  in  Westphalen  zwar  ebenfalls  nur  das  obere  Senon 
geliefert;  in  anderen  Ländern  treten  sie  aber  auch  in  tieferen  Kreide- 
schichten, vorzĂĽglich  in  der  Quadratenkreide  und  zum  Theile  auch 
im  Pläner,  auf.  71  Arten  haben  sich  in  Westphalen  nur  in  den  beiden 
Abtheilungen  der  Senongruppe  vorgefunden,  10  derselben  sind  aber 
in  anderen  Gegenden  auch  noch  in  tieferen  Schichten  vorgekommen. 
23  Arten  endlich  gehen  wenigstens  durch  drei,  mitunter  auch  durch 
beinahe  alle  Etagen  der  Kreideformation,  mit  Ausnahme  des  Neoco- 
mien,  hindurch.  Ich  kann  nur  3  Species  anfĂĽhren,  welche  in  West- 
phalen und  zugleich  anderwärts  aus  den  Grenzen  der  oberen  Senon- 
gebilde  nicht  herauszutreten  scheinen.  Es  sind  Lituola  nautiloidea 
Lam.,  Glandulina  manifesta  R ss.  und  Pyrulina  acuminata  d'Orb. 

Ein  noch  weit  weniger  charakteristisches  Gepräge  trägt  die 
untere  Senongruppe  —  die  Quadratenkreide  —  an  sich,  da  beinahe 
alleinihr  vorkonimendenForaminiferenarten  auch  in  dem  oberen  Seno- 
nien  und  zum  Theil  auch  im  Pläner  wieder  zum  Vorschein  kommen. 
Die  westphälischen  Quadratenschichten  besitzen  nur  1 1  eigentüm- 
liche Arten;  aber  selbst  von  diesen  reicht  die  Mehrzahl  —  nämlich 
8  Arten  —  in  anderen  Gegendon  auch  in  die  Mucronatenkreide  hinauf 
oder  in  den  Planer  hinab  ,  so  dass  bisher  nur  die  seltene  Dentalina 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  16/ 

tenuicaudata  m.  und  discrepans  m.  und  Frondicularia  lanceola  m. 
ihr  eigenthümlich  anzugehören  scheinen. 

Alle  diese  auf  den  vorhergehenden  Seiten  ausgesprochenen  An- 
sichten werden  in  der  Folge  ohne  Zweifel  noch  manche  vielleicht 
nicht  unwesentliche  Modification  erleiden,  wenn  die  Foraminiferen 
der  verschiedenen  Etagen  der  Kreideformation  ĂĽberhaupt  und  West- 
phalens  insbesondere  einer  sorgfältigeren  und  umfassenderen  Un- 
tersuchung unterzogen  sein  werden.  Dadurch  wird  nicht  nur  eine 
weit  grössere  Formenfülle  bekannt  werden,  sondern  auch  ihre  Ver- 
keilung wird  sich  in  mancher  Beziehung  anders  als  bisher  her- 
ausstellen. 

II.  Einige  Bemerkungen  ĂĽber  den  tirĂĽnsand. 

Ich  sehe  mich  genöthigt,  am  Schlüsse  der  vorstehenden  Erör- 
terungen einige  Bemerkungen  hinzuzufĂĽgen  ĂĽber  die  glaukonitischen 
Körner,  die  in  wechselnder  Menge  manchen  westphälischen  Kreide- 
gesteinen, besonders  aus  dem  Gebiete  des  Pläners  und  Gault,  bei- 
gemengt sind,  zuweilen  in  solcher  FĂĽlle,  dass  die  Gesteine  dadurch 
im  Ganzen  eine  mehr  weniger  deutliche  grüne  Färbung  annehmen 
und  dass  die  Schlämmrückstände  derselben  der  Masse  nach  vorwie- 
gend aus  solchen  grünen  Körnern  bestehen.  Es  ist  dies  bekanntlich 
eine  Erscheinung,  die  nicht  etwa  den  westphälischen  Kreidegebilden 
eigenthümlich  zukömmt,  sondern  die  sich  in  allen  Ländern ,  in  allen 
Formationen,  von  der  silurischen  an  aufwärts  bis  zu  den  jüngsten 
Abtheilungen  der  Tertiärformation,  wiederholt. 

Ich  beobachtete  diese  Körner  unter  den  westphälischen  Kreide- 
gesteinen in  beträchtlicher  Zahl  in  dem  Schlämmrückstande  desGrüu- 

sandes  des  Pläners  von  Werl,  Unnau.a.O.;  im  cenomanen  Grünsande 
von  Horde  und  Essen;  in  geringerer  Menge  in  vielen  Plänern  und 

selbst  in  senonischen  Gesteinen,  z.  B.  den  oberen  Senonmergeln  von 

Sendenhorst  u.  a.  0. 

Ehrenberg  *)  war  der  erste,  der  darauf  aufmerksam  machte, 

dass  die  erwähnten  Glaukonitkörner  organische  Formen  an  sich  tragen 

und   sich    als    Steinkerne    von    Foraminiferen    zu    erkennen    geben. 

Mitunter  sind  dieselben  in  ihrem  ganzen  Umfange  erhalten,  so  dass  es 


J)  Über  den  Grünsand  und  seine  Erläuterung  des  organischen  Lebens.  1836.  Aus  den 
Abhandl.  d.  k.  Akad.   d.  Wiss.   zu  Berlin. 

Sitzh.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  8.  12 


1  68  Rens  s. 

geringen  Schwierigkeiten  unterliegt,  die  Gattung,  welcher  sie  ange- 
hören, mit  Sicherheit  oder  docli  annähernd  zu  bestimmen.  Weit  Öfter 
sind   die  Steinkerne  aber    in  ihre  einzelnen  Glieder  zerfallen,  und 
dann  ist  selbst  die  Erkenntniss  des  organischen   Ursprunges  schon 
mit  grösseren  Schwierigkeiten   verbunden.     Während  Ehrenberg 
sich   in  seinen  früheren  Mittheilungen  darauf  beschränkte,  auf  das 
Erhaltensein  einzelner  Foraminiferen  in  dem  GrĂĽnsande  hinzuweisen, 
ging  dieser  Gelehrte  später  weiter  und  stellte,  auf  zahlreiche  müh- 
same   Untersuchungen   sich    stĂĽtzend ,    die  Ansicht   auf,    dass   aller 
Glaukonit  des  GrĂĽnsandes  organischen  Ursprunges  sei.  Er  sagt  1.  c. 
p.  101  ausdrücklich:   die  wahren  körnigen  Grünsande    der  Tertiär- 
„zeit  zeigen  überall  eingestreute  wohl  erhaltene  Polythalamienkerne 
„und  das  Vereinzelte  und  scheinbar  Formlose  macht  sich  massenhaft 
„als   Zusammenballung    von    Theilen    und    Splittern    der   ähnlichen 
„Formen   geltend.    Sehr  genau  übereinstimmend  mit  solchen  mehr 
„vereinzelten    und    mehr  zusammengeballten  Steinkernen   fand    ich 
„den  Sand  der  Gebirgsmassen  in  derSecundär-  und  der  Primärzeit." 
Einer  solchen  gewagten  Generalisirung  einzelner    unbestritte- 
ner Thatsaehen  vermag  ich  nicht  beizupflichten.  Wenn  man  frei  von 
vorgefasster  Meinung  nur  die  Thatsaehen  in  das  Auge  fasst,  gelangt 
man  zu  sehr  abweichenden   Resultaten.  Der  Glaukonit  spielt  in   den 
Sandsteinen   and  Mergeln  ohne   Zweifel    eine  ganz  ähnliche   Rolle, 
wie  der  Feuerstein,  Schwefelkies  und  viele  andere  Substanzen.   Die 
Glaukonitkörner,  wenn  sie  auch  nie  eine  beträchtliche  Grösse  errei- 
chen, sind  in  der  Regel  nichts  als  concretionäre  Bildungen,   durch 
Conceutration  um  gewisse  Centra  entstanden.  Wenn  man  eine  grosse 
Anzahl  derselben  untersucht  —  und   ich    habe    ebenfalls  Grünsande 
der  verschiedensten  Beschaffenheit  und  vom  verschiedensten  geolo- 
gischen Alter  genauer  Prüfung  unterzogen  — ,  so  findet  man,  dass 
der  bei  weitem  grösste  Theil  keine  Spur  von  organischer  Gestaltung 
darbietet,    sondern     die    gewöhnlichen    Concretionsformen,    kleine 
kugelige,  traubige  und  knollige  Gestalten  mit  meistens  sehr  unregel- 
mässiger  gekörnter,  warziger  oder  runzeliger  Oberfläche.   Es   würde 
offenbar   einer  sehr  lebhaften   Phantasie  bedĂĽrfen .  um  darin   regel- 
mässige organische  Gestalten  oder  doch  Bruchstücke  derselben  zu 
erkennen.    Die  Unsicherheit   der  gezogenen    SchlĂĽsse  leuchtet  aus 
Ehrenberg's  Äusserungen  selbst  hervor.  Er  sagt  1.  c.  p.  89  aus- 
drücklich: „Zwar  scheinen  die   grossen  Massen  des  grünen  Sandes 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreiileformatinn.  \  ßj) 

„in  den  Körnchen  beim  ersten  Anblicke  ohne  organische  Gestaltung; 
„allein  bei  intensivem  Vergleichen  Hess  sich  allmählich  soviel 
„davon  auf  organische  Versteinerung  und  besondere  Steinkernbil- 
„dung  zurückführen,  dass  das  Übrigbleibende  als  die  nothwendig 
„existirenden  Bruchstücke  durch  Zerklüftung  und  unvollkommene 
„Verkieselung  angesehen  werden  könne". 

An  einem  andern  Orte  (1.  c.  p.  96)  beschränkt  sich  Ehren- 
berg  darauf,  von  einer  „überraschenden  Menge  an  Organisches 
erinnernd  er  Einzelheiten"  zu  sprechen.  Darin  spricht  sich  nicht 
sowohl  sichere  objective  Beobachtung ,  als  nur  individuelle  An- 
sicht aus.  Ich  habe  bei  dem  grössten  Theile  der  Glaukonitkörner 
nicht  nur  keine  Andeutung  organischer  Form,  sondern  absolut  unre- 
gelmässige, unorganische  Gestalten  gesehen. 

Weit  seltener  vermochte  ich  an  denselben  deutliche  Formen 
von  Foraminiferen  oder  von  einzelnen  Theilen  derselben  wahrzuneh- 
men. Entweder  sind  diese  ganz  in  Glaukonitsubstanz  umgewandelt 
und  dann  ist  der  Umriss  am  regelmässigsten  erhalten.  Dies  beob- 
achtete ich  nur  selten  an  Globigerina  cretacea  und  Textilaria 
globifera  aus  dem  turonischen  Grünsand  von  Unna.  Häufiger  bietet 
der  Grünsand  nur  Steinkerne,  während  die  kalkige  Schale  durch 
Auflösung  verloren  gegangen  ist.  Solche  undeutlichere  Steinkerne 
kommen  am  häufigsten  im  Grünsande  von  Unna,  Worl,  Horde  u.  s.w. 
vor.  So  finden  sich  Cristellaria  rotulata,  Globigerina  cretacea, 
Textilaria  globifera,  Gaudryina  rugosa,  Rosalina  marginal a. 
Arten  von  Rotalia,  Textilaria,  Nodosaria,  Dentalina  u.  s.  w. ,  die 
eben  der  Species  nach  nicht  bestimmt  werden  können.  Endlich  trifft 
man  an  vielen  Localitäten  Schalen  von  Foraminiferen,  die  entweder 
ganz  in  Kieselerde  umgewandelt  sind  oder  ihre  kalkige  Natur  noch 
vollkommen  beibehalten  haben,  im  Innern  aber  durch  glaukonitische 
Substanz  mehr  weniger  erfĂĽllt  erscheinen.  Dieselbe  tritt  mitunter 
nur  in  isolirten  kleinen  kugeligen  Partikeln  auf;  bald  bildet  sie  grös- 
sere Concretionen,  die  einen  bedeutenden  Theil  des  Hohlraumes  der 
Kammern  einnehmen.  Zuweilen  werden  die  Glaukonittheilchen  von 
Partien  amorpher  farbloser  oder  auch  durch  Eisenoxydhydrat  gelb 
oder  gelbbraun  gefärbter  Kieselerde  begleitet.  Dadurch  erhalten  ein- 
zelne Foraminiferen  eine  bunte  Färbung,  wie  Ehren  berg  derglei- 
chen sehr  schön  aus  den  Tertiärschichten  von  Alabama  abbildet  (I.e. 
T.  7)  und  wie  ihrer  Herr  von   der   Marck  (z.  B.  von  Cristellaria 

12* 


170  Reuss. 

rotulatd)  auch  aus  den  westphälischen  Kreidegesteinen  anführt  und 
mir  zur  Ansicht  gefalligst  mitgetheilt  hat.  Wenn  man  Proben  des 
geschlämmten  glaukonitischen  Sandes  mit  sehr  verdünnter  Salz- 
säure behandelt,  kann  man  in  dem  ungelösten  Rückstande  die  geschil- 
derten Zustände  sehr  schön  beobachten.  Man  überzeugt  sich  zuweilen, 
dass  die  Kammerhöhlnngen  ganz  oder  theilweise  mit  zahllosen  sehr 
feinen  Körnchen  farbloser  oder  durch  Eisen  gefärbter  Kieselerde, 
die  aber  im  polarisirten  Lichte  unter  dem  Mikroskope  sehr  oft  deut- 
liche Farbenerscheinungen  zeigte,  mit  oder  ohne  Glaukonit  erfĂĽllt 
waren. 

In  Gesellschaft  dieser  fossilen  Foraminiferenschalen  befinden  sich 
Gehäuse,  die  normal  nur  aus  kohlensaurem  Kalk  bestehen;  andere, 
die   ganz    oder   theilweise   in  Kieselerde  umgewandelt    wurden  *); 


x)  Von  diesen  durch  den  Versteinerungsprocess  erst  später  umgewandelten  Fora- 
miniferenschalen niuss  man  jene  unterscheiden ,  welche  schon  ursprĂĽnglich,  im 
normalen  Zustande  ,  ganz  oder  theilweise  aus  Kieselerde  bestehen.  Viele  Te.vti- 
larien  (T.  carinata  d'Orb.,  Poppelaki  Rss.,  eoncinna  Rss.  u.  a.  m.),  Gaudryina 
ruyosa  d'Orh.,  Clavulina communis  d'Orb.,  Haplophragmium  irreguläre  Rom. sp.  und 
andere  Arten  mit  rauher  Schale  brausen  zwar  lebhaft  mit  Sauren  auf,  lösen  sich 
aber,  in  verdünnter  Salzsäure  erwärmt,  nicht  vollständig-  auf,  sondern  lassen  einen 
feinen  durchsichtigen  Kieselsand  ungelöst  zurück,  der  unter  dem  Mikroskope  zum 
Theile  aus  sehr  feinen  Körnchen  ,  zum  Theile  aus  grösseren  flachen  unregelmäs- 
sig eckigen  Plättchen  besteht.  Im  polarisirten  Lichte  unter  dem  Mikroskope 
betrachtet  zeigt  er  bei  Drehung  des  Nicols  deutliche  Farbenveränderungen,  die 
besonders  klar  hervortreten,  wenn  man  die  zu  untersuchende  Probe  mit  einem 
dünnen  Glimmerblättehen  bedeckt.  Man  hat  es  also  offenbar  mit  der  krystallini- 
schen  Modilication  der  Kieselerde  zu  thun.  Oh  dieselbe  schon  ursprĂĽnglich  vor- 
handen war  oder  sich  erst  durch  den  Versteinerungsprocess  aus  der  amorphen 
gebildet  hat,  will  ich  nicht  entscheiden.  —  Bei  Lituola  nautiloidca  Lam.  ist  die 
Menge  des  Kalkcarbonates  noch  geringer.  Die  Gehäuse  behalten  ,  auch  wenn  sie 
durch  längere  Zeit  in  der  Wärme  mit  Salzsäure  digerirt  werden,  wie  auch  schon 
von  derMarck  bemerkte,  ihre  Form  und  ihren  Zusammenhang  bei,  lassen  sich  aber 
sehr  leicht  mit  dem  Finger  zu  dem  erwähnten  Kieselpulver  zerdrücken.  Bei 
Bulimina  variabilis,  Puschi ,  Presli ,  d'Orbi/jnyi  und  anderen  nur  mit  feinen 
Rauhigkeiten  bedeckten  Arten  dauert  das  Aufbrausen  in  der  Säure  nur  kurze  Zeit;  das 
Gehäuse  bleibt  nicht  nur  in  der  Form  ungeändert ,  sondern  auch  der  Zusammen- 
hang der  sehr  feinen  Kieselkörperchen,  aus  denen  die  Schale  zum  grössten  Theile 
besteht,  wird  nur  sehr  wenig  aufgelockert,  so  dass  es  einer  bedeutenden  Ein- 
wirkung bedarf,  um  denselben  aufzuheben.  Es  scheint,  wie  Schul  tze  richtig 
vermuthet ,  die  Kieselerde  ĂĽberhaupt  in  der  Zusammensetzung  der  Foraminiferen- 
schalen eine  grössere  Rolle  zu  spielen,  als  man  vermuthete.  Es  steht  nun  auch 
die  S  c  h  u  I  tze'sche  Beobachtung  der  Polymorphina  silicea  (Schul  tze  Poly- 
thalem.  p.  61,  T.  6,  F.  10,  11)  nicht  mehr  vereinzelt ,  sondern  dieselbe  Structur 
findet  sich  bei  sämmtlichen  Foraminiferen  mit  rauher  Schale  wieder.  Auch  die  Polymur- 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  1  T  1 

seltener  solche,  die  durch  Pyrit  vererzt  sind,  aus  welchem  mit- 
unter durch  einen  pseudomorphen  Oxydationsprocess  später  wieder 
Limonit  entstanden  ist.  Der  letzteren  (besonders  Textilaria  globi- 
fera  in.)  erwähnt  von  der  Marck  aus  dem  thonigen  unteren  Senon- 
mergel  und  ich  sah  dergleichen  (Nummulites,  Amphistegina  Haueri 
d'Orb.,  Textilaria  Poppelacki  Rss.  u.a.m.)  in  den  verschiedensten 
Tertiärschichten.  Nonionina  placeuta  Rss.  (Jahrb.  d.  deutschen 
geol.  Ges.  1851,  p.  72,  T.  5,  F.  33)  aus  den  Oligocänmergeln  von 
Freienwalde  und  Herinsdorf  stellt  beinahe  stets  aus  Limonit  beste- 
hende Steinkerne  dar.  Alle  diese  Erscheinungen  sind  nur  durch  eine 
Verdrängungspseudomorphose,  der  sich  in  der  Folge  manchmal 
noch  ein  pseudomorpher  Umwandlungsprocess  hinzugesellte,  entstan- 
den und  derselben  Gruppe  von  Erscheinungen  mĂĽssen  offenbar  auch 
die  totalen  oder  partiellen  Glaukonitpseudomorphosen  der  Fora- 
miniferen zugesellt  werden,  welche  man  so  häufig  in  den  Grünsanden 
antrifft.  Man  kann  dort  alle  Stufen  des  pseudomorphen  Processes 
beobachten,  bald  nur  theil weise  oder  totale  Steinkernbildung,  bald 
wieder  auch  Verdrängung  der  Kalkschale  durch  Glaukonitsubstanz. 
Durch  diese  Anschauungsweise  wird  aber  auch  der   Mangel  jeder 


phina  silicea  enthält  Kalkcarbonat,  wenu  auch  in  sehr  untergeordnetem  Verhält- 
nisse; denn  nach  der  Einwirkung'  von  Salzsäure  wird  die  Schale  porös  und  lässt 
sich  zerdrücken.  Der  ungelöste  Rückstand  besteht  aus  feinen  Kieselkörnchen  von 
verschiedener  Grösse,  deren  grössere  flach,  unregel massig  erscheinen,  wie  Schu  1  tze 
1.  c.  F.  11  deutlich  abbildet.  Diese  Kieselpartikeln  sind  aber,  schon  wegen  dieser 
constanten  Form,  nicht  etwa  Sandkörnchen,  die,  schon  fertig  gebildet,  von  dem  Thiere 
zur  Bildung  der  Schale  verwendet  werden,  wie  d'Orb  ign  y  von  einigen  Foraminiferen- 
arten  mit  sehr  rauher  Sehale,  z.  B.  Bigenerina  agglutinans,  Textularia  agglutinans,  un- 
richtigbehauptet ;  sie  werden  offenbar,  wie  der  kohlensaure  Kalk,  von  dem  Thiere  selbst 
abgesondert  und  bilden  einen  ursprĂĽnglichen  und  wesentlichen  Bestandteil  der 
Schale.  Ganz  anders  verhalten  sieh  die  Foraminiferen  mit  glasiger  oder  porzellanarti- 
ger Schale.  Diese  besteht,  so  lange  sie  nicht  etwa  durch  den  Versteinerungs- 
process  verändert  ist,  nur  aus  Kalkcarbonat  und  löst  sich  in  Säuren  vollkommen 
auf.  Bei  lebenden  Foraminiferen  bleiben  nach  der  Lösung-  organische  tnembranöse 
Theilchen  zurück,  zuweilen  zusammenhängend  und  noch  die  Gesammtform  der 
Kammerhöhlungen  darbietend,  oft  aber  schon  durch  die  bei  der  Lösung  statt- 
findende Gasentwickelimg  zerfallend.  Fossile  Foraminiferen  dagegen  hinterlassen 
nach  dem  Autlösen  wechselnde  Mengen  von  Kieselerde,  braunem  oder  rothem  Eisen- 
oxyd u.  s.  w.,  welche  die  Kaminerhöhlungen  theilweise  oder  ganz  erfüllen.  In  letz- 
terem Falle  erhält  man  vollkommene  innere  Schalenmodelle,  an  denen  mandieForm 
der  einzelnen  Kammern  und  ihren  Zusammenhang  durch  einzelne  oder  mehrfache 
Röhrencanäle  sehr  deutlich  beobachten  kann.  Fast  nie  sind  die  Kammerhöhlungen 
leer  oder  nur  mit  Kalkspath  erfĂĽllt. 


172  R  e  ii  s  s. 

innigem  notwendigen  Beziehung  zwischen  Glaukonit  und  den  orga- 
nischen Formen  der  Foraminiferen  dargethan.  Der  Glaukonit  tritt, 
gleich  der  Kieselerde,  dem  Schwefelkiese,  dem  Brauneisensteine 
u.  s.  w.  in  die  Beihe  der  zufälligen  Versteinerungsmittel  zurück  und 
die  demselhen  zugetheilte  Prärogative,  auf  unerklärbare  Weise  stets 
die  Form  der  Foraminiferen  annehmen  zu  mĂĽssen,  verschwindet  von 
selbst. 

Einer  der  wichtigsten  GegengrĂĽnde  liegt  endlich  auch  darin, 
dass  der  Glaukonit  auch  als  versteinernde  Substanz  anderer  grösserei* 
Fossilien  auftritt.  Herr  von  der  Marck  theilte  mir  gefälligst  lange, 
dünne,  beinahe  cylindrische  Körper  aus  dem  Griinsande  der  Tourtia 
von  Spelldorf  mit,  die  im  Innern  ganz  aus  amorpher  Glaukonitsubstanz 
bestehen,  äusserlich  aber  mit  einer  dünnen  unebenen  Schichte  ocheri- 
gen  Limonites  ĂĽberzogen  sind.  Da  wo  dieselbe  sich  absprengen  Hess, 
erkannte  man  deutlich  die  in  Längsreihen  rund  um  die  Stämmchen 
stehenden  ZellmĂĽndungen,  welche  die  Gattungen  Cellaria  und  Vin- 
cularia  charakterisiren,  ohne  dass  man  im  Stande  wäre,  die  Species 
näher  zu  bestimmen.  Es  geht  daraus  wohl  unzweifelhaft  hervor,  dass 
der  Glaukonit,  gerade  so  wie  Kieselerde,  Pyrit,  Markasit  und  viele 
andere  Mineralsubstanzen,  unter  günstigen  Umständen  Foraminiferen 
zu  versteinern  vermöge,  ohne  dass  man  behaupten  könnte,  dass 
aller  Glaukonit,  Pyrit,  Markasit  u.  s.  w.  organische  Form  an  sich 
trage.  Man  ist  daher  auch  nicht  berechtigt  zu  der  Ansicht,  dass  aller 
Glaukonit  des  Grünsandes  ganze  oder  dochfragmentäre  Steinkerne  von 
Foraminiferen  darstelle.  Bailey  (Silliman  Journ.  1856,  XXII,  p.  280 
bis  284)  bestätigt  zwar  die  Beobachtungen  Ehrenberg1s  über  die 
Polythamienkerne  im  Kalksteine  von  Alabama,  setzt  aber  ausdrĂĽcklich 
hinzu,  dass  viele  Glaukonitkörner  nicht  von  erkennbarem  organischem 
Ursprung  sind,  daher  wegen  ihrer  sehr  unregelmässigen  Gestalt 
nicht  von  Foraminiferen  abgeleitet  werden  können.  Dagegen  ist  er 
wohl  geneigt,  dieselben  sämmtlich  für  kieselige  oder  eisenkieselige 
Ausfüllungen  leerer  Bäume  in  organischen  Körpern,  welche  nachher 
selbst  zerstört  worden  sind,  zu  betrachten.  (Leonh.  u.  Br.  Jahrb. 
1851,  1,  p.  91,  92.) 

III.  Ăśber  die  Versteinerungen  des  Dilavialsandes  von  Hamm. 
Der  gefälligen  Mittheilung  sowohl  des  Herrn  Dr.  von  der  Marck 
in  Hamm,    als    auch   des  Hrn.  Dr.  Krantz    in   Bonn   verdanke  ich 


Die  Forstrainiferen  «ler  westphälischen  Kreideformation.  1  T3 

unter  andern  auch  eine  ansehnliche  Menge  des  schon  von  den  grobem 
Theilen  befreiten  Diluvialsandes  von  Hamm.  Obwohl  der  erstere  der 
genannten  Herren  in  seiner  Abhandlung  ĂĽber  die  Diluvial-  und  Allu- 
vialablagerungen im  Innern  des  Kreidebeckens  von  MĂĽnster  (in  den 
Verhandlungen  des  naturh.  Ver.  der  Rheinl.  u.  Westph.  XV.  Jahrg.) 
die  Versteinerungen  derselben  schon  ausfĂĽhrlich  verzeichnet  und 
besprochen  bat,  will  ich  doch  jene  organischen  Reste,  die  ich  selbst  in 
denselben  fand,  hier  zusammenstellen,  da  ich  doch  manche  schärfere 
Bestimmung  in  Beziehung  auf  die  Foraminiferenschalen  zu  geben  ver- 
mag, wenn  auch  die  Liste  von  der  Vollständigkeit  sehr  entfernt  ist 
und  den  Umständen  gemäss  sein  muss. 

Die  beobachteten  Petrefacten  sind  folgende: 

1.  Cornuspira  cretacea  Rss. 

2.  Nodosaria  lepida  m. 

3.  „         Zippei  Rss. 

4.  Dentalina  annulata  Rss. 

5.  „  cylindroides  m. 

6.  „  catennla  m. 

7.  „  oligostegia  Rss. 

8.  „  aculeata  d'  0  r  b. 

9.  „  foedissiuia  m.  (v.  d.  Marck  1.  c.  p.  56,  T.  1,  F.  13, 

mala  ic.) 

10.  Frondicularia  apicnlata  Rss. 

11.  „  Goldfussi  m. 

12.  „  marginata  Rss. 

13.  „  canaliculata  Rss. 

14.  „  strigillata    m.    (Fr.   Cordai   var.    lineolata  v.  d. 

Marck  1.  c.  p.  55,  T.  1,  F.  11.) 

15.  „  microdisca  m.  (Fr.  bicornis  (Rss.)  v.  d.  Marck 

1.  c.  p.  56,  T.  1,  F.  12.) 

16.  „  striatula  Rss. 

17.  „  angnsta  Nilss. 

18.  Rhabdogoninm  anomal  um  m. 

19.  Marginulina  ensis  Rss. 

20.  „  bacillnm  m. 

21.  „  armata  m. 

22.  Cristellaria  angnsta  Rss. 


174  R  e  u  s  s. 

23.  fristellaria  Marcki  Rss. 

24.  „  oligostegia  m. 

25.  „  rotulata  L  a  m.  sp. 

26.  Flabellina  rogosa  d'Orb. 

27.  „  Baudouiniann  d'  Orb. 

28.  „         cordata  Rss. 

29.  „         interpunctata  v.  d.  Marck  (I.  c.  p.  53,  T.  i,  F.  5). 

30.  Ilaplopliragmiiim  aequale  Rom.  sp. 

31.  „  irreguläre  Rom.  sp. 

32.  Lituola  nautiloidea  Lamk. 

33.  Rotalia  polyrraphes  Rss. 

34.  „       exsculpta  m. 
33.  Rosalina  niarginata  Rss. 

36.  Olobigerina  cretacea  d'Orb. 

37.  Buliuiina  variabilis  d'Orb. 

38.  „  Murchisoniana  d'Orb. 

39.  „  Puschi  Rss. 

40.  „  oYuluin  Rss. 

41.  „  Presli  Rss. 

42.  Verneailiua  MĂĽnster!  Rss. 

43.  Tritaxia  tricarinata  m. 

44.  ftaudryina  pnpoides  d'Orb. 

45.  „         rugosa  d'Orb. 

46.  Globalina  porrecta  m. 

47.  Textilaria  conulus  m. 

48.  „        concinna  Rss. 

49.  „        aneeps  Rss.  — 

50.  Tragos  globolaris  Rss.  (Kreideverst.  Böhm.  II,  p.  78,  79,  T.  20, 
F.  5).  Selten. 

51.  Cylindrische  StielstĂĽcke  von  Scyphia  pedunculata  Rss.  (I.  c.  II, 
p.  75,  T.  17,  F.  7—9). 

52.  Bourgucticrinus  ellipticus  d'Orb.  Häufige  Säulen-  und  Ann- 
glieder.  Fragmentäre  Kronen  sehr  selten. 

53.  Bruchstücke  von  Cidaritenstacheln,  die  aber  ihres  fragmentären 
Zustande»  wegen  nicht  mit  Sicherheit  bestimmbar  sind.  Sie 
dĂĽrften  wohl  von  C.  filamentosa  Ag. ,  C.  sceptvifera  Mant., 
C.  subvesiculosa  Ag.  (am  häufigsten),  C.  armata  Rss.  abstam- 
men.  C.  veslculosa  fand  ich  nicht. 


Die  Foraminiferen  der  westfälischen  Kreideformat/on.  175 

54.  Fragmente  von  anderen  unbestimmbaren  Cidaritenstacheln.  Meh- 
rere Arten. 

55.  Eschara  dichotoma  Goldf.  Sehr  selten. 

56.  „       Lamarcki  Hag.  ?  Selten. 

57.  „       ähnlich  der  E.  macrostoma  v.  Hag.  Sehr  selten. 

58.  „       ähnlich  der  E.  papyracea  v.  Hag.  Sehr  selten. 

59.  „       Atalanta  d'Orb.  ? 

60.  „       ähnlich  der  E.  striata  Goldf. 

61.  „  larcki  n.  sp.,  ähnlich  der  E.  Eryx  d'Orb.  (Pal.  frang. 
terr.  cret.  T.  628,  F.  11).  Alle  sehr  selten  und  meistens  abgerie- 
ben, so  dass  sie  keine  vollkommen  sichere  Bestimmung  gestatten. 

62.  Abgeriebene  BruchstĂĽcke  von  LunuUtes,  wohl  von  L.  Goldfussi 
v.  Hag.  Sehr  selten. 

63.  Vincularia  inicrostoma  n.  sp. 

64.  „         ähnlich  der  V.  procera  v.  Hag. 

65.  „         sp.  Alle  sehr  selten. 

66.  Echarites  (Melicerites)  inipressa  n.  sp.  Sehr  selten. 

67.  Myriozouin  cyclostomum  n.  sp.  Ebenfalls  sehr  selten. 

68.  Pnstnlipora  teiiuissinia  n.  sp. 

69.  Cricopora  antiqaa  De  fr.  sp.  (=  Cr.  annulata  Rss.).  Sehr 
selten. 

70.  Idmonea  sp.  Sehr  selten. 

71.  Crania  striata  Defr.  Sehr  vereinzelt. 

72.  Terebratulina  chrysalis  Schloth.  sp. 

73.  „  Fanjasi  Rom.  sp.  (Ist  gewiss  kein  Jugendzustand 
von  T.  striata.) 

74.  Schlossfragmente  eines  unbestimmbaren  Inoceramus.  Häufig. 

75.  Zahlreiche  BruchstĂĽcke  kleiner  Schalen  von  Ostrea  proteus 
Rss.  (1.  c.  I,  p.  41,  T.  27,  F.  12—27). 

76.  BruchstĂĽcke  und  Steinkerne  kleiner  gethĂĽrmter  Schnecken.  Sehr 
selten. 

77.  Deckel  einer  Bithynia. 

78.  Eine  kleine  Paludina. 

79.  Eine  kleine  Succinea. 

80.  Ein  Pisidium.  Die  letztgenannten  vier  Conchylien  sind  nicht 
fossil. 

81.  Beleuinitella  qnadrata  d'Orb.  ziemlich  häufig,  meist  in  Bruch- 
stĂĽcken. 


176  I«   e  ii  s  s. 

82.  Serpula  flnctnata  Sow.  Seltene  BruchstĂĽcke. 

83.  „  subtorquata  v.  Mst. ,  aber  schwachkantig,  ganz  über- 
einstimmend mit  der  Beschreibung  von  Römer  und  den  Exem- 
plaren aus  der  böhmischen  Quadratenkreide  (Plänermergel). 

84.  Serpula  omatissima  n.  sp.   Sehr  selten. 

85.  Bairdia  snbdeltoidca  v.  Mst.  sp. 

86.  Kleine  unbestimmbare  Fischwirbel, 

87.  Kleine  Haifischzähne  ohne  Wurzel,  ähnlich  Scoliodon. 

88.  Fragmente  kleiner  Haifischzähne,  vielleicht  von  Oxyrrhina 
Mantelli  A  g. 

89.  Odontaspis  raphiodon  Ag.  Kleine  Zähne. 

90.  Fragmente  kleiner  Flossenstachel  eines  Spinaxt 
Sämmtliche  hier  autgezählte  Petrefacten  stammen  aus  der  Kreide- 
formation. Dieselben  sind  also,  wenn  sie  auch,  wie  die  von  Dr.  von 
derMarck  gegebenen  Listen  ausser  Zweifel  setzen,  mit  organi- 
schen Resten  anderer  Formationen,  besonders  der  devonischen,  des 
Jura  und  des  Wälderthones  gemengt  vorkommen,  offenbar  in  vor- 
wiegender Zahl  vorhanden,  was  in  der  unmittelbaren  Nähe  mächtig 
anstehender  Kreidegesteine  seine  ungezwungene  Erklärung  findet. 
Die  nähere  Betrachtung  der  namhaft  gemachten  Versteinerungen 
lehrt  uns  aber  auch,  dass  es  vorzugsweise  jĂĽngere  Kreideschichten 
sind,  die  dem  Diluvialsande  das  organische  Material  geliefert  haben. 
Nehmen  wir  die  49  Foraminiferen-Species,  fĂĽr  welche  die  unter- 
suchten Foraminiferen  der  anstehenden  Kreidegesteine  Westphalens 
ein  sehr  willkommenes  Material  zur  Vergleicbung  darbieten,  zum 
Ausgangspunkte.  6  Arten,  die  bisher  nur  aus  dem  Diluvialsande 
von  Hamm  bekannt  sind,  mĂĽssen  dabei  ausgeschieden  werden,  so 
dass  nur  43  Arten  zur  Vergleicbung  erĂĽbrigen.  Von  denselben  sind 
10  nur  in  den  Mucronatenschichlen  theils  Westphalens,  theils 
auch  anderer  Länder  gefunden  worden;  11  Arten  zugleich  im  oberen 
und  unteren  Senonien,  9  nebst  diesen  beiden  Etagen  auch  noch 
im  Cenomanien;  7  Species  gehen  vom  oberen  Senon  selbst  bis  in 
den  Gault  hinab.  FĂĽnf  Arten  sind  zwar  in  Westphalen  bisher  nur  im 
Diluvialsande  angetroffen  worden,  kommen  aber  ausserhalb  des  unter- 
suchten Terrains  auch  in  der  Kreideformation  vor,  und  zwar  zwei 
Arten  in  den  Mucronatenschichten,  3  in  der  Quadratenkreide  und  im 
Pläner.  Zwei  Species  hat  der  Diluvialsand  von  Hamm  nur  mit  den 
Quadratenschichten  gemein.  Die  eine  derselben  kehrt  aber  ausserhalb 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  177 

Westphalens  in  allen  Kreidegliedern  vom  oberen  Senon  bis  zum 
Cenomanien  herab  wieder. 

Es  ergibt  sich  aus  dem  eben  Vorgetragenen,  dass  von  43  Fora- 
miniferenarten  40  zugleich  in  den  Mucronatenschichten  liegen,  32 
in  der  Quadratenkreide.  Es  dĂĽrfte  dadurch  wohl  der  Schluss  gerecht- 
fertigt erscheinen,  dass  die  im  Diluvium  von  Hamm  begrabenen  Fora- 
miniferen fast  sämmtlich  den  in  der  Nachbarschaft  anstehenden  und 
weit  verbreiteten  oberen  und  unteren  Senonschichten  entnommen 
sind.  Dass  sie  nicht  aus  der  Ferne  herbeigeführt  worden  sein  können, 
geht  aus  dem  guten  Erhaltungszustände  der  so  kleinen  und  zerbrech- 
lichen Schalen  mit  der  grössten  Wahrscheinlichkeit  hervor. 

Zu  ganz  analogen  Resultaten  gelangt  man,  wenn  man  die  ĂĽbri- 
gen Petrefacten  des  Diluviums  von  Hamm,  die  freilich  viel  weniger 
vollkommen  erhalten  sind,  in  das  Auge  fasst.  Ich  sehe  jedoch  von 
der  weiteren  Vergleichung  ab,  da  vorzugsweise  nur  die  Foraminiferen 
den  Gegenstand  der  vorliegenden  Abhandlung  bilden. 

IV.  Specielle  Beschreibung  der  neuen    oder  unvollständig  bekannten 

Foraminiferen. 

A.  Monothalamia. 
Cormispiriclae  S  c  h  u  1 1  z  e. 

Cornuspira  Jfi»  Schultze* 

1.  C.  cretaceaRss.  (OpercuUna  er.  Reuss.  Verstein.  d.  böhm. 
Kreideform.  p.  35 ,  T.  13,  F.  64,  65).  —  T.  I,  F.  1.  —  0-6—1-6 
Millim.  gross,  dünn  scheibenförmig,  im  Umfange  kreisrund,  seltener 
durch  Verlängerung  nach  einer  Richtung  breit  elliptisch.  10 — 15  in 
einer  Ebene  spiral  aufgerollte,  wenig  gewölbte,  durch  deutlicheNäthe 
gesonderte  Umgänge,  die  nur  wenig  involut  sind,  so  dass  jede  auf 
der  Innenseite  nur  eine  schwache  Längsfurche  zeigt,  welche  die 
nächstvorhergehende  Windung  aufnimmt.  Die  innersten  Umgänge 
sind  sehr  dĂĽnn  und  schmal;  nach  aussen  nehmen  sie  sehr  langsam 
au  Rreite  zu.  Nur  die  äusserste  wird  schnell  beinahe  doppelt  so  breit 
als  die  vorletzte  und  stärker  involut.  Zugleich  aber  werden  die 
Windungen  nach  aussen  dicker,  wodurch  das  Gehäuse  in  der  Mitte 
beiderseits  viel  dünner  erscheint,  als  an  den  Rändern,  und  eine  seichte, 
schüsseiförmige  Vertiefung  darbietet.  Die  letzte  Windung  zieht  sich 


178  n  e  u  s  s. 

dem  Endo  zunächst  beträchtlich  zusammen  und  die  Mündung  erscheint 
dadurch  bedeutend  verengert. 

Die  Schalenoberfläche  zeigt  gewöhnlich  ziemlich  regelmässige, 
stärkere  und  schwächere  Anwachsringe. 

Fundorte:  Im  westphälischen  Kreidegebirge  sehr  verbreitet. 
In  den  oberen  Senonmergeln  vom  Kurkenberg  und  Herrensteinberg 
bei  Hamm,  von  Dolberg  bei  Beckum,  Hilgenberg  bei  Hamm;  in  den 
unteren  Senonmergeln  von  UedinghofF  bei  Hamm,  vom  Rhynerberg, 
Bergeamen,  Hamm  und  von  Ostheide  bei  Hamm;  im  Pläner  von 
Opherdieke  bei  Unna;  im  Gault  von  Rheine;  im  Diluvialsande  von 
Hamm.  Überdies  nicht  häufig  im  Bakulitenthon  von  Luschitz  und 
Priesen  in  Böhmen;  im  Minimusthon  von  Eilum,  im  Milletianusthon 
von  Klein-Lopke  bei  Hildesheim  und  im  Tardefurcatusmergel  von 
Quitzen  bei  Quarum. 

B.  Polythalamia. 
I.  Stichostegia  d'Orb. 

a)  Nodosaridae. 
Nodosaria  d'Orb. 

1.  N.  lepida  m.  —  T.  I,  F.  2.  —  Länge  =  1-316  Millim., 
Dicke  =  0*365  Millim.  Das  kurze,  verhältnissmässig  dicke  Gehäuse 
besteht  aus  6 — 7  rosenkranzartig  aneinander  gereihten,  nach  oben 
langsam  an  Dicke  zunehmenden  gewölbten  Kammern,  welche  etwas 
breiter  als  hoch  und  durch  tiefe  Näthe  getrennt  sind.  Die  erste 
Kaminer  ist  klein,  stumpf  und  ohne  Stachel.  Die  letzte  fast  kugelig, 
etwas  höher  und  dick,  mit  kurzem  centralen  Schnabel  und  gestrahl- 
ter Mündung.  Die  Sehale  glasig  glänzend. 

Sehr  selten  im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei 
Hamm  und  im  Diluvialsand  von  Hamm. 

2.  N.  concinna  m.  —  T.  1 ,  F.  3.  —  Länge  =  1-536  Millim., 
Dicke  =  0-523  Millim.  Steht  der  vorigen  Species  wohl  nahe,  unter- 
scheidet sich  aber  durch  nur  vier  gewölbte  grössere  Kammern,  die 
höher  als  breit  sind.  Die  erste  trägt  einen  sehr  kurzen  Central- 
stachel;  die  letzte  ist  besonders  gross  und  gewölbt,  und  zieht  sich 
rasch  zu  einer  sehr  kurzen  dicken  Spitze  zusammen.  Die  MĂĽndung 
ist  ebenfalls  gestrahlt,  die  Schaleuobertläche  glatt  und  glänzend. 


Die  Foraminiferen  der  westphiilischeii  Kreideformatron.  170 

Von  der  sehr  ähnlichen  N.  limbata  d'Orb.  ans  der  weissen 
Kreide  von  Meudon  (Mein,  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV.  I,  1840, 
p.  12,  T.  1 ,  F.  1)  unterscheidet  sie  sich  durch  den  Mangel  des 
Nathsaumes. 

Sehr  selten  in  den  Obersenonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm. 

3.  N.  nana  m.  —  T.  I,  F.  6.  —  Eine  sehr  kleine,  kurze,  ver- 
hältnissmässig  dicke  Species.  Das  grösste  Exemplar  misst  nur 
0-585  Millim.  in  der  Länge,  0*219  in  der  Breite.  Drei  Kammern, 
deren  unterste  am  dicksten,  fast  kugelig  ist  und  in  eine  kurze  Cen- 
tralspitze  ausläuft.  Die  zweite  längste  ist  etwas  länger  als  breit  und 
wird  von  den  beiden  Endkammern  durch  massig  tiefe  Näthe  geson- 
dert. Die  letzte  kleinste  läuft  in  eine  kurze  Spitze  aus.  Über  das 
Gehäuse  verlaufen  8 — 9  schmale  niedrige  Längsrippen ,  die  durch 
doppelt  breitere  flache  Zwischenräume  geschieden  werden. 

Sehr  selten  im  obersten  Gault  von  Rheine. 

4.  N.  intercostata  m.  —  T.  I,  F.  4.  —  Länge  :  1  -373  Millim., 
Breite  :  0-329  Millim.  Ähnelt  einigermassen  der  mitteltertiären  N. 
bacillum  Defr.  (d'Orbigny,  Foram.  foss.  du  bass.  tert.  de  Vienne, 
p.  40,  T.  1,  F.  40—47). 

Das  nicht  sehr  lange,  schlanke  Gehäuse  nimmt  nach  aufwärts 
nur  wenig  an  Dicke  zu,  ist  beinahe  cylindrisch.  Die  ungleichen,  meist 
niedrigen  Kammern  sind  nur  durch  seichte  Näthe  gesondert.  Die 
erste,  unten  mit  einer  kurzen  Stachelspitze  bewaffnete  ĂĽbertrifft 
die  nächstfolgende  an  Grösse  nur  wenig;  die  letzte  endet  in  einen 
kurzen  centralen  Schnabel.  Über  sämmtliche  Kammern  verlaufen 
5  —  6  schmale  niedrige  Längsrippen,  deren  je  zwei  stets  eine  noch 
feinere  zwischen  sich  haben. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm. 

5.  N.  duplicicostata  m.  —  T.  I,  F.  5.  —  Länge  :  0-921  Millim., 
Breite  :  0*148  Millim.  Eine  kleine  schlanke  Species  von  spindelför- 
miger Gestalt,  an  beiden  Enden  beinahe  gleichförmig  zugespitzt.  Es 
lassen  sich  nur  drei  Kammern  unterscheiden.  Die  erste  ist  die 
längste,  —  wenigstens  vermochte  ich  selbst  bei  durchfallendem 
Lichte  keine  weitere  Theilung  daran  wahrzunehmen.  —  Sie  ist 
gleich  der  letzten  zugespitzt.  Die  mittlere  kĂĽrzeste  ist  doch  noch 
bedeutend  höher  als  breit.    Die  Näthe  sind  sehr  seicht.    Über  die 


J80  R  e  u  s  s. 

Schale  verlaufen  4 — 5  stärkere  und  dazwischen  eben  so  viele  weit 
schwächere  Längsrippchen,  die  bis  zur  unteren  Spitze  des  Gehäuses 
herabreichen,  die  obere  Hälfte  der  letzten  Kammer  aber  frei  lassen. 
Sehr  selten  in  den  unterhalb  des  GrĂĽnsandes  liegenden  Schich- 
ten des  Gault  von  Rheine. 

6.  N.  obscora  Rss.  (Verstein.  der  böhm.  Kreideform.  p.  26, 
T.  13,  F.  7—9.) 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm  und  im  Grünsande  des  Gault  von  Rheine.  —  Gemein  im 
Baculitenmergel  vonLuschitz,  selten  in  jenem  vonKystra  in  Böhmen, 
in  der  weissen  Kreide  von  Kent  und  im  lower  chalk  von  Dover.  Nach 
Morris  soll  sie  auch  im  Gault  von  Folkstone  und  im  GrĂĽnsand  von 
Warminster  vorkommen. 

7.  N.  prisinatica  m.  —  T.  II,  F.  2.  —  Ähnlich  der  N.  Zippei  Rss. 
aus  dem  böhmischen  Pläner  (Reuss,  Verstein.  d.  böhm.  Kreideform. 
p.  2ö,  T.  8,  F.  1 — 3)  und  der  N.  polygona  Rss.  aus  den  Kreide- 
schichten von  Wichmannsdorf  und  Basdorf  in  Mecklenburg  (Zeitschr. 
d.  deutschen  geol.  Gesellschaft  1855,  p.  265,  T.  8,  F.  7,  8)  u.  a.  m. 

Das  Gehäuse  ist  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  beinahe  gleich 
dick.  Die  erste  Kammer  nur  wenig  länger  und  schmäler  als  die 
letzte,  von  derselben  Gestalt  und  beide  in  eine  kurze  Spitze  aus- 
laufend. Die  übrigen  Kammern  sind  kaum  gewölbt,  wenig  breiter  als 
hoch  und  nur  durch  schwache  vertiefte  Linien  gesondert.  Ăśber  alle 
Kammern  laufen  6  sehr  regelmässige  schmale,  am  Rücken  gerun- 
dete Längsrippen  herab,  die  durch  viel  breitere,  ebene  Zwischen- 
räume getrennt  sind.  Die  die  Mündung  tragende  Spitze  der  letzten 
Kammer  ist  glatt. 

Sehr  selten  in  den  obersten  Gaultschichten  von  Rheine. 

8.  N.  Zippei  Rss.  (Verstein.  d.  böhm.  Kreideform.  I,  p.  25, 
T.  8,  F.  1 — 3).  Selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges 
und  Westberges  bei  Hamm  u.  a.  0.,  im  Diluvialsande  von  Hamm. 
Sehr  häufig  im  Pläner  von  Kosstitz  u.  a.  0.  in  Böhmen;  seltener, 
aber  ebenfalls  weit  verbreitet  in  den  böhmischen  Bakulitenthonen; 
in  der  weissen  Kreide  und  im  lower  chalk  Englands. 

9.  N.  inflatti  Rss.  (Verstein.  d.  böhm.  Kreideform.  I,  p.  25,  T.  13, 
F.  3,  4  —  Zeitschr.  d.  deutsch,  geol.  Ges.  1855,  p.  263,  T.  8, 
F.  2 — 4).  Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgen- 
berges bei  Hamm.  —  Sehr  selten  im  Bakulitenthone  von  Luschitz 


Die  Foraminiferen  der  westfälischen  Kreideformation.  1  <S  1 

in  Böhmen;  nicht  selten  in  den  Kreideschichten  von  Basdorf  und 
Wichmannsdorf  in  Mecklenburg. 

10.  N.  tetragona  m.  —  T.  II,  F.  1.  —  Diese  Species  ist  durch  ihr 
vierkantiges  Gehäuse  von  allen  bekannten  lebenden  und  fossilen  Arten 
verschieden.  Das  verlängerte  Gehäuse  nimmt  nach  oben  nur  wenig 
und  langsam  an  Dicke  zu  und  ist  an  beiden  Enden  kurz  zugespitzt. 
Die  Begrenzung  der  beinahe  eben  so  hohen  als  breiten  Kammern  ver- 
räth  sich  äusserlich  nur  durch  sehr  feine,  undeutliche  Linien;  im 
untersten  Tbeile  des  Gehäuses  ist  sie  gar  nicht  wahrnehmbar.  Die 
Kammern  sind  scharf  vierkantig  mit  eingebogenen  Seitenflächen, 
so  dass  vier  scharfe  Längsrippen  über  die  Seitenkanten  des  quadra- 
tischen Gehäuses  herabzulaufen  scheinen.  Die  Schalenoberfläche  ist 
eben,  aber  nicht  glänzend.  Jedoch  könnte  dies  auch  durch  spätere 
Einwirkung  lösender  Substanzen  bedingt  sein. 

Sehr  selten  im  GrĂĽnsande  des  Gault  von  Rheine. 

Itentalhia  ĂĽ"  0  r  b. 

Die  Arten  dieser  Gattung  sind  von  Nodosaria  keineswegs  scharf 
abgegrenzt.  So  sehr  sich  die  exquisiten  Formen  beider  auch  von 
einander  zu  unterscheiden  scheinen,  so  werden  dieselben  doch 
durch  eine  grosse  Menge  vermittelnder  Zwischenformen  zu  einer 
ununterbrochenen  Reihe  verbunden.  Die  sehr  wechselnde  KrĂĽm- 
mung des  Gehäuses,  die  grössere  oder  geringere  Excentricität  der 
die  Mündung  tragenden  Verlängerung  der  letzten  Kammer  bringen 
die  mannigfachsten  Modificationen  in  der  Gestalt  der  Dentalinen 
hervor  und  führen  ganz  allmählich  und  unmerklich  zu  den  echten 
Nodosarien  mit  gerade  gestreckter  Schale  und  centraler  MĂĽndung. 

Die  westphälischen  Kreidegebilde  sind  sehr  reich  an  Arten  der 
Gattung  Dentalina.  Ich  kenne  ihrer  bisher  28,  von  denen  bei  wei- 
tem die  Mehrzahl  den  glatten  meist  sehr  indifferenten  und  schwer 
unterscheidbaren  Formen  angehören.  Nur  drei  sind  längsgerippt; 
zwei  Arten  tragen  Stacheln  oder  unregelmässige  Höcker. 

1.  D.  acuminata  m.  —  T.  I,  F.  7  —  Länge  :  3-29  Millim., 
Breite  :  0-577  Millim.  Lang  dolchförmig,  gerade,  sich  nach  abwärts 
allmählich  bis  zur  Spitze  verschmälernd.  Die  Kammern  zahlreich 
(bis  16).  Die  untersten  sehr  klein  und  nur  undeutlich  gesondert. 
Nach  oben  nehmen  sie  allmählich  an  Breite  zu,  bleiben  aber  immer 
breiter   als    hoch ,    sehr   wenig    gewölbt    und    durch   nur   schwach 


J$2  R  e  u  s  s. 

eingedrückte  Näthe  begrenzt.  Die  letzte  Kammer  gross  und  gewölbt, 
in  eine  kurze  und  dünne  excentrische,  weit  rückwärts  stehende 
Spitze  auslaufend.  Eine  schmale  aber  tiefe  Nath  trennt  dieselbe  von 
der  nächstälteren  Kammer.  Die  Schale  glasig  glänzend.  Sehr  selten 
in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei  Hamm. 

2.  D.  snbrecta  m.  —  T.  I,  F.  10.  —  Länge  :  1  -39  Millim.,  grösste 
Breite  :  0'335  Millim.  Der  vorigen  Species  ähnlich,  nur  durch  gerin- 
gere Länge  des  Gehäuses,  weniger  zahlreiche  Kammern,  das  stum- 
pfere untere  Ende  und  tiefere  Näthe  verschieden. 

Die  gerade  Schale  verschmälert  sich  abwärts  allmälig  und  endigt 
mit  sehr  stumpfer  Spitze.  Die  ältesten  Kammern  sind  äusserlich 
nicht  von  einander  geschieden.  Die  ĂĽbrigen  jedoch  werden  durch 
schmale  aber  ziemlich  tiefe  Näthe  abgegrenzt.  Die  letzte  Kammer 
kugelig  mit  kurzer,  beinahe  an  der  RĂĽckenseite  stehender  Spitze  und 
gestrahlter  Mündung.  Schale  glasig  glänzend. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm,  im  Pläner  und  im  obersten  Gault  von  Rheine. 

3.  Dcntalina  megalopolitana  Rss.  (Zeitschr.  d.  deutschen  geol. 
Ges.  1855,  p.  267,  T.  8,  F.  10).  Sehr  selten  im  oberen  Senon- 
mergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm.  —  Sehr  selten  im  Kreidekalke 
von  Basdorf  in  Mecklenburg. 

4.  D.  annolata  Rss.  (Die  Kreideverst.  Böhm.  I,  p.  27,  T.  8, 
F.  4,  67;  T.  13,  F.  21.  —  Reuss  in  Haidinger's  naturwiss.  Ab- 
handl.  IV.  1,  p.  26,  T.  1,  F.  13).  In  den  oberen  Senonmergeln  des 
Hilgenberges  bei  Hamm  und  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Sehr 
verbreitet  im  Bakulitenthone  und  Pläner  Böhmens,  in  dem  Mucronaten- 
mergel  von  Lemberg ;  im  Ananchytenmergel  zwischen  Astfeld  und 
Jenstedt;  im  obern  Pläner  aus  dem  Bohrloche  in  Liebenburg  bei 
Salzgitter;   im  Kreidemergel  des  tiefen  Grabens  im  Gosauthale. 

5.  D.  tenuicaadata  m.  —  T.  II ,  F.  3.  —  Länge  :  139  Millim., 
Dicke  :  0-201  Millim.  Ist  im  Habitus  der  tertiären  D.  elegans  d'Orb. 
(Foram.  du  bass.  tert.  de  Vienne  p.  43,  T.  1 ,  F.  52  —  56)  ähnlich, 
weicht  aber  durch  den  Mangel  des  unteren  Stachels  und  die  Grösse 
der  letzten  Kammer  davon  ab. 

Das  gebogene  Gehäuse  nimmt  nach  unten  sehr  regelmässig  an 
Dicke  ab  und  endigt  mit  dünner  Spitze.  Die  zahlreichen  (11  — 12) 
Kammern  wenig  gewölbt,  nicht  viel  höher  als  breit,  durch  seichte 
Näthe  geschieden.  Die  erste  Kammer  sehr  klein,  die  letzte  gross, 


Die  Foraminiferen  der  westphiilischen  Kreideformation.  183 

eiförmig,  mit   stumpfer,    beinahe   centraler   Spitze.    Die   Mündung 
gestrahlt,  die  Schalenoberfläche  glänzend  glatt. 

Sehr  selten  in  den  unteren  Senonmergeln  von  Ostheide  bei 
Hamm. 

6.  D.  commotata  m.  —  T.  II,  F.  4.  —  Länge:  1243  Millim., 
grösste  Dicke  :  0226  Millim.  Der  D.  plebeja  Rss.  und  D.  megalo- 
politana  R  ss.  aus  der  obern  Kreide  von  Rasdorf  in  Mecklenburg 
(Zeitschr.  d.  deutschen  geol.  Ges.  1855,  p.  267,  T.  8,  F.  9  und  10) 
ähnlich,  aber  von  beiden  verschieden. 

Das  Gehäuse  oben  ziemlich  dick,  nach  abwärts  sich  zur  scharfen 
Spitze  verschmälernd,  massig  gebogen.  Dadurch,  dass  die  Kammern 
auf  der  Rauchfläche  mehr  gewölbt  sind  als  auf  der  Rückenseite, 
wird  dasselbe  sehr  ungleichseitig.  Während  die  Rückenseite  eine 
beinahe  gerade  Linie  darstellt,  ist  die  Rauchseite  viel  stärker  ge- 
bogen. 

Die  Kammern  sind  etwas  breiter  als  hoch,  nur  die  letzte  ver- 
längert, schief  eiförmig.  Die  unteren  Näthe  erscheinen  als  kaum 
vertiefte  Linien,  nur  die  obersten  bilden  seichte  Furchen.  Die  MĂĽn- 
dung sitzt  auf  einer  weit  gegen  die  RĂĽckenseite  der  Schale  gerĂĽckten 
Spitze  der  letzten  Kammer  und  ist  mit  einem  Strahlenkranze  umge- 
ben. Die  Oberfläche  der  Schale  glasig  glänzend. 

Sehr  selten  in  den  obersten  Schichten  des  Gault   von  Rheine. 

7.  D.  pugiuucalas  m.  —  T.  III,  F.  9.  —  Ist  der  D.  fiiiformis 
Rss.  verwandt,  jedoch  kürzer,  und  verschmälert  sich  nach  abwärts 
rascher  zur  Spitze.  Die  erste  Kammer  sehr  klein,  die  folgenden 
allmählich  an  Grösse  zunehmend,  kurz  elliptisch,  nicht  viel  höher  als 
breit,  kaum  gewölbt.  Die  Näthe  sehr  seicht.  Die  Schalenoberfläche 
glatt. 

Von  dieser  Species  liegen  nur  grössere  und  kleinere  Rruck- 
stĂĽcke  vor,  denen  allen  die  letzte  Kammer  fehlt.  Sie  stammen  aus 
den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges. 

8.  D.  cognata  m.  —  T.  I,  F.  9.  —  Verwandt  der  D.  oligostegia 
Rss.  (Verstein.  d.  böhm.  Kreideform.  I,p.27,  T.  13,  F.  19,20),  aber 
durch  die  grössere  Anzahl  und  die  Form  der  Kammern  verschieden. 
Länge:  2-78  Millim.,  grösste  Dicke:  0-548  Millim.  Gehäuse  sehr 
schwach  gebogen  und  im  Vergleiche  zur  Länge  ziemlich  dick.  4 — 6 
massig  gewölbte,  durch  ziemlich  tiefe  Einschnürungen  gesonderte 
Kammern.  Die  erste  ist  beinahe  kugelig  und  läuft  am  untern  Ende  in 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  8.  13 


184  R  e  u  s  s. 

eine  kurze  Spitze  aus.  Die  übrigen  sind  etwas  höher  als  breit.  Ihre 
grösste  Wölbung  fällt  in  die  untere  Hälfte;  nach  oben  hin  verdünnen 
sie  sich  allmählich  etwas.  Die  letzte  Kammer  spitzt  sich  oben  schräge 
zu  und  endigt  in  einer  kurzen  dicken,  etwas  excentrischen  Spitze. 
Die  Schalenoberfläche  glatt  und  glasig  glänzend. 
Selten  in  Gesellschaft  der  vorigen  Species. 

9.  D.  distincta  m.  —  T.  II,  F.  5.  —  Länge :  0-877  Millim. ,  grösste 
Dicke:  0-182  Millim.  Ist  der  vorigen  Species  wohl  verwandt,  aber 
durch  weniger  gewölbte  Kammern,  seichtere  Näthe,  die  schiefere 
letzte  und  die  viel  längere  erste  Kammer  davon  hinreichend  ver- 
schieden. 

Erwachsene  Exemplare  bestehen  aus  vier  sehr  verschieden 
gestalteten  Kammern,  die  durch  breite,  aber  wenig  tiefe  Näthe 
geschieden  werden.  Die  erste  Kammer  ist  grösser  als  die  zwei  nächst 
folgenden,  elliptisch,  gewölbt,  unten  sehr  schwach  zugespitzt.  Die 
zweite  und  dritte  Kammer  sind  wenig  gewölbt,  etwas  höher  als  breit. 
Die  letzte  sehr  gross,  schief-elliptisch,  besonders  an  der  Bauchseite 
convex,  oben  in  eine  schiefe  excentrische  Spitze  auslaufend,  welche 
die  gestrahlte  Mündung  trägt.  Die  Schalenoberfläche  glatt,  glänzend. 

Sehr  selten  in  den  obern  Gaultschichten  von  Rheine  und  (?)  in 
den  unteren  Senonmergeln  von  Ostheide  bei  Hamm. 

10.  D.  discrepims  m.  —  T.  III,  F.  7.  —  Länge:  1-975  Millim., 
grösste  Dicke  :  0-438  Millim.  Diese  Species  ist  durch  die  auffallende 
Ungleichheit  der  Kammern ,  die  noch  bedeutender  ist  als  bei 
D.  distincta  m.  und  bei  D.  dispar  Rss.  aus  dem  Septarienthoue 
von  Hermsdorf  (Zeitschr.  d.  deutschen  geol.  Ges.  1851, 1,  p.  61,  T.  3, 
F.  7)  von  allen  verwandten  Arten  verschieden. 

Das  kurze,  dicke  und  sehr  wenig  gebogene  Gehäuse  besteht 
nur  aus  drei  Kammern.  Die  erste  endigt  unten  in  einen  kurzen 
Centralstachel,  ist  aber,  gleich  der  zweiten,  die  beiläufig  eben  so 
lang  als  breit  ist,  cyliudrisch.  Die  letzte  Kammer  ist  länger  als  die 
beiden  andern  zusammengenommen,  lang  eiförmig  und  zieht  sich  zu 
einer  dicken,  etwas  schief  nach  rückwärts  gerichteten  Spitze  zusam- 
men;  die  Näthe  tief;  die  Schalenoberfläche  glasig  glänzend. 

Sehr  selten  in  den  untern  Senonmergeln  von  Ostheide  bei  Hamm. 

11.  D.  Ulli  Rss.  (Reu ss  in  Hai  ding er's  naturwiss.  Ahhdl. 
IV.  I.  p.  25,  T.  1,  F.  11.)  Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln 
des    Hilgenberges    bei    Hamm.    —   In    den    Mucronatenmergeln    von 


Die  Fora  mini  Coro  n  der  westphälischen  Kreidefonnation.  Iö5 

Lemberg  in  Galizien;  im  Kreidemergel  vor  dem  Clever  Thore  von 
Hannover. 

12.  D.  marglnuloides  Rss.  (1.  c.  IV.  p.  25,  T.  1,  F.  12).  Sehr 
selten  in  Gesellschaft  der  vorigen  Species  an  den  vorbezeichneten 
Fundorten. 

13.  D.  cvlindroides  m.  —  T.  I,  F.  8.  —  Länge:  241  Millim., 
grösste  Dicke :  0-497  Millim.  Kurz  und  verhältnissmässig  dick, 
walzenförmig,  wenig  gebogen,  an  beiden  Enden  zugespitzt.  Wenige 
(4)  beinahe  cylindrische,  nur  durch  sehr  seichte  EinschnĂĽrungen 
gesonderte  Kammern,  von  denen  die  mittleren  zwei  nur  wenig  höher 
als  breit  sind.  Die  MĂĽndung  auf  einer  kurzen  excentrischen  Spitze. 
Die  Schale  glasig  glänzend. 

Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenbergs  bei  Hamm,  im  unteren 
Senonien  vom  Rhynerberg,  im  Minimusthone  von  Rheine.  —  Auch 
im  Minimusthone  aus  dem  Bohrloch  Nr.  2  in  der  Heininger  Ziegelei 
bei  Salzgitter.  Im  Diluvialsande  von  Hamm. 

14.  D.  catenula  m.  —  T.  III,  F.  6.  —  Länge:  19  Millim., 
grösste  Dicke:  0*38  Millim.  Unterscheidet  sich  von  der  sehr  ähn- 
lichen D.  cylindroides  durch  die  tiefer  eingeschnürten  Näthe,  so 
wie  durch  die  deutlicher  zugespitzte  erste  Kammer.  Das  nur  wenig 
gebogene  Gehäuse  besteht  nur  aus  vier  massig  und  gleichförmig 
gewölbten,  beinahe  elliptischen  Kammern,  deren  erste  eine  kurze 
Centralspitze  trägt.  Die  letzte  verschmälert  sich  zur  kurzen ,  stark 
excentrischen  Spitze  mit  gestrahlter  Mündung.  Die  Näthe  tief.  Die 
Schale  glasig  glänzend. 

Sehr  selten  in  den  Obersenonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm,  in  dem  unteren  Senonien  von  Hamm  und  von  Ostheide,  in  den 
obersten  Gaultschichten  von  Rheine  und  im  Diluvialsande  von  Hamm. 

15.  J).  strangulata  m.  —  T.  II,  F.  6.  —  Der  vorigen  Species 
wohl  sehr  ähnlich ,  aber  durch  die  nicht  zugespitzte  erste  Kammer 
und  die  bedeutendere  Grösse  der  schlankeren  und  längeren  Kammer 
wesentlich  unterschieden.  Länge:  1-097  Millim.,  grösste  Breite: 
0-182  Millim.  Das  wenig  gebogene  Gehäuse  besteht  aus  vier  ellip- 
tischen ,  massig  gewölbten  Kammern ,  deren  erste  unten  stumpf 
gerundet  ist,  die  letzte  in  eine  ziemlich  lange,  wenig  excentrische 
Spitze  ausläuft.  Alle  sind  höher  als  breit,  durch  tiefe  Näthe  geschie- 
den. Ein  feiner  Strahlenkranz  umgibt  die  MĂĽndung.  Die  Schalen- 
oberfläche glatt,  glänzend.  Sehr  selten  im  obersten  Gault  von  Rheine 

13* 


186  R  e  u  s  s. 

16.  D.  oligostegia  Rss.  (Verst.  d.  böhm.  Kreideform.  I,  p.  27, 
T.  13,  F.  19,  20.  —  Haidinger's  naturwiss.  Abhdl.  IV.  1,  p.  25, 
T.  1,  F.  10).  Selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges 
bei  Hamm  und  im  Diluvialsande  bei  Hamm.  —  Nicht  selten  in  den 
böhmischen  Bakulitenthonen  von  Luschitz,  Brozan  u.a.;  sehr  selten 
in  den  Mucronatenmergeln  von  Lemberg  in  Galizien;  im  Kreide- 
detritus  von  Charing  (England). 

17.  D.  Lorneiana  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV.  1, 
p.  14,  T.  1,  F.  8,  9).  Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des 
Hilgenberges  und  in  den  unteren  Senonmergeln  von  Ostheide  bei 
Hamm.  —  Ebenso  im  Pläner  von  Kosstitz  und  in  den  Bakulitenthonen 
von  Luschitz,  Kautz ,  Kystra,  Brozan  u.  s.  w.  in  Böhmen;  in  der 
weissen  Kreide  von  Sens  in  Frankreich  und  der  Grafschaft  Kent  in 
England,  im  lower  chalk  von  Dover. 

18.  D.  intermedia  m.  —  T.  II,  F.  8.  —  Länge:  1-829  Millim.; 
grösste  Dicke:  0-256  Millim.  Durch  die  Schiefheit  der  Kammern  der 
D.  Rcemeri  Neugel).  (Denkschr.  d.  k.  Akad.  zu  Wien.  XII.  2,  p.  82, 
T.2,F.  13— 17)  und  der  D.  Orbignyana  Neugeb.  (I.e.  p.82,T.3, 
F.  1 — 3)  aus  dem  Tegel  von  Lapugy  ähnlich. 

Das  Gehäuse  ist  ziemlich  schlank  und  gebogen,  und  verdünnt 
sich  nach  unten  allmählich  zur  wenig  scharfen  Spitze.  Die  Kammern 
sind  kaum  gewölbt,  massig  schief,  höher  als  breit.  Im  unteren  Theile 
des  Gehäuses  vermag  man  nicht  ihre  Grenzen  äusserlich  zu  unter- 
scheiden. Die  übrigen  Näthe  sind  nur  durch  feine  Linien  angedeutet; 
nur  die  letzte  ist  schwach  vertieft.  Die  Kammern  sind  walzenförmig, 
die  jüngste  schief  eiförmig,  in  eine  ziemlich  lange,  stark  excen- 
trische  Spitze  ausgezogen.  Die  Schalenoberfläche  glalt  und  glänzend. 

Sehr  selten  im  Minimusthone  von  Rheine. 

19.  D.  communis  d'Orb.  (1.  c.  IV,  1,  p.  13,  T.  1,  F.  4).  Selten 
im  untern  Senonmergel  von  Flierich,  vom  Rhynerberg  und  von 
Uedinghoff.  —  Selten  in  der  weissen  Kreide  von  Meudon  und  von 
England,  im  Mucronatenmergel  von  Lemberg  (Galizien),  im  Bacu- 
litenthone  von  Luschitz,  Brozan  und  Rannai,  im  Pläner  vom  Laurenz- 
berge bei  Prag  (Böhmen),  im  Kreidemergel  vor  dem  Clever  Thore 
von  Hannover. 

D'Orbigny  hat  später  im  Prodrome  de  paleontol.  II,  p.  280, 
den  Namen  dieser  Species  in  D.  subcommunis  umgeändert,  um 
sie   von   der    lebenden  und   tertiären  D.  communis  d'Orb.  (Ann.  d. 


nie  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  1  ö  f 

sc.  nat.  1826.  p.  254.  --  Montagu,  Test.  brit.  Suppl.  T.  19, 
F.  4,  7)  zu  unterscheiden.  Morris  hat  beide  in  seinem  Cata- 
logue  of  british  fossils  (2.  edit.  p.  34)  vereinigt.  Ich  kenne  die 
tertiäre  Species  nicht  aus  eigener  Anschauung,  kann  daher  über 
ihre  Identität  mit  der  Kreidespecies  kein  entscheidendes  Urtheil 
fällen. 

20.  D.  gracilis  d'Orb.  (1.  c.  IV,  1,  p.  14,  T.  1,  F.  5).  Im  obern 
Senonien  des  Hilgenbergs  bei  Hamm,  im  untern  von  Ostheide,  selten. 
—  In  der  weissen  Kreide  von  Sens  (Frankreich)  und  von  England, 
im  Mueronatenmergel  von  Lemberg  (Galizien),  imBaculitenthone  von 
Luschitz,  Wollepschitz,  Rannai  und  Brozan  (Böhmen);  nach  Morris 
auch  im  Gault  von  Folkestone. 

21.  D.  legQinen  Rss.  (Die  Verstein.  d.  böhm.  Kreideform. I,  p.28, 
T.  13,  F.  23,  24.  —  Haidinger's  naturw.  Abhdl.  IV.  1,  p.  26, 
T.  1,  F.  14.)  —  T.  3,  F.  5.  —  In  der  Form  und  der  Schiefheit  der 
Kammern  sehr  verwandt  der  D.  inornata  d'Orb.  aus  dem  Tegel  des 
Wiener  Beckens  (Foram.  foss.  du  bass.  tert.  de  Vienne.  p.  44,  T.  1, 
F.  50,  51).  Die  Kammern  sind  nicht  so  schief  wie  bei  D.  communis 
d'Orb.  aus  der  französischen  Kreide  und  bei  D.  badenensis  d'Orb. 
von  Baden  bei  Wien  (1.  c.  p.  44,  T.  1,  F.  49).  Länge:  1-46  Millim., 
grösste  Breite:  Ol 82  Millim.  Das  lineare  Gehäuse  sehr  schlank, 
wenig  gebogen,  gewöhnlich  von  den  Seiten  her  wenig  zusammen- 
gedrückt. Die  6 — 9  Kammern  nehmen  bis  zur  letzten  nur  langsam 
an  Grösse  zu  und  sind  etwas  schief,  so  dass  ihre  Wölbung  an  der 
convexen  Seite  des  Gehäuses  stärker  hervortritt  als  an  der  con- 
caven.  Die  Näthe  schmal,  aber  ziemlich  tief.  Die  erste  Kammer  klein 
und  in  eine  sehr  kurze  Spitze  auslaufend,  die  letzte  gross,  schief- 
oval, verdĂĽnnt  sich  zu  einer  ziemlich  langen,  beinahe  ganz  an  die 
concave  Seite  des  Gehäuses  gerückten  Spitze,  die  die  schwach 
gestrahlte  Mündung  trägt.  Die  Sclialenoberfläche  matt,  ohne  deut- 
liche Rauhigkeiten  zu  zeigen. 

Fundorte:  Die  Species  scheint  in  den  westphälischen  Kreide- 
schichten weit  verbreitet  zu  sein.  Ich  fand  sie  im  obern  Senonien 
des  Westberges,  Hilgenberges  und  Herrnsteinberges  bei  Hamm,  von 
Drensteinfurth,  von  Dolberg  und  von  der  Siestwarte  bei  Beckum; 
im  unteren  Senonien  von  Hamm  und  vom  Rhynerberge,  so  wie  im 
Pläner  und  oberen  Gault  von  Rheine.  —  Auch  im  Baculiten- 
thon  von  Rannai  (Röhmen);  in  den  Mucronatenschichten  von  Lern- 


188  R   e   u  s  s. 

berg  (Galizien);   im  Gault  von  Folkestone  (England);  im  Kreide- 
inergel vor  dem  Clever  Thore  von  Hannover. 

22.  D.  expausa  in.  —  T.  III,  F.  4.  —  Eine  lange  und  schlanke 
Species,  gleich  devB.fi/iformls.  Es  liegen  aber  nur  BruchstĂĽcke 
des  wenig  gebogenen  Gehäuses  vor.  Die  lang-elliptischen  Kammern 
verschmälern  sich  gegen  beide  Enden  hin  gleichmässig  und  sind  2  bis 
2,/3  Mal  so  lang  als  breit.  Sie  werden  durch  breite,  aber  nicht  sehr 
tiefe  Einschnürungen  gesondert.  Die  letzte  Kammer  verschmälert 
sich  oben  zur  kurzen,  wenig  excentrischen  Spitze.  Die  Gestalt  der 
ersten  Kammer  ist  mir  nicht  bekannt.  Die  Schale  glatt ,  glasig 
glänzend. 

Sehr  selten  im  obern  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm. 

23.  D.  filiformis  Rss.?  —  T.  III,  F.  8.  —  Es  liegen  nur  Bruch- 
stĂĽcke dieser  sehr  schlanken  und  dĂĽnnen  Species  vor.  Es  muss  dess- 
halb  auch  noch  zweifelhaft  bleiben,  ob  die  in  Rede  stehende  Art 
wirklich  mit  der  B.  filiformis  aus  dem  Bakulitenthone  von  Luschitz 
und  Rannai  in  Böhmen  (Reuss,  die  Verst.  d.  böhm.  Kreidef.  I,  p.  28, 
T.  12,  F.  28)  identisch  sei,  um  so  mehr,  da  bei  dieser  die  Breite 
der  Kammern  von  der  Länge  4 — 5  Mal  übertroffen  wird  ,  während 
dieselben  an  den  vorliegenden  Fragmenten  nur  2 — 3  Mal  so  hoch 
als  dick  sind.  Übrigens  verschmälert  sich  das  schwach  gebogene 
Gehäuse  nach  abwärts  nur  langsam.  Die  Kammern  sind  lang-ellip- 
tisch, sehr  wenig  gewölbt ,  an  den  Näthen  kaum  eingeschnürt.  Die 
erste  Kammer  sehr  klein ,  sehr  schwach  zugespitzt.  Die  letzte  Kam- 
mer fehlt  an  allen  gefundenen  Exemplaren. 

Selten  im  obern  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm. 

24.  D.lineolata  Rss.(Die  Verstein.  d.  böhm.  Kreideform.  I,p.  27, 
T.  8,  F.  8.)  Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges 
bei  Hamm.  —  Im  Pläner  von  Kosstitz,  im  Baculitenthone  von  Luschitz 
und  Brozan;  im  Kreidedetritus  von  Charing  (England). 

25.  D.  Marcki  m.  —  T.  II,  F.  7.  —  Das  kleinste  Exemplar  ist 
2-56  Millim.  lang  und  am  obern  Ende  0-36  Millim.  dick.  Die  Species 
gehört  in  die  umfassende  Gruppe  der  Dentalinae  costatae.  Das 
Gehäuse  ist  beinahe  gerade  und  gibt  sich  fast  nur  durch  die  starke 
Excentricität  der  Mündung  als  Bentalina  zu  erkennen.  8 — 10  Kam- 
mern, von  denen  die  ältesten  äusserlich  beinahe  nicht  gesondert 
sind.  Die  jüngeren  werden  durch  seichte  Näthe  geschieden.  Nur  die 
letzte  Nafh  ist  tief. 


Die  Foraraiiiiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  189 

Die  erste  Kammer  elliptisch .  wenig  grösser  als  die  nächst  fol- 
genden und  unten  mit  einem  kurzen  Centralstachel  versehen.  Die 
etzte  ist  kugelig  und  in  einen  schiefen  excentrischen  kurzen  Schna- 
bel verlängert,  der  die  gestrahlte  Mündung  trägt.  Über  sämmtliche 
Kammern,  mit  Ausnahme  der  letzten,  verlaufen  8 — 11  sehmale, 
niedrige  Längsrippchen,  wodurch  das  Gehäuse  kantig  wird. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm. 

26.  D.  polypkragiua  m.  —  T.  III,  F.  1.  —  Diese  Species,  die 
nur  in  einem  theilweise  in  ein  mergeliges  Gestein  eingewachsenen 
Exemplare  ohne  letzte  Kammer  vorliegt,  ist  eine  der  grössten  der 
artenreichen  Gattung  Bentalina.  Unser  fragmentäres  Exemplar  misst 
19-8  Millim.  Das  Gehäuse  ist  im  Verhältnisse  zur  Länge  sehr  schlank 
und  ziemlich  stark  gebogen.  Nach  abwärts  verschmälert  es  sich  sehr 
allmählich  und  gleiclimässig  und  endigt  in  einer  wenig  scharfen  Spitze. 
Die  Zahl  der  Kammern  beläuft  sich  auf  23.  Die  untersten  sind  nur 
durch  sehr  schwach  vertiefte  Linien,  die  oberen  durch  deutliche  Ein- 
schnĂĽrungen geschieden.  Die  letzte  Kammer  scheint  tief  abgeschnĂĽrt 
gewesen  zu  sein  und  war  daher  dem  Abbrechen  sehr  unterworfen. 
Über  das  ganze  Gehäuse  verlaufen  dicht  an  einander  gedrängte, 
durch  schmälere  Furchen  geschiedene ,  gerundete  Längsrippchen, 
deren  Zahl  sich  nach  oben  durch  Einsetzen  neuer  vermehrt. 

Sehr  selten  im  GrĂĽnsande  von  Essen. 

27.  D.  aculeata  d*Orb.  (1.  c.  IV.  1 ,  p.  13,  T.  1 ,  F.  2,  3).  Im 
obern  Senonmergel  von  Dolberg  bei  Beckum  und  vom  Hilgenberg  bei 
Hamm,  im  untern  Senonien  von  Flierich,  im  Diluvialsande  von  Hamm, 
wegen  der  grossen  Zerbrechlichkeit  des  Gehäuses  stets  nur  in 
Bruchstücken.  —  tu  der  weissen  Kreide  von  Sens  und  Meudon 
(Frankreich)  und  von  England ,  in  den  Bakulitenschichten  von 
Luschitz,  Bannai,  Brozan  und  Kystra  (Böhmen). 

Wenn  William son  (Manch.  Mein.  8,  p.  78,  F.  73,  74)  diese 
Species  aus  dem  obern  Lias  von  Ilminster  anfĂĽhrt,  so  ist  dies  ohne 
Zweifel  einer  Verwechslung  mit  einer  verwandten  Species  zuzu- 
schreiben. 

28.  D.  foedissiina  m.  —  T.  III,  F.  2,  3.  —  Gehört  ebenfalls  unter 
die  grössten  Arten  der  Gattung;  einzelne  der  zahlreichen  vorliegen- 
den Exemplare,  die  aber  meistens  fragmentär  sind,  erreichen  die 
Länge  von  7-63  Millim.  Die  Schale  ist  massig  gebogen  und  verschmä- 


190  R  e   u  s  s 

lert  sich  abwärts  langsam  bis  zur  Spitze.  10 — 12  Kammern,  breiter 
als  hoch,  sonst  von  sehr  unregelmässiger  Form  durch  zahlreiche 
grössere  und  kleinere,  mitunter  sehr  starke,  gerundete  oder  stumpf 
zugespitzte  Höcker.  Sie  werden  durch  tiefe  aber  schmale  Nätlie 
geschieden.  Die  erste  Kammer  ist  sehr  klein,  die  letzte  am  gross- 
ten  und  in  eine  kurze,  stumpfe,  von  der  runden  nackten  MĂĽndung 
durchbohrte  Spitze  auslaufend. 

Die  Oberfläche  der  Schale  ist  sehr  uneben  und  mit  kleineren 
Rauhigkeiten  dicht  bedeckt,  die  Schale  selbst  theilweise  kieselig  — 
das  einzige  derartige  Beispiel  innerhalb  der  Gattung  Dentalina. 

Ich  fand  sie  nicht  in  anstehenden  Kreidegesteinen ,  wohl  aber 
in  zahlreichen  Exemplaren  im  Diluvialsande  von  Hamm.  Doch  gehört 
sie  ohne  Zweifel  gleich  den  ĂĽbrigen  Furainiuiferen  dieses  Sandes 
der  Kreideformation  an. 

b)  Glandulinidae. 
Glandulina  d'Orbigny. 

1.  Gl.  inanifesta  Rss.  (Haidinger's  naturwiss.  Abhandl.  IV,  1. 
p.  22,  23.  T.  1,  F.  4).  Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des 
Hilgenberges  bei  Hamm.  —  Ebenso  in  den  Mukronatenschichten  von 
Lemberg  in  Galizien. 

2.  Gl.  elongata  m.  —  T.  IV,  F.  2.  -  -  Länge:  1-915;  Breite: 
0*877  Millim.  Die  in  Rede  stehende  Species  gehört  unter  die  grössten 
ihrer  Gattung.  Sie  ist  beinahe  cylindrisch,  verschmälert  sich  nach 
unten  kaum  und  zieht  sich  dann  rasch  zur  stumpfen  Spitze  zusammen. 
Sechs  Kammern.  Die  ersten  3 — 4  sind  nur  in  geringer  Ausdehnung 
sichtbar,  sehr  niedrig  und  äusserlich  nur  durch  dunkle  Linien  ange- 
deutet. Die  folgenden  drei  erscheinen  höher,  etwas  gewölbt  und 
durch  deutliche,  wenn  auch  nicht  tiefe  Näthe  geschieden.  Die  letzte 
Kammer  läuft  in  eine  sehr  kurze  centrale  Spitze  aus,  welche  die 
gestrahlte  Mündung  trägt. —  Die  Schalenoberfläche  glasig,  glänzend. 

Demnach  bildet  die  beschriebene  Art,  die  in  ihrer  Jugend  eine 
echte  Glandulina  ist,  in  ihrer  weiteren  Entwicklung  den  Ăśbergang 
zu  einer  Nodosaria. 

Sehr  selten  in  Gesellschaft  der  vorigen  Species. 

3.  Gl.  cylindracea  Rss.  (Verstein.  d.  böhm.  Kreideform.  I,  p.  2S, 
T.  13,  F.  1,  2.)  —  T.  IV,  F.  1.  —  Ris  0*84  Millim.  lang  bei  0*226 
Millim.  Dicke.  Daher  im  Verhältnisse  zur  Dicke  lang.  Cylindrisch, 
beiderseits  zugespitzt,  in  der  Mitte  zuweilen  etwas  eingeschnĂĽrt.  Ein- 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  [  t)  | 

zelne  Exemplare  sind  etwas  gekrĂĽmmt;  jedoch  findet  dies  bei  den  Exem- 
plaren ans  Westphalen  seltener  Statt,  als  bei  den  böhmischen.  3 — 6 
cylindrische  Kammern,  deren  Begrenzimg  äusserlich  kaum  sichtbar 
ist.  Besonders  findet  dies  bei  den  ältesten  Kammern  Statt;  man  unter- 
scheidet daher  äusserlich  gewöhnlich  nur  drei  Kammern.  Nur  die 
oberste  Kammer  ist  bisweilen  durch  eine  etwas  deutlichere,  aber 
stets  sehr  seichte  Nath  gesondert.  Sie  verlängert  sich  in  eine  kurze, 
nicht  selten  etwas  excentrische  Spitze,  welche  die  gestrahlte  MĂĽn- 
dung trägt.  Schalenoberfläche  glatt.  In  den  oberen  Senonmergeln  von 
Drensteinfurth  und  vom  Hilgenberg  bei  Hamm  und  im  untern  Senonien 
von  Hamm.  Im  Bakulitenthone  von  Luschitz  und  Kystra.  Ob  die 
Glandulina  in  den  Mukronatenschichten  von  Lemberg  in  Galizien, 
die  ich  unter  demselben  Namen  beschrieb  (Haidinger's  naturw. 
Abhandl.  IV.  1,  p.  23,  T.  1,  F.  5),  wirklich  hieher  gehöre,  ist  zweifel- 
haft. Durch  ihre  stumpfere  erste  Kammer  nähert  sie  sich  mehr  der 
Gl.  cylindrica  Alth.  (Haidinger's  naturw.  Abhandl.  III.  2.  p. 
271.  T.  13,  F.  30). 

c)  F  r  o  n  d  i  e  u  1  a  r  i  d  a  e. 
Frondicularia  Defr. 

1.  Fr.  turgida  Bss.  (1.  c.  II,  p.  107,  T.  24,  F.  44).  Sehr  selten 
in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei  Hamm.  —  Eben  so 
selten  in  dem  Bakulitenthone  von  Luschitz  (Böhmen). 

2.  Fr.  angulata  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  France  1840. 
IV.  1,  p.  22,  T.  1,  F.  39.  —  Beuss,  Kreideverst.  Böhm.  I.  p.  31, 
T.  13,  F.  40;  II.  p.  107,  T.  24,  F.  42.  —  Sehr  selten  mit  der 
vorigen.  —  Selten  in  der  weissen  Kreide  von  Meudon;  in  den  Baku- 
litenschichten  von  Luschitz,  Brozan  und  Bannai  (Böhmen). 

3.  Fr.  Decheni  m.  —  T.  IV,  F.  3.  —  12  Millim.  lang  und 
0*365  Millim.  breit.  Das  Gehäuse  ist  von  eigentümlicher  Form, 
kurz  und  verhältnissmässig  breit,  und  zwar  in  seiner  ganzen  Länge 
fast  gleich  breit,  so  dass  die  Seitenwände  beinahe  parallel  verlaufen. 
Ebenso  fällt  die  nicht  unbedeutende  Dicke  des  Gehäuses  auf.  Die 
Bänder  sind  abgestutzt,  breit,  jederseits  mit  einer  zarten  Leiste  ein- 
gefasst  und  daher  in  der  Mitte  der  Länge  nach  seicht  vertieft.  Die 
erste  Kammer  gross ,  so  breit  als  das  übrige  Gehäuse,  stark  gewölbt, 
auf  jeder  Fläche  mit  zwei  ziemlich  hohen  gekrümmten  Längsripp- 
chen, zwischen   denen  sich  noch  eine  kĂĽrzere  sehr  zarte  befindet; 


192  R  e  u  s  s. 

am  unteren  Ende  mit  einem  kurzen  starken  Centralstachel.  An  beiden 
Seiten  wird  sie  durch  den  darüber  fortsetzenden  Rand  des  Gehäuses 
gesäumt.  Über  der  ersten  Kammer  folgen  höchstens  noch  vier  jün- 
gere, deren  unterste  von  der  ersten  äusserlich  undeutlich  gesondert 
ist.  Die  ĂĽbrigen  sind  durch  sehr  feine  gehogene  Grenzleistchen 
erkennbar,  spitzwinklig  und  ziemlich  hoch.  Sie  tragen  jederseits 
4 — 10  sehr  zarte  Längsrippchen,  die  wenigsten  (4)  die  zweite, 
die  zahlreichsten  (10)  die  letzte  Kammer,  welche  oben  in  eine 
kurze  Spitze  ausläuft. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm. 

4.  Fr.  Becksi  m.  —  T.  4,  F.  4.  —  Länge  2  Millim.,  Breite  0-68 
Millim.  Eiförmig,  oben  zugespitzt,  unten  mit  einem  ziemlich  langen, 
dĂĽnnen  Centralstachel  versehen.  Der  Seitenrand  abgestutzt,  in  der  Mitte 
im  grössten  Theile  seines  Umfanges  der  Länge  nach  gefurcht.  Stark 
zusammengedrĂĽckt,  besonders  im  unteren  Theile.  Die  erste  Kammer 
klein,  eiförmig,  gewölbt,  mit  drei  schmalen  Längsrippchen  auf 
jeder  Seite.  Die  vier  ĂĽbrigen  Kammern  sind  ziemlich  niedrig  und 
spitzwinklig,  von  schmalen  erhabenen  Leistchen  eingefasst.  Die 
letzte  Kammer  glatt,  die  dritte  und  vierte  mit  entfernten  kurzen, 
sehr  zarten  Längsrippchen,  während  die  zweite  nur  ein  solches 
Längsrippchen  in  der  Mitte  trägt. 

Sehr  selten  in  Begleitung  der  vorigen  Art. 

5.  Fr.  apiculata  Rss.  —  T.  V,  F.  2.  —  (Reuss,  die  Verst.  d. 
böhm. Kreideform. Lp.  30,  T.  8,  F.  24,  ic.  mala).  Lanzettförmig,  unten 
stumpf,  oben  lang  und  scharf  zugespitzt,  in  der  Mitte  dicker  als  an 
den  Seiten.  Wenige  (4 — 7)  ziemlich  breite  spitzwinklige  Kammern 
mit  hohen  dachförmig  abschüssigen  Leisten,  die  in  der  Mitte  durch 
eine  Längsfurche  unterbrochen  sind.  Die  letzte  Kammer  lang  zuge- 
spitzt, die  erste  gross,  kugelig,  mit  centraler  Stachelspitze  und 
5  Längsrippchen  auf  jeder  Seite,  von  denen  zwei  längere  mit  drei 
kürzeren  abwechseln.  Die  Seitenränder  abgestutzt,  längsgefurcht, 
oben  breiter  als  unten,  sich  auch  ĂĽber  die  erste  Kammer  fortsetzend. 

Selten  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Sehr  selten  im  Pläner 
von  Kosstitz  und  im  Bakulitenthone  von  Luschitz  (Böhmen). 

6.  Fr.  (ioldfussi  m.  —  T.  IV,  F.  7.  —  23  Millim.  lang,  084 
Millim.  breit,  eiförmig  oder  ei -lanzettförmig,  oben  sich  allmählich 
zur  ziemlich   langen  Spitze  verschmälernd,  unten  gerundet  und  in 


Die  Foraminiferen  der  westpliälischen  Kreidefoi-mation.  193 

der  Mitte  eine  kurze  Stachelspitze  tragend ,  sehr  stark  zusammen- 
gedrĂĽckt ,  mit  dĂĽnnem  ahgestutzten  Rande.  Die  erste  Kammer  schmal- 
eiförmig,  wenig-  gewölbt,  mit  drei  schwachen  Längsrippchen,  deren 
mittleres  gerades  am  längsten,  die  beiden  seitlichen  kürzer  und  gebo- 
gen sind.  Sie  wird  von  den  jĂĽngeren  Kammern  seitlich  umfasst.  Diese 
sind  sehr  schmal  und  spitzwinklig,  in  der  Mitte  schwach  längs- 
gefurcht, und  werden  aussen  durch  schmale  Leistchen  von  einander 
geschieden. 

Die  beschriebene  Species  unterscheidet  sich  von  der  ähnlichen 
Fr.  Cordai  Rss.  (Denkschr.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Wien.  VII.  p. 
66,  T.  25,  F.  3)  durch  das  Vorhandensein  der  unleren  Stachel- 
spitze, durch  die  nicht  vorragende  erste  Kammer,  die  geringere 
Breite  an  der  Basis  und  den  Mangel  der  Radialstreifen  auf  beiden 
Seitenflächen. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm  und  im  Diluvialsande  von  Hamm. 

7.  Fr.  marginata  Rss.  (I.  c.  I.  p.  30,  T.  12,  F.  9  ic.  mala;  II. 
p.107,  T.24,  F.  39,  40)  —  T.  V,F.  3.  — Das  grösste  der  vorliegenden 
Exemplare  misst  3-5  Millim.  in  der  Länge,  0*8  Millim.  in  der  Breite. 
Der  Umriss  der  Schale  ist  sehr  veränderlich,  verkehrt  lanzettförmig, 
gewöhnlich  jedoch  etwas  schmäler,  als  in  der  hier  gegebenen 
Abbildung.  Am  häufigsten  sind  Formen,  die  der  1.  c.  T.  24,  F.  39 
gegebenen  Abbildung  gleichen.  Die  grösste  Breite  erreicht  das 
Gehäuse  nicht  sehr  weit  vom  oberen  Ende,  und  verschmälert  sich 
nach  abwärts  sehr  allmählich.  Sehr  oft  sind  die  Seitenränder  im 
unteren  Theile  etwas  eingebogen.  Die  Schale  ist  in  der  Mitte  dicker 
als  gegen  die  Ränder  hin.  9—15  schmale  Kammern,  gesondert 
durch  hohe,  dachförmige  Leisten,  die  in  der  Mitte  durch  eine  Furche 
unterbrochen  sind  und  meistens  nicht  ganz  bis  an  den  Seitenrand 
reichen.  Dieser  erscheint  daher  in  ununterbrochenem  Zusammen- 
hange, ist  gerade  abgestutzt  und  hohlkehlenartig  vertieft,  wird  nach 
unten  allmählich  schmäler,  setzt  auch  über  die  erste  Kammer  fort  und 
ragt  dort  in  Gestalt  eines  schmalen  Fl ĂĽgelsaumes  vor.  Die  erste  Kammer 
stellt  eine  kleine  schwach  verlängerte  Kugel  dar  mit  kurzer  Central- 
spitze  und  einer  oder  drei  Längsrippchen  auf  jeder  Seite.  Die  mittlere 
dieserRippen  verlängert  sich  bis  auf  die  Fläche  derzweiten  Kammer. 

Fundorte:  In  den  oberen  Senonschichten  des  Hilgenberges 
bei  Hamm,    in  den  unteren  von  Flierich   und  im  Diluvialsande  von 


194  l!  e  u  s  s 

Hamm,  überall  selten.  —  Nicht  selten  in  den  Bakulitenschichten 
von  Lnschitz ,  Rannai  und  Brozan  und  im  Planer  des  Laurenzberges 
bei  Prag  (Böhmen). 

8.  Fr.  canaliculata  Rss.  (1.  c.  I,  p.  30,  T.  8,  F.  20,  21).  — 
T.  VI,  F.  1.  —  Da  die  1.  c.  gegebene  Abbildung  zu  undeutlich,  und 
theilweise  auch  unrichtig  ist,  so  biete  ich  hier  nochmals  eine  grös- 
sere und  treuere  dar.  Die  Species  wird  bis  3-6  Millim.  lang  bei 
0-92  Millim.  grösster  Breite. 

Auch  hier  ist  der  Schalenumriss  verkehrt-lanzettförmig,  bald 
breiter,  bald  schmäler,  und  erreicht  seine  grösste  Breite  weit  über 
der  Mitte  der  Länge.  Die  Schale  verschmälert  sich  an  beiden  Enden, 
oben  rascher,  unten  langsamer  zur  stumpfen  Spitze,  und  ist  in  der 
Mitte  nur  wenig  dicker,  als  gegen  die  Seitenränder  hin.  Diese  sind 
abgestutzt,  durch  eine  tiefe  Längsrinne  ausgehöhlt,  und  setzen  auch 
ĂĽber  die  erste  Kammer  fort.  Dieselbe  bildet  eine  sehr  kleine  Kugel, 
trägt  am  unteren  Ende  eine  kurze  Stachelspitze,  auf  den  Seitenflä- 
chen aber  je  zwei  sehr  kurze  und  feine  Längsrippchen.  Die  übrigen 
Kammern  sind  nicht  sehr  spitzwinklig,  ziemlich  breit,  und  werden 
durch  hohe  beinahe  senkrecht  abfallende  Leisten,  die  in  der  Mitte 
unterbrochen  sind,  gesondert. 

Fundorte:  Selten  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Im  Pläner  von 
Kosstitz  und  vom  Laurenzberge  bei  Prag,  und  im  Bakulitenthone  von 
Luschitz  (Böhmen). 

9.  Fr.  gaultina  m.  —  T.  V,  F.  5.  —  Von  dieser  eigenthümlichen 
Species  liegt  leider  nur  ein  Exemplar  vor,  dem  das  untere  Ende 
fehlt.  Es  ist  0-877  Millim.  lang  und  0-248  Millim.  breit.  Das  Gehäuse 
ist  langgezogen,  rhomboidal,  an  beiden  Enden  zugespitzt,  stark 
zusammengedrĂĽckt.  Die  erste  Kammer,  von  der  nur  das  obere  Ende 
erhalten  ist,  scheint  spitzig,  zusammengedrĂĽckt,  und  mit  einer  seichten 
centralen  Längsfurche  versehen  gewesen  zu  sein.  Die  übrigen  (7) 
Kammern  sind  niedrig,  sehr  spitzwinkelig,  flach,  äusserlich  nicht 
durch  Leisten,  sondern  durch  schmale,  jedoch  ziemlich  tiefe  Furchen 
geschieden.  Die  Seitenränder  einfach  winklig.  Die  Schalenober- 
fläche glänzend,  glatt. 

Sehr  selten  im  Minimusthone  von  Rheine. 

10.  Fr.  inversa  Rss.  (1.  c.  I.  p.  31,  T.  8,  F.  15—19;  T.  13, 
F.  42).  Selten  in  denObersenonmergeln  vom  Westberge  bei  Hamm. — 
Häufig  in  den  böhmischen  Bakulitenthonen  (Luschitz,  Brozan,  Hoch- 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  191) 

petsch,  Rannai,  Kystra  u.  a.),  seltener  im  Pläner  (Kosstitz,  Laurenz- 
berg bei  Prag  u.  a.);  nach  Morris  im  Gault  von  Folkestone  in 
England  (?). 

11.  Fr.  strigillata  m.  —  T.  VI,  F.  3.  —  Eine  äusserst  zierliche 
Form,  der  Fr.  concinna  Koch  (Palaeontographica  I.  p.  172,  T.  24, 
F.  5)  aus  dem  Hils  von  Grünenplan  verwandt.  Das  dünne  Gehäuse 
ist  beinahe  regelmässig  eiförmig,  nur  die  ersten  Kammern  sprin- 
gen ĂĽber  das  zugerundete  untere  Ende  in  Gestalt  eines  kurzen 
Zapfens  hervor.  Das  obere  Ende  ist  zugespitzt,  die  bogenförmigen 
Ränder  einfach  winklig.  8 — 9  spitzwinklige,  sehr  schmale  Kammern, 
die  äusserlich  nur  durch  sehr  schwache  rundliche  leistenartige 
Erhöhungen,  zwischen  denen  sehr  seichte  breite  Depressionen  ver- 
laufen, angedeutet  sind.  Dieselben  sind  von  kurzen  unterbrochenen, 
etwas  schräg  von  unten  ausstrahlenden  feinen  Rippchen  bedeckt,  die 
auf  den  leistenartigen  Erhöhungen  am  deutlichsten  hervortreten.  Die 
erste  Kammer,  die  von  den  nächstfolgenden  ganz  umfasst  wird,  ist 
schmal  lanzettförmig  und  wenig  gewölbt. 

Seltene  Exemplare  dieser  Species  wurden  bisher  nur  im  Diluvial- 
sande von  Hamm  gefunden. 

12.  Fr.  gaestphalica  m.  —  T.  6,  F.  2.  -  1755  Millim.  lang, 
0-877  Millim.  breit,  breit-rhomboidal,  unten  kurz,  oben  länger  zuge- 
spitzt, sehr  stark  zusammengedrĂĽckt.  Die  erste  Kammer  lanzettlich, 
am  untern  Ende  des  Gehäuses  in  Gestalt  einer  Spitze  vorragend,  nur 
wenig  dicker  als  die  Umgebung,  auf  beiden  Flächen  fein  längs- 
gefurcht;  die  anderen  Kammern  flach,  durch  schmale,  aber  ziemlich 
tiefe  Furchen  geschieden  und  mit  zerstreuten  feinen  kurzen  Längs- 
furchen bedeckt,  die  auf  den  jüngeren  Kammern  allmählich  an  Zahl 
abnehmen.   Die  Schalenoberfläche  glatt,  glänzend. 

Sehr  selten  im  obersten  Gault  von  Rheine. 

13.  Fr.microdisca  m.  —  T.V,  F.  4. —  Das  sehr  stark  zusammen 
gedrückte,  dünne  Gehäuse  ist  breit-eiförmig,  beinahe  trapezoidal,  mit 
beinahe  rechtwinkligem  oberen  und  stumpfwinkligem  unteren  Ende. 
Die  oberen  längeren  schwach  bogenförmigen  Seitenränder  stossen 
mit  den  kĂĽrzeren  beinahe  geraden  unteren  in  einem  deutlichen 
stumpfen  Winkel  zusammen.  Die  erste  der  zahlreichen  Kammern, 
welche  die  benachbarten  etwas  überragt,  ist  sehr  klein,  oval,  gewölbt, 
mit  einer  feinen  medianen  Längsrippe  versehen.  Die  übrigen  Kam- 
mern sind  sehr  schmal,  wenig  spitzwinklig,  und  durch  dĂĽnne  scharfe, 


106  Rens  s. 

in  der  Mitte  durch  eine  Querfurche  unterbrochene  Leisten  gesondert. 
Die  Seitenränder  dünn,  abgestutzt. 

Sehr  selten  im  Diluvialsande  von  Hamm. 

14.  Fr.  striatula  Rss.  (1.  c.  I.  p.  30,  T.  8,  F.  23— ic.  pessima; 
II.  p.  107,  T.  43,  F.  11).  Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgen- 
berges  bei  Hamm  ,  im  unteren  vom  Rhynerberg  und  von  Bergeamen, 
im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Im  Pläner  von  Kosstitz  und  Weiss- 
kirchlitz,  im  Bakulitenlhone  von  Luschitz  (Böhmen),  in  der  weissen 
Kreide  von  Norwich  und  im  Kreidedetritus  von  Charing  (England). 

15.  Fr.  angnsta  Nils.  (Planularia  angusta  Nilsso n ,  Petref. 
Suec.  p.  11,  T.  9,  F.  22.  —  Reuss,  1.  c.  I.  p.  29,  T.  8,  F.  13,  14.  — 
Fr.  aiigustata  Ro ein. ,  Kreideverst.  Deutschlands,  p.  96)  —  T.  IV, 
F.  5.  —  Die  grössten  Exemplare  hatten  eine  Länge  von  5-85  Millim. 
bei  1-31  grösster  Breite. 

Eine  der  ansehnlichsten  Formen  dieser  Gattung.  Die  grösste 
Breite  besitzt  das  verkehrt-lanzettförmige  Gehäuse  weit  über  der 
Mifte,  noch  ĂĽber  dem  Anfange  des  letzten  Drittheiles  der  Schalen- 
länge. Nach  abwärts  verschmälert  es  sich  zwar  sehr  langsam,  aber 
bedeutend.  Es  ist  in  der  Mitte  am  dicksten  und  schärft  sich  gegen 
die  winkligen  Seitenränder  hin  allmählich  zu. 

Die  Zahl  der  Kammern  ist  sehr  bedeutend,  und  steigt  bei  gros- 
sen Exemplaren  bis  auf  25 — 30.  Dieselben  sind  sehr  niedrig,  spitz- 
winkelig und  durch  ziemlich  tiefe  Furchen  geschieden,  so  dass  sie 
äusserlich  in  Gestalt  von  wenig  breiten,  dachförmig  abschüssigen 
Leisten  hervortreten.  In  der  Mitte  werden  sie  von  einer  nach  unten 
allmählich  schmäler  werdenden  Längsfurche  durchzogen,  tragen  aber 
ĂĽberdies  jederseits  noch  eine  wechselnde  Anzahl  kurzer  seichter 
Furchen,  die  sich  jedoch  in  die  Grenzfurchen  der  Kammern  nicht 
fortsetzen.  Manchmal  bedecken  sie,  wie  an  dem  abgebildeten  Exem- 
plare, die  ganze  Oberfläche  der  Kammern;  gewöhnlich  sind  sie  alter 
nur  an  einzelnen  Stellen  vorbanden  oder  treten  auch  nur  ganz  ver- 
einzelt auf.  Die  erste  Kammer  stellt  eine  sehr  kleine  Kugel  dar, 
welche  am  unteren  Ende  eine  kurze  Stachelspitze,  auf  jeder  Seite 
aber  drei  sehr  feine  Längsrippchen  trägt.  Der  Seitenrand  des 
Gehäuses  setzt  sich  über  die  erste  Kammer  nicht  fort. 

Die  beschriebene  Species  ist  eine  der  am  längsten  bekannten 
und  verbreitetsten  Foraminiferen  der  oberen  Kreide.  Nur  von 
Cristelluria  rotulata  Lam.  sp.  wird  sie  darin  noch  ĂĽbertroffen.    Ich 


Die  Fornminiferen  der  wesfphiilisclieii  Kreideformation.  10/ 

fand  sie  in  den  oberen  Senonschichten  des  Kurkenberges  bei  Hamm, 
und  häufig  im  Diluvialsande  von  Hamm.  Wahrscheinlich  kommt  sie 
noch  an  vielen  anderen  Punkten  Westphalens  vor.  —  Ausserdem 
liegt  sie  fast  überall  im  Pläner  Böhmens  und  Sachsens,  so  wie  in  den 
Bakulitenthonen  Böhmens,  so  dass  eine  nähere  Bezeichnung  der 
einzelnen  Fundorte  ĂĽberflĂĽssig  wird.  Selten  findet  sie  sich  im  Kreide- 
mergel des  Edelbachgrabens  im  Gosauthale,  im  GrĂĽnsande  von 
Köpinge  (Schweden),  und  der  unteren  Kreide  von  Peine. 

So  sehr  Fr.  angusta  innerhalb  der  Quadratenkreide  und  des 
Pläners  verbreitet  ist,  so  scheint  sie  doch  dagegen  der  Mukronalen- 
kreide  beinahe  ganz  zu  fehlen.  Wenigstens  ist  sie  bisher  mir  aus  der 
Schreibkreide  Frankreichs,  Englands,  Dänemarks,  Bügens,  aus  den 
Mukronatenmergeln  von  Lemberg  und  anderen  analogen  Schichten  nicht 
bekannt  geworden.  Ehen  so  scheint  sie  in  den  Gault  nicht  hinab  zu 
gehen;  ja  sie  ist  selbst  im  Cenomanien  noch  nicht  mit  Sicherheit 
nachgewiesen. 

16.  Fr.  angastissiina  m.  —  T.  IV,  F.  6.  —  2-78  Millim.  lang,  bei 
045  Millim.  Breite.  Der  Fr.  angusta  Nils.  sp.  im  Umrisse  sehr  ähn- 
lich, aber  im  oberen  Theile  des  Gehäuses  schmäler  und  mit  grösserer, 
nur  mit  zwei  Längsrippchen  gezierter  Embyonalkammer.  Durch 
letzteres  Merkmal ,  so  wie  durch  das  schlankere  Gehäuse  weicht  sie 
auch  von  Fr.  capillaris  Bss.  aus  dem  Mukronatenmergel  von  Nagor- 
zani  bei  Lemberg  ab  (Haidinger's  naturwiss.  Äbhandl.  IV.  I.  p.  29, 
T.  1,  F.  20).  Die  Schale  ist  linear,  im  Verhältnisse  zur  Länge  sehr 
schmal,  oben  zugespitzt,  nach  unten  sich  sehr  langsam  verschmä- 
lernd,  am  Bande  stumpfwinklig.  Die  erste  Kammer  stellt  eine  kleine, 
jederseits  mit  zwei  sehr  schmalen  Längsrippchen  versehene  Kugel 
dar,  welche  unten  in  einen  kurzen  Centralstachel  ausläuft,  und  seit- 
lich von  einer  schmalen  Fortsetzung  des  Seitenrandes  des  Gehäuses 
umsäumt  wird.  Über  der  ersten  Kammer  schnürt  sich  die  Schale  nur 
wenig  ein,  nimmt  aber  bald  wieder  allmählich  an  Breite  zu,  und  erreicht 
erst  im  Anfange  des  letzten  Fünftheiles  der  Länge  ihre  grösste  Breite. 

Die  Kammern,  welche  der  ersten  folgen,  sind  spitzwinklig, 
schmal,  in  der  Mitte  durch  eine  seichte  Längsfurche  halbirt,  durch 
deutliche  Nathfurchen  von  einander  geschieden,  und  mit  Ausnahme 
der  letzten,  an  der  Oberfläche  mit  sehr  zarten  parallelen  Längs- 
linien geziert. 

Sehr  selten  im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm. 


198  H  ,  u  s  s. 

17.  Fr.  Archiacina  cTOrb.  (Mem.  de  la  soe.  geol.  de  France  1840. 
IV.  1.  p.  20,  21;  T.  1,  F.  34—36.  —  Reuss,  die  Verstein.  d. 
böhm.  Kreideform.  I.  p.  31,  T.  13,  F.  39).  Sehr  selten  im  oberen 
Senonmergel  des  Hilgenberges  und  Westberges  bei  Hamm.  — 
Selten  in  der  weissen  Kreide  von  Meudon  und  Sens  (Frankreich), 
in  der  Schreibkreide  Englands,  und  im  Kreidedetritus  von  Charing. 
Sehr  selten  im  Bakulitenthone  von  Luschitz  und  im  Pläner  des 
Laurenzberges  bei  Prag  (Böhmen). 

18.  Fr.  lanceola  m.  —  T.  V,  F.  1.  —  Steht  in  der  Form  eben- 
falls der  Fr.  angusta  Nils.  sp.  und  der  Fr.  angustissima  m.  nahe. 
Das  Gehäuse  ist  sehr  lang  und  schmal  lanzettförmig,  beinahe  linear, 
auf  2-377  Millim.  Länge  nur  0-234  Millim.  breit,  oben  kurz  zuge- 
spitzt, abwärts  sich  sehr  allmählich  verschmälernd  und  in  eine  ziem- 
lich scharfe  Spitze  endigend.  Die  erste  Kammer  lang-elliptisch,  wenig 
dicker  als  die  nächstliegenden,  an  den  Seitenflächen  eingedrückt  und 
mit  einer  schwachen  Längsrippe  versehen.  Ebenso  sind  ihre  Seiten- 
ränder breit  und  bilden  eine  in  der  Mitte  seicht  vertiefte  Fläche,  so 
dass  der  Querschnitt  der  Kammer  vierseitig  wird.  Ihr  unteres  Ende 
ist  mit  einer  kurzen  Centralspitze  bewaffnet. 

Die  übrigen  Kammern  sind  oben  zugespitzt,  an  den  Seitenrän- 
dern ziemlich  scharfwinklig,  und  äusserlich  durch  tiefe  Furchen 
geschieden.  Auf  der  vorderen  und  hinteren  Fläche  werden  sie  von 
einer  medianen  Längsfurche  durchzogen,  neben  welcher  jederseits 
noch  einige  sehr  kurze  Furchen  in  derselben  Richtung  verlaufen. 
Nur  auf  der  letzten  Kammer,  die  oben  mit  einer  schmalen  Leiste  ein- 
gesäumt erscheint,  fehlen  dieselben. 

Sehr  selten  in  denunterenSenonmergeln  von  Ostheide  bei  Hamm. 

Rhnbdogonitim  m.  nov.  gen. 

Triplasia  Reuss,  Denkschr.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  z.  Wien. 
1854.  VII.  p.  65. 

Eine  Sippe  aus  der  Ordnung  der  Stichostegier,  die,  wenn  sie 
auch  gleich  den  meisten  ĂĽbrigen  Gattungen  dieser  Gruppe  mit 
manchen  anderen  durch  Übergänge  verknüpft  ist,  doch  zum  Theile 
so  eigenthümliche  Merkmale  darbietet,  dass  man,  sie  als  selbstständig 
von  den  ĂĽbrigen  zu  trennen,  nicht  nur  berechtigt,  sondern  selbst 
genöthigt  ist,  wenn  man  nicht  etwa  die  meisten  ein-  und  geradreihigen 
Polythalamien  in  eine  einzige  Gattung  zusammenzuziehen  beabsichtiget. 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  199 

Der  zuerst  in  die  Augen  fallende  Charakter  von  Rhabdogonium 
ist  das  Vorhandensein  von  mehreren  scharfen  Längskanten  an  dem 
geraden  Gehäuse.  Die  vier  zuerst  bekannt  gewordenen  Formen 
besassen  sämmtlich  nur  drei  solche  Kanten,  waren  also  im  Quer- 
schnitte dreiseitig,  wesshalb  ich  die  Gattung  auch  mit  dem  Namen 
Triplasia  belegte.  Hieher  gehören  :  Rh.  Murchisoni  m.  aus  den 
Gosauschichten  des  österreichischen  Salzkammergutes,  Rh.  globulife- 
rum,  Roemeri  und  anomalumm.,  welche  ich  sogleich  näher  beschrei- 
ben werde,  aus  der  Kreideformation  Westphalens ,  und  endlich  Rh. 
acutangulum  m.,  eine  noch  nicht  publicirte  Species,  die  ich  in  dem 
Hils  von  Berklingen  entdeckte. 

Später  entdeckte  ich  aber  vierkantige  Arten,  die,  abgesehen 
von  dem  tetragonalen  Querschnitte,  in  den  ĂĽbrigen  Kennzeichen  voll- 
kommen mit  den  vorerwähnten  übereinstimmen,  wie  Rh.  Strombecki 
und  Mertensi  m.,  beide  ebenfalls  aus  dem  Hils  von  Berklingen  stam- 
mend und  noch  nicht  veröffentlicht.  Auf  diese  konnte  nun  offenbar 
der  frĂĽhere  Name  Triplasia  nicht  angewendet  werden,  und  ich  sah 
mich  desshalb  gezwungen,  denselben  mit  einem  neuen  —  Rhabdogo- 
nium —  zu  vertauschen.  Durch  denselben  wird  die  gekantete  stab- 
förmige  Gestalt  des  Gehäuses  klar  bezeichnet. 

Die  mehr  weniger  zahlreichen  Kaminern  liegen  wie  bei  den 
ĂĽbrigen  Stichostegiern  in  gerader  Reihe  ĂĽber  einander,  doch  so 
dass  sie  ohne  EinschnĂĽrungen  sich  in  ihrer  ganzen  Breite  decken 
und  äusserlich  nur  durch  lineare  Näthe  gesondert  erscheinen.  Aber 
sie  decken  sich  nicht  nur,  sondern  jede  Kammer  umfasst  mit  den 
tiefer  herabreichenden  Kanten  noch  die  nächstältere  Kammer  in  ver- 
schiedenem Grade.  Bei  einigen  Arten,  wie  Rh.  acutangulum,  Strom- 
becki und  globuliferum  findet  dieses  Umfassen  in  hohem  Grade  Statt, 
während  die  Kammern  anderer  Arten,  wie  Rh.  Murchisoni  und  beson- 
ders Rh.  Roemeri  und  anomalum,  nur  wenig  oder  selbst  sehr  wenig 
gebogen  sind. 

Die  Kammern  sind  daher  reitend,  wie  bei  Frondicularia,  nur 
dass  bei  dieser  die  ältere  Kammer  von  der  nächst  jüngeren  nur  an 
zwei  Stellen,  nur  mit  zwei  Armen,  bei  Rhabdogonium  aber  von 
drei  bis  vier  Armen ,  also  gerade  an  so  vielen  Stellen  als  das 
Gehäuse  Kanten  hat,  umfasst  wird.  In  dieser  Beziehung  könnte 
man  die  Rhabdogonium- Arten  als  mehrkantige  Frondicularien  be- 
trachten. 
Sitzb.  d.  mathem.-nalurw.  LI.  XI..  Bd.  Nr.  8.  14 


200  R  e  u  8  s. 

Bei  geringer  Krümmung  der  Kammern  nähern  sich  manche 
Species  auch  der  Galtung  Nodosarla,  besonders  im  oberen  Theile 
ihres  Gehäuses,  wo  die  Krümmung  der  Näthe  immer  geringer  zu  sein 
pflegt,  als  im  unteren.  Wenn  man  von  der  kurzen  centralen  Zuspitzung 
der  letzten  Kammer,  wie  man  dieselbe  bei  Rbabdogonium  stets 
beobachtet,  absieht,  ist  diese  Gattung  durch  den  Mangel  jeder  Ein- 
schnĂĽrung zwischen  den  mit  ihrer  ganzen  Breite  aufeinander  sitzen- 
den Kammern  auch  der  Sippe  Orthocerina  verwandt.  Man  wird  daher 
das  Genus  Rhabdogonium  wohl  in  die  Gruppe  der  Frondiculariden 
unmittelbar  neben  Frondicularla  stellen  mĂĽssen,  ohne  jedoch  die 
innigen  Beziehungen  zu  Nodosaria  und  Orthocerina  ĂĽbersehen  zu 
können. 

Die  erste  Kammer  ist,  wie  bei  vielen  Frondicularien,  gewölbt, 
selbst  kugelig,  wie  z.  B.  Rh.  globuliferum.  Die  letzte  Kammer  ver- 
längert sich  in  einen  kurzen  mittelstäudigen  Schnabel,  der  die  runde 
angestrahlte  Mündung  trägt.  Mit  Ausnahme  des  mit  unregelmässigen 
Läugsrippen  versehenen  Rh.  anomalum  zeigen  sämmtliche  übrige 
Arten  keine  Sculpturverzierungen.  Die  Schale  ist  kalkig,  theils  glasig- 
glänzend,  theils  uneben  und  rauh. 

Es  ist  ĂĽbrigens  sehr  wahrscheinlich,  dass  auch  die  seltene  und 
wie  es  scheint  nur  unvollständig  bekannte  Frondicularla  tricarinata 
d'Orb.  von  Sens  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  France.  IV,  1,  p.  21, 
22,  T.  2,  F.  1  —  3),  so  wie  die  ohnedies  ei  was  fremdartige  Fr, 
amoena  Rss.  (Haidinger's  naturw.  Abhandl.  IV.  1,  p.  13,  T.  1, 
F.  21)  aus  den  Mukronatenschichten  von  Nagorzani  bei  Leniberg 
zur  Gattung  Rhabdogonium  gehören.  Sie  setzen  die  nahe  Ver- 
wandtschaft dieser  Sippe  mit  Frondicularla  in  ein  besonders  helles 
Licht. 

Anders  dĂĽrfte  es  sich  aber  mit  einigen  dreikantigen  Frondicu- 
larien verhalten,  die  ich  äusserst  selten  in  den  böhmischen  Kreide- 
gebilden angetroffen  habe,  und  die  ich  in  meiner  Monographie  der 
Kreideversteinerungen  Böhmens  als  vor.  trlbachlata  von  Fr.  Cordal 
Rss.  und  von  Fr.  turgida  Rss.  (I.  c.  II.  p.  107,  108,  T.  24,  F.  38, 
41)  beschrieben  habe.  Sie  dürften  wohl  nur  als  monströse  Bildungen 
anzusehen  sein,  wofür  schon  die  völlige  Übereinstimmung  in  allen 
wesentlichen  Merkmalen  mit  normal  gebildeten  Frondlcularla-rAvten 
und  vor  allem  der  auffallende  Mangel  an  vollkommener  Symmetrie  in 
der  Ausbildung  des  Gehäuses  spricht. 


Die  Foraminiferen  der  «restphnlischen  Kreideformation.  20  l 

Die  mir  bisher  bekannt  gewordenen  Species  der  Gattung  Rhab- 
dogonium  gehören ,  mit  Ausnahme  einer  einzigen  in  den  Tertiär- 
schichten von  Baden  bei  Wien  sehr  selten  vorkommenden,  dreikan- 
tigen schmal  geflĂĽgelten  Species,  den  Kreidegebilden  vom  HĂĽs  bis 
zur  Schreibkreide  hinauf  an;  dieselbedĂĽrfte  daher  Air  die  Kreidefor- 
mation besonders  bezeichnend  sein.  Die  vierkantigen  Arten  habe  ich 
bisher  nur  in  den  tiefsten  Kreideschichten,  im  Hils,  angetroffen. 

1.  Rh.  Römeri  m.  —  T.  VI,  F.  7.  —  Gehäuse  verlängert,  1-97 
Miliim.  lang  bei  0*643  Millim.  Breite,  mitunter  etwas  verbogen,  in  der 
gesammten  Länge  fast  gleich  breit,  am  oberen  Ende  kurz  und  stumpf 
zugespitzt,  unten  sich  rasch  abrundend  oder  zum  stumpfen  Ende 
zusammenziehend;  scharf  dreikantig,  mit  beinahe  ebenen  Seitenflä- 
chen. 3 — 6  dreiseitige  Kammern,  eben,  mit  seichten  sehr  schwach 
gebogenen  Näthen  und  scharfen  Kanten;  nur  die  letzte  Kammer  zeigt 
etwas  gewölbtere  Flächen  und  stumpfere  Kanten.  Sie  besitzt  die 
Gestalt  einer  dreiseiligen  Pyramide,  deren  stumpfe  Spitze  die  runde 
nackte  Mündung  trägt.   Die  Schalenoberfläche  rauh. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm. 

2.  Rh.  globuliferom  m.  —  T.  VII,  F.  6.  —  Wahrscheinlich 
stellt  das  abgebildete  einzige  Exemplar  (0*54  Millim.  hoch)  nur  den 
Jugendzustand  der  Species  dar.  Es  besteht  blos  aus  zwei  Kammern. 
Die  erste  stellt  eine  fast  vollkommen  glatte  Kugel  dar.  Auf  ihr  liegt, 
sie  theilweise  umfassend,  die  zweite  Kammer.  Diese  ist  stumpf  drei- 
kantig; die  Kanten  verlängern  sich  nach  abwärts  in  drei  gekrümmte 
Arme,  welche  die  erste  Kammer  bis  zur  Hälfte  zangenartig  von  oben 
umfassen.  Nach  oben  verschmälert  sich  die  zweite  Kammer  allmählich 
zur  kurzen  stumpfen  Spitze,  welche  die  runde  Mündung  trägt  und 
in  der  die  drei  Kanten  zusammenstossen. 

Sehr  selten  in  Gesellschaft  der  vorigen  Species. 

3.  Rh.  anomalum.  m.  —  T.  VII,  F.  1.  —  1463  Miliim.  lang, 
0*51  breit,  verlängert,  unten  stumpf,  oben  kurz  zugespitzt,  im  Quer- 
schnitte etwas  unregelmässig  sechskantig,  mit  stärker  hervortretenden 
abwechselnden  Kanten.  Auf  jeder  der  drei  flachen  Seiten  des  Gehäu- 
ses verläuft  nämlich  eine  starke,  unregelmässige,  zuweilen  etwas 
gebogene  Längsrippe,  die  nicht  ganz  bis  zumunteren  Ende  der  Schale 
hinabreicht.  Die  Näthe  der  zahlreichen  (10  — 12),  niedrigen,  nur 
wenig  reitenden    Kammern,    besonders   der    älteren    sehr    kleinen, 

14* 


202  R   e   »   s  s. 

sind  nur  sehr  undeutlich.  Die   Schalenobertläche  sehr  uneben  und 
rauh. 

Sehr  selten  im  Diluvialsande  von  Hamm. 

d)  Vaginul  i  nidae. 
Vaginulina   d'  0  r  b. 

1.  V.  transversalis  m.  —  T.  VIII,  F.  5.  —  Länge:  1906  Millim., 
Breite:  0*621  Millim.  Das  Gehäuse  stellt  ein  langgezogenes,  ungleich- 
seitiges Dreieck  dar,  ist  unten  stumpf,  oben  schräg  abgeschnitten, 
sehr  stark  an  den  Seiten  zusammengedrückt,  an  den  Rändern  senk- 
recht abgestutzt.  Die  Seitenflächen  sind  rings  von  einer  schmalen 
erhabenen  Leiste  umsäumt.  Die  Kammern  zahlreich,  sehr  niedrig, 
fast  quer,  aussen  durch  schmale  leistenartige  Hervorragungen  geson- 
dert ,  so  dass  ihre  Flächen ,  selbst  jene  der  ersten  Kammer  nicht 
ausgenommen,  ziemlich  stark  kastenartig  vertieft  erscheinen.  Die 
Oberfläche  durch  sehr  feine  Rauhigkeiten  matt. 

Sehr  selten  im  Minimusthone  von  Rheine. 

2.  V.  arguta  m.  —  T.  VIII, F. 4.— Länge:  1-39  Millim.,  Breite: 
0-409  Millim.  Ist  in  Gestalt  des  Gehäuses  der  vorigen  Species  sehr 
ähnlich,  ebenfalls  verlängert,  ungleichseitig  —  dreieckig,  stark  zusam- 
mengedrückt, an  den  Rändern  senkrecht  abgestutzt,  unten  stumpf,  oben 
zugespitzt  und  sehr  schräg  abgeschnitten.  8 — 9  sehr  niedrige  und 
schiefe,  concave,  von  scharfen  ziemlich  hohen  Leisten  eingefasste, 
vierseitige  Kammern;  selbst  die  erste  Kammer  ist  vertieft  und  etwas 
dünner,  als  der  obere  Theil  des  Gehäuses.  Der  beinahe  gerade 
Rückenrand  der  Länge  nach  rinnenartig  ausgehöhlt. 

Sehr  selten  im  Minimusthone  von  Rheine,  sowie  in  den  dem- 
selben eingelagerten  Grünsandschichten.  —  Auch  im  Cenomanien  (?) 
von  Wallmoden. 

3.  V.  bicostnlata  m.  —  T.  VIII,  F.  5.  —  Länge:  1-213  Millim., 
Breite:  0-365  Millim.  Bei  dieser  Species  ist  das  Gehäuse  dicker, 
weniger  zusammengedrĂĽckt,  als  bei  den  vorher  beschriebenen  zwei 
Arten,  undeutlich  dreieckig,  unten  sehr  stumpf,  zugerundet,  oben 
zugespitzt  und  schräg  abgeschnitten.  Die  Ränder  senkrecht  abgestutzt, 
der  Rücken  seicht  rinnenartig  ausgehöhlt.  Die  erste  Kammer  stellt 
eine  verhältnismässig  grosse  Kugel  dar,  jederseits  mit  zwei  kurzen, 
schmalen,  etwas  gebogenen  Rippchen.  Die  ĂĽbrigen  wenig  zahlreichen 
(4)  Kammern  schief,  niedriger  als  breit,  aber  doch  weit  höher,  als  bei 
I.  transversalis  und  arguta,  von  einer  sehr  schmalen  Leiste  umgeben. 


Die  Foraminiferen  der westphälischen  Kreideformation.  203 

Sehr  selten  im  Minimusthone  von  Rheine. 

4.  V.  notata.  —  T.  IX,  F.  3.  —  Seitlich  zusammengedrückt, 
aber  doch  ziemlich  dick,  dreieckig-oval,  am  RĂĽcken  beinahe  gerade, 
am  Bauchrande  gebogen,  unten  stumpf  zugespitzt,  nach  oben  sich  all- 
mählichverbreiternd und  schräge  gerundet  endigend.  Die  Seitenrän- 
der senkrecht  abgestutzt.  6  Kammern,  die  erste  kleinste  kugelig  ge- 
wölbt, die  anderen  viel  breiter  als  hoch,  mit  sehr  seicht  vertieften 
Näthen.  Über  ihre  Seitenflächen  verlaufen  zusammenhängende,  aber 
in  den  Natheindrücken  etwas  flachere  schmale  Längsrippchen,  die 
sich  nach  obenhin  an  Zahl  vermehren.  Die  3 — 4  auf  der  zweiten  Kam- 
mer befindlichen  setzen  auch  auf  den  oberen  Theil  der  ersten  Kam- 
mer fort.  Die  vorderste  Rippe  der  letzten  Kammer  biegt  sich  nach 
hinten  um  und  verläuft  dem  oberen  Rande  parallel  flach  bogenförmig 
rückwärts.  Das  ganze  Gehäuse  ist  ringsum  mit  einer  schmalen  Leiste 
eingesäumt. 

An  dem  vorliegenden  Exemplare  ist  das  obere  Ende  abge- 
brochen. 

Sehr  selten  im  GrĂĽnsande  des  oberen  Gault  von  Rheine. 

e)  Pleurost  omcllidae. 

Eine  ganz  eigenthĂĽmliehe  Gruppe,  bisher  nur  durch  die  ein- 
zige Gattung  Pleurostomella  vertreten.  Es  wird  daher  genĂĽgen, 
den  Gattungscharakter  anzufĂĽhren,  der  bis  jetzt  auch  fĂĽr  die  ganze 
Familie  Geltung  hat. 

Pleurostomella  nov.  gen. 
Die  erste  Species  dieser  Gattung  — PI.  snbnodosa— hatte  ich 
früher,  die  Unregelmässigkeit  der  Kammern  für  etwas  Zufälliges  und 
Unwesentliches  haltend,  mit  ähnlichen  Bentalina- Arten  zusammen- 
geworfen und  als  D.  nodosa  d'O  r  b.  und  D.  subnodosa  Rs  s.  unrichtig 
abgebildet  und  beschrieben  (Foraminiferen  und  Entomostraceen  von 
Lemberg  in  Haidinger's  naturw.  Abhandl.  IV.  I,  p.  24.  T.  1, 
F.  9).  Als  ich  in  den  westphälischen  Kreidegebilden  zahlreichere 
Exemplare  dieser  Species  und  später  noch  eine  zweite  Art  —  PI. 
fusiformis  —  auffand  und  mich  von  der  constanten  Unregelmässigkeit 
der  Kammern  ĂĽberzeugte ,  wurde  ich  zur  genauem  Untersuchung 
derselben  gefĂĽhrt,  wobei  ich  sodann  sogleich  die  grosse  Abweichung 
in  der  Gestalt  und  Lage  der  MĂĽndung  wahrnahm,  aus  welcher  das 


204  >'•  e  u  s  >. 

üben  erwähnte  Verhalten  der  Kammern  ungezwungen  und  nothwendig 
hervorgellt.  Es  war  nun  unmöglich,  diese  Formen  fernerhin  bei  Denta- 
lina  zu  belassen. 

Bei  der  grössten  Übereinstimmung  mit  Dentalina  in  der  äusse- 
ren Form  liegt  der  hauptsächlichste  Unterschied  in  der  Mündung. 
Statt  dass  dieselbe,  wie  bei  Bentalina,  rund  wäre  und  an  der  Spitze 
der  letzten  Kammer  läge,  stellt  sie  einen  halbmondförmigen  oder 
selbst  halbelliptischen  Spalt  dar,  der  sich  unterhalb  des  Gipfels  der 
Kammer,  auf  einer  Seite  derselben,  am  oberen  Ende  einer  grösseren 
oder  kleineren ,  seitlich  von  einem  erhabenen  Rande  eingefassten 
Depression  befindet.  In  Folge  dieser  von  dem  höchsten  Punkte  der 
Kammer  herabgerĂĽckten  Lage  der  MĂĽndung  stehen  nun  auch  die 
Kammern  nicht  mehr  gerade  auf  einander;  sondern  jede  ist  gegen 
die  MĂĽndungsseite  der  vorhergehenden  Kammer  mehr  weniger 
geneigt,  so  dass  die  Näthe  dadurch  eine  schiefe  Richtung  und  das 
Gehäuse  eine  schwach  wellenförmige  Biegung  annimmt. 

Ăśbrigens  ist  die  Axe  der  Pleurostomellen  entweder  beinahe 
gerade,  wie  bei  Nodosaria,  oder  schwach  gekrĂĽmmt  nach  Art  der 
Dentalinen.  Die  Schalensubstanz  ist  compact,  glasig  glänzend. 

Die  zwei  bisher  bekannten  Species  der  Gattung  gehören  der 
Kreideformation  an,  die  eine  der  weissen  Kreide  —  den  Mukronaten- 
und  Quadratenschichten  — -,  die  andere  dem  Gault. 

1.  PI.  subnodosa  m.  (Nodosaria  nodosa  [d'Orb.]  Reuss,  Verst. 
d.  böhm.  Kreideform.  I.  p.  28  z.  Tbl.  — Dentalina  subnodosa  Rss. 
in  Haidinger's  naturw.  Abhandl.  IV.  I.  p.  24.  z.  Thl.)  —  T.  VIII, 
F.  2.  —  Länge:  0892  Millim.,  Breite:  0*219  Millim.  Gehäuse  gerade, 
ziemlich  dick,  nach  unten  sich  nur  wenig  zur  stumpfen  Spitze  ver- 
dünnend, durch  das  alternirende  Schiefstehen  sämmtlicher  Kammern 
etwas  knotig.  Alle  Näthe  etwas  schief,  besonders  jene  der  ältesten 
Kammern,  ziemlich  tief.  Die  Kammern  gewölbt,  besonders  auf  der  der 
Biegung  entgegengesetzten  Seite.  Die  MĂĽndung  liegt  am  oberen  Ende 
einer  kleinen  breit-ovalen  tellerförmigen  Depression,  die  nur  den 
dritten  Theil  der  Seitenfläche  der  letzten  Kammer  einnimmt.  Sie 
ist  halbmondförmig,  oben  und  seitlich  von  einem  scharfen  Rande 
begrenzt. 

Selten  in  den  oberen  Senoninergelu  des  Hilgenberges  und  des 
Herrnsteinberges  bei  Hamm  und  von  der  Soestwarte  bei  Beckum, 
im  Plänermergel   von   Luschitz ,    in   den    iMukronatenschichten   von 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideforination.  <*0o 

Lemberg  iti  Galizien,  im  Cenomanien  (?)  aus  der  Thongrube  im  N. 
von  Wallmoden. 

2.  PI.  fusiforuris  m.  —  T.  VIII,  F.  1.  —  Länge:  1*463  Millim., 
Breite:  0*365  Millim.  Während  die  vorige  Species  in  den  Umrissen  eine 
Nodosaria  darstellt,  ist  die  hier  in  Rede  stehende  ganz  einer  Den- 
talina ähnlich.  Denn  das  lange  Gehäuse  ist  schwach  gebogen  und 
verschmälert  sich  nach  unten  langsam  zur  ziemlich  scharfen  Spitze. 
Die  ersten  Kammern  stehen  beinahe  gerade  ĂĽber  einander  und  wer- 
den durch  horizontale  Näthe  geschieden,  welche  nur  durch  feine 
Linien  angedeutet  werden.  Die  jĂĽngeren  Kammern  sind  wie  bei  PL 
subnodosa,  abwechselnd  etwas  bald  gegen  die  eine,  bald  gegen  die 
andere  Seite  geneigt,  wodurch  das  Gehäuse  in  seinem  oberen  Theile 
schwach  knotig  und  die  Richtung  der  tiefen  Näthe  schräge  wird. 

Die  letzte  Kammer  eiförmig,  oben  stumpf  zugespitzt.  Eine  Seite 
derselben  erscheint  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  stark  eingedrĂĽckt 
und  von  einem  scharfen  glatten  Rande  leistenartig  umgeben.  Am 
obern  Ende  dieser  Depression,  hart  unter  der  Spitze  der  Kammer, 
liegt  die  halbelliptische  Mündung  grösser  als  bei  PL  subnodosa.  Die 
aridere  Seite  der  letzten  Kammer  besitzt  ihre  regelmässige  gleich- 
förmige Wölbung. 

Sehr  selten  im  Minimusthone  von  Rheine. 

II.  Helicostegia. 

a)  Cristellaridae. 
Marginulina  d'  0  r  b. 

M.  bullata  Rss.  (I.  c.  I,  p.  29,  T.  13,  F.  34—38).  — 
T.  VI,  F.  6.  —  Länge:  0-584  Millim.,  Breite:  0*365  Millim. 
Ist  der  M.  comma  Rom.  (Die  Versteinerungen  der  norddeutschen 
Kreideformationen  p.  96,  Taf.  15,  Fig.  15)  aus  dem  Hilsthone  des 
Hilses  sehr  ähnlich,  unterscheidet  sich  aber  durch  die  höheren,  ge- 
wölbteren, mehr  kugeligen  Kammern.  Durch  diese  zeichnet  sie  sich 
ĂĽberhaupt  vor  allen  anderen  Marginulina-Arten  aus.  Die  Zahl  der 
Kammern  wechselt  sehr.  Bei  jugendlichen  Exemplaren,  bei  denen 
ihre  Kugelform  besonders  hervortritt,  zählt  man  ihrer  nur  2  —  3. 
Doch  auch  bei  den  grössten  übersteigt  sie  6  nicht.  Das  Gehäuse  ist 
im  Querschnitte  kreisrund,  bald  nur  sehr  wenig  gebogen,  bald  mit 
den  ersten  2 — 3  Kammern  schwach  vorwärts  gekrümmt ,  den  ersten 


206  R  e  ii  s  s. 

Anfang  spiraler  Einrollung  darstellend.  Dabei  sind  dieselben  klein, 
und  nur  durch  seichte,  kaum  erkennbare  Näthe  gesondert.  Die  jün- 
geren Kammern  dagegen  sind  stark  gewölbt,  breiter  als  hoch  und 
durch  tiefe  EinschnĂĽrungen  getrennt.  Die  letzte  Kammer  ist  am 
grössten ,  fast  vollkommen  kugelig.  Sie  trägt  auf  der  oberen,  stark 
gewölbten  Fläche  gegen  die  Rückenseite  hin  einen  kurzen,  dünnen 
röhrenförmigen  Fortsatz  mit  etwas  verdicktem  Randsaume,  der  mehr 
weniger  nach  rückwärts  geneigt  und  von  der  kleinen  runden  Mün- 
dung durchbohrt  ist.  Die  Schalenoberfläche  glasig  glänzend. 

In  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei  Hamm.  —  In 
den  Bakulitenthonen  von  Luschitz  und  Brozan  (Böhmen),  sehr  selten 
im  Kreidemergel  vor  dem  Clever  Thore  von  Hannover. 

2.  M.  soluta  m.  —  T.  VII,  F.  4.  —  Länge:  1-097  Millim., 
Breite :  0-248  Millim.  —  Ausgezeichnet  durch  die  schmale  lineare 
Form  des  beinahe  geraden  Gehäuses.  Nur  die  erste  fast  kugelige 
Kammer  tritt  aus  der  Reihe  der  ĂĽbrigen  Kammern  etwas  nach  vorne 
heraus.  Sechs  durch  tief  eingeschnittene  Näthe  getrennte,  besonders 
auf  der  Bauchseite  stark  gewölbte  Kammern.  Die  zweite  wird  von 
der  kugelig  aufgetriebenen  ersten  Kammer  auch  seitlich  etwas  ĂĽber- 
ragt. Die  letzte  Kammer  verlängert  sich  auf  der  Rückenseite  in 
eine  röhrenförmige  Spitze,  welche  die  nackte  Mündung  trägt.  Schale 
glatt,  glasig  glänzend. 

Sehr  selten  im  Minimusthone  von  Rheine. 

3.  M.  lata  m.  —  T.  V,  F.  7.  —  Länge:  0892  Millim.,  Breite: 
0-512  Millim.  —  Diese  Species  ist  ausgezeichnet  durch  den  eiför- 
migen Umriss,  das  kurze  und  verhältnissmässig  breite  Gehäuse,  denn 
die  Höhe  verhält  sich  zur  Breite  wie  3  :  2.  Das  untere  Ende  ist 
breit  gerundet,  das  obere  nur  wenig  schräge  abgeschnitten  und  am 
Rückenwinkel  in  eine  sehr  kurze  Spitze  ausgezogen.  6 — 7  breite, 
sehr  niedrige  Kammern,  seitlich  zusammengedrĂĽckt,  wenig  gebogen 
mit  sehr  schwach  vertieften  linearen,  beinahe  queren  Näthen.  Der 
Querschnitt  stellt  eine  lange,  fast  regelmässige  Ellipse  dar.  Die 
Mundfläche  der  letzten  Kammer  ist  nur  wenig  gewölbt,  in  der  Mitte 
mit  einer  schwachen  Längsfurche.  Es  ist  jedoch  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  diese  nur  eine  zufällige  Erscheinung  sei.  Um  mit 
Bestimmtheit  darĂĽber  abzuurtheilen,  liegen  noch  zu  wenig  Exem- 
plare vor. 

Sehr  selten  im  unteren  Senonmergel  von  Ostheide  bei  Hamm. 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  207 

4.  M.elongata  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV,  1,  p.  17, 
T.  1 ,  F.  20 — 22.  —  Reu ss,  Kreideversteinerungen  Böhmens  I. 
p.  29,  T.  13,  F.  29,  31). 

Selten  im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm.  — 
In  der  weissen  Kreide  Frankreichs  und  Englands;  in  den  Bakuliten- 
thonen  \on  Luschitz,  Rannai,  Kyslra  und  Brozan  (Böhmen),  in  den 
Mukronatenmergeln  von  Lemberg  in  Galizien. 

5.  M.  inaeqoalis  m.  —  T.  VII,  F.  3.  —  Länge:  0-95  Millim., 
Breite:  0-256  Millim.  —  Ähnlich  der  31.  similis  d'Orb.  (Foram.  du 
bass.  tert.  deVienne  p.  69,  T.  3,  F.  15,  16)  aus  dem  Badener  Tegel. 
Das  Gehäuse  verlängert,  im  unteren  Theile  etwas  vorwärts  gekrümmt, 
an  beiden  Enden  stumpf  zugespitzt,  im  Querschnitte  beinahe  kreis- 
rund. Die  Kammern  an  Grösse  und  Form  sehr  ungleich.  Die  letzte 
sehr  gross,  schief-eiförmig,  durch  eine  tiefe  Nath  begrenzt.  Die 
MĂĽndung  von  einem  feinen  Strahlenkranze  umgeben;  die  Schale 
glatt,  glasig  glänzend. 

Sehr  selten  im  obersten  Gault  von  Rheine. 

6.  I.  modesta  m.  —  T.  VII,  F.  5.  —  Länge:  0891  Millim., 
Breite:  0*294  Millim.  —  Schale  verlängert,  beinahe  gerade,  im 
untersten  Theile  sehr  schwach  gebogen,  oben  beinahe  walzig,  in  der 
unteren  Hälfte  zusammengedrückt  und  am  Rücken  fast  schneidig.  Das 
obere  Ende  schräge  abschüssig,  mit  gewölbter  Mundfläche  der  letzten 
Kammer;  das  untere  Ende  stumpf.  7  —  8  fast  quere,  sehr  wenig 
gebogene  Kammern  mit  linearen  Näthen.  Die  Mündung  mit  einem 
Strahlenkranze  auf  einer  kurzen  Spitze  hart  am  RĂĽckenwinkel  des 
Gehäuses.  Die  Schalenoberfläche  glatt,  glasig  glänzend. 

Sehr  selten  im  unteren  Senonmergel  von  Ostheide  bei  Hamm. 

7.  M.  ensis  Rss.  (Die  Versteinerungen  der  böhmischen  Kreide- 
formation I.  p.  29,  T.  13,  F.  26,  27.  —  Haidinger's  natur- 
wissenschaftliche Abhandlungen  IV.  1,  p.  27,  28,  T.  2,  F. 
16).  —  Im  oberen  Senonmergel  vom  Westberg  bei  Hamm,  von 
Dolberg  bei  Beckum  und  yon  Drensteinfurth ;  im  unteren  Senonien 
des  Rhynerberges,  von  Flierich  und  Bergeamen;  im  Diluvialsande 
von  Hamm.  —  Im  Pläner  von  Kosstiz,  im  Bakulitenthon  von  Lu- 
schitz, Kystra,  Rannai  und  Brozan  (Böhmen);  im  Mukronatenmergel 
von  Nagorzani  bei  Lemberg;  in  der  weissen  Kreide  von  Kent 
und  Essex;  in  der  Quadratenkreide  vom  Lindner  Berg  bei  Han- 
nover. 


208  R  e  «  s  s. 

8.  M.  bacilluni  m.  —  T.  VI,  F.  8.  —  In  meiner  Monographie 
der  böhmischen  Kreideversteinerungen  I,  p.  29,  habe  ich  unter  dem 
eben  angefĂĽhrten  Namen  eine  besondere  Species  auf  ein  einziges 
undeutliches  BruchstĂĽck  gegrĂĽndet,  welche  ich,  da  sie  durch  keinen 
späteren  Fund  bestätigt  wurde,  wieder  fallen  zu  lassen  gezwungen 
bin.  Den  dadurch  frei  gewordenen  Namen  lege  ich  nun  der  in  Rede 
stehenden  Species  bei.  Dieselbe  ist  der  31.  ensis  Rss.  ähnlich, 
aber  kürzer  und  verhältnissmässig  breiter  und  stärker  zusammen- 
gedrĂĽckt. 

Das  Gehäuse  ist  2-633  Millim.  lang,  bei  0-621  Millim.  Breite, 
säbelförmig,  beinahe  in  der  ganzen  Längenausdehnung'  gleich  breit, 
am  unteren  Ende  schwach  vorwärts  gebogen  und  abgerundet,  am 
RĂĽcken  wenig  zusammengedrĂĽckt  und  gerundet,  am  Vorderrande 
dagegen  mehr  winklig,  zuweilen  sogar  beinahe  gekantet,  daher  im 
Querschnitte  eiförmig.  Die  niedrigen  Kammern  sind  sehr  wenig 
schief,  ihre  Näthe  nur  durch  Linien  angedeutet;  nur  die  letzte  ist 
bisweilen  durch  eine  schwache  EinschnĂĽrung  gesondert.  Die  in 
gerader  Linie  ĂĽber  einander  stehenden  jĂĽngeren  Kammern  erheben 
sich  in  der  Mitte  ihrer  Seitenflächen  je  zu  einer  schwachen  Quer- 
rippe, welche  sich  jedoch  nicht  ganz  bis  zum  RĂĽcken-  und  Bauch- 
rande erstreckt.  Noch  ehe  sie  ersteren  erreicht,  endet  sie  plötzlich; 
gegen  die  Bauchgegend  hin  verflacht  sie  sich  allmählich.  Die  letzte 
abschĂĽssige  Kammer  endet  am  RĂĽckenwinkel  in  eine  kurze,  dicke 
Spitze,  welche  die  gestrahlte  Mündung  trägt. 

Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm  und  im 
Diluvialsande  bei  Hamm. 

9.  M.  seminotata  m.  —  T.  V,  F.  6.  —  Länge:  1-17  Millim., 
Breite:  0-347  Millim.  —  Gehäuse  linear,  im  Querschnitt  beinahe 
kreisrund.  Die  ersten  Kammern  sind  aussen  nicht  deutlich  geschieden 
und  sehr  niedrig.  Bei  den  jüngeren  werden  die  Näthe  allmählich 
deutlicher  und  zwischen  den  letzten  drei  Kammern  selbst  sehr  tief. 
Diese  Kammern  sind  auch  sehr  gewölbt,  die  letzte  beinahe  kugelig, 
mit  einer  der  Rückenseite  genäherten,  etwas  schräge  rückwärts 
gerichteten  röhrenförmigen  Verlängerung,  welche  die  kleine  runde 
Mündung  trägt. 

Der  unterste  Theil  des  Gehäuses  ist  sehr  wenig  vorwärts  ge- 
bogen, der  Rücken  rund.  Die  Oberfläche  der  unteren  Kammern  zeigt 
sehr  feine,  schräg  vorwärts  verlaufende,  erhabene  Streifen.   Spuren 


Die  Foraraiuiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  209 

derselben  setzen  bis  auf  das  untere  Drittheil  der  vorletzten  Kammer 
fort.  Der  ĂĽbrige  Theil  dieser  Kammer  ist,  wie  die  letzte,  voll- 
kommen glatt. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senotimergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm. 

10.  M.  armata  m'  —  T.  VII,  F.  7.  —  Von  dieser,  der  tertiären 
M.  hirsuta  d'Orb.  (Foram.  du  bass.  tert.  de  Vienne,  p.  69,  T.  3, 
F.  17,  18)  ähnlichen  Species  habe  ich  bisher  nur  seltene  Bruch- 
stĂĽcke gesehen. 

Die  oberen  Kammern  sind  fast  vollkommen  kugelig  und  durch 
tiefe  Einschnürungen  geschieden.  Die  letzte  verläuft  in  einen  kurzen 
dünnen  excentrisehen  Fortsatz,  der  die  Mündung  trägt.  Die  Ober- 
fläche der  Schale  ist  mit  feinen  stacheligen  Hervorragungen  bedeckt, 
die  auf  der  letzten  Kammer  eine  Spur  von  vertical  reihenförmiger 
Anordnung  verrathen,  auf  den  ĂĽbrigen  Kammern  aber  ganz  regellos 
stehen.  Die  ersten  Kammern  sind  an  keinem  der  wenigen  vorliegen- 
den Exemplare  erhalten.  Dieselben  stammen  aus  dem  Diluvialsande 
von  Hamm. 

11.  H.  ornatissima  m.  —  T.  VII,  F.  2.  —  Länge:  139  Millim., 
Breite:  0*42  Millim.  —  Das  verlängerte  Gehäuse  ist  heinahe  in  seiner 
ganzen  Länge  gleich  dick,  im  Querschnitte  triangulär.  Die  erste 
Kammer  bildet  eine  fast  vollkommene  Kugel,  deren  Querdurchmesser 
jenem  des  oberen  Theiles  der  Schale  gleichkommt.  Unten  läuft  sie 
in  eine  kurze  centrale  Stachelspitze  aus  und  trägt  auf  jeder  der  zwei 
Seitenflächen  drei  kurze  Rippchen,  deren  seitliche  halbmondförmig 
gebogen  sind,  die  mittlere  aber  beinahe  gerade  ist.  Auch  die  Bauch- 
und  RĂĽckenseite  sind  mit  solchen  Rippchen  geziert,  aber  nur  mit  zwei 
gebogenen,  deren  Concavität  einander  zugekehrt  ist. 

Die  ĂĽbrigen  Kammern  sind  im  Querschnitte  dreiseitig,  die  beiden 
Seitenflächen  des  Gehäuses  sind  mit  vier  schiefen,  gebogenen,  gegen 
die  RĂĽckenkante  hin  aufsteigenden  scharfen  Rippen  versehen,  die 
am  hinteren  Ende  einen  kurzen ,  gerade  aufwärts  gerichteten  Fort- 
satz bilden,  ohne  mit  jenen  der  entgegengesetzten  Seite  zusammen- 
zustossen.  Der  Rücken  des  Gehäuses  erscheint  dadurch  zwischen 
den  genannten  Leisten  von  einer  starken  und  breiten  Längsfurche 
durchzogen. 

Die  Bauchfläche  des  Gehäuses  ist  lanzettförmig  und  so  breit 
wie  die  Seitenflächen.    Sie  wird  von  zwei  scharfen  Leisten  einge- 


210  Reu  83. 

fasst,  die  sich  bis  auf  die  erste  kugelige  Kammer  herab  erstrecken 
und  eine  tiefe  Furche  zwischen  sich  haben.  Ăśberdies  ist  sie  mit  vier 
in  der  Mitte  winklig  gebrochenen  und  durch  eine  Furche  unter- 
brochenen, mit  dem  spitzigen  Winkel  aufwärts  gekehrten  Rippen 
versehen.  Die  MĂĽndung  steht  auf  der  Spitze  der  letzten  Kammer  am 
Rückenwinkel  des  Gehäuses. 

Sehr  selten  in  dem  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei 
Hamm. 

Cristellaria  Lam. 

1.  C.  recta  d'Orb.  (Mein,  de  Ia  soc.  geol.  de  Fr.  IV.  J  ,  p.  28, 
T.  2,  F.  23 — 25).  —  Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des 
Hilgenberges  bei  Hamm.  —  Selten  in  der  weissen  Kreide  von 
Meudon  und  St.  Germain,  im  Kreidedetritus  von  Charing  (England)'; 
im  Ananchytenmergel  von  Jenstedt;  im  Bakulitenthon  von  Luschitz 
(Böhmen). 

2.  C.  angusta  Rss.  (Haidinger' s  naturw.  Abhandl.  IV.  \, 
p.  32,  T.  3,  F.  7).  —  Selten  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  In  den 
Mukronatenschichten  von  Nagorzani  bei  Lemberg;  noch  zweifelhaft 
in   dem   Kreidemergel   des  Edelbachgrabens   im   Gosau-Thale. 

3.  C.  Hagenowi  m.  —  T.  IX,  F.  6.  —  Das  nur  0766  Millim. 
hohe  und  0-44  Millim.  breite  Gehäuse  schief-oval,  ohrförmig,  unten 
stumpf  und  vorwärts  gekrümmt,  oben  kurz  zugespitzt,  seitlich  zu- 
sammengedrückt. 6  —  9  niedrige,  schmal-  und  schief-dreiseitige 
Kammern,  deren  3 — 4  unterste  einen  Theil  eines  spiralen  Umganges 
bilden,  während  die  übrigen  in  gerader  Reihe  über  einander  stehen. 
Sie  sind  nur  sehr  wenig  gewölbt  und  durch  sehr  seichte  schmale 
Näthe  geschieden.  Der  Rücken  des  Gehäuses,  so  wie  die  Bauchseite 
winklig,  ersterer  sogar  gekielt.  Die  letzte,  am  oberen  Ende  schräg 
abschüssige  Kammer  verlängert  sich  am  Riickenwinkel  in  einen 
Höcker,  welcher  die  gestrahlte  Mündung  trägt.  Die  Mundfläche 
lanzettförmig,  sehr  wenig  gewölbt.  Die  Schalenoberfläche  glatt, 
glasig  glänzend. 

Sehr  selten  im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei 
Hamm. 

4.  C.  inepta  m.  —  T.  X,  F.  4.  —  Länge:  1-17  Millim.,  grösste 
Breite:  0-67  Millim.  —  Schief-eiförmig,  breit  gerundet,  oben  kurz 
zugespitzt,   seitlich  massig  zusammengedrĂĽckt,  am  RĂĽcken  scharf- 


Die  Foraminifereu  der  westphälischen  Kreideformalion.  2  t 

winklig,  auf  der  Bauchseite  breiter  und  tief  ausgeschnitten.  8  —  9 
niedrige,  wenig  schiefe  Kammern.  Die  ersten  sind  hakenförmig  nach 
vorne  umgebogen  und  wachsen  rasch  zu  bedeutender  Grösse  an;  die 
jĂĽngeren  stehen  in  gerader  Reihe  ĂĽber  einander  und  nehmen  nach 
oben  wieder  etwas  an  Grösse  ab,  wodurch  sich  das  Gehäuse  dort 
allmählich  zur  stumpfen  Spitze  verschmälert.  Sämmtliche  Kammern 
sind  sehr  wenig  gewölbt  und  die  seichten  Näthe  zunächst  dein 
SchalenrĂĽcken  am  deutlichsten  sichtbar.  Die  letzte  Kammer  ist  am 
höchsten,  dreiseitig  und  trägt  auf  ihrer  oberen  stumpfen  Spitze  die 
gestrahlte  Mündung.  Die  Bauchfläche  derselben  kurz-dreieckig,  bei- 
nahe eben;  der  darunter  liegende  Theil  der  Bauchtläche  des  übrigen 
Gehäuses  seicht  ausgehöhlt.  Schale  glatt,  glänzend. 
Sehr  selten  in  Gesellschaft  der  vorigen  Species. 

5.  C.  lins pa  m.  —  T.  X,  F.  1,  2.  —  Eine  ziemlich  grosse 
Species  —  1*9 — 2  Millim.  hoch  —  aus  der  Gruppe  der  Planularia. 
Die  Schale  stark  seitlich  zusammengedrĂĽckt,  lang-  und  schief- 
eiförmig,  oben  zugespitzt,  am  unteren  Theile  ziemlich  stark  vorwärts 
gekrümmt,  so  dass  die  ersten  Kammern  beiläufig  die  Hälfte  eines 
spiralen  Umganges  bilden.  Der  RĂĽcken  winklig,  ohne  scharf  zu  sein, 
nur  an  dem  spiralen  Theile  des  Gehäuses  wird  er  kielartig.  10 — 12 
sehr  schmal-dreieckige  Kammern,  die  durch  sehr  schwach  vertiefte 
lineare  Näthe  geschieden  werden.  Die  Scheidewände  scheinen  mit 
dunkler  Farbe  durch.  Die  ersten  Kammern  haben  eine  nur  wenig 
schiefe  Richtung.  Die  jĂĽngeren  werden  immer  schiefer  und  zuweilen 
reicht  die  letzte  Kammer  ĂĽber  den  Vorderrand  der  ĂĽbrigen  bis  zur 
ersten  herab  (T.  10,  F.  2).  Sie  ist  stark  nach  vorne  abschĂĽssig  und 
trägt  auf  der  am  Rückenwinkel  liegenden  Spitze  die  gestrahlte  Mün- 
dung. Ihre  Bauchfläche  ist  von  einer  Seite  zur  anderen  wenig  ge- 
wölbt, in  der  Mitte  selbst  schwach  eingedrückt. 

Sehr  selten  in  Begleitung  der  vorigen  Arten. 

6.  C.  tripleura  m.  —  T.  IX,  F.  5.  —  Die  zu  der  Unterabtheilung 
Saracenuria  gehörige  Species  ist  0-658  Millim.  lang,  0-292  Millim. 
breit,  verlängert,  massig  zusammengedrückt,  an  der  Bauchseite  be- 
deutend breiter  als  am  RĂĽcken,  daher  im  Querschnitte  dreiseitig,  oben 
zugespitzt,  unten  stumpf  und  stark  vorwärts  eingebogen.  Die  ersten 
Kammern  lassen  sich  äusserlich  nicht  unterscheiden.  Sie  sind  im 
Allgemeinen  niedrig,  wenig  gebogen  und  nehmen  nach  oben  hin 
allmählich   eine   sehr   schräge  Richtung  an.    Die  Näthe  linear,  die 


212  Rein, 

Mundfläche  der  letzten  Kammer  sehr  abschüssig,  schmal-  und  lang- 
dreiseitig, gewölbt;  die  Bauchfläche  des  Gehäuses  von  oben  nach 
unten  ausgehöhlt.   Die  Mündung  gestrahlt. 

Sehr  selten  im  obersten  Gault  von  Rheine. 

7.  C.  triaogularis  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV,  I, 
p.  27,  T.  2,  Fig.  21,  22).  Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln 
des  Hilgenberges  bei  Hamm.  —  In  der  weissen  Kreide  von  Sens  und 
vonKent;  imKreidedetritus  von  Charing,  nach  Morris  auch  im  Gault 
von  Folkestone  (?);  in  den  Bakulitenthonen  von  Luschitz,  Rannai 
und  Brozan  (Böhmen). 

8.  C.  navicnla  d'Orb.  (1.  c.  IV,  1 ,  p.  27,  T.  2,  F.  19,  20).  — 
Sehr  selten  in  den  unteren  Senonmergeln  von  Ostheide  bei  Hamm. 
—  In  der  weissen  Kreide  Frankreichs  und  von  Kent;  im  Kreidetuff 
von  Maestricht;  im  Bakulitenthon  von  Luschitz  und  Brozan  und  im 
Pläner  des  Laurenzberges  bei  Prag  (Böhmen). 

9.  C.  Marcki  m.  —  T.  IX,  F.  4.  —  Gehört  unter  die  grösseren 
Formen  dieser  Gattung,  denn  einzelne  Exemplare  erreichen  eine 
Höhe  von  296  Millim.  bei  einer  Breite  von  1-609  Millim.  Mit  Aus- 
nahme des  untersten  Theiles  ist  das  schief-  eiförmige  Gehäuse  sehr 
stark  seitlich  zusammengedrückt,  öfters  verbogen,  oben  zugespitzt, 
unten  breit  gerundet. 

Die  älteren  Kammern  bilden  eine  verhältnissmässig  grosse, 
linsenförmige,  in  der  Mitte  buckelartig  vorragende  Spirale,  an  der 
aber  äusserlich  gar  keine  Kammerabtheilung  wahrzunehmen  ist.  Die 
jĂĽngeren  Kammern  sind  sehr  niedrig,  schief  und  durch  seichte  Furchen 
von  einander  geschieden.  Der  RĂĽcken  ziemlich  scharfwinklig.  Die 
Mundfläche  der  letzten  Kammer  sehr  schmal,  schwach  zugerundet. 
Die  Schalenoberfläche  glatt. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges  bei 
Hamm  und  im  Diluvialsande  bei  Hamm. 

10.  Cr.  inflata  m.  —  T.  VIII,  F.  6.  —  Eiförmig,  oben  sehr  kurz 
zugespitzt,  unten  breit  gerundet,  seitlich  stark  gewölbt,  am  Rücken 
gekielt.  Die  unteren  6 — 7  sehr  kleinen  dreieckigen  Kammern  bilden 
eine  vollkommene  stark  convexe  linsenförmige  Spirale  und  werden 
nur  dem  von  einem  schmalen  gekielten  Saume  umgebenen  Rande 
zunächst  durch  kurze  seichte  Näthe  geschieden.  Oberhalb  dieser 
Spirale  legen  sich  noch  2 — 3  niedrige,  am  Rücken  winklige,  aber 
nicht  gesäumte,  auf  der  Bauchseite  breitere  Kammern  an,  die  tiefere, 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen   Kreideformation.  213 

wenn  auch  schmale  Nätlie  zwischen  sich  haben  und  deren  letzte  in 
eine  kurze  durchbohrte  Spitze  ausläuft. 

Sehr  selten  in  dem  oberen  Senonmergel  des  Hilgenbcrges  bei 
Hamm. 

11. Cr.  oligostegiam.  — T.  VIILF.8.  —Durchmesser:  0-8  Millim. 
Kreisrund,  wenig  zusammengedrückt,  an  den  Seiten  stark  gewölbt, 
am  Rücken  winklig.  Fünf  gewölbte,  durch  schmale,  aber  deutliche 
Näthe  gesonderte,  breit-dreieckige,  fast  gerade  Kammern.  Die  letzte 
läuft  in  eine  sehr  kurze,  stumpfe,  beinahe  mittelständige  Spitze  mit 
gestrahlter  Mündung  aus.  Die  Bauchfläche  derselben  quer-halbmond- 
förmig, durch  den  vorhergehenden  stumpfwinkligen  Umgang  tief 
ausgeschnitten,  gewölbt.  Schalenoberfläche  glatt. 

Sehr  selten  im  Diluvialsande  von  Hamm. 

12.  Cr.  ovalisRss.  (Die  Verst.  d.  böhm.  Kreideform.  1,  p.  34,  35, 
T.  8,  F.  49;  T.  12,  F.  19;  T.  13,  F.  60  — 63.)  — Im  oberen  Senon- 
mergel des  Hilgenberges  bei  Hamm;  im  unteren  von  Hamm  und  von 
Oslheide.  —  Im  böhmischen  Kreidegebirge  ziemlich  verbreitet;  im 
Planer  von  Kutschlin,  Kröndorf,  Kosstitz,  des  Laurenzberges  bei 
Prag  u.  s.  w. ;  im  Bakulitenthone  von  Luschitz ,  Priesen,  Wollenitz, 
Rannai,  Brozan  u.  a.  0.  —  Im  Kreidemergel  vor  dem  Clever  Thore 
von  Hannover;  im  Cuvieri- Planer  von  Haverlah;  im  Kreidemergel 
von  Köpinge  auf  Schoonen. 

13.  C.  acuta  m.  —  T.  X,  F.  3.  —  Höhe:  117  Millim.,  Breite: 
0899  Millim.  Im  Umrisse  breit-oval,  scharf  gekantet,  gewölbt, 
oben  zugespitzt,  unten  breit  gerundet,  vollkommen  spiral  eingerollt. 
Die  Mitte  der  Spirale  ragt  als  eine  kleine  gewölbte  Scheibe  stark  her- 
vor. Zwei  Umgänge,  von  denen  nur  der  zweite  durch  lineare  Näthe 
in  10 — 11  niedrige,  keilförmige,  sehr  wenig  gebogene,  flache  Kam- 
mern gesondert  ist.  An  dem  innern  Umgange  ist  äusserlich  keine 
Kammerabtheilung  wahrnehmbar.  Die  Mundfläche  der  letzten,  oben 
scharf  zugespitzten  Kammer  ist  hoch  dreieckig,  in  der  Mitte  abge- 
plattet. Die  runde  Mündung  gestrahlt,  die  Schalenoberfläche  glatt, 
glänzend. 

Selten  im  Pläner  und  im  Minimusthone  von  Rheine.  —  Auch  im 
Albien  von  Wallmoden. 

14.  C.  rotulata  Lam.  sp.  (d'Orbigny,  Mein,  de  la  soc.  geol. 
de  Fr.  IV.  1,  p.  26,  T.  2,  F.  15—18.)  Ohne  Zweifel  die  verbrei- 
tetste  aller  Foraminiferenspecies.  Sie  findet  sich  nicht  nur  beinahe 


214  R  e  i  b  s. 

ĂĽberall,  wo  Kreidegebilde  auftreten,  sondern  geht  auch  in  verticaler 
Richtung  beinahe  durch  alle  Kreideetagen  bis  unter  den  Gault  hinab. 
Im  westphälischen  Kreidegebirge  ist  sie  beinahe  überall  vorhanden. 
Ich  fand  dieselbe  in  den  Mukronatenschichten  des  Hilgenberges,  des 
Kurkenberges,  des  Westberges  u.  a.;  in  der  Quadratenkreide  voo 
Hamm,  Flierich,  Uedinghoff,  Ostheide,  vom  Rhynerberg  u.  s.  w. ;  im 
Pläner  von  Ahaus,  Unna,  Opherdieke  u.  s.  f.;  in  der  Tourtia  von 
Essen;  im  Minimusthone  von  Rheine;  im  Diluvialsande  von  Hamm. 

Verbreitet  ist  sie  ĂĽberdies  in  der  weissen  Kreide  Frankreichs 
(Meudon,  St.  Germain,  Sens),  Englands,  Rügens,  Dänemarks;  im 
Kreidedetritus  von  Charing  (England) ;  in  den  Mukronatenschichten 
von  Lemförde,  von  Nagorzani  bei  Lcmberg  ;  überall  in  den  Baknliten- 
thonen  und  im  Pläner  Sachsens  und  Böhmens;  in  den  Kreidemergeln 
des  Gosauthales;  in  den  Kreidekalken  von  Basdorf  und  Wichmanns- 
dorf  in  Mecklenburg ;  in  den  Quadratenschichten  von  Ilseburg, 
Bochum  und  vom  Lindner  Berge  bei  Hannover;  in  der  untern  Kreide 
von  Peine;  in  der  glaukonitischen  Kreide  von  Köpinge  (Schoonen); 
im  Pläner  aus  dem  Bohrloch  von  Liebenbach  bei  Salzgitter;  im 
Cuvieri-Pläner  von  Haverlah;  im  Grünsand  von  Mans,  von  Warminster 
und  Farringdon;  im  GrĂĽnsand  des  unteren  Quaders  von  Laun  und 
Neuschloss  (Böhmen);  im  Cenomanien  von  Ringelberg-Kothwelle  und 
vom  Fleischerberg  bei  Salzgitter;  im  Flammenmergel  von  Salzgitter; 
im  Gault  von  Kent;  im  Speeton-Clay  von  Yorkshire:  im  Minimusthon 
von  der  Heininger  Ziegelei,  von  Eilum  und  Wallmoden;  in  den  Gargas- 
mergeln von  Mastbruch  bei  Braunschweig  u.  v.  a.  Jedoch  ist  das 
Vorkommen  der  C.  rotulata  in  den  tieferen  Kreideetagen  immer  ein 
weit  selteneres;  das  Hauptlager  bilden  die  Senon-  und  Turon- 
schichten. 

Wenn  von  manchen  Seiten  C.  rotulata  in  Tertiärgebilden  vor- 
kommend, ja  selbst  noch  lebend  angefĂĽhrt  wird,  so  dĂĽrfte  dies  wohl 
nur  auf  einer  Verwechslung  beruhen,  die  bei  den  mitunter  sehr 
indifferenten  Cristellarla-Avten  leicht  möglich  ist.  Ich  habe  wenig- 
stens bisher  die  echte  C.  rotulata  in  keiner  der  zahlreichen  von  mir 
untersuchten  Tertiärablagerungen  aufzufinden  vermocht. 

1U.  C.  secans  m.  —  T.  IX,  F.  7.  —  Durchmesser:  1-326  Millim. 
Gehäuse  kreisrund ,  seitlich  zusammengedrückt ,  im  Umfange  scharf 
gekielt,  stark  gewölbt,  vollkommen  spiral  eingerollt.  Im  letzten 
Umgange,  dem  einzigen  deutlich  sichtbaren,  zählt  man  12  schmale, 


Die  Foraminiferen  der  westphälisehen  KreiHeformation.  213 

dreieckige,  etwas  gebogene  flache  Kammern,  die  durch  radiale  Ripp- 
chen, welche  von  einer  grossen,  convexen,  centralen  Nabelscheibe 
ausgehen,  und,  sich  verdĂĽnnend,  nur  bis  an  den  Randkiel  verlaufen, 
von  einander  geschieden  werden.  Die  Mundfläche  der  letzten  Kam- 
mer ist  an  den  wenigen  vorliegenden  Exemplaren  beschädigt. 

Selten  im  Minimusthone  von  Rheine.  —  Eben  so  selten  im 
Albien  von  Wallmoden,  Eilum  und  von  der  Heininger  Ziegelei. 

16.  C.  microptera  m.  —  T.  VIII,  F.  7.  —  Kreisrund,  von  den 
Seiten  stark  zusammengedrĂĽckt,  in  der  Mitte  selbst  etwas  ein- 
gedrĂĽckt, am  Rande  mit  einem  schmalen  FlĂĽgelsaume  umgeben. 
Zehn  schmale,  dreieckige,  etwas  gebogene,  sehr  wenig  gewölbte 
Kammern.  Die  Näthe  linear,  schwach  vertieft,  nicht  bis  zum  Centrum 
des  Gehäuses  reichend.  Die  letzte  Kammer  am  oberen  Ende  zuge- 
spitzt. Die  Mündung  gestrahlt.  Die  Schalenoberfläche  glatt,  glänzend. 

Sehr  selten  in  den  oberen  Senonmergeln  vom  Herrensteinberg 
bei  Hamm. 

Robulina  d' Orb. 

1.  R.  lepida  Rss.  (Verstein.  d.  böhm.  Kreideform.  II.  p.  109, 
T.  24,  F.  46).  Sehr  selten  im  Obersenonmergel  des  Hilgenberges 
bei  Hamm.  —  Nicht  selten  im  Bakulitenthone  von  Luschitz  (Böh- 
men); vereinzelt  in  den  Kreidemergeln  des  Edelbachgrabens  im 
Gosauthale. 

Flabellina  d'  0  r  b. 

1.  Fl.rngosa  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.geol.  de  Fr.  IV.  l,p.23,24, 
T.  2,  F.  4—7.  —  Foram.  du  bass.  tert.  de  Vienne.  p.  93,  T.  21, 
F.  13,  14.  —  Reuss,  Verstein.  d.  böhm.  Kreideform.  I.  p.  33,  T.  8, 
F.  31  —  34,  68,  T.  13,  F.  49—53).  Im  oberen  Senonmergel  vom 
Hilgenberg  bei  Hamm,  von  Dolberg  bei  Beckum  und  von  Drenstein- 
furth;  im  unteren  Senon  von  Flierich,  Ostheide  und  vom  Rhynerberg  ; 
im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  In  der  weissen  Kreide  von  Meudon, 
Sens  (Frankreich)  und  von  Kent;  im  Kreidedetritus  von  Charing;  im 
Kreidemergel  des  Edelbachgrabens  im  Gosauthale;  im  Bakuliten- 
thone von  Luschitz,  Priesen  und  Rannai,  und  gemein  im  Pläner  von 
Kosstitz  (Böhmen). 

2.  Fl.  Baocloniniaiia  d'Orb.  (1.  c.  IV.  1,  p.  25,  T.  2,  F.  12). 
Sehr  selten   im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  In  der  weissen  Kreide 

Sitzh.  (1.  mathera.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  8.  iö 


216  R  e  u  s  s. 

von  Sens  in  Frankreich;  in  der  untern  Kreide  von  Dover;  im  Kreide- 
detritus  von  Charing;  sehr  selten  im  Pläner  von  Kosstitz  (Böhmen). 

3.  Fl.  cordata  Rss.  (Die  Verst.  d.  böhm.  Kreideform.  I,  p.  32, 
T.  8,  F.  37—46,  78.  —  Denkschr.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  1854, 
VII.  p.  67,  T.  25,  F.  6 — 8.) —  Im  untern  Senonmergel  des  Rhyner- 
berges  und  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Ist  in  der  böhmischen 
und  sächsischen  Kreide  eben  so  verbreitet  wie  Cristellaria  rotulata. 
Beinahe  überall  und  häufig  findet  sie  sich  im  Bakulitenthone  und 
Pläner;  seltener  erscheint  sie  in  den  tieferen  Kreideschichten,  im 
Plänersandstein  von  Triblitz  und  Hradek,  im  Grünsand  von  Neu- 
schloss  und  Laun,  im  kalkigen  Quader  von  Cencic,  im  untern  Quader- 
sandstein  von  Tyssa;  auf  secundärer Lagerstätte  mit  anderen  Kreide- 
versteinerungen im  pyropenführenden  Sande  von  Triblitz  (Böhmen). 
Ăśberdies  in  der  weichen  Kreide  von  Charlottenlund  in  Schweden 
(Planidaria  elliptica  Nils.);  in  der  weissen  Kreide  von  Gravesend ; 
im  lower  chalk  von  Dover;  im  Kreidedetritus  von  Charing  (England). 
Die  Angabe  des  Vorkommens  im  Gault  von  Folkestone  (Morris, 
Catal.  of  brit.  foss.  2d.  edit.  p.  35)  bedarf  wohl  noch  weiterer 
Bestätigung. 

4.  Fl.  interponctata  v.  d.  Mck.  (Von  der  M  a  r  c  k  in  den 
Verhandl.  des  naturhist.  Ver.  d.  Rheinlande  u.  Westph.  XV.  Separat- 
abdruck  p.  53,  T.  1,  F.  5).  —  T.  IX,  F.  1.  —  Länge:  2-08  Millim.; 
grösste  Breite:  118  Millim.  Gehäuse  eiförmig  oder  länglich-herz- 
förmig, oben  ziemlich  lang  zugespitzt,  während  am  unteren  Ende  die 
ersten  unregelmässig  spiral  gestellten  Kammern  in  Gestalt  eines 
kurzen,  stumpfen  Zapfens  aus  der  breit  gerundeten  oder  selbst  etwas 
eingebogenen  Basis  hervorspringen.  Die  Seitenränder  des  sehr 
dünnen  Gehäuses  sind  gerundet,  die  oberen  viel  länger  als  die  unteren, 
mit  denen  sie  in  einem  stark  abgerundeten  stumpfen  Winkel  zusam- 
menstossen.  Die  Kammern  zahlreich  (15 — 16),  sehr  schmal;  die 
oberen  spitzwinklig,  durch  schmale,  aber  scharfe  Leistchen,  die  öfters 
unterbrochen  oder  unregelmässig  sind,  äusserlich  geschieden.  Zwi- 
schen denselben  stehen  auf  den  ebenen  Flächen  der  Kammern,  mit 
Ausnahme  der  letzten,  sehr  kleine  rundliche  Körnchen,  gewöhnlich 
nur  in  einer  den  Kammerleisten  parallel  verlaufenden  Reihe,  doch 
stellenweise  auch  regellos  stehend. 

Selten  in  den  oberen  Senonmergeln  (\{>^  llilgenberges,  West- 
berges  und  Kurkenbeiges  bei  Kamm  und  vom  Dolberg  bei  Beckum; 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  217 

im  unteren  Senonien  yon  Flierich  und  vom  Rhynerberg;  im  Diluvial- 
sande von  Hamm. 

5.  FI.  niacrospira  m.  —  T.  IX,  F.  2.  —  Ich  erhielt  diese 
Species,  zwischen  Glasplatten  in  Canadabalsam  eingeschlossen,  von 
Herrn  von  der  Marck.  Da  es  ohne  Gefahr,  die  zerbrechliche  Schale 
zu  zerstören,  nicht  möglich  war,  dieselbe  blosszulegen,  so  konnte  ich 
mich  nur  auf  die  unzureichende  Untersuchung  bei  durchfallendem 
Lichte  beschränken.  Eine  genaue  Angabe  der  Sculpturverhältnisse 
der  Schale  wird  dadurch  unmöglich.  Aber  auch  die  auf  diesem  Wege 
nachweisbaren  Kennzeichen  geniigen  vollkommen,  um  in  dem  Fossile 
eine  besondere  von  allen  ĂĽbrigen  verschiedene  Art  der  Gattung  Fla- 
bellina  erkennen  zu  lassen. 

FL  macrospira  ist  nächst  der  Fl.  simple.v  Rss.  aus  den  oberen 
Senonmergeln  von  Nagorzani  bei  Lemberg  die  einzige  Species, 
welche  durch  eine  grosse  regelmässige  Spirale  der  ältesten  Kam- 
mern, die  von  den  jĂĽngeren  reitenden  Kammern  nicht  umfasst  wird, 
sich  auszeichnet.  Das  stark  zusammengedrückte  Gehäuse  ist  verlän- 
gert-eiförmig,  über  der  Mitte  am  breitesten,  oben  kurz  zugespitzt, 
nach  unten  langsam  verschmälert  und  abgerundet  endigend.  Beinahe 
den  dritten  Theil  der  Länge  des  Gehäuses  nimmt  die  verhältniss- 
mässig  grosse  spirale  Scheibe  ein,  welche  von  den  ersten  5  —  6  klei- 
nen Kammern  gebildet  wird.  Im  Mittelpunkte  dieser  Scheibe  liegt 
die  grosse  kreisförmige  Embryonalkammer;  die  übrigen  sind  klein 
und  dreieckig.  Über  der  Spirale  erheben  sich  4  —  5  spitzwinklige 
reitende  Kammern  in  gerader  Reihe  ĂĽber  einander.  Sie  werden  durch 
ziemlich  breite,  auf  der  Aussenseite  des  Gehäuses  wahrscheinlich 
leistenartig  hervorragende  Scheidewände  geschieden.  Die  Seiten- 
ränder der  Schale  erscheinen  gerade  abgestutzt. 

Sehr  selten  im  oberen  Senonmergel  von  Dolberg  bei  Beckum. 


b)  Pener oplideae. 

Haplophragmium  Rss. 

Die  hierher  gehörigen  Arten  wurden  früher  bald  zu  Spirolina 
Lam.,  bald  zu  Lituola  Lam.  gerechnet,  unterscheiden  sich  aber  von 
beiden  wesentlich.  Mit  beiden  stimmen  sie  in  der  Form  des  Gehäuses 
ĂĽbereilt.   Dasselbe  ist  in  seinem  Anfangstheile  spiral  eingerollt,  wird 

IS* 


2  I  ö  1!   e   u  s  s. 

über  im  Verlaufe  des  Wachsthumes  gerade  gestreckt,  stabförmig, 
indem  sich  die  Kammern  in  gerader  Reihe  ĂĽber  einander  legen.  Wie 
bei  Spirolina,  zeigen  die  Kammern  eine  einfache  Höhlung  und  stehen 
durch  mehrere  kleine  Ă–ffnungen  mit  einander  in  Verbindung.  Aber 
abgesehen  von  der  viel  geringeren  Regelmässigkeit  in  Gestalt  und 
Anordnung  der  Kammern,  ist  die  Schale  nicht  glatt  und  durchaus 
kalkig,  sondern  sehr  rauh  und  uneben,  grösstenteils  aus  Kiesel- 
köruern  zusammengesetzt.  Von  Lituola  dagegen,  welche  ebenfalls 
mit  einer  vorwiegend  kieseligen  Schale  versehen  ist,  unterscheidet 
sich  Haplophragmium  durch  die  einfachen  Kammerhöhlungen.  Bei 
Lituola  werden  dieselben  durch  zahlreiche  sehr  regellose  und  ana- 
stomosirende  Scheidewände  vielfach  unterabgetheilt  und  erhalten 
ein  zelliges  Ansehen.  Es  wird  dadurch  die  Errichtung  einer  selbst- 
ständigen Gattung  wohl  gerechtfertigt.  Dieselbe  ist  bisher  nur  im 
fossilen  Zustande  —  in  den  Kreide-  und  Tertiärgebilden  —  ange- 
troffen worden. 

1.  H.  aeqnale  Rom.  sp.  (Spirolina  aequalis  Rom.  Die  Verst. 
d.  nordd.  Kreidegeb.  p.  98,  T.  15,  F.  27.  —  Lituola  aeq.  d"Or- 
bigny,  Prodr.  de  paleont.  stratigr.  II.  p.  95).  —  T.  XI,  F. 2,  3.— 
Die  grössten  mir  vorliegenden  westphälischen  Exemplare  sind  5-044 
Millim.  lang1  und  im  unteren  Theile  1*756  Miliim.  dick.  Das  Gehäuse 
ist  verlängert -keulenförmig,  im  Verhältniss  zur  Länge  dick  ;  die 
Spirale  gewöhnlich  sehr  unregelmässig,  nicht  oder  nur  wenig  zusam- 
mengedrĂĽckt und  ĂĽberragt  in  der  Breite  den  gerade  ausgestreckten 
Theil  des  Gehäuses  nur  wenig.  Die  Kammern  sind  sehr  ungleich, 
besonders  jene  des  spiralen  Schalentheiles,  welche  gewölbt  und  sehr 
regellos  gestaltet  sind. 

Die  Kammern  des  geraden  Theiles  des  Gehäuses  sind  zwar  fast 
durchgehends  etwas  breiter  als  hoch,  aber  sie  wechseln  in  dem  Ver- 
hältnisse der  Höhe  zur  Breite  sehr  und  nehmen  oft  eine  keilförmige 
G estalt  an.  Die  letzte  Kammer  ist  oben  gewölbt  und  der  oberste 
Theil  dieser  Wölbung  nur  in  beschränktem  Umfange  siebartig  durch- 
löchert von  den  wenig  zahlreichen  sehr  kleinen  rundlichen  Mün- 
dungen (F.  2  a,  6).  An  Bruchstücken  erscheinen  die  Scheidewände 
der  älteren  Kammern  eben  oder  sehr  schwach  eingedrückt,  mit  zahl- 
reichen Mündungen,  die  nicht  selten  durch  Zerstörung  der  Zwischen- 
wände in  eine  einzige  unregelmässig  ästige  zusammenfliessen ,  wie 
bei  Dendritina  (F.  3  b). 


nie  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideforination.  210 

Selten  im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm  und 
im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Im  norddeutschen  Hils,  z.  ß.  vom 
Spielberg  bei  Gri'menplan,  von  Eschershauseu  u.  s.  w. 

2.  H.  irreguläre  Rom.  sp.  (Spirolina  irr.  Römer  1.  c.  p.  98, 
T.  15,  F.  29.  —  Sp.inaequalis  [errore  typij  Reuss,  Verstein.  d. 
böhm.  Kreideform.  I.  p.  35,  T.  8,  F.  62 — 6ß,  75.  —  Sp.  lagenalis 
Römer  I.  c.  p.  98,  T.  15,  F.  28).  —  T.  X,  F.  9,  T.  XI,  F.  1.  — 
Die  grössten  Exemplare  der  ungemein  veränderlichen  Species  messen 
4'6  Millim.  in  der  Länge ,  2-41  Millim.  in  der  grössten  ßreite.  — 
Das  Gehäuse  ist  von  der  Form  eines  ßischofsstabes  oder  flaschen- 
förmig,  wechselt  aber  in  Grösse,  Gestalt  und  im  Verhältnisse  der  ein- 
zelnen Theile  ausnehmend.  Die  Kammern  zahlreich.  Die  untersten 
8 — 10  eine  bald  sehr  convexe,  fast  kugelige,  bald  eine  mehr  zusam- 
mengedrĂĽckte, in  der  Mitte  schwach  vertiefte  Spirale  bildend,  sehr 
ungleich  in  Grösse  und  Form,  meist  dreiseitig.  Die  übrigen  5 — 6 
Kammern  stehen  in  gerader  Reihe  ĂĽber  einander  und  bilden  einen 
auf  dem  spiralen  Theile  des  Gehäuses  aufsitzenden,  gewöhnlich 
walzenförmigen,  selten  etwas  zusammengedrückten  Fortsatz,  der 
bald  aus  der  Mitte  (Sp.  lagenalis  Rom.),  bald  aus  der  Spite  der 
Spirale  entspringt.  Dabei  sind  sie  zwar  von  sehr  ungleicher  Grösse, 
aber  fast  stets  breiter  als  hoch,  oft  von  sehr  unsymmetrischer  Form, 
auf  einer  Seite  höher  als  auf  der  andern  oder  selbst  keilförmig. 
Alle  sind  durch  schmale,  aber  tiefe  Näthe  gesondert.  Die  letzte  Kam- 
mer ist  oben  etwas  verengert,  mit  wenig  gewölbter  Mundfläche.  Auf 
dieser  stehen  2 — G  sehr  kleine  rundliche  Mündungen,  entweder 
regellos  zerstreut  oder  bisweilen  in  ziemlich  regelmässigem  Kreise 
(F.  9  b).  Die  Schalenoherfläche  sehr  rauh  und  uneben. 

Im  oberen  Senon  des  Hilgenberges  bei  Hamm,  im  unteren  Senon 
des  Rhynerherges,  im  Pläner  von  Unna,  im  Diluvialsande  von  Hamm. 
Im  Pläner  und  Bakulitenthone  Böhmens,  in  den  Mukronatenschichten 
von  Lemberg  in  Galizien  und  von  Lemförde;  im  Cenomanien  von 
Peine,  des  Mahnerberges  bei  Salzgitter;  im  Kreidemergel  des  Edel- 
bach-  und  Wegscheidgrabens  im  Gosauthale.  Auch  in  der  oberen  und 
unteren  Kreide  Englands,  denn  Spirolinites  Stokesi,  Murchisoni, 
Mantelli,  Bucklandi  N  o  r  th  a  m  p  t.  und  Sp.  Comptoni  Ma  n  t.,  welche 
von  Mantell  in  den  Wonders  of  geology  p.  297  angefĂĽhrt  und  mit 
Ausnahme  des  erstgenannten  T.  34,  F.  1,  2  und  T.  35,  F.  1,  2  abge- 
bildet werden,  gehören  insgesammt  zu  Haplophragmium  irreguläre. 


220  R  e  u  s  s. 


MAtuola  Lam. 


1.  L.  nautiloidca  Lam.  (Lamarck,  Ann.  du  mus.  V.  p,  243. 
VIII.  T.  62,  F.  12,  13;  Anim.  s.  vertebres,  2,le  edit.  XI,  p.  282.  — 
Encyelop.  rneth.  T.  465,  F.  6;  T.  466,  F.  1.  (L.  deformis  Jugerid- 
zustand)  —  d'Orbigny,  Mein,  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV,  1.  p.  29, 
T.  2,  F.  28—31;  Foram.  du  bass.  tert.  de  Vienne  p.  138,  T.  21, 
F.  20,  21.  — SpiroUna  nautiloidea  d'Orb.  Ann.  des  sc.  nat.  1826, 
p.  287.  —  Coscinospira  naut.  Ehrbg.  Die  Bild,  der  Kreideform,  aus 
mikrosk.  Organ,  p.  75.)  —  T.  X,  F.  5 — 8.  —  Die  grössten  Exem- 
plare haben  eine  Länge  von  9,87Millim.  bei  der  grössten  Breite  von 
3-29  Millim.  Das  Gehäuse  oft  stark  verlängert,  beinahe  cylindrisch, 
oder  nach  unten  sich  zuerst  langsam  und  wenig  verschmälernd  und 
dann  am  unteren  Ende  sich  rasch  ausbreitend,  mitunter  schwach 
zusammengedrückt,  oft  unregelmässig  verbogen;  oben  abgestutzt, 
unten  spiral  eingerollt.  Kammern  sehr  zahlreich.  Die  jĂĽngeren  stehen 
in  gerader  Reihe  ĂĽber  einander  und  sind  ungleich,  sehr  niedrig, 
mehrfach  breiter  als  hoch,  mitunter  schief  und  nicht  die  gesammte 
Breite  des  Gehäuses  einnehmend,  sondern  keilförmig  zwischen  zwei 
breitere  eingeschoben. 

Die  älteren,  gewöbnlich  etwas  höheren,  dreieckigen  Kammern 
bilden  eine  Spirale,  meist  nur  von  einem  Umgänge,  die  bald  regel- 
mässig in  der  Ebene  des  ganzen  Gehäuses  eingerollt,  bald  schief 
gegen  eine  Seite  geneigt  ist.  Sie  ist  mehr  weniger  zusammen- 
gedrĂĽckt und  zeigt  in  der  Mitte  entweder  beiderseits  oder  nur  auf 
einer  Seite  eine  enge  seichte  nabelartige  Vertiefung. 

Alle  Kammern  sind  durch  schmale  liefe  Näthe  gesondert.  Die 
letzte  Kammer  erscheint  oben  flach  abgestulzt  und  trägt  auf  der 
dadurch  entstandenen  beinahe  ebenen  Fläche  zahlreiche  kleine 
ungleiche,  meist  rundliche  Mündungen,  die  gewöhnlich  ganz  regellos 
stehen,  doch  bisweilen  auch,  wenigstens  die  äusseren,  eine  kreis- 
förmige Anordnung  wahrnehmen  lassen.  Nicht  selten  sind  die  Zwi- 
schenwände derselben  theilweise  zerstört  und  dann  fliessen  sie  in 
eine  sehr  unregelmässige  mehr  weniger  verästelte  Öffnung  zu- 
sammen. 

Häufig  im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm  und 
im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  In  der  weissen  Kreide  von  Sens, 
Meudon,  St.   Germain  (Frankreich)   und  von  England   {SpiroluĂĽtes 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  22  1 

Lyelli  Northampt.  in  Mantell's  Wonders  of  geology  p.  297);  im 
Kreidedetritus  von  Charing. 

c)  Nonioninideae. 
Xonionina  d'O  r  b. 

1.  N.  quatcrnaria  Rss.  (Reuss  in  Haidinger's  naturwiss. 
Abhandl.  IV.  I,  p. 35,  T.  3,  F.  13).  Im  oberen  Senonmergel  des  Hil- 
genberges  bei  Hamm  und  in  den  unteren  Senonscbichten  von  Ueding- 
hoff.  —  In  den  Mukronatensehichten  von  Lemberg  in  Galizien  und 
in  der  Schreibkreide  von  RĂĽgen. 

d)  R  o  t  a  1  i  d  e  a  e. 
Rotaliu  d'O  rb. 

1.  R.  lenticula  Rss.  (Die  Versteiu.  d.  böhm.  Kreideform.  I. 
p.  35,  T.  12,  F.  17).  —  Selten  im  Planer  von  Oplierdieke.  —  Im 
Bakulitenthone  von  Luschitz,  Brozan,  Rannai. 

2.  R.  polyrrapkes  Rss.  (Reuss  in  Haidinger's  naturwiss.  Ab- 
handl. IV.  1,  p.  35,  T.  3,  F.  1).  Sehr  verbreitet  in  den  Kreide- 
schichten Westphalens;  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgen- 
berges  bei  Hamm;  im  unteren Senonien  von  Hamm,  Flierich,  Rhyner- 
berg,  Haustenbeck,  Bergeamen,  Ostheide;  im  Pläner  von  Horde,  Unna, 
Rheine,  Wullen,  Opherdieke;  selten  in  der  Tourtia  von  Essen  und 
im  Gault  von  Rheine;  im  Diluvialsande  von  Hamm.  — Nicht  selten  im 
Bakulitenthon  von  Luschitz  und  Brozan;  selten  in  den  Mukronaten- 
mergeln  von  Nagorzani  bei  Lemberg  in  Galizien,  in  der  Quadraten- 
kreide vom  Lindner  Berge  bei  Hannover,  im  Flammenmergel  vom 
Mahner  Berge  bei  Salzgitter,  im  Cenomanien  von  Ringelberg-Koth- 
wellen,  u.  s.  w. 

3.  R.  nuibonella  m.  —  T.  XI,  F.  5.  —  Durchmesser  :  0365 
Milliin.  Gehäuse  kreisrund ,  sehr  stark  niedergedrückt,  im  Umfange 
scharf  gekielt.  Die  Spiralseite  zeigt  zwei  Umgänge  und  erhebt  sich 
in  der  Mitte  zu  einem  flachen  Knöpfchen.  Der  letzte  Umgang  besteht 
aus  sechs  schiefen, etwas  gebogenen  schmal-keilförmigen,  flachen,  durch 
lineare  Näthe  gesonderten  Kammern.  Auf  der  Nabelseite,  die  in 
der  Mitte  einen  deutlichen  vertieften  Nabel  darbietet,  sind  die  Kam- 
mern weniger  schief,   mehr  gewölbt   und    triangulär,    mit  tieferen 


TiZ  R  e  u  s  s. 

Näthen.  Die  Mündung  eine  Spulte  am  Innenrande  der  letzten  Kaitimer. 
Die  Schalenoberfläche  sehr  fein  punktirt. 
Sehr  selten  im  Gault  von  Rheine. 

4.  R.  rxsculpta  m.  —  T.  XI,  F.  4.  —  Ei:ie  sehr  kleine  — 
04  Millim.  grosse  —  kreisrunde,  an  der  Peripherie  scharf  gekielte 
Form,  auf  der  Nahelseite  stark  convex,  auf  der  spiralen  Seite  dagegen 
nur  sehr  flach  gewölbt,  indem  die  inneren  Umgänge  nur  wenig  über 
den  ebenen  letzten  Umgang  vorragen.  Drei  Umgänge,  die  nicht  sehr 
schnell  an  Breite  zunehmen.  Im  letzten  Umgange  10  — 11  schmale, 
wenig  gebogene  Kammern,  die  auf  der  Spiralseite  des  Gehäuses  fast 
eben  sind  und  durch  vorstehende  schmale  leistenartige  Scheide- 
wände gesondert  werden,  die  oftmals  unterbrochen  sind  und  in 
unregelmässige  Körner  zerfallen ,  sich  zuweilen  selbst  gabelförmig 
spalten.  Auf  den  inneren  Windungen  sind  nur  einzelne  Körner  als 
Andeutungen  dieser  Leisten  sichtbar.  Ebenso  werden  die  Kammern 
am  äusseren  Rande  von  einer  niedrigen  Leiste  eingefasst,  die  auf 
den  inneren  Umgängen  ebenfalls  mehrfach  unterbrochen  ist.  Die 
Fläche  der  Kammern  erscheint  dadurch  vertieft.  Die  Nabelseite  der 
Kammern  gewölbt  und  die  trennenden  Näthe  schmal,  aber  ziemlich 
tief.  Der  Nabel  tief  und  enge.  Die  MĂĽndung  eine  kurze  Spalte 
in  der  Mitte  des  Innenrandes  der  letzten  Kammer.  Die  Schale  fein 
punktirt. 

Im  oberen  Senonntergel  desHilgenberges  und  Herrensteinberges 
bei  Hamm;  im  unteren  Senou  von  Hamm,  Flierich,  Haustenbeck,  Ost- 
heide und  vom  Rhynerberg,  in  der  Quadratenkreide  vom  Lindner 
Berge  bei  Hannover;  im  Diluvialsande  von  Hamm. 

5.  R.  nitida  Rss.  (Kreideverstein.  Böhmens  I.  p.  35,  T.  8, 
F.  52;  T.  12,  F.  20).  Ist  nur  eine  kleine  Form  von  R.  umbilicata 
d'Orb.  (Mein,  de  la  Soc.  geol.  de  Fr.  IV.  1,  p.  32,  T.  3,  F.  4— 6), 
deren  typische  Form  in  Böhmen  und  Westphalen  nicht  vorkömmt. 

Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm  und  von 
Dolberg  bei  Beckum;  in  den  unteren  Seuonschichten  von  Hamm, 
Flierich,  Bergeamen,  Ostheide  und  vom  Rhynerberge;  im  Pläner 
von  Wullen.  —  Gemein  im  Bakulitenthone  Böhmens;  selten  im 
Pläner  von  Kosstitz,  häufig  in  den  Mukronatenmergeln  von  Nagor- 
zani  bei  Leinberg,  in  der  Quadratenkreide  vom  Lindner  Berg  bei 
Hannover,  im  Cuvieri-Pläner  von  Haverlah;  im  Ananchyteninergel 
von  Jenstedt  und  Ahlfeld. 


!>ie  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  223 

6.  R.  Micheliniana  d'Orb.  (Mein,  de  le  soc.  geol.  de  Fr.  IV.  1, 
p.  31,  T.  3,  F.  1 — 3).  Im  oberen  Senon  vom  Herrensteinberg  und 
von  Drensteinfurth;  in  den  unteren  Senonscbiehten  von  Hamm,  Berg- 
eamen und  vom  Rhynerberg;  im  Planer  von  Unna.  —  In  der  weissen 
Kreide  Frankreichs  und  Englands,  im  Bakulitenthone  Böhmens;  in 
der  Quadratenkreide  vom  Lindner  Berge  bei  Hannover. 

Valvulina  d'Orb. 

1.  V.  allomorphinoidcs  m.  —  T.  XI,  F.  6.  —  Durchmesser 
0-44  Millim.  Die  Species  ist  bei  flĂĽchtiger  Betrachtung  im  Umrisse 
der  Allomorphina  trigona  Bss.  sehr  ähnlich.  Das  Gehäuse  ist 
niedergedrückt  eiförmig,  mitunter  dem  gerundet- dreiseitigen  sich 
nähernd,  im  Umfange  abgerundet- winklig,  auf  beiden  Flächen 
massig  und  ziemlich  gleichförmig  gewölbt. 

Es  sind  nur  zwei  Umgänge  sichtbar,  deren  innerer  sehr  klein 
ist  und  nur  ein  sehr  flaches  Knöpfchen  darstellt,  an  dem  nur  bis- 
weilen eine  Theilung  durch  eine  sehr  seichte  Furche  angedeutet  ist. 
Der  äussere  Umgang  nimmt  sehr  rasch  an  Breite  zu  und  bildet  den 
grössten  Theil  des  Gehäuses.  Er  besteht  nur  aus  vier  rundlichen 
Kammern  ,  deren  letzte  sehr  gross  ist  und  mehr  als  die  Hälfte  des 
ganzen  Gehäuses  einnimmt.  Sie  sind  massig  gewölbt  und  werden 
äusserlich  nur  durch  sehr  seichte  Näthe  geschieden.  Am  meisten  tritt 
noch  die  letzte  Kammer  hervor.  Die  MĂĽndung  wird  durch  einen 
ziemlich  breiten ,  am  Bande  entweder  abgestutzten  oder  selbst  etwas 
eingebogenen  lippenartig  vortretenden  Fortsatz  der  Schale  verdeckt. 

Im  obern  Senonmergel  von  Soestwarte  und  Dolberg  hei  Beckum, 
vom  Hilgenberg  bei  Hamm;  im  unteren  Senon  von  Bergeamen,  Ost- 
heide. —  Auch  im  Cuvieri-Pläner  von  Haverlah. 

2.  V.  spicula  Bss.  (Kreideverstein.  Böhm.  I.  p.  37,  T.  13, 
F.  69).  —  Im  unteren  Senon  von  Ostheide;  im  Pläner  von  Wullen 
und  Opherdieke  und  Essen.  —  Im  Bakulitenthon  von  Luschitz,  Patek 
und  Bannai  (Böhmen). 

Kosalina  d'Orb. 

1.  R.  aininouoides  Bss.  (Beuss  in  Haidinger's  naturw.  Abhaudl. 
IV.  1,  p.  30,  T.  3,  F.  2).  —  In  dem  oberen  Senonmergel  des  Hilgen- 
berges  bei  Hamm,  im  Pläner  von  Horde.  —  Im  Bakulitenthone  von 


224  n  e  u  s  s. 

Priesen,  Luschitz,  Rannai,  Kystra  und  Brozan  (Böhmen),  im  Mukro- 
natenmergel  von  Nagorzani  bei  Lemberg  (Galizien);  im  Kreide- 
mergel vor  dem  Clever  Thore  von  Hannover;  im  Kreidetuff  von 
Maestricht;  im  Cenomanien  vom  Mahnerberge  bei  Salzgitter  und  vom 
Lindner  Berge  bei  Hannover;  in  der  weissen  Kreide  von  England; 
in  der  unteren  Kreide  von  Dover;  im  Kreidedetritus  vonCharing;  im 
Gault  von  Folkestone  (?). 

2.  R.  marginata  Rss.  (Denkschr.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss. 
VII.  p.  69,  T.  26,  F.  1).  Eine  der  gemeinsten  und  verbreitetsten 
Foraminiferen  der  oberen  Kreide.  Auch  in  den  Kreidegebilden  West- 
phalens  sehr  verbreitet.  In  dem  oberen  Senonmergel  des  llilgen- 
berges,  Herrensteinberges,  Kurkenberges  bei  Hamm,  von  Soestwarte 
und  Dolberg  bei  Beckum;  in  den  unteren  Senonschichten  von  Hamm, 
Flierich,  vom  Rhynerberg,  Haustenbeck,  Bergeamen,  Uedinghoff, 
Ostheide;  im  Pläner  von  Horde,  Unna,  Rheine,  Wullen,  Opherdieke. 
Essen;  im  Gault  von  Rheine,  im  Diluvialsande  von  Hamm  u.  s.  w.  — 
Auch  im  Bakulitenthone  und  Pläner  Böhmens  stellenweise  sehr  häufig; 
in  den  Kreidemergeln  der  Gosau;  im  Ananchytenmergel  vom  Peters- 
berg bei  Goslar,  von  Jenstedt  und  zwischen  Astfeld  und  Jenstedt;  im 
Cuvieri-Pläner  vom  Windmühlenberge,  von  Ohlendorf  und  Lieben- 
burg bei  Salzgitter,  vom  Stoberberg  bei  Liebenburg  und  von 
Haverlah;  in  der  Quadratenkreide  vom  Lindner  Berge  bei  Hannover; 
in  der  weissen  Kreide  von  Kent;  im  Kreidedetritus  von  Charing. 

Anomalina  d'O  r b. 

1.  A.  coinplanata  Bss.  (Haidinger's  naturwiss.  Abhandl.  IV. 
1,  p.  36,  T.  3,  F.  3).  Selten  im  Pläner  von  Ahaus  und  Essen.  —  Im 
Mukronatenmergel  von  Nagorzani  hei  Lemberg  (Galizien);  im  Krei- 
demergel des  Edelbachgrabens  in  der  Gosau;  in  der  weissen  Kreide 
von  BĂĽgen. 

2.  A.  moniliformis  Bss.  (Kreideverstein.  Böhmens  I.  p.  36, 
T.  13,  F.  67).  Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm.  — 
Im  Bakulitenthone  von  Luschitz  und  Brozan  (Böhmen),  im  Kreide- 
mergel vor  dem  Clever  Thore  von  Hannover. 

Truneatulina  d'O  ib. 
1.  Tr.  convexa  Rss.   (Haidinger's  naturw.  Abhandl.   IV.    I, 
p.  36,  37,  T.  3,  F.  4).  —  Im  unteren  Senonien  vom  Rhynerberg  — 
In  den  Mukronatenmergeln  von  Nagorzani  bei  Lemberg. 


Die  Foraminiferen  der  westfälischen  Kreideformation.  225 

Glohigerina  d'  0  r  b. 

i.  ttl.  rretacea  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV.  1,  p.  34, 
T.  3,  F.  12 — 14).  In  den  oberen  Senonmergeln  von  Hamm,  Flierich, 
Haustenbeck ,  Bergeamen  und  vom  Rhynerberg;  im  Planer  von 
Unna,  im  Ganlt  von  Rlieine  und  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Sehr 
verbreitet  im  böhmischen  Bakulitenthon;  seltener  im  Pläner  von 
Kosstitz,  vom  Laurenzberg  bei  Prag  u.  s.  w.;  in  der  weissen  Kreide 
Englands,  in  der  unteren  Kreide  von  Dover;  im  Kreidedetritus  von 
Charing. 

e)  Uvellidae. 
Kullmina   d'O  r  b. 

1.  B.  \ariabilis  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  1840,  IV.  1, 
p.  40,  T.  4,  F.  7,  8).  Im  oberen  Senon  von  Drensteinfurth,  vom 
Hilgenberg  bei  Hamm  und  von  Dolberg  bei  Beckum;  in  den  unteren 
Senonscbicbten  von  Hamm,  Flierich  und  vom  Bbynerberg;  im  Pläner 
von  Unna,  Graes;  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Sebr  verbreitet 
im  Bakulitentbone  und  Planer  Böhmens;  in  den  Mukronatenmergeln 
von  Nagorzani  bei  Lemberg;  im  Kreidemergel  vor  dem  Clever  Thore 
von  Hannover;  im  Ananchytenmergel  von  Petersberg  bei  Goslar; 
im  Cuvieri  -  Mergel  vom  Stoberberg  bei  Liebenburg;  im  Pläner  von 
Liebenburg  bei  Salzgitter;  im  Cenomanien  vom  Fleisclierkamp  bei 
Salzgitter;  in  der  weissen  Kreide  Frankreichs  (Sens,  Meudon,  St. 
Germain)  und  Englands. 

2.  B.  ©besä  Rss.  (Haidinger's  naturwiss.  Abband!.  IV.  1. 
p.  40,  T.  3,  F.  12;  T.  4,  F.  1).  Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgen- 
berges  bei  Hamm.  —  Im  Mukronatenmergel  von  Nagorzani  bei  Lem- 
berg (Galizien);  in  der  weissen  Kreide  von  RĂĽgen. 

3.  B.  Murchisoniana  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV. 
\,  p.  41,  T.4,  F.  15,  16).  Im  oberen  Senon  von  Dolberg  bei  Beckum, 
im  unteren  vom  Rbynerberg;  im  Pläner  von  Ahaus;  im  Diluvialsande 
von  Hamm.  —  Im  Bakulitentbon  von  Luschitz,  im  Pläner  von  Kutsclilin 
und  Kosstitz  (Böhmen);  im  Pläner  von  Liebenburg  bei  Salzgitter; 
in  der  weissen  Kreide  Frankreicbs  (St.  Germain)  und  Englands,  im 
Kreidedetritus  von  Charing. 

4.  B.  intermedia  Rss.  (Haidinger's  naturwiss.  Abhand.  IV. 
l,p.  39,  T.  3,   F.  11).    Im  oberen  Senon   des  Hilgenberges    bei 


226  B  e  u  s  s. 

Hamm.  —  Im  Bakulitenthon  von  Luschitz  und  Brozan  (Böhmen);  in 

der  weissen  Kreide  von  RĂĽgen,  von  Portsdown  (England);  in  den 
Mtikronatenscliichten  von  Nagorzani  (Galizien);  im  Kreidemergel 
vor  dem  Clever  Thore  von  Hannover. 

5.  B.  Puschi  Rss.  (Haidinger's  naturwiss.  Abhandl.  IV.  I, 
p.  37,  38,  T.  3,  F.  6).  Im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  In  den 
Mnkronatenmergeln  von  Nagorzani  bei  Lemberg  (Galizien). 

6.  B.  ovulum  Rss.  (Haidinger's  naturwiss.  Abhandl.  IV.  1, 
p.  38,  T.  3,  F.  9).  Im  oberen  Senonmergel  von  Drensteinfurth  und 
vom  Herrensteinberg;  im  unteren  Senon  von  Hamm  und  Bergeamen; 
im  Planer  von  Ahaus;  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Gemein  im 
höhmischen  Bakulitenthon;  in  der  weissen  Kreide  von  Kent  und  der 
Insel  BĂĽgen;  im  Mukronatenmergel  von  Nagorzani  (Galizien);  in  den 
Kreidemergeln  des  Edelbachgrabens  in  der  Gosau ;  im  Kreidekalk 
von  Carentz  (Mecklenburg);  im  Kreidemergel  vor  dem  Clever  Thore 
von  Hannover;  in  der  Quadratenkreide  vom  Lindner  Berge  bei 
Hannover. 

7.  B.  Presli  Bss.  (Beuss  1.  c.  IV.  p.  39,  T.  3,  F.  10).  Im 
oberen  Senon  des  Hilgenberges  bei  Hamm;  im  unteren  von  Hamm;  im 
Pläner  von  Unna;  im  Gault  von  Rheine;  im  Diluvialsande  von 
Hamm.  —  Gemein  im  böhmischen  Bakulitenthone,  selten  im  Pläner; 
in  der  weissen  Kreide  von  RĂĽgen;  im  Mukronatenmergel  von  Nagor- 
zani (Galizien);  im  Kreidemergel  vor  dem  Clever  Thore  von  Han- 
nover; im  Planer  von  Liebenburg  bei  Salzgitter,  im  Cuvieri-Pläner 
von  Haverlah  und  von  Stolterberg  bei  Liebenburg;  im  Cenomanien 
von  Ringelberg-Kothwelle  bei  Salzgitter;  im  Flammenmergel  vom 
Mahnerberg  bei  Salzgitter;  im  Minimusthon  von  Wallmoden. 

8.  B.  d'Orbiguyi  Rss.  (Kreide versteh].  Böhm.  I.  p.  38,  T.  15, 
F.  74).  Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm;  im 
unteren  von  Hamm,  Flierich,  Bergeamen,  Ostheide  und  vom  Rhyner- 
berg;  im  Pläner  von  Ahaus  und  Rheine;  im  Gault  von  Rheine.  —  Im 
Bakulitenthon  von  Luschitz,  Kystra,  Brozan  (Böhmen);  im  Pläner 
von  Liebenburg  bei  Salzgitter;  im  Cenomanien  von  Ringelberg- 
Kothwelle,  vom  Mahnerberg  und  Fleischerkamp  bei  Salzgitter;  im 
Minimusthon  von  Eilum,  Wallmoden  und  Heiningen. 

9.  B.  polystropha  Rss.  (Kreideverstein.  Böhm.  II,  p.  109,  T.  24, 
F.  1)3).  Im  Pläner  von  Rheine.  —  Im  Pläner  von  Weisskirchlitz 
(Böhmen). 


Die  Foraminifereu  der  westphälischeu  Kreideformation.  22  i 

Verneiiilina  d'O  r  b. 

1.  V.  Bronni  Rss.  (Haidi  nger's  naturwiss.  Abhandl.  IV.  1, 
p. 40,  T.  4,  F.  2).  Im  oberen  Senon  des  Hilgenberges  bei  Hamm;  im 
unteren  von  Fiierich  und  Haustenbeck.  —  Im  ßakulitentbon  von 
Lusebitz  und  Ăźrozan  (Bobinen);  im  Mukronatenmergel  von  Nagor- 
zani  bei  Lemberg  (Galizien) ;  im  Kreidedetritus  von  Charing 
(England). 

2.  V.  MĂĽnster!  Rss.  (Denkschr.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  in  Wien 
1854,  VII.  p.  71,  T.  26,  F.  5.  —  Textularia  triquetra  Rss.,  Kreide- 
verstein. Böhm.  I,  p.  39,  T.  13,  F.  77).  Im  oberen  Senon  des  Hilgen- 
berges bei  Hamm;  im  unteren  von  Ostheide;  im  Pläner  von  Unna, 
Wullen  und  Rheine;  im  Minimusthon  von  Rheine;  im  Diluvialsaude 
von  Hamm.  —  Im  Bakulitenthon  von  Lusebitz  (Böhmen);  in  den 
Kreidemergeln  des  Edelbacbgrabens  in  der  Gosau;  im  Cenomanien 
von  Ringelberg -Kothwelle  bei  Salzgitter. 

Tritaxia  d'Orb. 

Trotz  der  grossen  Individuenzahl,  in  welcher  die  T.  tricarinaia 
an  manchen  Orten  vorkömmt,  war  ich  doch  wegen  des  meist 
schlechten  Erhaltungszustandes  und  der  sehr  undeutlichen  Begren- 
zung der  einzelnen  Kammern  bisher  nicht  im  Stande  gewesen,  die 
Gattung,  welcher  dieselbe  angehört,  mit  einiger  Zuverlässigkeit  zu 
bestimmen.  Ich  zog  sie  zuerst  trotz  der  dreikantigen  Form  des 
Gehäuses  irriger  Weise  zur  Gattung  Textilaria,  später,  der  Gestalt 
entsprechender ,  zu  Vemeuilina.  Durch  die  etwas  verschiedene 
Beschaffenheit  wurde  ich  ĂĽberdies  verleitet,  die  Exemplare  aus  dem 
böhmischen  Pläner  für  verschieden  von  jenen  aus  dem  Kreidemergel 
von  Nagorzani  bei  Lemberg  zu  halten,  da  erstere  kleiner  und  glatter, 
letztere  grösser,  länger  und  rauher  zu  sein  pflegen. 

Die  Senonschichten  VVestphalens,  in  denen  das  Fossil  ebenfalls 
häufig  angetroffen  wird,  haben  mir  zuerst  Exemplare  mit  deut- 
licherer Kiimmerabtheilung  geliefert,  aus  deren  [Untersuchung  sich 
ergab,  dass  dieselben  weder  zu  Textilaria,  noch  zu  Verneuilina  ge- 
rechnet werden  dĂĽrfen,  sondern  den  Typus  einer  besonderen  Gattung 
bilden  mĂĽssen,  der  ich  wegen  der  Anordnung  der  Kammern  in  drei 
parallele  gerade  Reihen  den  Namen  „Tritaxia"  beilege. 

Die  Kammern  stehen  nämlich,  die  einzelne  sehr  kleine  Embryo- 
nalkammer   abgerechnet,    in   drei    Reihen    dicht   neben    und   ĂĽber 


228  r  e  u  s  s. 

einander,  und  zwar  so,  dass  die  Kammern  je  zweier  neben  einander 
liegender  Reihen  nach  Art  der  Textilarideen  regelmässig  mit  einander 
alterniren,  während  die  Kammern  aller  drei  Reihen  zugleich  be- 
trachtet eine  regelmässige  aufsteigende  Spirale  bilden,  deren  jeder 
einzelne  Umgang  drei  Kammern  umfasst,  welche  in  so  regelmässigem 
Grüssenverhältnisse  gegen  einander  stehen  und  so  gesetzmässig 
gelagert  sind,  dass  auf  die  zweite  Kammer  stets  die  fĂĽnfte,  achte 
u.  s.  w.,  auf  die  dritte  aber  die  sechste,  neunte  u.  s.  w.,  auf  die 
vierte  endlich  die  siebente,  zehnte  u.  s.  w.  in  gerader  Reihe  zu  liegen 
kömmt.  Das  ganze  Gehäuse  erhält  dadurch  eine  dreikantige  Form. 
Die  letzte,  gewöhnlich  etwas  gewölbtere  Kammer  verlängert  sich  in 
eine  sehr  kurze  Spitze,  welche  die  runde  Mundung  trägt. 

Die  Tritaxien  sind  daher  eigentlich  Uvigerinen ,  deren  Kam- 
mern regelmässig  mit  einander  alterniren  und  vereinigen  in  sich 
zugleich  die  Charaktere  der  turbinoiden  Helicostegier  und  jene  der 
Textilarideen.  Die  Uvigerinen  unterscheiden  sich  von  denselben 
leicht  und  genĂĽgend  durch  die  sehr  ungleiche  Form  und  unregel- 
mässige Stellung  der  wohl  spiral  angeordneten,  aber  nicht  alterni- 
renden  Kammern;  durch  die  stärkere  röhrenförmige  Verlängerung  der 
letzten  Kammer  und  die  glasige  Reschaffenheit  der  glatten,  nur 
äusserst  fein  punktirten  Schale,  die  bei  Tritaxia  stets  mehr  oder 
weniger  rauh  erscheint. 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  das?  die  von  d'O  r  b  i  g  n  y  beschriebene 
und  abgebildete  Uvigerina  tricarinata  aus  der  weissen  Kreide  von 
Sens  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV.  1,  p.  42,  T.  4,  F.  16,  17) 
ebenfalls  der  Gattung  Tritaxia  angehöre.  Ich  kenne  dieselbe  jedoch 
nicht  aus  eigener  Anschauung.  —  Zwei  andere  Species  (  Tr.  pyra- 
midalis und  sulcata  Rss.  habe  ich  im  Cenomanien  vom  Mahnerberg 
und  vom  Fleischerkamp  bei  Salzgitter  entdeckt. 

1.  Tr.  tricarinata  Rss.  —  T.  XII,  F.  1,  2  —  (Textularia  trica- 
rinata Reuss,  Kreideverstein.  Böhm.  I,  p.  39,  T.  8,  F.  60.  —  Ver- 
neuilina  dubia  Rss.  in  Haidinger's  naturw.  Abhandl.  IV.  1,  p.  24, 
T.  4,  F.  3).  Im  Mittel  0-951  Millim.  lang  und  im  breitesten  Theile 
0-585  Millim.  breit.  In  der  Seitenansicht  ist  das  Gehäuse  mehr 
weniger  verlängert- elliptisch,  an  beiden  Enden  fast  gleichmässig 
abgerundet  oder  stumpf  zugespitzt,  sehr  oft  unregelmässig  verbogen, 
scharf  dreikantig,  die  Seitenflächen  scieht  ausgehöhlt.  In  jeder  Ver- 
ticalreihe  4  —  6  ebene,    am  Rande   scharfkantige,    niedrige,    massig 


Die  Foraminiferen  der  westfälischen  Kreideformation.  229 

schiefe  Kammern.  Die  Näthe  sehr  fein  linear,  meist  undeutlich,  etwas 
gebogen.  Die  letzte  Kammer  schwach  gewölbt,  oft  mützenförmig  die 
anderen  Kammern  deckend  ,  und  sich  am  oberen  Ende  zur  kurzen 
centralen,  von  der  feinen  runden  MĂĽndung  durchbohrten  Spitze 
verdünnend.  Die  Schalenoberfläche  rauh. 

Im  oberen  Senonmergel  desHilgenberges  bei  Hamm,  im  unteren 
von  Ostheide  und  Hamm;  im  Planer  von  Opherdieke  und  Essen,  im 
Gault  von  Rheine;  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Ist  überdies 
noch  bekannt  aus  dem  Bakulitenthon  von  Rannai  und  Kystm ,  im 
Pläner  von  Kosstitz  u.  s.  w.  (Böhmen);  im  Mukronatenmergel  von 
Lemberg;  im  Cenomanien  vom  Mahnerberge  bei  Salzgitter;  im 
Albien  von  Wallmoden. 

Gaiulryina  d'Orb. 

1.  Cr.  pupoides  d'Orb.  (Mein,  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  1840,  IV. 
I,  p.  44,  T.  4,  F.  22—24).  Sehr  selten  im  Pläner  von  Ahaus,  im 
Gault  von  Rheine;  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  In  der  weissen 
Kreide  Frankreichs  (St.  Germain)  und  Englands,  im  Kreidedetritus 
von  Charing;  im  Gault  von  Folkestone. 

2.  G.  oxycona  m.  —  T.  XII,  F.  3  —  Länge  :  0-86—1-68  Millim., 
Breite  0-54 — 0-86  Millim.  Verkehrt  kegelförmig,  im  Querschnitt  fast 
kreisrund,  oben  abgestutzt,  unten  ziemlich  scharf  zugespitzt.  Der 
untere  spirale  Theil  des  Gehäuses  ist  sehr  kurz,  mit  sehr  kleinen 
Kammern  und  undeutlichen  linearen  Näthen.  Im  grössten  Theile  des 
Gehäuses  stehen  die  Kammern  alternireHd  in  zwei  geraden  Reihen;  sie 
sind  sehr  niedrig,  quer,  am  RĂĽcken  breit  gerundet  und  durch  breite 
aber  sehr  seichte  Vertiefungen  geschieden.  Die  letzten  zwei  Kammern 
werden  oben  von  ebenen  oder  selbst  schwach  eingedrĂĽckten,  etwas 
gegen  einander  geneigten  Flächen  begrenzt.  Die  Mündung  eine 
kurze  und  enge  Querspalte  am  inneren  Rande  der  letzten  Kammer. — 
DieSchalenohertläche  rauh.  In  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgen- 
berges  bei  Hamm  und  von  Drensteinfurth;  im  unteren  Senonien  von 
Hamm,  Ostheide,  und  vom  Rhynerberg,  im  Pläner  von  Bergeamen 
Wulleii,  Opherdieke,  Ahaus;  im  Gault  vom  Rheine.  —  Auch 
im  Cenomanien  von  Haverlah  und  von  Fleischerkamp  bei  Salzgitter. 

3.  G.  mgosa  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de.  Fr.  IV.  1.  p.  44, 
T.  4,  F.  20,  21).  Im  oberen  Senon  des  Hilgeuberges  und  West- 
berges bei  Hamm,  von  Dolberg  hei   Beckum  und  von  Drensteinfurth, 


230  Reu«  s. 

im  unteren  von  Hamm,  Flierich,  Uedinghoff,  Ostheide  und  vom  Rhy- 
nerberg;  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Sehr  gemein  im  böh- 
mischen Ăźakulitenthon;  im  Mukronatenmergel  von  Nagorzani  bei 
Leinberg;  in  der  weissen  Kreide  Frankreichs  (Sens,  Meudon,  St. 
Germain)  und  Englands;  im  Kreidedetritus  von  Charing;  im  Fläner- 
mergel  vor  dem  Clever  Thore  von  Hannover;  im  Ananchytenmergel 
zwischen  Ahlfeld  und  Jenstedt. 

f)  Polymorphinideae. 

Pyvtilinu  d'Orb. 

1.  P.  acuminata  d'Orb.  (Mein,  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  IV.  1, 
p.  43,  T.  4,  F.  18,  19).  Sehr  selten  im  oberen  Senonmergel  des 
Hilgenberges  bei  Hamm.  —  In  der  weissen  Kreide  von  Sens,  Meudon, 
St.  Germain;  im  Kreidedetritus  von  Charing;  sehr  selten  im  Mukro- 
natenmergel von  Nagorzani  bei  Lemberg. 

Guttulina   d'O  r  b. 

1.  Cr.  elliptica  Rss.  (Kreideverstein.  Böhmens  II.  p.  110,  T.  24, 
F.  55).  Sehr  selten  im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei 
Hamm.  —  Ebenso  im  ßakulitenthon  von  Luschitz  (Böhmen). 

Globulina  d'O  r  b. 

1.  Gl.  globosa  v.  M.  sp.  (Römer  in  Bronn's  u.  Leonh.  Jahrb. 
1838,  p.  386,  T.  3,  F.  33.  —  Reu ss,  Kreideverstein.  Böhm.  I. 
p.  40,  T.  13,  F.  82).  Im  oberen  Senonieu  des  Hilgenberges  bei 
Hamm.  —  Im  ßakulitenthon  von  Luschitz  und  Brozan  (Böhmen).  In 
den  Tertiärschichten  von  Osnabrück,  Nussdorf  u.  s.  w.  kommt  eine 
Species  von  Globulina  vor,  die  ich  von  der  in  Rede  stehenden  nicht 
zu  unterscheiden  vermag. 

2.  Gl.  porrecta  m.  —  T.  XII,  F.  4.  —  Das  grösste  Exemplar 
misst  1  53  Millim.  in  der  Länge,  0-62  Millim.  in  der  Breite.  Gehäuse 
schmal  elliptisch,  beiderseits  ziemlich  scharf  zugespitzt,  von  vorne 
nach  hinten  massig  zusammengedrĂĽckt.  Die  sichtbaren  drei  Kammern 
gross,  wenig  gewölbt,  dachziegelförmig  sich  theil weise  deckend ;  ihre 
Näthe  linienförmig,  nur  bei  stärkerer  Vergrösser ung  erkennbar.  Die 
letzte  Kammer  zugespitzt,  mit  gestrahlter  MĂĽndung. 


Die  Foraminiferen  der  westphalischen  Kreideformation.  231 

Die  beschriebene  Art  unterscheidet  sich  von  Guttulina  elliptica 
Rss.  durch  die  stärkere  Zuspitzung  des  weniger  zusammenge- 
drückten Gehäuses,  so  wie  durch  die  geringere  Anzahl  der  sichtbaren 
Kammern. 

Sehr  selten  im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm, 
im  unteren  Senon  von  Hamm;  im  Diluvialsande  derselben  Localität. 

III.  Textilarideae  (Enallostegia  d'Orb.^. 
Proroporns  E  h  r  b. 

1.  Pr.  complanatns  m.  —  T.  XII,  F.  5.  —  13 16  Millim.  lang, 
0-402  Millim.  breit,  lanzettförmig,  im  oberen  Theile  mit  beinahe 
parallelen  Seitenrändern,  in  der  unteren  Hälfte  sich  allmählich  zur 
Spitze  zusammenziehend,  blattförmig  zusammengedrückt.  Kammern 
sehr  zahlreich;  jederseits  23  —  25,  sehr  niedrig,  wenig  schief. 
Näthe  durch  seichte  schmale  Furchen  angedeutet.  Mündung  rund, 
auf  der  stumpfen  Spitze  der  letzten  Kammer.  Schalenoberfläche 
rauh,  glanzlos. 

Selten  im  Gault  von  Rheine. 

Textilaria  D  e  fr. 

1.  T.  turris  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de  Fr.  1840,  IV.  \, 
p.  46,  T.  4,  F.  27,  28).  Im  oberen  Senonmergel  von  Drensteinfurth, 
im  Pläner  von  Unna.  —  In  der  weissen  Kreide  Frankreichs  (Sens, 
Meudon ,  St.  Germain)  und  Englands ;  im  Bakulitenthon  von  Lu- 
schitz,  im  Pläner  der  Schillinge  bei  Bilin,  in  den  Kreidemergeln  des 
Edelbachgrabens  und  Wegscheidgrabens  in  der  Gosau. 

2.  T.  conolas  Rss.  (Denkschr.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  in  Wien  VII. 
p.  72,  T.  26,  F.  7).—  T.  XIII,  F.  3.  —  Bis  0-65  Millim.  lang  und 
0-438  Millim.  breit.  Gehäuse  verkehrt  kegelförmig,  kurz,  im  Verhält- 
nisse zur  Länge  breit,  unten  stumpf  zugespitzt,  oben  abgestutzt, 
wenig  gewölbt,  mit  sehr  breit-elliptischem,  mitunter  beinahe  kreis- 
förmigem Querschnitte.  Jederseits  6 — 7  niedrige ,  quere ,  massig 
gewölbte,  auf  den  Seiten  breit-gerundete  Kammern,  die  durch  schmale, 
aber  ziemlich  tiefe  Näthe  gesondert  sind.  Die  letzten  Kammern  oben 
schwach  gewölbt,  die  vorletzte  sogar  etwas  niedergedrückt.  Die 
Mündung  kurz,  aber  ziemlich  breit-halbmondförmig.  Die  Schalenober- 
fläche mit  feinen  Rauhigkeiten  bedeckt. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  8.  10 


232  Kens  8. 

Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm;  im  unteren 
Senon  von  Flierich  und  vom  Rhynerberg;  im  Diluvialsande  von 
Hamm.  — Im  Bakulitenthon  von  Luschitz,  Kautz,  Kystra  und  Brozan 
(Böhmen);  in  den  Kreidemergeln  des  Edelbachgrabens  in  der  Gosau  ; 
zweifelhaft  in  den  Gargasmergeln  von  Mastbruch  bei  Braunschweig. 

3.  T.  pupa  m.  T.  XIII,  F.  4,  5.  —  Die  grössten  Exemplare 
messen  1-2  Millim.  in  der  Länge,  0*62  Millim.  in  der  Breite.  Sie  ist 
der  T.  conulus  Rss.  sehr  ähnlich,  fast  walzig,  im  Querschnitte  sehr 
breit- elliptisch,  mit  breit  gerundeten  Seiten,  unten  sich  rasch  zur 
stumpfen  Spitze  zusammenziehend.  Auf  jeder  Seite  4 — 6  wenig  ge- 
wölbte Kammern,  breiter  als  hoch,  quer,  durch  massig  tiefe  Näthe 
getrennt.  Das  hauptsächlichste  Unterscheidungsmerkmal  liegt  in  der 
Beschaffenheit  der  letzten  zwei  Kammern.  Dieselben  sind  nicht,  wie 
bei  T.  conulus,  oben  niedergedrückt,  sondern  gewölbt,  erheben  sich 
vielmehr  selbst  zu  einem  niedrigen  zusammengedrĂĽckten  Kegel  mit 
gerundeter  Spitze.  Die  Oberfläche  der  Schale  sehr  fein  rauh. 

Im  oberen  Senon  des  Hilgenberges  und  Herrnsteinberges  bei 
Hamm,  im  unteren  Senon  von  Hamm,  Ostheide  und  Uedinghoff.  — 
Auch  in  der  Quadratenkreide  des  Lindner  Berges  bei  Hannover. 

4.  T. globifera  Rss.  (T.  globulosa  Bss.  [non  Ehrbg.],  Kreide- 
verstein. Böhm.  I.  p.  39,  T.12,  F.  23).  —  T.  XIII,  F.  7,  8.  —  Eine 
der  kleinsten  Species  ,  denn  die  grössten  Exemplare  sind  nur  0*438 
Millim.  lang  bei  027  Millim.  Breite.  Das  keilförmige  Gehäuse  wech- 
selt in  dem  Verhältnisse  der  Länge  zur  Breite  sehr;  das  untere 
Ende  ist  daher  auch  bald  mehr,  bald  weniger  spitzwinklig.  Auf  jeder 
Seite  desselben  zählt  man  5 — 8  gewölbte,  durch  tiefe  schmale  Ein- 
schnĂĽrungen gesonderte,  perlenschnurartig  an  einander  gereihte 
Kammern,  deren  unterste  sehr  klein  sind.  Alle  sind  nur  wenig  breiter 
als  hoch,  die  letzte  besonders  stark  gewölbt,  beinahe  kugelig.  Die 
Mündung  eine  kurze  und  enge  Querspalte.  Die  Schalenoberfläche 
mit  äusserst  feinen  Rauhigkeiten  bedeckt.  Bei  starker  Vergrösserung 
bemerkt  man  in  den  Näthen  eine  einfache  Beihe  von  Grübchen. 

Ist  in  den  Kreidegebilden  Westphalens  sehr  verbreitet.  Ich 
fand  dieselbe  in  den  oberen  Senonmergeln  des  Hilgenberges,  Herren- 
steinberges und  Kurkenberges  bei  Hamm  und  von  Dolberg  bei 
Beckum;  in  den  unteren  Senongebilden  von  Hamm,  vom  Rhynerberg, 
von  Ostheide,  Flierich,  Haustenbeck,  Bergeamen,  Uedinghoff;  im 
Pläner  von  Unna  und  Rheine.  Gewiss  kömmt  sie  noch  an  vielen  Orten 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  233 

vor.  —  Ebenso  entdeckte  ich  sie  schon  früher  in  den  Bakuliten- 
thonen  von  Luschitz,  Brozan  u.  a.  0.,  so  wie  im  Pläner  Böhmens; 
in  dem  Kreidemergel  vor  dem  Clever  Thore  von  Hannover. 

5.  T.  coii  ein  n  ii  Rss.  (Denkschr.  d.  k.  Akad.  d.Wiss.  in  Wien  VII. 
p.  71,  T.  26,  F.  6)  —  T.  XIII,  F.  1.—  Selten  messen  die  Exem- 
plare 1-24  Millim.  in  der  Länge,  0-58  Millim.  in  der  Breite;  gewöhn- 
lich sind  sie  beträchtlich  kleiner.  Das  Gehäuse  ist  mehr  weniger 
lang -lanzettförmig  und  daher  im  Verhältniss  der  Länge  zur  Breite 
sehr  wechselnd.  Oben  ist  es  abgestutzt,  an  den  Seiten  zugerundet; 
unten  verschmälert  es  sich  langsam  zur  stumpfen  Spitze.  Jederseits 
6 — 10  ziemlich  hohe,  quere,  gewölbte,  durch  schmale  tiefe  Näthe 
gesonderte  Kammern.  Die  letzten  zwei  Kammern  sind  auf  der  oberen 
Seite  flach  gewölbt.  Die  Mündung,  eine  breit-halbmondförmige  Spalte, 
liegt  in  einer  hufeisenförmigen  Einbiegung  der  letzten  Kammer.  Die 
Schalenoberfläche  sehr  rauh. 

Im  oberen  Senonien  des  Hilgenberges  und  Westberges  bei 
Hamm;  im  Pläner  von  Wullen;  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Im 
Pläner  von  Weisskirchlitz  (Böhmen);  im  Kreidemergel  des  Edel- 
bachgrabens  in  der  Gosau. 

6.  T.  parallela  m.  —  T.  XII,  F.  7.  —  0-731  Millim.  lang, 
0-285  Millim.  breit.  Sehr  ähnlich  der  T.  concinna  Rss.,  aber  durch 
das  kleinere  und  schmälere,  nach  unten  noch  weniger  an  Breite 
abnehmende  Gehäuse  mit  breit  gerundeten  beinahe  parallelen  Seiten- 
rändern verschieden.  Das  untere  Ende  zieht  sich  rasch  zur  stumpfen 
Spitze  zusammen.  Jederseits  5 — 7  fast  quere  gewölbte  Kammern, 
wenig  breiter  als  hoch,  durch  tiefe  Näthe  geschieden;  die  letzte 
Kammer  aber  hoch  gewölbt.  Das  Gehäuse  nur  wenig  zusammen- 
gedrückt. Die  Mündung  eine  kurze  halbmondförmige  Querspalte.  Die 
Schalenoberfläche  rauh. 

Sehr  selten  im  Gault  von  Rheine. 

7.  T.  foeda  Rss.  (Kreideverstein.  Böhm.  II.  p.  109—110, 
T.  43,  F.  12,  13).  Im  oberen  Senon  des  Hilgenberges  und  Herren- 
steinberges bei  Hamm  und  von  Soestwarte  bei  Beckum ;  im  unteren 
Senon  von  Flierich  und  Bergeamen;  im  Pläner  von  Unna.  —  Im 
Bakulitenthone  von  Luschitz  (Böhmen). 

8.  T.  Partschi  Rss.  —  T.  XIII,  F.  6.  —  Die  in  meiner  Mono- 
graphie der  böhmischen  Kreideversteinerungen  (I.  p.  39,  T.  13, 
F.    80)   gegebene  Beschreibung  und   nicht  ganz   treue   Abbildung 

IG» 


234  Reuss. 

bezieht  sich  auf  T.  Baudouiniana  d'Orb.  (Mem.  de  la  soc.  geol.  de 
Fr.  IV.  1,  p.  46,  T.  4,  F.  29,  30),  die  wiewohl  sehr  selten  im  böh- 
mischen ßakulitenthone  vorkömmt.  Es  findet  sich  dort  aber  auch 
noch  eine  andere  Species,  der  ich  in  den  westphälischen  Kreide- 
gebilden wieder  begegnete.  Ich  lege  ihr  den  erledigten  Namen  T. 
Partschi  bei.  Sie  ist  0-493  Millim.  lang  bei  0-292  Millim.  Breite; 
lanzettlich-keilförmig,  zusammengedrückt,  an  den  Seiten  abgerundet 
winklig,  nicht  gekantet;  nur  im  unteren  Theile  tritt  das  Winklige  etwas 
deutlicher  hervor.  Das  obere  Ende  beinahe  abgestutzt,  das  untere 
zugespitzt.  Jederseits  6  —  9  niedrige  Kammern,  deren  untere  wenig 
schief,  die  oberen  vollkommen  transversal  sind.  Die  untersten  Näthe 
undeutlich,  die  oberen  nur  vertiefte  Linien  darstellend.  Die  obere 
Fläche  der  letzten  Kammer  wenig  gewölbt,  beinahe  abgestutzt.  Die 
Schalenoberfläche  fein  rauh. 

Im  oberen  Senonmergel  des  Hilgenberges  bei  Hamm.  —  Selten 
auch  im  böhmischen  ßakulitenthone. 

9.  T.  anceps  Rss.  (Kreideverstein.  Böhm.  I.  p.  39,  T.  8,  F.  79; 
T.  13,  F.  78)  —  T.  XIII,  F.  2.  —  Länge  0-548  Millim.  Gehäuse 
lanzett- keilförmig,  stark  zusammengedrückt,  mit  schmalem  rhom- 
boidalem Querschnitt  und  scharfkantigen  Seitenrändern;  nach  unten 
sich  allmählich  zur  stumpfen  Spitze  verschmälernd.  DiebeidenFlächen 
schwach  gewölbt,  in  der  Mitte  der  Länge  nach  schwach  und  stumpf 
gekielt  und  sich  gegen  die  beinahe  schneidigen  Ränder  allmählich 
abdachend.  Jederseits  7 — 10  niedrige,  wenig  schiefe,  flache,  durch 
feine  lineare  Näthe  gesonderte  Kammern.  Die  zwei  obersten  schräg 
nach  aussen  abgestutzt.  Die  MĂĽndung  eine  kurze  enge  Querspalte. 
Die  Schalenoberfläche  mit  sehr  feinen  Rauhigkeiten  bedeckt. 

In  den  unteren  Senonmergeln  von  Flierich;  im  Pläner  von 
Unna;  im  Diluvialsande  von  Hamm.  —  Irn  ßakulitenthone  von 
Luschitz  und  Brozan  (Böhmen);  im  Plänermergel  vor  dem  Clever 
Thore  von  Hannover;  im  Auanchytenmergel  vom  Petersberge  bei 
Goslar. 

10.  T.  praelonga  Rss.  (Kreideverstein.  Böhm.  I.  p.  39,  T.  12, 
F.  14.  —  Denkschr.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  in  Wien  VII.  p.  72,  T.  26, 
F.  8).  In  den  unteren  Senonmergeln  von  Ostheide,  im  Pläner  von 
Rheine.  —  Im  ßakulitenthone  von  Luschitz,  Brozan,  Kystra,  Rannai 
u.  a.  0.  (Böhmen);  in  den  Kreidemergeln  des  Wegscheidgrabens 
in  der  Gosau ;  im  Kreidedetritus  von  Charing  (England). 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  23i> 

11.  T.  bolivinoides  m.  —  T.X11,  F.  6.  —  Lange:  0599  Millim., 
Breite:  0#248  Millim.  Das  lanzettförmige,  nach  unten  sich  allmählich 
zur  stumpfen  Spitze  verschmälernde,  stark  zusammengedrückte  Ge- 
häuse ähnelt  in  der  Physiognomie  einer  Bolivina.  Die  Kammern 
zahlreich  (jederseits  10),  kaum  gewölbt,  viel  breiter  als  hoch, 
und  durch  schmale,  nicht  sehr  tiefe,  vollkommen  quere  Näthe  ge- 
schieden. Die  letzte  Kammer  oben  stark  gewölbt.  Die  Seitenränder 
schmal,  aber  gerundet.  Die  MĂĽndung  sehr  klein.  Die  Schalenober- 
fläche nur  mit  sehr  feinen  Rauhigkeiten  bedeckt. 

Sehr  selten  im  Gault  von  Rheine  und  in  dem  zugehörigen  Grün- 
sande. —  Auch  im  Minimusthon  von  der  Heininger  Ziegelei  bei  Wall- 
moden und  im  Tardefurcatus-Thon  von  Quitzem  bei  Quarum. 

12.  T.  flexuosa  m.  (T.  articulata  Rss.  in  Haidinger's  natur- 
vviss.  Abhandl.  IV.  1,  p.  45,  T.  4,  F.  14).  Ich  habe  den  Namen  ge- 
ändert, weil  d'Orbigny  beinahe  zu  derselben  Zeit  eine  T.  articulata 
aus  den  miocänen  Tertiärschichten  von  Baden  bei  Wien  beschrieben 
und  abgebildet  hat  (Foram.  du  bass.  tert.  de  Vienne  p.  250,  T.  15, 
F.  16 — 18).  Die  in  der  Rede  stehende  Species  findet  sich  immer 
nur  in  BruchstĂĽcken  im  oberen  Senon  des  Hilgenberges  bei  Hamm 
und  von  Dolberg  bei  Beckum;  im  unteren  Senon  von  Hamm  und 
Flierich.  —  In  den  Mukronatenschichten  von  Nagorzani  bei  Leinberg 
in  Galizien. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Tafel  I. 

Fig.  1.     Cornuspira  cretacea  Rss.  a  Fliichenansicht,  h  Contouren  des  Vertical- 
durchschnittes. 
„     2.     Nodosaria  lepida  m. 
„     3.  „  coneinna  m. 

„     4.  „  intercostata  m. 

„     S.  „  duplicicostata  in. 

,.     6.  „  nana  m.    a  Seitenansicht,    b   Contouren  des    Querschnittes 

einer  Kammer. 
„     7.     Dcntalina  acuminata  m. 
„8.  „  cylindroides  m. 

„     9.  „  cognata  m. 

„  10.  „  subrecta  m. 


236  Reu  s.s. 


Tafel  II. 


Fig.  i.     Nodosaria    tetragona  in.    a    Seitenansicht,    b  Contouren   des   Quer- 
schnittes. 


„     3. 

Dentalina  tenuicaudata  in. 

„     4- 

n 

commutata  m. 

„     ä- 

distineta  in. 

„     6. 

strangulata  m. 

.     7. 

Marcki  m. 

n      8- 

intermedia  m. 

Tafel  III. 

Fig.  i.  Dentalina  polyphragma  in.    b  zwei  Kammern  stärker  vergrössert. 

„     2, 3.       „  foedissima  m. 

„4.  „  expansa  m.   Bruchstück. 

„     5.  „  legumen  R  s  s. 

„     6.  „  catenula  m. 

„     7.  „  diserepans  m. 

„     8.  „  filiformis  R  ss.   Bruchstück. 

„9.  „         pugiunculus  m.  „ 

Tafel  IV. 

Fig.  \.  Glandulina  cylindraeea  Rss. 

„     2.  „  elongata  m. 

„     3.  Frondicularia  Decheni  m.    a  vordere,  b   seitliche  Ansicht. 

„     4.  „  Becksi  m.     a        „         b        „  „ 

„     J{.  „  angustata  Nilss. 

„     6.  „  angustissima  m. 

„     7.  „  Goldfussi  in.    a  vordere,  b  seitliche  Ansicht. 

Tafel  V. 

Fig.  \.  Frondicularia  lanceola  m.  a  vordere,    b  seitliche  Ansicht. 

„  2.  „  apiculata  R  s  s.     a        „         b       „  „ 

„  3.  „  marginata  Rss.  a        „         b       „  „ 

„  4.  „  microdisca  in. 

„  5.  Frondicularia  gaultina   in.   Bruchstück. 

„  6.  Marginulina  seminotata  m. 

„  7.  „  lata  in.   a  seitliche,  b  obere  Ansicht. 

Tafel  VI. 

Fig.  1.     Frondicularia  canaliculata  in.     a  vordere,  b  seitliche  Ansicht. 
„     2.  „  guestphalica  in.    a       „         b       „  „ 

„     3.  „  strigillata  in. 

„     4-6. Marginulina  bullata  Rss. 
„     7.     Rhabdogonium  Rö'meri m.    a  .Seitenansicht,  b  Bauchansicht,    c  obere 

Ansicht. 
„     8.     Marginulina  bacillum  Rss.   b  Querschnitt. 


Die  Foraminiferen  der  westphälischen  Kreideformation.  2t>7 

Tafel  VII. 

Fig.  1.     Rhabdogunium    anomalutn  in.     a  RĂĽcken-,    b  Bauehansicht,   c   obere 

Ansicht. 
„     2.     Mürginulina  ornatissima  m.   a  Seiten-,    b  Bauch- ,  c  Bückenansieht, 

d  obere  Ansicht. 
„     3.     Marginulina  inaequalis  in. 
„     4.  „  soluta  m. 

„     5.  „  mudesta  m  .    a  seilliche,  b  obere  Ansicht. 

„     6.     Rhdbdogonium  globuliferum.    a   Rücken-,    b   Bauehansicht,    c    obere 

Ansicht. 
„     7.     Marginulina  armata  in.    Bruchstück. 

Tafel  VIII. 

Fig.  1.  Pleurostomella  pisiformis  in.  Vordere  Ansicht. 
„     2.  „  subnodosa  m.   a  hintere,  b  vordere  Ansicht. 

„     3.  Vaginulina  transversalis  in. 

„     4.  „  arguta  m.    a  Seiten-,  b  Bückenansieht. 

„     5.  „  bicostulata  m.    a  Seiten-,  b  Bückenansicht. 

„     6.  Cristellaria  inflata  m.     a  seitliche,  b  vordere  Ansicht. 
„     7.  „  microptera  in.   a  seitliche,  b  Rückenansicht. 

„     8.  „  oligostegia  m.    a  seitliche,  b   Bauchansicht. 

Tafel  IX. 

Fig.  i.  Flabellina  interpunctata  v.  d.  Mck. 
„     2.  „         macrospira  in. 

„     3.  Vaginulina  notata  in.    Bruchstück. 

„     4.  Cristellaria  Marcki  m.     a  seitliche,  b  Bauehansicht. 
„     5.  „  tripleura  in.  a  „         b  „  , 

„     6.  „  Hagenowi  m.  a  „         b  „ 

„     7.  „  secans  m.       a  ,,         b  „ 

Tafel  X. 

Fig.  i,1.Cristrllaria  harpa  in.    a  seitliche,  h  Bauehansicht. 
„     3.  „  acuta  m.      a  „         b  „ 

„     4.  „  inepta  m.     a  „  b  „ 

„     5,6.  Lituola  nautiloideaL&m.    a  Seitenansichten,  b  obere  Ansicht. 
„     7, 8.      „  „  „        Obere  Ansichten. 

„     9.     Haplophragmium  irreguläre  Böm.  sp.    «Seiten-,  b  obere  Ansieht. 

Tafel  XI. 

Fig.  i.     Haplophragmium  irreguläre  Böm.  sp.    Bückenansicht. 
„     2, 3.  „  aequale  „      „      a   seitliche  Ansichten,  b  obere 

Ansichten. 
„     4.     Rotalia  exsculpta  m.    a  Spiral-,  b  Nabelansicht,  c  Seitenansicht. 
„     ö.  „        umbonella  m.    a       „  b  „  c  „ 

„     6.     Valvulina  allomorpbinuides  m.    a  Spiral- ,  b  Nabel- ,  c  Seitenansicht. 


238         Ken ss.  Die  Foraminiferen  der  vvesf  phänischen  Kreideformation. 

Tafel  XII. 

Tritaxia  tricarinata  m.    a  Bauch-,  b  RĂĽckenansicht 
„  „  a       „         b  obere  Ansieht. 

Gaudryina  oxycona  m.    a  vordere,  b  seitliehe,  c  obere  Ansicht. 
Globulina  porrecta  m.    a  seitliche,  b  obere  Ansicht. 
Proroporus  eomplanatus  m.    a  vordere,  b  seitliehe  Ansicht. 
Textilaria  bolivinoides  m.      a       „  b  obere  Ansicht. 

„         parallela  m.  a       „  b     „  „ 

Tafel  XIII. 

Fig.  1.      Textilaria  eoncinna  Rss.  a  vordere,  b  seitliche  Ansicht. 


Fig. 

1. 

« 

2. 

» 

3. 

» 

4. 

» 

5. 

5) 

6. 

7. 

2. 

»» 

aneeps  Rss.      a 

>» 

b       , 

3. 

„ 

com/Ins   „         a 

» 

b        „ 

4,5. 

» 

pupa  m.            a 

» 

b       „ 

6. 

n 

Partsehi  Rss.  a 

?5 

b       „ 

7,8. 

» 

globifera  m.     a 

» 

b       » 

Reufs.Die  FoTAininifereÄ  der  westpliälischeii  Kreideformation. 


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/'///./'.  Com n.t/i im  irefueeo    ffjs.     ~Fig.  ?.  Arodö-tarCa  lepidiim.      Fig.<?.  .V.  concirtnn    '" 
Cii/  '/.  X tii/irrostntti  ///    /•'it/.S.Jf.duplicico/Yatum.Fig.  ßjf/to/ia  m  /'ry  Z-Deniaiüia acuminata  w 
f'tr/.tl    /)  cyfiiitlroif/es  1/1   Fig.ÂŁ D.cogiiuta  m    FĂĽ/./O.D.Jt'ubrectaTn.. 

.S.i/,nii'jsl).il.k  Ak.idil.U  in.iili .iiatiirvv  O.    XL  l'.d.X'"».  IKiiO. 


Eieufs.  Die  Foraminiferen  i!<'r  vrestpliälisolteji  Ivreidelbrmatioii 


Taf.lL 


Za 


Fin.  f.  Sodosarüt  tetragonam-  /•'/</   '!  .Vprunniiirn  m     Fiff.  ■!.  Dentalirui  tehuicuiidala  r,i 
/>'ty.  f.  /).  roiti/inUuta  ///    Fig.  •>'  D.  dijtfineta  m     /'/>/  6.  /).  slranguUttn  >»   Fig.  7.  D  Wtirckt  /" 
Fiu.  &.  D.  intermedia    m 
Sitzun£sl  (I  k  Akad.d.W  in.ilh  n.iiniw  CL    XI.  Bd  X"  »    IKliO 


Reul's.  Dir  (Toramiiufereii  der  weslpjiälisflien   Krcideftnrmation. 


I 


Fig.  f.  I>i/i/ti  /in«  polg/ihrogma  ///.     /'///    Z,3  D.  foedlssüna  m    Fi«.'/.  /) t.r/mn\«  w 
/■'///■>  /• i /f //«/«, ■■//     //.i-.v        Frg.ft.D.catcmrla     w .  /•'/«    7.J).  discrepanje    /« 

S'//-    a.D.    /'//i/hr/ms    //.is       /'/>/////  J>ilf/iuuen/us  m 
Sil/,iiii"'sl).il.k..\k,i(l.il  Vi.  m.ilh.  tiftturw.  CL.  XL  Bd   N°K  L8(i(). 


l'icul's.    Die   l''(n7iiiiiiii|'t')Tii  der  ivcslphäliselien   Kreidrformalioii. 
'  Z    Ă„  *â–   3. 


Taf  [V. 


j. 


Fig.J-Glwidiilintt  cj/ltndracea  Ăź.s-.r.  Fig-Z.Gl.dongMa  m  Fiff.3.FroniUcuI/wi*i  Decfisniu 

Fit/ .  '/.  Fr.  Ăźicfei /u .        Fig.  S. Fr.    ii/ii/iistutn    .\'///\,ip.      Fi//,  (t 'Fr.  titif/ii.s/i/Tinifi  // 
Fig.  7.  Fr.   (ii>ltUii/si    m  . 
Sit7.uno-sb(l.kAkfl(l.d.U'.  math.  natura  t'l.  XL  Bd.  X98.  1860. 


Reul's.  Die   Foraminiferai  riet  wvs-tphälijschen  Krerdei'onnation 


3  ev. 


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I 

I 

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Fijt.FrondicuIaria,7.ct,7u:r.tfa  m,   Fig. 2.Fr.  apiculata  R.vs.  Fig.3.Fr.  fnarginata  Rs 
Fy.  'f  Fr.  microdisca  m.  FigJFngoultinaFtg.ĂźMarginiJina  scminolatn  m.  Fig.  Ullata  //, 
SilÄiiiioA-VJ.k  Akiul.(l.\V.iiuiiJi.iiiihirw'.('l.  AI,  15<l    N?8.  1860. 


Reufs.  Die Foraminifercn  der  ut-st  iiIi.iIim-Iicii  Kreideformatroii 


a    A  f 


Fig.f.J'rortdicularui  ccuialieuluta  Rss.Fig.ZI'r.gueftphalica  m,  Fty3.1Tr.  Strip iZCata  ///. 

f'1ry.4-ff..l/(tn/i/t///ü/n  bullata  rn  /■'////  Rkitbdoffom'um  Rn»«>ri  m  /'tr/H.lfit i;/im<ti/iti  litiriUuni  A'.r 

Sit7.un«'sb.<l.k.Ak:i(l  il .W'i„:lih.ji:iliirw  Cl.    XL   Bd      N°fi     I8«0. 


Reufs.  Dir  Koiviiiiiiifcrcu  der  vvestphälisctoen  Kreideformatlon. 


I'.il  VII 


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Fiq.tJlhabdogonium  anamahun  m.  FtZ/sS.JUtrginulina  ornatissima  vuFĂĽj.SM  inaeguafam 
Ntt't.M.xoluiit  m  Fii/JM.modrsto  nuFiff.&JifutidoffonĂĽun  gbbttĂĽfcrum  m  Ffy.ZMirpimt/ina  armata  m 


SiVaun-isb .  il  k.Akail.d.W.iiiafli.iurturw.CI.    X!,  IM     X"  8    1860 


Reufs.    Die  Foraminifercn  (irr  HTstphälischen   Kretdeforniation..  Taf.VDE 


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Beufs.  Die  KoTamiuifVirii  &?v  westpHätiädheii  Ifretdeforniatian.. 


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HpiiI's.  Die  EWaminifVreji  d^p  vvestph/ĂĽischen  KreĂĽrfbimatieai. 


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Reufs.  Die  FarAnuniferni  der  «TsrpliüJiseheTi  Kreidei'orBiation. 


Tat  XIII 


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V  Usail.d  WimatJi  n»t«n»  Cl     XI.    Bd     H»  *    1860. 


Schneider.  Ăśber  d.  ehem.  u.  elektrol.  Verhalten  d.  Quecksilbers  etc.       239 


Ăśber  das  chemische  und  elektrotytische  Verhalten  des  Queck- 
silbers   bezĂĽglich    dessen    Nachweisbarkeit   im   Allgemeinen 
und  in  thierischen  Substanzen  insbesondere. 

Von  Dr.  F.  C.  Schneider, 

k.  k.  Professor. 
I. 

Die  Frage,  auf  welchen  Wegen  die  Ausscheidung  des  Quecksilbers 
nach  dessen  arzneilicher  Anwendung  aus  dem  Organismus  erfolge, 
und  insbesondere,  ob  dieses  Metall  durch  den  Harn  entleert  werde, 
hat  seit  jeher  die  Aufmerksamkeit  der  Ärzte  undChemikerbeschäftiget. 

Die  hierauf  bezĂĽglichen  Untersuchungen  haben  jedoch  zu  sehr 
verschiedenen  ,  sich  zum  Theile  geradezu  widersprechenden  Ergeb- 
nissen gefĂĽhrt. 

Während  Petronius1),  iBreger,  Valvasor,  Guidot, 
Vercelloni,  Burghardt,  Didier,  Cantu2)  Land  er  er,  Audou- 
ards),  Miahle*),  Orfila5),  Van  der   Brock6)   Quecksilber 


*)  Petronius  de  morbo  gallico  libr.  VI,  c.  1  will  Quecksilber  im  Harne  eines  an 
Mercurialsalivation  leidenden  Mannes  gesehen  haben.  Er  berichtet:  Cum  urina 
quando  spumosa  bullas  argento  vivo  obductas  et  quod  mirum  est,  supernatantes, 
has  quidem  milio  majores,  has  vero  minores  reddehat.  Ubi  vero  urina  sine  spuma 
fuerat ,  tales  bullae  non  apparuere,  sed  illud  postremo  dubium  omne  dissolvit,  quod 
aureus  nummus  ab  illis  albo  colore  inliceretur. 

aJ  Cantu,  Annal.  de  Chim.  et  de  Phys.  T.  27,  p.  335  will  aus  dem  Bodensatze  von 
60  Pfund  Harn ,  der  von  mehreren  die  Schmierern-  gebrauchenden  Personen  gesam- 
melt wurde,  durch  die  Destillation  ĂĽber  20  Grane  Quecksilber,  ungerechnet  der  im 
Retortenhalse  zurĂĽckgebliebenen  Menge,  abgeschieden  haben. 

8)  Audouard,  Journ.  de  Chim.  med.  843,  mars,  p.  137  fand  Quecksilber  im  Harne 
Syphilitischer,  die  mit  Atzsublimat  behandelt  wurden. 

*)  Miahl  e,  Annal.  d.Cbim.  et  de  Phys.,  serie  3,  1842,  t.  5,  nahm  06  Gramm  Calomel 
und  fand,  dass  nach  12  Stunden  in  seinem  Harne  eingelegte  Kupferstäbchen  sich 
mit  Quecksilber  bedeckten. 

5)  Orfila,  Journ.  de  Chem.  med.  1842,  konnte  in  32  Pfund  Harn  nach  Cantu's  Ver- 
fahren kein  Quecksilber  nachweisen,  dagegen  fand  er  nach  seiner  eigener.  Methode 
Quecksilber  im  Harne  von  Individuen,  die  mit  Mercur  behandelt  wurden. 

6)  Van  den  Brock  konnte  nach  massigen  Gaben  von  Sublimat  im  Kaninchenharne 
Quecksilber  nachweisen.  Donders  Physiol.  Bd.  1,  p.  475. 


240  Schneider. 

im  Harne  gefunden  haben  wollen,  konnten  Tie  dem  an  n  undGmelin  *) 
weder  im  Harne  eines  Hundes,  noch  in  dem  eines  Pferdes  dasselbe 
entdecken,  ungeachtet  sie  jenem  drei  Drachmen  essigsaures-,  diesem 
eine  halbe  Unze  Cyanquecksilber  beigebracht  hatten.  Eben  so  ver- 
geblich suchte  Wo  hl  er2)  im  Harne  eines  die  Schiniercur  gebrau- 
chenden Mannes  nach  Quecksilber  und  auch  in  Liebig's  Labora- 
torium 3)  konnte  dasselbe  im  Harne  Syphilitischer,  die  mit  Mercu- 
rialien  behandelt  wurden,  nicht  nachgewiesen  werden.  Melsens 
und  Hannon  glaubten  beobachtet  zu  haben,  dass  bei  Hydrargyrose 
durch  die  innerliche  Anwendung  von  Jodkalium  die  Ausscheidung 
des  Quecksilbers  durch  den  Harn  befördert  werde. 

Im  Zusammenhange  mit  dieser,  durch  die  Erfahrung  bei  weitem 
noch  nicht  jedem  Zweifel  entrĂĽckten,  Wahrnehmung  steht  die  Behaup- 
tung einiger  Ärzte,  dass  es  keine  secundäre  Syphilis  gebe,  und  dass 
die  sogenannten  secundären  syphilitischen  Leiden  Wirkungen  des 
Mercurialgebrauches  seien.  —  Für  diese  Behauptung  hat  man  che- 
mische Beweismittel  angestrengt.  Der  Harn  Syphilitischer,  welche 
vordem  mit  Mercur  und  hierauf  erfolgreich  mit  Jodkalium  behandelt 
wurden,  soll  Quecksilber  enthalten. 

Die  schon  frĂĽher  nicht  unwichtige  Frage  erlangt  durch  diese 
Doctrin  eine  erhöhte,  unmittelbar  praktischeBedeutung,  sie  war  dess- 
halb  in  jüngster  Zeit  Veranlassung  zu  näheren  Untersuchungen4). 

Insoweit  die,  bis  nun  bekannt  gewordenen  ,  Ergebnisse  sich 
auf  den  chemischen  Theil  der  Frage  beziehen  ,  scheinen  dieselben 
noch  mancher  PrĂĽfung  bedĂĽrftig.  Eigene  Untersuchungen  fĂĽhrten 
mich  zur  Wahrnehmung,  dass  die  ĂĽblichen  Methoden,  nach  welchen 
thierische  Substanzen  auf  Quecksilber  geprüft  werden,  unzulänglich 
sind,  den  entschiedenen  Nachweis  zu  liefern,  ob  dieses  Metall  in  dem 
Untersuchungsobjecte  vorhanden  sei  oder  fehle. 


')  Tiedemann  und  ĂĽraelin,  Versuche  ĂĽher  die  Wege,  aufweichen  Substanzen  aus 
dem  Magen  undDarmcanal  in's  Blut  gelangen.  820.  Vers.  8,  p.  17  und  Vers.  12,  p.  32. 
Der  Nachweis  war  durch  Einleiten  von  Schwefelwasserstoffgas  in  die  Untersuchungs- 
ohjecte  versucht. 

2j  Tiedemann  und  Treviranus,  Zeitschrift  fĂĽr  Physiologie,  Bd.  I.  (>â–   303. 

3)  Voit,  Physiologisch-chemische  Untersuchungen  1837,  pag.  50. 

4J  Virchov,  Ăśber  die  Natur  der  constitutionellen  syphilitischen  Affectionen.  Dessen 
Archiv  1859,  Bd.  15.  —  Waller,  Beiträge  zur  Lösung  einiger  Streitfragen 
in  der  Syphilidologie.  Prager  Vierleljahressohrift  fĂĽr  praktische  Heilkunde.  1839. 
Bd.   16,  p.   133. 


Ăśber  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      ^41 

Wie  geringe  die  Menge  von  Quecksilber  sein  könne,  um  sie 
noch  mit  Bestimmtheit  in  thierischen  Substanzen  nachzuweisen  ,  ist 
bisher  unerörtert  geblieben,  und  doch  muss  dies  vor  allem  bekannt 
sein  ,  weil ,  wenn  ĂĽberhaupt  eine  Ausscheidung  des  Quecksilbers 
durch  den  Harn  stattfindet,  nur  sehr  geringe  Mengen  davon  vor- 
kommen können,  da  von  den  wirksameren  Mercurialpräparaten  nur 
kleine  arzneiliche  Gaben ,  die  sich  innerhalb  den  Bruchtheilen  eines 
Grans  bewegen,  Tag  ĂĽber  gereicht  werden. 

Es  ist  also  vorerst  zu  untersuchen,  ob  der  analytischen  Chemie 
hinreichend  empfindliche  Fällungsmittel  zu  Gebote  stehen,  um  selbst 
so  kleine  Mengen  zu  entdecken,  ob  es  durch  BenĂĽtzung  bestimmter 
Lösungsmittel  gelinge,  aus  einer  grösseren  Menge  von  organischer 
Substanz  und  anorganischen  Salzen  das  Quecksilber  abzuscheiden 
und  so  seinen  Fallungsmitteln  zugänglicher  zu  machen,  durch  welche 
Beactionen  endlich  selbst  die  kleinsten  Mengen  von  Quecksilber  in 
Formen  übergeführt  werden  können,  welche  die  Vornahme  weiterer 
bestätigender  Versuche  ermöglichen. 

Wenn  in  solcher  Art  die  Leistungsfähigkeit  der  Methoden  ermit- 
telt und  die  Bedingungen  festgestellt  sind,  unter  welchen  es  gelingt 
die  Anwesenheit  des  Quecksilbers  in  thierischen  Substanzen  auf 
eine  Irrthum  und  Täuschung  ausschliessende  Weise  zu  erkennen, 
dann  lassen  sich  die  WidersprĂĽche  in  den  Angaben  der  frĂĽheren  For- 
scher einer  unbefangenen  WĂĽrdigung  unterziehen,  der  Werth  und 
die  Tragweite  der  bis  nun  bekannt  gewordenen  Untersuchungen 
bemessen. 

II. 

Ăśber  die  Beactionsgrenzen,  bis  zu  welchen  das  Quecksilber  aus 
Lösungen  fällbar  ist,  liegen  nur  wenige  Bestimmungen  vor,  und 
diese  Hessen  es  gänzlich  unbeachtet,  ob  und  welchen  Einfluss  die 
absolute  Menge  des  vorhandenen  Quecksilbers  bei  gleichen  VerdĂĽn- 
nungsgraden ĂĽbe,  ob  durch  dieselbe  die  Beactionsgrenze  verrĂĽckt 
werde. 

Nach  Pfaff  werden  Auflösungen  des  Quecksilberoxyduls  durch 
Chlorwasserstoff  und  durch  Chlormetalle  bis  zur  SO.OOOfachen  Ver- 
dünnung gefällt,  die  Oxydverbindungen  und  das  ihnen  correspondi- 
rende  Chlorid  geben  nach  Lassaigne  in  20.000  Theilen  Lösungs- 
mittel noch  Niederschläge  mit  Schwefelkalium,  mit  Ammoniak,  und  nach 


242  Schneider. 

Geiger  auch  mit  Zinnchlorür;  wogegen  bei  40.000fächer  Verdün- 
nung nur  mehr  eine  opalisirende  Trübung  in  der  Lösung  stattfinde. 
Nach  Reinsch  darf  die  Wassermenge  nicht  ĂĽber  15.000  Theile 
betragen  ,  wenn  die  regulinische  Fällung  des  Quecksilbers  durch 
Kupfer  dem  unbewaffneten  Auge  noch  wahrnehmbar  sein  soll  ;  bei 
50.000  Theilen  Wasser  ist  längeres  Kochen  unter  Zusatz  von  Salz- 
säure nöthig,  damit  mikroskopisch  erkennbare  Queeksilberkügelchen 
auf  Kupfer  sich  fixiren  können.  Ein  Goldplättchen,  das  mit  einem 
Stückchen  Zinn  in  Berührung  gebracht  ist,  färbt  sich  nach  Lassai- 
gne  in  einer  Sublimatlösung  erkennbar  weiss,  wenn  die  Menge  des 
Lösungsmittels  nicht  über  5.000  Theile  beträgt. 

Nach  diesen  Bestimmungen  mĂĽsste  man  auf  den  Nachweis  des 
Quecksilbers  verzichten  ,  sobald  dessen  Menge  weniger  als  den 
20.000— 40. 0009ten  Theil  des  Untersuchungsobjectes  beträgt.  — 
Meine  Versuche  ĂĽber  die  Reactionsgrenzen  haben  zu  anderen  Ergeb- 
nissen gefĂĽhrt. 

Bei  der  Untersuchung  thierischer  Substanzen  mĂĽssen  vor  allem 
die  organischen  Stoffe  durch  Oxydationsmittel  —  am  gewöhnlichsten 
durch  chlorsaures  Kali  und  Chlorwasserstoffsäure  —  zerstört  werden. 
Dadurch  wird  das  in  welch  immer  fĂĽr  einer  Form  im  Probeobjecte 
enthaltene  Quecksilber  in  Einfach-Chlorquecksilber  oder  in  das  cor- 
respondirende  Oxyd  verwandelt.  Desshalb  habe  ich  zu  meinen  Ver- 
suchen nur  Lösungen  dieser  Verbindung  benützt;  als  Fällungsmittel 
wählte  ich  Schwefelwasserstoff,  Schwefel -Ammonium,  Ammoniak 
und  ZinnchlorĂĽr,  weil  ich  mich  ĂĽberzeugte,  dass  fĂĽr  alle  ĂĽbrigen 
Reagentien  auf  Einfach-Chlorquecksilber  die  Fällungsgrenze  schon 
innerhalb  der  lO.OOOfachen  VerdĂĽnnung  gelegen  ist. 

Seh  we  fei  Wasserstoff  ga  s  erzeugt  in  Auflösungen  des  Ein- 
fach -  Chlorquecksilbers    noch    sammelbare    Niederschläge ,    wenn 

0-002  Grm.  HgCl  in  100  CC. 
0-005      „         „      „    500     „ 
0-010      „         „      „1500     „ 
0-016      „         „      „2000     „ 
0-020      „         „      „4000     „ 

Wasser  gelöst  der  Einwirkung  dieses  Gases  bis  zur  Sättigung  der 
Flüssigkeit  ausgesetzt  werden.  Die  Niederschläge  kommen  jedoch 
erst  nach  längerem  Stehen  zum  Vorscheine.  Die  Lösungen  färben 
sich  allmählich  in   dem  Verhältnisse   stärker  dunkelbraun,  je  mehr 


Ăśber  das  chemische  und  eleklrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      243 

Quecksilber ,  unabhängig  vom  Verdünnungsgrade  vorhanden  ist. 
Erhebt  sich  letzteres  auf  0*050  Grm.  in  100. OOOfacher  VerdĂĽnnung, 
so  wird  die  Färbung  schon  bei  den  ersten  Gasblasen  merklich  ,  bei 
0-005  Grm.  dagegen  in  1  Liter  Wasser  kann  sie  selbst  nach  Sät- 
tigung der  Lösung  mit  Schwefelwasserstoff  nur  auf  einem  weissen 
Hintergrunde  deutlich  wahrgenommen  werden  und  0002  Grm.  HgCl 
in  500  CC.  Wasser  gelöst,  bringen  gar  keine  bestimmt  erkennbare 
Veränderung  mit  Schwefelwasserstoff  hervor,  es  setzt  sich  selbst 
nach  langem  Stehen  kein  Niederschlag  ab. 

Schwefelwasserstoff-  Schwefelammonium  verhält 
sich  gegen  Quecksilberlösungen  im  Allgemeinen  wie  der  Schwefel- 
wasserstoff; die  Reaction  verliert  jedoch  an  Empfindlichkeit  und 
Schärfe.  0005  Grm.  HgCl  in  !/a  Liter  Wasser  gelöst,  geben  keinen 
sammelbaren  Niederschlag  und  in  1  Liter  Wasser  erzeugen  sie  nur 
mehr  eine  undeutliche  dunkle  Färbung.  0-010  Grm.  HgCl  in  2  Litres 
Wasser  erzeugen  allerdings  mit  Schwefel -Ammonium  eine  dunkle 
Färbung,  aber  es  scheidet  sich  selbst  nach  längerem  Stehen  kein 
Niederschlag  aus.  Miahle  gibt  an,  das  Schwefelquecksilber  sei  in 
Schwefel-Ammonium  löslich;  man  fühlt  sich  versucht  dieser  Angabe 
beizustimmen ,  da  in  Lösungen  ,  welche  nur  wenige  Milligrammes 
Quecksilberchlorid  enthalten ,  nach  Zusatz  von  Schwefel-Ammonium 
sehr  oft  nur  dunkelbraune  Färbungen  erzeugt  werden,  ohne  dass 
es  selbst  nach  mehrtägigem  Stehen  zur  Abscheidung  eines  Nieder- 
schlages käme.  Zuweilen  erscheinen  diese  unter  vollständiger  Ent- 
färbung der  Lösung,  wenn  man  neuerdings  Schwefel-Ammonium  oder 
Schwefelwasserstoff  zusetzt ,  und  dann  findet  sich  in  der  wasser- 
hell gewordenen  FlĂĽssigkeit  keine  Spur  von  Quecksilber. 

Solche  braun  gefärbte  Lösungen  werden  immer  erhalten,  wenn 
0010— 0-020  Grm.  HgCl  in  mindestens  10. OOOfacher  Verdünnung 
entweder  mitSchwefehvasserstoffwasser  vermischt,  oder  wenn  wenige 
Tropfen  Schwefel-Ammonium  mittelst  eines  Glasstabes  rasch  in  der 
FlĂĽssigkeit  vertheilt  werden.  Ist  die  Menge  des  HgCl  bedeutender, 
so  treten  aber  immer  Niederschläge  durch  die  beiden  Fällungs- 
mittel auf,  deren  Färbung  jedoch  nach  der  Menge  des  zugesetzten 
Reagens  verschieden  ist. 

Vieles  ungünstiger  gestalten  sich  die  Reaetionsverhältnisse, 
wenn  das  HgCl  statt  in  Wasser  im  Harne  gelöst  wird.  Man  erhält 
allerdings  selbst  bei  100. OOOfacher   VerdĂĽnnung  durch  Schwefel- 


244  Schneider. 

wasserstoffgas  eine  sammelbare  Fällung,  wenn  frieh  gelassener 
Harn  mit  0010 — 0020  Grm.  HgCl  vermischt,  sogleich  mit  diesem 
Gase  gesättiget  wird.  Lässt  man  aber  mit  HgCl  versetzten  Harn 
mehrere  Tage  stehen,  oder  dampft  man  solchen  Harn  unter  Zusatz 
von  chlorsaurem  Kali  und  Chlorwasserstoffsäure  ein  und  nimmt  den 
RĂĽckstand  in  Wasser  auf,  so  entsteht  durch  Schwefelwasserstoff, 
selbst  wenn  0020,  030,  0-50  Grm.  HgCl  vorhanden  sind,  nur  eine 
lehmartige  TrĂĽbung,  aus  der  sich  allerdings  schmutziggelbe  Flocken, 
aber  kein  schwär  z  es  Schwefelquecksilber  abscheiden.  Die  Flüssig- 
keit wird  nicht  klar ,  sie  mag  an  einen  warmen  oder  kalten  Ort 
gestellt  werden  und  lässt  sich  auch  nicht  klar  filtriren.  Untersucht 
man  Filtrat  und  Filterrückstand  nach  vorgängiger  Oxydation,  so  lässt 
sich  durch  Elektrolyse  auf  die  bald  zu  erörternde  Weise  in  beiden 
Quecksilber  nachweisen.  Es  konnte  selbst  bei  0- 100  Grm.  HgCl, 
die  in  4  Litres  Harn  gelöst  waren,  nach  der  eben  erwähnten  Weise 
behandelt,  keine  Fällung  von  schwarzem  Schwefelquecksilber  erhalten 
werden,  es  schied  sich  auch  in  diesem  Falle  aus  der  trĂĽben  FlĂĽssig- 
keit erst  nach  längerem  Stehen  ein  schmutzig  gelber  Niederschlag 
aus,  der  organische  Substanz,  ausgeschiedenen  Schwefel,  phosphor- 
saure alkalische  Erden  und  Schwefelquecksilber  enthält.  Wird  dieser 
Niederschlag  mit  Ammoniak  und  schwefelammoniumhältigem  Was- 
ser gewaschen,  dann  in  einer  Lösung  von  Schwefelnatrium  digerirt, 
so  geht  das  Schwefelquecksilber  in  letztere  Lösung  über  und  kann 
daraus  durch  Chlorwasserstoffsäure  wieder  abgeschieden  werden. 
Die  Menge  des  Niederschlages  entspricht  aber  nicht  jener,  die  aus 
0-100  Grm.  HgCl  erhalten  werden  sollte. 

Mehrfache  Versuche  mit  quecksilberhaltigem  Harne  fĂĽhrten  zu 
dem  Ergebnisse,  dass  dieses  Metall  durch  Schwefelwasserstoff  und 
Schwefel-Ammonium  nicht  sicher  nachweisbar  ist,  wenn  dessen  Menge 
unter  0100  Grm.  beträgt 

Die  Fällbarkeit  der  Quecksilberlösungen  durch  Ammoniak 
bewegt  sich  in  weit  engeren  Grenzen.  Es  werden  0-005  Grm.  HgCl 
in  45.000facher  VerdĂĽnnung  und  0-001  Grm.  in  3o.000facher  Ver- 
dünnung allerdings  noch  gefällt,  der  Niederschlag  wird  aber  von 
Chlorammonium  gelöst  und  er  kommt  in  salmiakhältigen  Flüssigkeiten 
gar  nicht  zum  Vorschein.  Schon  dieses  Umstandes  wegen  kann  dieses 
Reagens  bei  Untersuchung  thierischer  Substanzen  auf  Quecksilber 
keine  vorteilhafte  Anwendung  linden. 


Über  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      24«) 

ZinnchlopĂĽr  erzeugt  mit  0-002  Grm.  HgCl  in  SO.OOOfacher 
Verdünnung'  eine  graue  Färbung,  die  sich  allmählich  zu  einem  Nieder- 
schlag ausbildet.  Dieses  Reagens  fällt  aber  in  thierischen  Flüssig- 
keiten und  insbesondere  im  Harne  auch  die  färbenden  Substanzen, 
den  Harnstoff,  die  Harnsäure  und  Phosphorsäure.  Man  erhält  daher 
einen  sehr  voluminösen  Niederschlag.  Um  zu  ermitteln,  ob  mit  diesem 
Reagens  Quecksilber  im  Harn  nachweisbar  sei,  wurden  0010  Grm. 
HgCl  mit  500  CC.  Harn  vermischt  und  dann  mit  ZinnchlorĂĽr  ge- 
fällt. Der  erhaltene  Niederschlag  wurde  auf  einem  Filter  gesammelt, 
gewaschen,  getrocknet,  dann  mit  coucentrirter  Schwefelsäure  unter 
Zusatz  von  Salpetersäure  oxydirt,  endlich  vorsichtig  bis  zum  Trock- 
nen der  Masse  erhitzt.  Der  trockene  RĂĽckstand  wurde  mit  Natron- 
kalk innig  gemengt  in  einem  Kugelröhrchen  bis  zum  Glühen  erhitzt. 
Im  verengten  Theile  des  Glühröhrchens  setzte  sich  ein  grauer 
Anflug  an,  der  sich  in  einer  Atmosphäre  von  Joddampf  gelb  färbte, 
sodann  beim  Erhitzen  verflüchtigte  und  an  kälteren  Stellen  als  rothes 
Quecksilberjodid  wieder  absetzte. 

Ich  habe  mich  durch  wiederholte  Versuche  ĂĽberzeugt  ,  dass 
der  aus  quecksilberhaltigem  Harn  durch  ZinnchlorĂĽr  erzeugte  Nieder- 
schlag mit  concentrirter  Schwefelsäure  bis  zur  Verflüchtigung  dieser 
Säure  erhitzt  werden  kann,  ohne  dass  dadurch  ein  Verlust  von  Queck- 
silber bedingt  würde.  Demungeachtet  möchte  diese  Probe  für  die 
subtilen  Untersuchungen  des  Harns  von  Individuen,  die  eine  Mer- 
curialcur  passirten,  kaum  zu  empfehlen  sein.  Die  geringe  Menge  des 
Quecksilbers,  die  in  solchen  Harnen  vorkommt  und  die  grosse  Masse 
des  Niederschlages  der  aus  mehreren  Litres  eingedampften  Harns 
erhalten  wird,  benimmt  der  Methode  wesentliche  Vortheile.  Die 
Reduction  des  quecksilberhaltigen  Niederschlages  durch  GlĂĽhen  mit 
Natronkalk  erfordert  Gefässe  von  grösseren  Dimensionen;  dadurch 
vertheilt  sich  das  Quecksilber  auf  eine  grössere  Oberfläche,  es  kann 
sich  der  Wahrnehmung  und  der  Controlprobe,  wie  sie  eben  erwähnt 
wurde,  entziehen. 

III. 

Da  bei  der  Untersuchung  thierischer  Substanzen  auf  Queck- 
silber ,  die  weitaus  grössere  Masse  des  Objectes  aus  organischer 
Substanz  besteht,  so  hat  man  empfohlen  diese  vorerst  mit  chlor- 
saurem   Kali    und  Chlorwasserstoffsäure   zu    zerstören  ,    darauf  die 


246  Schneider. 

flüssige  Masse  zur  Trockne  zu  bringen  und  den  Rückstand  mitÄther 
auszuziehen,  in  der  Voraussetzung,  dass  es  solcher  Art  gelinge  das 
Quecksilber ,  welches  nach  dieser  Behandlung  nur  als  lösliche 
Chlorverbindung  in  der  eingedampften  Masse  enthalten  sein  kann, 
von  der  grösseren  Menge  der  Salze  zu  isoliren  ,  innerhalb  seiner 
Reactionsgrenzen  zu  bringen  und  in  einer  Lösung  darzustellen  ,  in 
welcher  die  charakteristischen  Reactionen  bestimmter  und  deutlicher 
hervortreten. 

So  plausibel  fĂĽr  den  ersten  Anschein  dieser  Vorgang  ist,  da 
bekanntlich  das  Einfach- Chlorquecksilber  sich  in  Äther  leichter  als 
in  Wasser  löst,  so  wenig  bewährt  er  sich  bei  der  praktischen  Aus- 
fĂĽhrung. Ich  habe  mich  durch  mehrere  Versuche  ĂĽberzeugt,  dass  bei 
diesem  Vorgange  Quecksilber  der  Entdeckung  entgeht,  selbst  wenn 
namhafte  Mengen  davon  vorhanden  sind  : 

Es  wurden 

0-005  Grm.  HgCl  in  500  CC.  Harn, 
0-007      „         „       „    100     „       „ 
0-100      „         „       „1500    „       „ 
1-000      „         „       „1000    „       „ 

unter  Zusatz  von  HCl  und  KCI06  im  Wasserbade  zur  Trockne  ver- 
dunstet ;  der  chlorsäurefreie  Rückstand  zerrieben  in  einem  Kolben  mit 
Äther  vom  specifischen  Gewicht  0-725  wiederholt  geschüttelt;  nach 
24  Stunden  die  ätherische  Lösung  vom  Salzrückstande  mit  der  Vorsicht 
getrennt,  dass  von  der  ungelösten  Masse  nichts  in  dieselbe  gelangen 
konnte,  sodann  zur  Trockne  verdampft.  Der  gelbliche  etwas  zähe 
harzartige  Rückstand  löste  sich  in  Wasser  selbst  beim  Erwärmen 
nur  unvollkommen  auf,  und  die  harzige  Substanz  Hess  sich  auch  bei 
erneuerter  Behandlung  mit  HCl  und  KC106  nicht  völlig  zerstören, 
Quecksilber  konnte  in  demselben  bei  allen  vier  Versuchen  nicht 
nachgewiesen  werden. 

Der  in  Äther  ungelöst  gebliebene  Rückstand  dagegen  gab  an 
90  p  rocentigen  Alkohol  die  Quecksilberverbindung  ab,  und  derselbe 
konnte  durch  wiederholtes  Ausziehen  mit  Alkohol  seines  ganzen 
Quecksilbergehaltes  beraubt  werden. 

Bei  der  probeweisen  Anwendung  von  Äther  von  0*745  speci- 
tischem  Gewicht  wurden  allerdings  Spuren  von  HgCl  in  die  ätherische 
Lösung  übergeführt,  die  Hauptmasse  blieb  jedoch  auch  bei   diesen 


Ăśber  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      247 

Versuchen  ungelöst,  selbst  nachdem  mehrere  Extractionen  mit  Äther 
vorgenommen  wurden. 

Ich  muss  hierbei  eines    Umstandes   erwähnen ,   der  wenn  er 
unbeachtet  bleibt,  sehr  leicht  zu  einer  irrthĂĽmlichen  Angabe  Ver- 
anlassung werden  kann.  Sind  die  eingedampften  Rückstände  nicht 
völlig  trocken,  oder  ist  der  Äther  wasserhaltig,  so  scheidet  sich  eine 
specifisch  schwerere  Flüssigkeit  bei  derExtraction  unter  der  ätheri- 
schen Lösung  ab,  wird  letztere  aufs  Filter  gebracht,  so  sinkt  die 
wässerige  Lösung  in   die  Spitze  des  Filters  und  fliesst   neben   der 
ätherischen  Lösung  ab.  In  solchen  Fällen  untersucht  man  selbstver- 
ständlich nicht  die  reinen  ätherischen  Auszüge,  sondern  gemengte 
Lösungen.  —  Wenn  selbst  neuere  Forschungen  in  dem  Ätherextracte 
des   Harns   Quecksilber   auffanden  ,    so    geschah   es  nur  ,  weil  die 
ätherische  Lösung  nicht  völlig  unvermengt  von  der  wässerigen  zur 
Untersuchung  verwendet  wurde.  Es  ist  eben  keine  schwere  Aufgabe 
für  diese  ,    den   gewöhnlichen   Voraussetzungen   geradezu    wieder- 
streitenden Ergebnisse  die  richtige  Erklärung  zu  finden.  In  unseren 
Untersuchungsobjecten   ist    das  HgCl   immer  neben  Alkalichloriden 
vorhanden,  mit  diesen  ist  jenes  zu  Doppelchloriden  vereiniget,  letz- 
tere sind  in  Äther  so  viel  wie  unlöslich  und  desshalb  kann   auch  aus 
eingedampften  Harnrückständen  durch  Äther  kein  Quecksilberchlorid 
gelöst  werden.    Diese  Doppelchloride  sind  in  wenig  Wasser  ohne 
Zersetzung  löslich,  durch  grössere  Wassermengen  aber  werden  sie 
in  ihre  Componenten  zerlegt.  Aus  reinen  wässerigen  Lösungen  lässt 
sich  durch  wiederholtes  Schütteln  mit  Äther   alles   HgCl,   das  jene 
enthalten,  in  diesen  ĂĽberfĂĽhren,  bei  gleichzeitiger  Anwesenheit  von 
Alkalichloriden  findet  dies  jedoch  um  so  schwieriger  Statt,  je  con- 
centrirter    die  wässerigen   Lösungen    sind  ,    derart,    dass  aus  völlig 
gesättigten  Lösungen  Äther  vom  HgCl  nur  mehr  Spuren  aufzuneh- 
men vermag ;  aus  völlig  getrockneten  Salzmassen  zieht  Äther  auch 
nicht  einmal  Spuren  von  HgCl  aus,  der  Äther  hat  also  die  Fähigkeit 
allerdings  unter  Mitwirkung  von    Wasser   die   Doppelverbindungen, 
welche  das  HgCl  mit  den  Alkalichloriden  eingeht,  zu  zerlegen,  fĂĽr 
sich  allein  aber  hat  er  weder  die  Fähigkeit   diese  Verbindungen   zu 
lösen,  noch  sie  zu  zersetzen. 

Wollte  man  also  Äther  zur  Isolirung  des  HgCl  aus  einer  grösse- 
ren Masse  von  Salzen  benutzen,  so  muss  gerade  das  entgegen- 
gesetzte Verfahren  eingeschlagen  werden,  als  man  bisher  empfohlen 

SiUb.  d.  matheua.-naturw.  CI.  XL.  Bd.  Nr.  8.  17 


248  Schneider. 

hat.  Nicht  die  trockenen  Salze,  sondern  ihre  verdünnten  wässerigen 
Lösungen  müssten  mit  Äther  extrahirt  werden.  Um  die  Extraction 
vollständig  zu  machen,  müssten  aber  beträchtliche  Mengen  von  Äther 
nach  und  nach  in  Anwendung  kommen. 

Die  den  vorstehenden  Angaben  zu  Grunde  liegenden  Versuche 
wurden  mit  je  0-100  Grm.  HgCl  in  10  CC.  einer  gesättigten  Lösung 
von  Chlorkalium,  von  Chlornatrium  und  von  einem  Gemische  beider 
dieser  Chloride  und  sodann  mit  1  Grm.  HgCl  in  denselben  Mengen 
der  Alkalichloridlösungen  vorgenommen. 

Ich  habe  mich  bei  meinen  Untersuchungen  nicht  ĂĽberzeugen 
können,  dass  die  Anwendung  von  Äther,  als  Extractionsmittel,  für  die 
Auffindung  des  Quecksilbers  in  thierischen  Substanzen,  wesentliche 
Vortheile  brächte.  Zum  qualitativen  Nachweis  gelangt  man  auf 
elektrolyfischem  Wege,  wie  bald  erörtert  werden  wird,  auch  ohne 
dieser  vorgängigen  Scheidung,  und  die  für  die  quantitative  Bestim- 
mung nöthige  vorläufige  Fällung  des  Quecksilbers  lässt  sich  mit 
Schwefelwasserstoff  oder  Zinnchlonir  vollständiger  und  leichter  be- 
werkstelligen als  dieExtraction  initÄther,  wenn  diese,  wiediesnach- 
gewiesen  ist,  nur  aus  wässerigen  Lösungen  geschehen  kann.  Ergibt 
sich  aus  den  bisher  angefĂĽhrten  Versuchen  ,  dass  jede  Harnprobe 
auf  einen  Quecksilbergehalt,  die  mittelst  Äther  in  der  bisher  em- 
pfohlenen Weise  angestellt  wird  ,  in  ihren  Ergebnissen  jeden- 
falls ungenĂĽgend,  meist  aber  falsch  ist,  so  bliebe  nur  noch  zu  er- 
mitteln, ob  sich  nicht  die  beim  Äther  vergeblich  angestrebten  Vor- 
theile durch  Anwendung  von  Weingeist  erreichen  lassen? 

Werden  HgCl  hältige  wässerige  Lösungen  der  Alkalichloride  zur 
Trockne  verdunstet  und  hierauf  die  Rückstände  mit  90  procentigen 
Alkohol  ausgezogen,  so  bekommt  man  weingeistigeLösungen,  welche 
neben  dem  Alkalichlorid  alles  HgCl  enthalten  ,  das  man  den  wässe- 
rigen Lösungen  der  erstem  zugesetzt  hat.  Bei  Anwendung  von  Chlor- 
kalium  ist  die  Extraction  des  Salzriickstandes  rascher  ausfĂĽhrbar  als 
bei  Chlornatrium,  doch  lässt  sich  auch  dieses  durch  öftere  Behand- 
lung mit  90  procentigen  Alkohol  von  allem  HgCl  so  vollkommen  tren- 
nen, dass  der  ungelöste  Rückstand  in  Wasser  aufgenommen  und  mit 
Schwefelwasserstoff  versetzt  keine  dunkle  Färbung  von  gebildetem 
Schwefelquecksilber  annimmt.  Wiewohl  in  die  weingeistige  Lösung 
eine  grössere  Menge  von  Alkalichlorid  übergeht ,  als  zur  Bildung 
der    Doppelchloride    nöthig    ist ,    so    bleibt    doch    die  Hauptmasse 


Ăśber  das  chemische  tmd  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      249 

derselben  ungelöst ,  so  dass  es  immerhin  von  Vortheil  wäre ,  diese 
Extractionsmethode  anzuwenden,  um  kleine  Mengen  von  Queck- 
silber aus  einer  grösseren  Masse  von  Salzen  zu  isoliren.  Selbst  die 
Anwesenheit  von  phosphorsauren  Alkalien  scheint  auf  diese  Löslich- 
keitsverhältnisse  nur  einen  sehr  untergeordneten  Einfluss  zu  üben. 
Aus  einer  HgCl  hältigen  Salzmasse,  die  neben  HCl  und  NaCl  auch 
phosphorsaures  Natron  enthielt,  Hess  sich  das  HgCl  mit  Alkohol  so 
weit  extrahiren,  dass  in  dem  ungelöst  gebliebenen  Rückstände  sich 
durch  Schwefelwasserstoff  nur  mehr  Spuren  von  Quecksilber  nach- 
weisen Hessen. 

Um  zu  erfahren,  ob  sich  dieses  Scheidungsmittel  auch  auf  thie- 
rische  Untersuchungsobjecte  anwenden  lasse,  wurden  2000  CC.  Harn 
mit  0-020  Grm.  HgCl  versetzt,  dann  nach  HinzufĂĽgung  von  KC106 
und  HCl  zur  Trockne  verdunstet.  Der  eingedampfte  völlig  weisse, 
von  organischer  Substanz  anscheinend  freie  RĂĽckstand  wurde  mit 
Alkohol  ausgezogen.  Die  alkoholischen  AuszĂĽge  lieferten  einen  gelb- 
lich weissen  AbdampfrĂĽckstand,  der  in  Wasser  aufgenommen  mit 
Schwefelwasserstoffgas  einen  gelblichen  Niederschlag  lieferte,  aus 
welchem,  nachdem  er  durch  Waschen  mit  ammoniakhältigem  Wasser 
von  der  organischen  Substanz  befreit  und  in  Natronlauge  gelöst  war, 
nach  Zusatz  von  HCl  schwarzes  Schwefelquecksilber  abgeschieden 
werden  konnte.  Der  von  Alkohol  ungelöst  gebliebene  Harnrückstand 
aber  enthielt  ebenfalls  noch  Quecksilber ,  das  auf  elektrolytischem 
Wege  nachgewiesen  wurde.  Rei  einem  anderen  Versuche,  bei  wel- 
chem 1500  CC.  Harn  mit  0100  Grm.  HgCl  verwendet  wurden, 
konnte  allerdings  durch  Schwefelammonium  im  Alkoholextracte 
Quecksilber  als  schwarze  Schwefelverbindung  gefällt  werden  ,  aber 
der  von  Alkohol  ungelöste  Harnrückstand  enthielt  gleichfalls  noch  fäll- 
bare Mengen  von  Quecksilber.  —  In  dem  Harne  eines  Syphilitischen, 
der  eine  Sublimatcur  passirte  ,  konnte  ich  im  Wasserextracte  durch 
Elektrolyse  Quecksilber  entdecken,  während  der  alkoholische  Auszug 
keine  nachweisbare  Menge  dieses  Metalles  enthielt. 

Wollte  man  auch  die  umständliche  Arbeit ,  welche  das  Aus- 
ziehen einer  grösseren  Menge  von  Salzen  mittelst  Alkohol  erfordert, 
nicht  scheuen  und  sich  den  Verlust  an  Alkohol  gefallen  lassen,  — 
auf  eine  Wiedergewinnung  desselben  durch  Destillation  muss  man 
des  heftigen  durch  keinen  Kunstgriff  zu  beseitigenden  Stossens  und 
Schäumens  wegen  verzichten  —  die  Ergebnisse  der  vorstehenden 

i7» 


250  Schneide  r. 

Versuche  lassen  auch  die  Anwendung  von  Weingeist  zur  Trennung 
des  Quecksilbers  aus  einer  Masse  verschiedener  Salze  und  organi- 
scher Substanz  weder  vorteilhaft  noch  räthlich  erscheinen;  ich 
könnte  noch  hinzufügen,  dass  selbst  die  Reactionen  auf  Quecksilber 
in  den  wässerigen  Lösungen  des  Alkoholextractes  weder  reiner 
noch  schärfer  hervortreten,  als  wenn  sie  unmittelbar  in  dem  Unter- 
suchungsobjecte  vorgenommen  werden.  Die  organischen  Substanzen 
welche  sich  der  zerstörenden  Wirkung  des  KC106  entzogen  haben, 
gehen  in  die  alkoholischen  Lösungen  über,  ertheilen  diesen  dunkle 
Färbungen  und  verunreinigen  alle  Niederschläge,  welche  in  solchen 
Lösungen  auf  welch  immer  für  eine  Art  erzeugt  werden. 

IV. 

Schon  in  älterer  Zeit  wurde  die  Fähigkeit  des  Quecksilbers, 
sich  mit  anderen  Metallen  insbesondere  mit  Kupfer  und  Gold  zu  ver- 
quicken, zum  Nachweise  dieses  Elementes  benĂĽtzt. 

Damals  herrschte  die  allgemeine  Meinung,  dass  das  Queck- 
silber nur  im  regulinischen  Zustande  im  Organismus  vorkommen 
könne,  dass  alle  Quecksilberverbindungen,  wenn  sie  in  den  Körper 
gelangen,  zu  Metall  reducirt  und  sodann  durch  die  verschiedenen 
Excretionsorgane  insbesondere  durch  die  SpeicheldrĂĽsen,  durch  die 
Nieren,  ja  selbst  durch  die  Haut  ausgeschieden  wĂĽrden. 

So  versichert  Fallopius  bei  der  Mercurialsalivation  fixire  sich 
das  Quecksilber  auf  GoldstĂĽcke,  die  der  Kranke  in  den  Mund  nehme. 
Schelarius  erzählt,  dass  Ducaten  im  Munde  eines  Mannes  weiss 
wurden,  sobald  derselbe  seine  grosse  Zehe  in  ein  Quecksilberbad 
tauchte;  Pope  berichtet  von  einem  Bergmanne,  der  KupferstĂĽcke 
durch  Reiben  zwischen  seinen  Fingern  amalgamirte,  etc. 

Entsprechend  diesen  Ansichten  hatte  man  den  Nachweis  des 
Quecksilbers  durch  sehr  einfache  Manipulationen  geliefert.  Wo  die 
Sehkraft  zur  Entdeckung  des  Quecksilbers  in  tbierischen  Stoffen 
nicht  ausreichte,  suchte  man  es  durch  den  Verquickungsprocess  der 
Wahrnehmung  zugänglich  zu  machen. 

FlĂĽssige  Untersuchungsobjecte  wurden  ohne  jeder  weiteren 
Vorbereitung  in  Näpfchen  von  Gold,  Kupfer  oder  Messing  oder  in 
Glasgefässen  gesammelt,  in  welche  man  Stäbchen  der  genannten 
Metalle  einstellte. 


Ăśber  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      2H  I 

Feste  Substanzen  wurden  destillirt,  der  Destillatschlamm  ohne 
oder  nach  vorläufiger  Entfernung  der  theerigen  Bestandteile  mit- 
telst Alkohol,  derselben  PrĂĽfungsweise,  wie  die  flĂĽssigen  Stoffe, 
unterzogen. 

Zeigten  sich  die  Metallgefässe  oder  die  eingelegten  Stäbchen 
mit  einem  weissen,  beim  Reiben  spiegelnden  Beschläge  überzogen, 
so  war  man  von  Anwesenheit  des  Quecksilbers  ĂĽberzeugt. 

Gegen  die  Beweiskraft  dieses  Verfahrens  erheben  sich  mehr- 
fache Bedenken;  es  mag  allerdings  ausreichen,  wenn  die  Unter- 
suchungsobjecte  namhafte  Mengen  von  Quecksilber  enthalten,  in 
allen  anderen  Fällen  kann  es  nur  zu  Täuschungen  Anlass  geben. 
Abgesehen  davon,  dass  Goldstäbe  aus  Quecksilberverbindungen  kein 
Metall  fällen  und  daher  dasselbe  nicht  ersichtlich  machen  können, 
selbst  wenn  es  in  grosser  Menge  vorhanden  ist;  es  erleidet  auch 
die  Farbe  des  Kupfers,  Messings  und  selbst  des  Goldes  bei  längerer 
BerĂĽhrung  mit  thierischen  FlĂĽssigkeiten,  besonders  wenn  sie  Chlor- 
metalle  enthalten,  mannigfache  Änderungen,  wodurch  die  Erkennung 
der  etwa  erfolgten  Amalgamation  sehr  erschwert  wird.  Kupfer- 
stäbchen bedecken  sich  mit  einem  dunkelgrauen  Überzug,  der  beim 
Reiben  lichter  glänzend  wird;  wenn  man  gerade  noch  Quecksilber 
sucht,  kann  man  sich  veranlasst  finden,  dasselbe  fĂĽr  vorhanden 
anzunehmen.  Kupferstäbchen  von2Millim.  Breite  und  3Centim.  Länge 
verlieren  in  einer  Lösung  von  0*002  Grm.  HgCl  in  40  CC.  ange- 
säuerten Wassers  nach  24  Stunden  kaum  ihre  rothe  Färbung,  es 
lässt  sich  durch  Reiben  keine  Versilberung  erzeugen;  eben  so  wenig 
kann  bei  0*005  Grm.  HgCl  in  20.000 facher  VerdĂĽnnung  das  unbe- 
fangene Auge  die  Spur  einer  Verquickung  erkennen.  Bei  Ver- 
suchen mit 

0*010  Grm.  HgCl  in  300  CC. 
0*010      „         „      „    100     „ 
0*020      „         „      „   250     „ 

angesäuerten  Wassers  erschienen  die  Kupferstäbchen  nach  24  Stun- 
den matt,  glanzlos,  sie  färbten  das  Papier,  mit  dem  sie  gerieben 
wurden,  schwarz  ohne  darnach  verquickt  zu  erscheinen. 

Beim  Erhitzen  in  einem  ausgezogenen  Glasröhrchen  aber  gaben 
sie  Quecksilber  ab,  welches  nach  der  Umwandlung  in  Quecksilber- 
jodid  ganz  sicher  erkannt  werden  konnte.  Um  das  Quecksilber  auch 


252  Schneider. 

noch  bei  grösseren  Verdiinnungen  zu  fällen,  wurde  die  chemische 
Wirkung  galvanischer  Ströme  benützt. 

Längere  Zeit  hindurch  war  die  Smithson'sche  Säule  zu  diesem 
Zwecke  gebraucht,  noch  Rose  empfiehlt  dieselbe  in  seiner  analy- 
tischen Chemie  als  empfindliches  qualitatives  Erkennungsmittel  fĂĽr 
Quecksilberlösungen.  Diese  Säule  hat  eine  sehr  primitive  Construc- 
tion;  es  wird  um  ein  Goldstäbchen  spiralförmig  ein  Staniolstreifen 
so  lose  gewunden,  dass  die  Flüssigkeit,  in  welche  die  Säule  gesenkt 
wird,  das  Goldstäbchen  umspülen  kann.  Rose  empfiehlt  statt  Staniol 
Eisendrath  zu  nehmen.  Man  schreibt  dieser  Vorrichtung  einen 
hohen  Grad  von  Wirksamkeit  zu,  aber,  wie  es  scheint,  wird  ihre 
Leistung  gänzlich  verkannt.  Nicht  durch  die  elektromotorische  Kraft 
dieser  Säule  werden  die  Quecksilberverbindungen  zerlegt,  son- 
dern einfach  in  Folge  der  chemischen  Anziehung,  welche  das  Zinn 
oder  Eisen  auf  den  negativen  Bestandteil  der  Quecksilberverbin- 
dung ausĂĽbt.  Man  kann  sich  davon  in  der  einfachsten  Weise  ĂĽber- 
zeugen. Construirt  man  die  Säule  aus  Platin  und  Gold,  so  ist  ihre 
Wirkung  gerade  zu  Null.  Werden  dagegen  neben  Gold  als  zweites 
Element  Metalle  gewählt,  die  im  Stande  sind  das  Quecksilber  in 
seinen  Verbindungen  zu  substituiren,  so  erfolgt  die  Abscheidung  des 
letzteren  und  zwar  zunächst  auf  das  substituirende  Metall,  von 
diesem  gelangt  es  an  das  Gold ,  wenn  es  anders  die  Verhältnisse 
gestatten.  Es  erscheint  auch  das  Goldstäbchen  nur  an  jenen  Stellen 
verquickt,  welche  von  den  Spiralwindungen  frei  bleiben,  die  davon 
verhüllten  Stellen  dagegen  sind  vollkommen  unverändert,  ungeachtet 
sie  von  der  Quecksilberlösung  bespült  sind. 

Wird  das  umhüllende  Metall  nach  vorläufigem  Abwaschen  und 
Trocknen  in  einem  Glasröhrchen  erhitzt,  so  gibt  es  Quecksilber  ab, 
zum  unzweifelhaften  Beleg  dass  die  erfolgte  Reduction  nicht  durch 
den  elektrischen  Strom  bewirkt  sein  konnte.  Hat  man  Eisendrath 
zum  Versuche  gewählt,  so  findet  sich  meist  am  Boden  des  Gefässes 
reducirtes  Quecksilber,  der  Eisendrath  ist  von  einem  grauen  Anflug 
wie  bereift,  das  Goldplättchen  vieles  stärker  verquickt  als  dies  bei 
Zinn  oder  Zinkdrathspiralen  der  Fall  ist. 

Demnach  kann  der  Smith  son'schen  Säule  kein  höherer  Grad 
von  Wirksamkeit  zukommen,  als  die  unedlen  Metalle,  mit  welchen 
dieselbe  construirt  wird,  in  Quecksilberlösungen  zu  äussern  vermö- 
gen;  es  knĂĽpft  sich  aber  an  sie  der  weitere  Nachtheil,   dass  das 


Ăśber  dns  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.       2H3 

Goldstäbchen  um  so  weniger  verquickt  wird ,  um  so  fester  die  um- 
hĂĽllende Metallspirale  das  Quecksilber  fixirt,  ja  es  kann  bei  dieser 
PrĂĽfungsweise  letzteres  gar  nicht  entdeckt  werden,  selbst  wenn 
es  nicht  in  der  kleinsten  Menge  vorhanden  war,  da  nur  auf  die  Ver- 
quickung des  Goldblättchens  gesehen  wird. 

In  jĂĽngster  Zeit  wurde  die  Untersuchung  thierischer  Substanzen 
auf  Quecksilber  durch  die  Elektrolyse  mittelst  constanter  galva- 
nischer Ströme  vorgenommen.  —  In  Folge  der  einleitenden  Opera- 
tionen ist  in  diesen  Stoffen  das  Quecksilber  als  HgCl  enthalten  und 
mit  den  anwesenden  Alkalichloriden  verbunden,  wenn  anders  nicht 
durch  grössere  Mengen  von  Wasser  die  Doppelchloride  wieder  in 
ihre  Componenten  zerfallen  sind. 

Das  HgCl,  Hg  J  etc.  setzten  dem  elektrischen  Strome  fast  einen 
so  grossen  Widerstand  wie  das  reine  Wasser  entgegen.  Die  Alkali- 
verbindungen dagegen  sind  die  bestleitenden  und  darum  am  leich- 
testen spaltbaren  Verbindungen.  Nach  Hittdorf  J)  wĂĽrden  gleiche 
Volumina  destillirtes  Wasser  und  geschmolzenes  KCl  demselben 
elektrischen  Strom  ausgesetzt  neben  einer  Million  Äquivalente  Cl 
und  K  in  derselben  Zeit  nur  1  Äquivalent  H  und  0  abscheiden. 

Ich  habe  nicht  gefunden,  dass  man  dieses  Verhalten  des  HgCl 
bei  der  Untersuchung  von  FlĂĽssigkeiten  durch  den  elektrischen 
Strom  beachtet  hat.  Bevor  ich  mich  daher  entschloss  diese  Unter- 
suchungsmethode an  thierischen  Substanzen  auszufĂĽhren,  erachtete 
ich  es  für  nöthig,  durch  Versuche  mich  über  sämmtliche  Erschei- 
nungen zu  belehren,  welche  bei  der  Elektrolyse  salzreicher  orga- 
nische Substanzen  enthaltender  Flüssigkeiten  eintreten  können,  und 
insbesondere  zu  erforschen,  bis  zu  welchen  VerdĂĽnnungen  es  noch 
gelinge,  sehr  kleine  Quecksilbermengen  durch  die  Elektrolyse  abzu- 
scheiden. 

Zu  sämmtlichen  Versuchen  diente  eine  Smeesche  Säule  von 
6  Elementen,  deren  Anode  aus  einem  4  Centim.  langen  und  1  Centim. 
breiten  Platinblech,  deren  Kathode  aus  einem  Golddrath  von  i  Millim. 
Dicke  bestand,  welcher  in  ein  keulenförmig  verdicktes  Ende  von  2  Millim. 
Durchmesser  ausläuft.  Um  auch  an  dem  in  die  Flüssigkeit  tauchenden 
StĂĽcke  des  Leitungsdrathes  die  etwa  erfolgte  Amalgamation  sicherer 


')   Hittdorf,  Über  die  Wanderung' der  Jonen  während  der  Elektrolyse.  Poggendorfl's 
Aunalen,  Bd.  106,  jj.  344. 


254  Schneider. 

erkennen  zu  können,  wurde  derselbe  von  Gold  gewählt,  und  um  die 
Vertheilung  des  Quecksilbers  auf  eine  möglichst  kleine  Oberfläche 
zu  beschränken,  wurde  nebst  der  Form  der  Kathode  die  Elektrolyse 
in  einem  mehr  breiten  als  hohen  Gefässe  vorgenommen.  Nur  für 
einige  Versuche  habe  ich  die  Kathode  von  Kupfer  angewendet,  um 
deren  Einfluss  auf  die  leichtere  Abscheidung  des  Quecksilbers  und 
auf  die  Deutlichkeit  der  Verquickung  kennen  zu  lernen.  Bei  so  feinen 
Untersuchungen,  wo  es  sich  um  die  Entdeckung  der  letzten  fass- 
baren Spuren  eines  Körpers  handelt,  ist  es  von  Wichtigkeit,  dass 
der  Wahrnehmung  mehre  und  verschiedenartige  Anhaltspunkte  ge- 
boten werden.  Ich  habe  mich  daher  bei  allen  Versuchen  nie  damit 
begnĂĽgt,  die  scheinbare  Versilberung  der  Kathode  als  endgil- 
tigen  Beweis  fĂĽr  die  Anwesenheit  von  Quecksilber  gelten  zu  las- 
sen. Ich  benĂĽtze  die  Elektrolyse  nur  dazu,  das  Quecksilber  aus 
Flüssigkeiten  in  eine  fassbare  Form  zu  bringen,  in  der  es  möglich 
wird  durch  einige  Controlversuche  und  insbesondere  durch  eine 
chemische  Reaction  dessen  Natur  zu  constatiren. 

Allerdings  haben  schon  ältere  Forscher  die  Verquickungs- 
probe  fĂĽr  sich  allein  nicht  als  zureichend  erkannt,  um  die  Gegen- 
wart des  Quecksilbers  in  allen  Fällen  für  erwiesen  anzusehen.  Sie 
unterzogen  das  verquickte  Metall  der  GlĂĽhprobe ,  um  an  der  Ver- 
flĂĽchtigung des  Ăśberzuges,  und  an  dem  Wiedererscheinen  der  ur- 
sprĂĽnglichen Metallfarbe  sich  zu  versichern,  dass  der  Farbenwandel 
vom  Quecksilber  verursacht  worden  sei. 

Auch  gegenwärtig  wird  diese  Glühprobe,  jedoch  in  einer  Glas- 
röhre vorgenommen,  in  der  Absicht,  das  vom  Metall  abgetriebene 
Quecksilber  in  den  kälteren  Theil  der  Glühröhre  zu  fixiren,  um  es 
so,  wenn  nicht  dem  unbewaffneten  Auge,  doch  mittelst  der  Loupe 
oder  dem  Mikroskope  der  Wahrnehmung  zugänglich  zu  machen.  Es 
ist  jedoch  nicht  möglich  sehr  geringe  Mengen  von  Quecksilber 
durch  dieses  Verfahren  zu  erkennen.  Schon  Voit  *)  macht  auf  die 
Täuschungen  aufmerksam,  die  bei  der  mikroskopischen  Prüfung  der 
grauen  Salbe  und  des  Calomels  auf  Quecksilber  vorkommen  können 
und  bemerkt,  dass  es  oft  schwer  sei,  eine  Luftblase  von  einem  Queck- 
silberkĂĽgelchen  mit  Bestimmtheit  zu  unterscheiden.  Werden  ver- 
quickte Goldblätteben  (die  nach  der  Gewichtsabnahme  die  sie  beim 
Glühen   erleiden,    zu  schliessen,  nicht   mehr  als  2 — 3   Milligramme 


l)  A.  a.  0.  pag.  80  u.  ff. 


Ăśber  das  chemische  und  eleklrolylische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      255 

Quecksilber  fixirt  hatten),  in  engen  zu  Capillaren  ausgezogenen  Glas- 
röhren erhitzt,  so  setzt  sich  an  den  kälteren  Stellen  ein  allerdings 
durch  das  unbewaffnete  Auge  erkennbarer  Hauch  ab,  der  beim  Er- 
hitzen sich  verflüchtigen  lässt,  dessen  metallische  Beschaffenheit  aber 
selbst  mit  Hilfe  des  Mikroskopes  nicht  wahrnehmbar  wird,  weil  die 
Lichtreflexion,  welche  Quecksilberkiigelehen  erzeugen,  auch  in  den 
zu  Capillaren  ausgezogenen  Glasröhrchen  durch  die  Uneinigkeiten 
des  Glases  insbesondere  durch  eingesprengte  Quarzkörnchen,  durch 
Staubtheilchen,  durch  eingebrannte  Kohle  und  Luftbläschen  u.  s.  w. 
bewirkt  sein  kann. 

Diese  Unsicherheit  bei  der  mikroskopischen  PrĂĽfung  veran- 
lasste mich  nach  einem  minder  zweideutigen  Erkennungsmittel  zu 
suchen.  Das  Einfach  -  Jodquecksil  her  ist  durch  seine  FlĂĽch- 
tigkeit, seine  Farbe  und  seine  Krystallform  eine  so  charakterisirte 
Verbindung,  dass  es  geradezu  unmöglich  ist,  dasselbe  zu  verkennen, 
dabei  begünstiget  die  Intensität  seiner  Farbe  dessen  deutliche  Wahr- 
nehmung selbst  bei  den  geringsten  Mengen.  Die  Probe  ist  auch  bei 
wenig  Gewandtheit  leicht  ausfĂĽhrbar.  Ich  verfahre  dabei  in  folgender 
Weise : 

Der  verquickte  Metallstab  wird  sammt  dem  zusammengebogenen 
Leitungsdrath  in  eine  sorgfältig  gereinigte  Glasröhre  gesteckt,  die 
an  einem  Ende  zu  einer  Capillare  ausgezogen  ist  und  darauf  an  dem 
weiteren  Ende  zugeschmolzen  wird.  Man  erhitzt  den  weiteren  das 
Metall  enthaltenden  Theil  der  Röhre  der  ganzen  Länge  nach  zum  Glü- 
hen; hat  sich  nach  etwa  5  Minuten  an  dem  kälteren  Theil  der  Glüh- 
röhre ein  Anflug  abgelagert,  so  treibt  man  denselben  durch  Erhitzen 
in  den  capillaren  Röhrentheil,  und  erhitzt  hierauf  nochmals  das  Me- 
tall, um  zu  erfahren,  ob  ein  neues  Sublimat  zum  Vorschein  komme; 
ist  dies  nicht  mehr  der  Fall,  so  schmilzt  man  den  das  Metall  ent- 
haltenden Röhrentheil  von  dem  capillaren  Theile  so  ab  ,  dass  an 
letzteren  ein  kurzes  Stück  des  weiteren  Röhrentheils  als  kolbenartige 
Auftreibung  zurĂĽckbleibt. 

Nach  dem  Erkalten  wird  die  kolbige  Auftreibung  durch  Abknei- 
pen  des  spitz  ausgezogeneu  Endes  geöffnet,  sodann  mittelst  eines 
Glasfadens  etwas  Jod  in  dieselbe  gebracht  und  wieder  zugeschmol- 
zen. Der  Joddampf  zieht  sich  hierbei  in  den  capillaren  Theil  der 
Röhre  und  verschwindet  dort  wo  das  Quecksilber  sitzt,  es  erscheinen 
je  nach  der  Menge  des  eingefĂĽhrten  Jod  braune,  rothe  oder  gelbe 


256  S  c  h  n  e  i  d  e  r. 

Ringe.  Werden  die  braunen  Ringe  sehr  vorsichtig  erwärmt ,  so 
dampft  das  Jod  von  denselben  ab  und  es  bleiben  rothe  Ringe  von  Hg.1 
zurĂĽck.  Die  rothen  so  wie  die  gelben  Ringe  verflĂĽchtigen  sich  beim 
stärkeren  Erwärmen ,  setzen  sich  aber  an  den  kälteren  Stellen 
sogleich  wieder  ab,  und  zwar  mit  rother  Farbe,  die  aber  unter  Um- 
ständen beim  Erkalten  in  Gelb  umschlagen  kann.  Die  gelben  Ringe 
bestehen  aus  QuecksilberjodĂĽrjodid  Hg4J3 ;  sie  entstehen,  wenn 
die  in  den  kolbigen  Röhrentheil  eingeführte  Jodmenge  ungenügend 
war  HgJ  zu  bilden.  Lässt  man  auch  nur  eine  sehr  kleine  Menge 
Jod  auf  dieselben  wirken,  so  werden  sie  durch  Umwandlung  in 
HgJ  bleibend  roth.  Unter  dem  Mikroskope  erscheinen  die  rothen 
Krystalle  als  Quadratoktaeder,  die  oft  mit  ihren  Flächen  sich  an 
einander  lagern,  so  dass  sie  dem  Salmiak  ähnliche,  gezähnte  Fasern 
darstellen. 

Bei  der  Vornahme  dieser  Probe  ist  nur  darauf  zu  sehen,  dass 
beim  Einschmelzen  der  verquickten  Metallstäbchen  kein  Quecksilber 
von  letzteren  in  die  Luft  verflĂĽchtiget  werde.  Es  ist  dies  leicht  ver- 
mieden,  wenn  man  die  Glühröhre  etwas  länger  wählt,  so  dass  das 
offene  breitere  Ende  derselben  zugeschmolzen  werden  kann,  ohne 
dass  die  Hitze  bis  zu  jener  Stelle  wirkt,  wo  die  Metallstäbchen 
liegen.  Die  Darstellung  des  HgJ  gelingt  nicht  so  leicht,  wenn  man 
einen  zu  grossen  Überschuss  von  Jod  in  die  Glühröhre  gebracht  hat, 
weil  es  schwer  hält ,  eine  scharfe  Trennung  von  J  und  HgJ  durch 
Erwärmen  zu  erzielen.  Führt  man  nicht  mehr  als  ein  Paar  Kryställ- 
chen  von  Jod,  wie  sie  an  einem  Glasfaden  hängen  bleiben,  in  die 
Röhre  ein,  so  gelingt  die  Darstellung  des  Quecksilberjodids  in  der 
Regel,  sollten  gelbe  Ringe  erscheinen,  so  lassen  sich  dieselben  leicht 
in  rothe  verwandeln,  es  genügt  in  die  Capillarröhre  ein  Jodkryställ- 
chen  zu  bringen  und  durch  Erhitzen  an  die  Stelle  zu  treiben,  wo  das 
Hg4J3  liegt. 

Ich  erachte  diese  Probe  als  entscheidend,  selbst  dann  wenn  das 
Gold-  oder  Kupferstäbchen,  welches  als  Kathode  bei  der  Elektrolyse 
gedient  hat,  keine  deutliche  Verquickung  mehr  erkennen  lässt,  denn 
wenn  beim  Erhitzen  dieser  Stäbchen  ein  flüchtiger  Körper  abge- 
sondert wird,  der  im  Joddampfe  sich  gelb  oder  roth  färbt,  und  in 
deutlich  erkennbare  Krystalle  verwandelt,  die  beim  Erhitzen  ohne 
Zersetzung  sich  verflüchtigen ,  aber  an  kälteren  Stellen  unverändert 
wieder   zum  Vorschein  kommen,    so  kann   wohl  mit  Grund   ange- 


Ăśber  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      257 

nommen  werden,  dass  die  Gesammtheit  dieser  Erscheinungen  durch 
keine  andere  Substanz  als  durch  Quecksilber  verursacht  sein 
konnte. 

Unter  Zuziehung  dieser  GlĂĽhprobe  habe  ich  nachfolgende  Ver- 
suche ĂĽber  das  elektrolytische  Verhalten  des  Einfach -Chlorqueck- 
silbers angestellt. 

1.  0-001  Grm.  HgCI  in  500  CC.  destillirtem  Wasser.  Als  Kathode 
wurde  ein  Kupferstäbchen  angewendet.  Innerhalb  3  Stunden  ist 
nicht  die  geringste  Spur  einer  Zersetzungs-Erseheinung  wahr- 
nehmbar. Das  Kupferstäbchen  bleibt  vollkommen  blank.  Hierauf 
wird  1  CC.  verdünnte  Schwefelsäure  (1  Theil  Säure,  5  Theile 
Wasser)  zugesetzt;  es  findet  an  den  Polen  lebhafte  Gasentwicke- 
lung  Statt;  nach  6  Stunden  lässt  sich  aber  eine  Veränderung  des 
Kupferstäbchens  noch  nicht  erkennen,  nach  24  Stunden  erscheint 
dasselbe  stellenweise  dunkel,  fast  schwarz  gefärbt;  es  wird 
mit  Wasser  abgespĂĽlt,  darauf  mit  Filterpapier  abgerieben; 
eine  Verquickuug  wird  dabei  nicht  sichtlich;  bei  der  GlĂĽhprobe 
kommen  jedoch  die  deutlichsten  Krystalle  von  Hg.T  zum  Vor- 
schein. 

2.  0-005  Grm.  HgCI  in  2  Litres  destillirtem  Wasser.  Kathode  ein 
Goldstäbchen.  Auch  bei  diesem  Versuche  treten  erst  nach 
Zusatz  von  Schwefelsäure  die  elektrolytischen  Erscheinungen 
hervor.  Nach  24  Stunden  erscheint  das  Goldstäbchen  stellen- 
weise mit  schwarzen  Flecken  besetzt,  eine  Verquickung  lässt 
sich  mit  Sicherheit  nicht  erkennen,  dagegen  im  Glühröhrchen 
Hg4,T3  deutlich  darstellen. 

3.  0-003  Grm.  HgCI  in  2  Litres  destillirtem  Wasser,  das  mit  10  CC. 
Chlorwasserstoffsäure  zuvor  versetzt  wurde.  Amalgam  an  der 
Kathode  zweifelhaft,  die  Reaction  im  Glühröhrchen  entschieden. 

4.  0-010  Grm.  HgCI  in  500  CC.  mit  HCl  angesäuertem  Wasser. 
Nach  12  Stunden  ist  das  Goldstäbchen  vollkommen  amalgamirt. 

5.  0-010  Grm.  HgCI  in  1  Liter  mit  HCl  angesäuertem  Wasser. 
Nach  12  Stunden  ist  das  Goldstäbchen  schwach  verquickt;  es 
wurde  entfernt  und  durch  ein  Kupferstäbehen  ersetzt,  dieses 
ist  nach  weiteren  12  Stunden  silberweiss  geworden. 

6.  0-010  Grm.  HgCI  in  2  Litres  angesäuertem  Wasser  bewirkten 
nach  12  Stunden  ebenfalls  eine  deutliche  Verquickung  der 
Kathode. 


2o8  Schneider. 

7.  0005  Grm.  HgCl  in  1500  CC.  mit  HCl  angesäuertem  Wasser 
erzeugen  nach  36  Stunden  eine  deutlich  wahrnehmbare  Ver- 
quickung. 

8.  0-0 10  Grm.  HgCl  in  2  Litres  destillirtem  Wasser  und  10  CC. 
einer  gesättigten  Kochsalzlösung  wurden  64  Stunden  lang 
dem  elektrischen  Strome  ausgesetzt.  Das  Goldstäbchen  zeigte 
eine  Gewichtszunahme  von  2  Milligr. 

9.  0*020  Grm.  HgCl  in  2  Litres  angesäuertem  Wasser  bewirkten 
nach  5  Tagen  eine  Gewichtszunahme  von  0003  Grm.  In  bei- 
den Versuchen  war  die  Amalgamation  des  Goldstäbchens  deut- 
lich erkennbar. 

10.  0-050  Grm.  HgCl  in  2  Litres  Brunnenwasser  gelöst,  ohne 
Zusatz  von  Säure.  Mit  der  Schliessung  der  Säule  tritt  auch 
Gasentwickelung  an  den  Elektroden  auf,  an  die  Kathode  setzt 
sich  ein  graulichweisser  dichter  Beschlag  ab,  der  sich  auf  den 
in  die  FlĂĽssigkeit  tauchenden  Leitungsdrath  erstreckt.  Nach 
24  Stunden  wird  die  Kathode  in  Wasser  abgespĂĽlt,  zwischen 
Filterpapier  getrocknet  und  der  GlĂĽhprobe  unterzogen.  Der  im 
verengten  Röhrentheile  gebildete  Anflug  lässt  sich  mit  unbe- 
waffnetem Auge  zwar  nicht  als  Quecksilberspiegel  erkennen, 
wird  aber  durch  Jod  in  rothes  krystallisirtes  HgJ  verwandelt. 
Die  Kathode  ist  nach  dem  GlĂĽhen  mit  einer  dichten  weissen 
Kruste  bedeckt,  welche  in  HCl  aufgelöst  mit  kleesaurem 
Ammoniak  keinen,  mit  phosphorsaurem  Natron  aber  nach  Zusatz 
von  Ammoniak  einen  reichlichen  Niederschlag  abscheidet. 

11.  0050  Grm.  HgCl  mit  50  CC.  einer  gesättigten  Bittersalz- 
lösung und  1950  CC.  destillirtem  Wasser  vermischt,  zeigten 
ganz  dasselbe  Verhalten,  nur  war  an  der  Kathode  der  Magnesia- 
Überzug  stärker  und  selbst  am  Boden  des  Gefässes  waren 
Flocken  von  Magnesiumoxydhydrat  angesammelt.  Eine  Ver- 
quickung Hess  sich  an  der  Kathode  eben  so  wenig  wie  beim 
vorigen  Versuche  wahrnehmen,  bei  der  GlĂĽhprobe  aber  Queck- 
silber leicht  nachweisen.  0-020  Grm.  HgCl  in  200  CC.  einer 
gesättigten  Lösung  von  KCl  und  100  CC.  Bittersalzlösung 
verhielten  sich  eben  so  und  der  Effect  war  nicht  geändert  als 
die  Mischung  aufs  vierfache  Volum  verdĂĽnnt  wurde. 

12.  0*500  Grm.  HgCl  in  1  Liter  destillirtem  Wasser  ohne  Säure- 
zusatz der  Einwirkung  des  galvanischen  Stromes  ausgesetzt, 


Ăśber  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.        2i)9 

erzeugen  schon  nach  einer  Stunde  eine  vollständige  Verquickung 
der  Kathode. 

13.  0-100  Grm.  HgCl  in  400  CC.  Alkohol  vom  specifischen  Gewicht 
0*833  erzeugen  gleichfalls  nach  kurzer  Einwirkung  eine  deutlich 
wahrnehmbare  Verquickung.  Dagegen  konnte  mit  0*005  Grm. 
HerCl  in  500  CC.  desselben  Alkohols  seihst  nach  24  Stunden 
keine  Fällung  des  Hg  durch  Elektrolyse  bewirkt,  nach  Zusatz  von 
5  CC.  einer  gesättigten  Lösung  von  KCl  jedoch  durch  die 
GlĂĽhprobe  nach  12stĂĽndiger  Einwirkung  des  Stromes  Queck- 
silber nachgewiesen  werden. 

14.  Als  1  Grm.  HgCl  in  500  CC.  Alkohol  gelöst  und  mit  10  Grm. 
KCl  vermischt  dem  elektrischen  Strome  ausgesetzt  wurden, 
war  eine  sehr  lebhafte  Gasentwickelung  an  der  Kathode  bemerk- 
bar, dieselbe  erschien  bald  versilbert,  zugleich  zogen  sich 
Striemen  eines  weissen  Niederschlages  gegen  den  Boden  des 
Gefässes.  Nach  24  Stunden  war  daselbst  ein  schwerer  grün- 
lich gelber  Niederschlag  angesammelt,  der  sich  in  Salzsäure 
rasch  löste  —  Quecksilberoxychlorid.  — 

15.  1  Grm.  HgCl  in  4  Litres  destillirtem  Wasser  (ohne  Säurezusatz) 
erlitt  eine  so  bedeutende  Spaltung,  dass  nach  24  Stunden  nicht 
blos  die  Kathode  vollständig  versilbert  schien,  sondern  am  Boden 
des  Gefässes  auch  Quecksilberkügelchen  abgelagert  waren. 

Ein  ganz  eigentĂĽmliches  Verhalten  zeigt  das  HgJ  vor  dem 
galvanischen  Strome,  die  dabei  auftretenden  Erscheinungen  machen 
die  Wanderuugsweise  der  Jonen  während  der  Elektrolyse  geradezu 
ersichtlich. 

16.  Werden  Lösungen  von  ganz  reinem  (alkalifreien)  Quecksilber- 
jodid  in  Alkohol  von  0*833  specifischen  Gewicht  in  Kölbchen,  die 
zur  Verhinderung  der  Verdunstung  des  Alkohols  mit  Pfropfen, 
durch  welche  die  Elektroden  gehen,  verstopft  sind,  der  Einwir- 
kung des  galvanischen  Stromes  ausgesetzt,  so  kommt  es  während 
18  Stunden  allerdings  zur  Ausscheidung  rother  Krystalle  von 
HgJ  selbst  dann,  wenn  nicht  gesättigte  Lösungen  zum  Versuche 
dienen,  aber  eine  Spaltung  der  Verbindung  und  folgeweise 
eine  Abscheidung  von  Quecksilber  an  der  Kathode  ist  selbst 
mit  der  GlĂĽhprobe  nicht  nachzuweisen.  Sobald  aber  einige 
Tropfen  einer  alkoholischen  Lösung  von  KCl  zugesetzt  wer- 
den, färben  sich  die  Kanten  des  als  Kathode  dienenden  Platin- 


2Ăź0  Schneider. 

hleches  gelb,  und  diese  gelbe  Färbung  breitet  sieb  allmählich 
ĂĽber  die  Katbode  aus;  gleichzeitig  kommen  an  der  Anode rothe 
Krystalle  von  HgJ  zum  Vorschein.  Der  gelbe  Ansatz  auf  der 
Katbode  ist  in  der  Hitze  flüchtig  in  jodkaliumhältigem  Wasser 
löslich,  er  besteht  aus  Hg4J3. 

17.  Wird  derselbe  Versuch  nur  mit  der  Änderung,  dass  statt  KCl 
eine  Lösung  von  KJ  zugesetzt  wird,  angestellt,  so  bemerkt 
man  in  der  Umgebung  der  Anode,  dass  sich  die  FlĂĽssigkeit  durch 
ausgeschiedenes  Jod  bräunt,  während  auf  der  Kathode  derselbe 
gelbe  Anflug  erscheint,  und  gleichzeitig  Quecksilbertröpfchen 
sich  abscheiden. 

18.  Auflösungen  des  HgJ  in  KJ-hältigem  Wasser  zeigen  in  der 
augenfälligsten  Weise,  welche  Wege  die  Jonen  während  der 
Elektrolyse  durchwandern.  An  der  Kathode  erlangt  die  FlĂĽs- 
sigkeit eine  alkalische  Reaction,  sie  wird  allmählich  verquickt. 
An  der  Anode  scheidet  sich  ein  braun  färbender  Körper 
—  freies  Jod  —  ab,  gleichzeitig  fallen  rothe  Krystalle  von 
HgJ  zu  Boden.  Ist  die  Menge  des  KJ  gerade  nur  ausreichend, 
um  mit  dem  HgJ  die  lösliche  Doppelverbindung  zu  bilden,  so 
begrenzt  sich  im  Verlaufe  der  Elektrolyse  die  braune  Färbung 
der  FlĂĽssigkeit  um  die  Anode  um  so  enger,  je  mehr  bereits  HgJ 
gespalten  wurde.  Endlich  erscheint  die  Anode  geradezu  wie 
von  einem  braunem  Pelze  umhĂĽllt,  und  die  FlĂĽssigkeit  voll- 
kommen farblos.  Am  Boden  des  Gefässes  liegen  braune  Flocken 
von  ausgeschiedenem  Jod  und  rothe  Krystalle  von  HgJ. 

19.  Die  Spaltung  des  HgJ  findet  in  Lösungen,  welche  Alkalisalze 
enthalten,  selbst  dann  noch  Statt,  wenn  sehr  geringe  Mengen 
von  demselben  zugegen  sind.  0-002  Grm.  HgCl  mit  KJ  bis  zur 
erfolgten  Lösung  vermischt  und  in  200  CC.  Wasser,  welches  ein 
Grm.  NaCl  enthält,  aufgenommen,  bewirkten  nach  löstündiger 
Einwirkung  des  galvanischen  Stromes  zwar  keine  wahrnehm- 
bare Amalgamation  des  Goldstäbchens,  es  konnte  jedoch  im 
Glühröhrchen  die  Anwesenheit  von  Hg  durch  Bildung  von  HgJ 
nachgewiesen  werden. 

Vorstehende  Versuche  lehren: 
1.  Dass  0-001  Grm.  HgCl  in  500.000facher  VerdĂĽnnung  durch 
die  Elektrolyse  in  fassbarer  Form  abgeschieden  und  durch  die  GlĂĽb- 
probe  noch  unzweifelhaft  erkannt  werden  kann  (Vers.  1). 


Ăśber  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.       261 

2.  Dass  0-005  Grm.  HgCl  in  400.000facher  VerdĂĽnnung  noch 
nicht  ausreichen,  um  an  der  Kathode  eine  deutlich  wahrnehmbare  Ver- 
quickung zu  erzeugen,  dagegen  bereits  im  Stande  sind,  bei  300.000 
facher  VerdĂĽnnung  nach  36  Stunden  dieselbe  zu  bewirken  (Vers.  2 
und  7). 

3.  Der  Grund  fĂĽr  diese  unscheinbare  Verquickung  der  Kathode 
liegt  nicht  blos  in  der  geringen  Menge  von  Hg,  welche  in  der  FlĂĽs- 
sigkeit enthalten  ist,  sondern  vorzĂĽglich  in  der  sehr  unvollkommenen 
und  langsamen  Spaltung  des  HgCl  unter  dem  EinflĂĽsse  des  galva- 
nischen Stromes  (Vers.  8  und  9). 

4.  Das  HgCl  leitet  den  galvanischen  Strom  schlecht,  das  HgJ 
(Vers.  16)  gar  nicht.  Wenn  daher  destillirtes  Wasser  von  ersterer 
Verbindung  nur  sehr  geringe  Mengen  enthalt,  so  reicht  der  Wider- 
stand des  Lösungsmittels  aus,  den  Übergang  des  Stromes  in  die 
FlĂĽssigkeit  so  sehr  zu  hemmen,  dass  es  zu  keiner  Zersetzung  des 
HgCl  kommt,  diese  findet  erst  dann  Statt,  wenn  die  absolute  und 
relative  Menge  des  HgCl  im  Verhältniss  zum  Lösungsmittel  bedeu- 
tender wird  (Vers.  11  und  14).  In  solchen  Fällen  ist  die  Fällung 
des  Hg  auf  der  Kathode  die  unmittelbare  Wirkung  des  galvanischen 
Stromes.  Wo  dagegen  die  Leitung  des  galvanischen  Stromes  durch 
zugesetzte  Säure  oder  Alkalisalze  vermittelt  wird,  erfolgt  die  Amal- 
gamation  der  Kathode  auf  dem  Wege  der  chemischen  Substitution, 
die  sich  zwischen  der  in  der  umspĂĽlenden  FlĂĽssigkeit  enthaltenen 
Quecksilberverbindung  und  dem  freigewordenen  Kation  entwickelt. 
Das  (Vers.  14)  abgeschiedene  Quecksilberoxychlorid,  das  (Vers. 
16,  17,  18)  gebildete  QuecksilberjodĂĽrjodid  verdanken  diesen  secun- 
dären  Wirkungen  ihre  Entstehung.  Auch  der  grau  gefärbte  der 
Kathode  fest  anhängende  Beschlag  (Vers.  10,  11)  von  Magnesium- 
oxydhydrat ist  augenscheinlich  nur  durch  die  Wirkung  des  Magne- 
siums auf  die  umgebende  FlĂĽssigkeit  quecksilberhaltig  geworden. 

5.  Die  Elektrolyse  kann  nur  als  Mittel  zum  Nachweise  des 
Quecksilbers  benĂĽtzt  werden,  zur  quantitativen  Fallung  eignet  sie 
sich  nicht,  weil  einerseits  die  Kathode  das  abgeschiedene  Quecksilber 
nicht  vollständig  festhält  (Vers.  15)  andererseits  nach  den  verschie- 
denen Formen,  in  welchen  dieses  Metall  in  den  zu  elektrolysirenden 
FlĂĽssigkeiten  enthalten  ist,  und  nach  Beschaffenheit  der  gleich- 
zeitig vorhandenen  Salze  die  Spaltungsweise  der  Quecksilberverbin- 
dungen verschieden  ausfällt.   Zur  qualitativen  Entdeckung  dagegen 


262  Schneider. 

ist  der  elektrolytische  Weg  verlässlicher  als  jede  chemische  Fällung 
und  es  ist  möglich  auf  demselben  noch  dieses  Metall  in  Verdünnun- 
gen nachzuweisen,  in  welchen  alle  chemischen  Scheidungsmittel 
unzulänglich  sind. 

Bei  der  Elektrolyse  von  FlĂĽssigkeiten,  die  thierische  Substanzen 
enthalten,  können  Störungen  eintreten,  die,  wenn  sie  nicht  von  vorne 
herein  vermieden  werden,  das  Ergebniss  der  Elektrolyse  in  Frage  stellen. 

Tauchen  die  Elektroden  in  stärker  gefärbte  Lösungen ,  so 
bedecken  sich  dieselben  mit  einem  fest  anhaftenden  braunen  Ăśber- 
zug, der  entweder  den  galvanischen  Strom  geradezu  isoliren  oder 
doch  das  Anhaften  des  gefällten  Quecksilbers  an  der  Kathode  hem- 
men kann.  Man  pflegt  derlei  dunkel  gefärbte  Flüssigkeiten  durch 
Zusatz  von  chlorsaurem  Kali  und  Salzsäure  zu  entfärben.  Dieses 
Verfahren  erweist  sich  jedoch  in  FlĂĽssigkeiten,  die  durch  Eindam- 
pfen eine  dunkle  Färbung  angenommen  haben,  meistens  unzulänglich; 
denn  die  nach  Zusatz  des  Oxydationsmittels  eintretende  hellere  Fär- 
bung ist  nur  vorübergehend;  beim  weiteren  Erwärmen  der  Flüssig- 
keit wird  diese  wieder  so  dunkel  gefärbt,  als  sie  früher  war.  Das 
nachfolgende  Erwärmen  ist  aber  unerlässlich,  damit  das  Oxydations- 
mittel aus  der  Lösung  geschafft  werde,  denn  eine  Flüssigkeit,  welche 
eine  Sauerstoffsäure  des  Chlors  oder  letzteres  Element  selbst  ent- 
hält, lässt  es  zu  einer  dauernden  Fällung  des  Quecksilbers  in  elek- 
trolysirten  FlĂĽssigkeiten  nicht  kommen. 

Nach  meinen  Erfahrungen  ist  es  leichter  in  organischen  FlĂĽssig- 
keiten die  färbenden  Stoffe  sogleich  beim  Beginne  des  Eindampfens 
zu  zerstören,  als  die  während  des  Eindampfens  erzeugten  dunkel 
gefärbten  Zersetzungsproducte  der  organischen  Substanzen  zu  ent- 
färben. Soll  z.  B.  Harn  elektrolytisch  auf  Quecksilber  geprüft  wer- 
den, so  ist  es  räthlich,  in  demselben  eine  entsprechende  Menge 
(ungefähr  5  Grm.  auf  1  Liter  Harn)  chlorsaures  Kali  zu  lösen, 
dann  allmählich  verdünnte  Chlorwasserstoffsäure  bis  zur  stark  sauren 
Reaction  zuzusetzen;  sollte  sich  während  des  Eindampfens  eine 
dunkle  Färbung  einstellen,  so  ist  eine  neue  Menge  des  Oxydations- 
mittels einzutragen,  jedenfalls  aber  so  lange  zu  erwärmen,  bis  eine 
Probe  nach  Zusatz  von  Chlorwasserstoffsäure  keine  bleibende  Wir- 
kung auf  Farbstoffe  äussert.  Dagegen  bietet  es  keinen  Vortheil,  das 
Eindampfen  des  Harns  bis  zum  Auskrystallisiren  der  Salze  fortzu- 
setzen, denn  es  färbt  sich,  wenn  bis  zu  diesem  Punkte  concentrirt 


Ăśber  das  chemische  und  elektrolytische  Verhallen  des  Quecksilbers  etc.      2()3 

wird,  die  FlĂĽssigkeit  selbst  im  Wasserbade  dunkel,  und  gibt  dadurch 
zum  Ansätze  des  besprochenen  Beschlages  an  den  Elektroden  Anlass. 
Überdies  eignen  sich  so  stark  concentrirte  Lösungen  nicht  gut  zur 
Elektrolyse.  Es  bedecken  sich  in  salzreichen  FlĂĽssigkeiten  die  Lei- 
tungsdräthe  mit  einer  dichten Krystallkruste,  welche  gleichfalls  wenn 
nicht  den  Strom  unterbrechen,  so  doch  dieFixiruug  des  Quecksilbers 
an  der  Kathode  erschweret. 

In  stark  concentrirten  Lösungen  ist  das  HgCl  mit  den  gleich- 
falls anwesenden  Alkalichloriden  zu  einer  Doppelverbindung  ver- 
einigt. Diese  Doppelverbindungen  zerlegen  sich  aber  (wie  Vers.  16  und 
folgende  lehren)  in  das  Alkalimetall,  welches  mit  der  positiven  Elek- 
tricität  beladen  der  Kathode  zuwandert,  und  in  den  Rest  der  Verbin- 
dung Cl  und  Hg,  welche  zusammen  als  Träger  der  negativen  Elek- 
tricität,  zur  Anode  ziehen.  Das  in  solchen  Lösungen  gefällte  Hg  ist 
ein  secundäres  Product,  erzeugt  durch  die  Reaction  ,  welche  das 
abgeschiedene  Alkalimetall  in  der  umspĂĽlenden  FlĂĽssigkeit  bewirkte. 
Da  jedoch  die  elektrische  Strömung  das  HgCl  von  der  Kathode 
wegtreibt,  so  begreift  es  sich,  dass  daselbst  die  Ausscheidung  von  Hg 
in  sehr  beschränkter  Art  nur  stattfinden  kann. 

In  verdünnteren  Lösungen  zerfallen  die  Doppelchloride  des  Hg 
mit  den  Alkalimetallen  in  ihre  Componenten,  dadurch  werden  die 
Folgen  des  elektrolytischen  Processes  andere.  Der  galvanische  Strom 
theilt  sich  in  die  anwesenden  Salze  im  Verhältnisse  ihrer  Leitungs- 
fähigkeit, es  wird  neben  dem  Alkalichlorid  auch  das  HgCl  durch  die 
Elektrolyse  zerlegt,  das  an  der  Kathode  abgeschiedene  Hg  kann 
in  reichlicherer  Menge  auftreten,  weil  seiner  Ausscheidung  keine 
widrigen  Strömungen  entgegen  stehen.  —  Ich  habe  wiederholt  die 
Beobachtung  gemacht,  dass  in  verdünnteren  Lösungen  die  Verquickung 
der  Kathode  leichter  bewirkt  wird,  als  wenn  sehr  concentrirte 
Lösungen  der  Elektrolyse  unterzogen  werden. 

Die  alkoholischen  Lösungen  leiten  den  elektrischen  Strom 
schlechter  als  die  wässerigen,  auch  zerfallen  die  Doppelchloride  in 
diesen  Lösungen  nicht  so  leicht,  wie  dies  in  den  wässerigen  der 
Fall  ist.  Wenn  nun  gleich  durch  den  galvanischen  Strom  auch  in 
derartigen  FlĂĽssigkeiten  die  Spaltung  chemischer  Verbindungen 
bewirkt  wird,  so  geht  doch  dieselbe  langsamer  vor  sich  und  da  das 
HgCl  mit  dem  Cl  der  Alkali  Verbindung  der  Anode  zuwandert,  so 
kommt  es  an  der  Kathode  nur  zu  einer  secundären  Abscheidung  des 
Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  8.  18 


2(>4  Schneide  r. 

Hg  in  unerheblicher  Menge.  Es  ist  desshalb  ein  alkoholischer  Auszug 
der  Harnsalze  fĂĽr  den  Nachweis  des  Hg  eben  nicht  zu  empfehlen. 
Das  Verdunsten  des  Alkoholextractes  aber  behufs  der  Gewinnung 
einer  wässerigen  Lösung  hat  keinen  Sinn,  da  etwas  mehr  oder  weni- 
ger Salz  in  der  zu  elektrolysirenden  FlĂĽssigkeit  bei  der  Fallung  des 
Hg  insoferne  ausser  Betracht  kommt,  als  gerade  die  Alkalichloride  in 
die  weingeistige  Lösung  eben  so  übergehen,  wie  in  die  wässerige. 

Bei  der  Elektrolyse  von  KJ  reichen  Harnen,  die  unter  Zusatz 
von  KC10e  und  HCl  auf  i/i0  des  ursprĂĽnglichen  Volums  eingedampft 
wurden,  konnte  in  drei  Fällen  kein  Quecksilber  entdeckt  werden. 
Nachdem  jedoch  diese  Harne  mit  Schwefelsäure,  welche  salpetrige 
Säure  enthielt,  versetzt  und  im  Wasserbade  bis  zur  völligen  Entfer- 
nung des  Jod  abgedunstet  wurden,  zeigte  die  Kathode  bei  der  noch- 
mals vorgenommenen  Elektrolyse  deutliche  Spuren  der  Verquiekung 
und  die  nachfolgende  GlĂĽhprobe  die  entschiedenste  Quecksilber- 
Reaction. 

Es  erscheint  demnach  räthlich,  Untersuchungsobjecte,  die  .Tod- 
metalle enthalten,  vorerst  ihres  Jodgehaltes  zu  befreien.  Es  ist  dies 
leicht  möglich,  wenn  die  Untersuchungsobjecte  im  Wasserbade  unter 
allmählichem  Zusatz  von  Schwefelsäure,  die  mit  salpetriger  Säure 
gesättigt  ist,  erwärmt  werden. 

V. 

Nachdem  ich  mich  durch  eine  längere  Reihe  von  Vorversu- 
chen über  die  wichtigsten  Umstände,  welche  bei  der  Analyse  thie- 
rischer  Substanzen  auf  Quecksilber  beachtet  werden  mĂĽssen,  belehrt 
hatte,  ging  ich  daran,  den  Harn  von  Individuen  zu  untersuchen,  wel- 
che eine  Mercurialcur  passirten.  Bei  der  Wahl  des  Untersuchungs- 
Materiales  Hess  ich  mich  zunächst  von  jenen  Rücksichten  leiten,  die 
gegenwärtig  in  Folge  der  Eingangs  dieses  Aufsatzes  erwähnten  Be- 
hauptungen ĂĽber  die  Natur  der  constitutionellen  Syphilis,  das  prak- 
tische Interesse  des  Arztes  fĂĽr  sich  in  Anspruch  nehmen. 

Ich  untersuchte  Harn 

1.  von  Individuen,  die  mit  secundärer  Syphilis  behaftet,  angeb- 
lich niemals  mit  Quecksilber  behandelt  wurden. 

2.  Harn  von  Individuen,  die  vor  längerer  Zeit  eine  Mercurial- 
cur passirten. 


Ober  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.     2()ti 

3.  Harn  von  Syphilitischen,  welche  zur  Zeit  als  der  Harn  gesam- 
melt wurde,  eine  Mercurialcur  bestanden. 

4.  Harn  von  Kranken,  die  nach  beendeter  Mercurialcur  mit  Jod- 
kalium  behandelt  wurden. 

Ein  glĂĽcklicher  Zufall  verschallte  mir  den  Harn  von  zwei  Indi- 
viduen —  Vater  und  Sohn  —  die  seit  drei  Jahren  an  Hydrargyrose 
litten  und  auf  der  Klinik  des  Herrn  Prof.  Dr.  Skoda  in  Behandlung 
standen. 

Die  zur  Untersuchung  verwendete  Harnmenge  war  stets  beträcht- 
lich, nur  in  einem  falle  wurde  der  innerhalb  24  Stunden  entleerte 
Harn  zur  Untersuchung  benutzt,  bei  allen  anderen  Fällen  wurde  der 
Gesammtharn  von  3 — 6  Tagen  dazu  verwendet.  Die  Dauer  der  Ein- 
wirkung des  galvanischen  Stromes  war  meistens  18 — 24  Stunden. 
Herr  Professor  Dr.  Sigmund  sandte  mir  den  Harn  von  6  Individuen; 
das  weitere  Untersuchungsmateriale  lieferte  mir  der  Vorstand  der 
syphilitischen  Abtheilung  des  h  iesi^en  Garnisonsspitals  Herr  Docent 
Dr.  Red  er,  welcher  persönlich  dafür  sorgte,  dass  die  Individuen, 
deren  Harn  gesammelt  wurde,  die  verordneten  Arzneien  pĂĽnktlich 
einnahmen,  und  dass  die  Sammlung  und  Aufbewahrung  des  Harns  in 
einer  Weise  geschah,  durch  welche  jede  zufällige  oder  absichtliche 
Versudelung  ausgeschlossen  wurde.  — 

Die  Ergebnisse  meiner  Untersuchungen  waren  folgende: 

Im  Harne  von  Syphilitischen,  die  nie  einer  Mercurialcur  unter- 
zogen waren,  Hess  sich  durch  Elektrolyse  kein  Quecksilber  nach- 
weisen. 

Dasselbe  negative  Ergebniss  stellte  sich  bei  der  PrĂĽfung  des 
Harns  von  Individuen  heraus,  die  vor  längerer  Zeit  eine  Mercurialcur 
passirten.  —  Ein  Individuum  hatte  im  Jahre  i858  während  einer 
längeren  Cur  im  Ganzen  25  Gran  Sublimat  innerlich  genommen, 
9  Einreibungen,  wahrscheinlich  von  je  2  Scrupel  stärkerer  und  eben 
so  viel  schwächerer  Quecksilbersalbe  gemacht,  16  Flaschen  Decoctum 
Zittmanni,  dann  25  Flaschen  Jodkalium  ä  1  Scrupel  verbraucht, 
endlich  in  Gräfenberg  sich  3  Monate  lang  der  Wassercur  unterzogen. 
Im  folgenden  Jahre  kamen  die  seeundären  Atfectionen  abermals  zum 
Ausbruch,  anderthalb  Jahre  nach  der  Quecksilbercur  wurde  der  Harn 
untersucht. 

Ein  zweites  Individuum  hatte  mit  Ende  December  1858  die 
Sublimat  cur  beendet,  wurde  im  Mai  1859  syphilisirt,  während  dieser 

18* 


1iU)  S  <•  h  u  e  i  «I  e  r. 

Behandlung'  der  von  vier  aufeinander  folgenden  Tagen  entleerte  Harn 
mit  negativem  Resultate  auf  Quecksilber  geprĂĽft. 

Bei  einem  dritten  Individuum,  welches  vor  5  Monaten  mit 
Sublimatpillen  und  Quecksilbereinreibungen  behandelt  wurde,  war 
gleichfalls  der  Harn  vom  Quecksilber  frei. 

Ein  weibliches  Individuum  hatte  45  Einreibungen  mit  grauer 
Salbe  gemacht,  dann  einige  Tage  hindurch  Jodkalium,  endlich  3  Gran 
Sublimat  erhalten.  14  Tage  nach  Beendigung  der  Cur,  als  Patientin 
genesen  war,  wurde  der  Harn  3  Tage  lang  gesammelt;  in  demselben 
konnte  kein  Quecksilber  entdeckt  werden. 

Während  des  innerlichen  Gebrauches  von  Mercurialpräparaten 
enthält  der  Harn  constant  Quecksilber.  Ich  habe  5  Fälle  dieser  Art 
untersucht,  und  bin  bei  jedem  zu  einem  positiven  Ergebnisse  gelangt. 

In  dem  einen  Falle  bekam  der  Kranke  in  getheilten  Gaben  täg- 
lich J/5  Gran  QuecksilberjodĂĽr  (Hg3J).  Der  innerhalb  3  Tagen 
gesammelte  Harn,  in  der  Menge  von  nicht  ganz  7  Litres,  wurde  unter 
Zusatz  von  KC106  und  HCl  auf  1  Liter  concentrirt ,  dann  der  Elektro- 
lyse unterzogen.  Die  Kathode  zeigte  sich  deutlich  verquickt  und  durch 
die  GlĂĽhprobe  war  die  Anwesenheit  von  Hg  unzweifelhaft  nachgewiesen. 
Um  zu  erfahren ,  ob  in  diesem  Harne  nicht  auch  durch  chemische 
Fällungsmittel  das  Quecksilber  entdeckbar  sei,  habe  ich  den  Harn 
von  weiteren  6  Tagen  in  der  Gesammtmenge  von  15  Litres  nach 
der  Zerstörung  der  organischen  Substanz  mittelst  KCI06  und  HCl. 
auf  2  Litres  eingedampft,  dann  Schwefelwasserstoffgas  12  Stunden 
lang  in  denselben  eingeleitet.  Nachdem  sich  die  trĂĽbe  FlĂĽssigkeit 
durch  gelindes  Erwärmen  innerhalb  24  Stunden  nicht  klärte,  so 
wurde  sie  vorsichtig  abgegossen  und  der  aus  gelblichen  Flocken 
und  einem  schwarzen  pulverigen  Niederschlag  bestehende  Boden- 
satz auf  einein  Filter  gesammelt,  mit  heissem  Wasser  gewaschen, 
dann  getrocknet,  endlich  so  viel  sich  vom  Filter  durch  Abreiben  und 
Schaben  mit  einer  Messerklinge  gewinnen  Hess,  mit  trockener  Soda 
gemengt,  in  einem  Kugelröhrchen  geglüht.  In  dem  verengten  Röhren- 
theile  war  ein  graulicher  nicht  deutlich  erkennbarer  Anflug,  der  in 
einer  Jodatmosphäre  ganz  deutliche  Krystalle  von  HgJ  bildete.  In 
einem  zweiten  Falle  hatte  Patient  durch  20  Tage  eine  Sublimatpille 
ä  i/b  Gran  genommen.  Der  Harn,  von  den  letzten  2  Tagen  zur  Unter- 
suchung verwendet,  ergab  sehr  starke  Quecksilber -Beaction  bei 
der  Elektrolyse. 


Ăśber  das  chemische  und  elektrolytische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      2(l7 

In  einem  dritten  Falle  hatte  Patient  20  Einreibungen  mit  je 
1  Scrupel  Unguentum  mereuriale  fortius  gemacht  und  21/.  Gran 
Sublimat  innerlich  genommen.  Zur  Zeit  des  Sublimatgebrauches 
wurde  der  Harn  gesammelt,  und  nach  dem  Eindampfen  elektrolytisch 
geprĂĽft.   Die  Kathode  zeigte  sich  sehr  stark  verquickt. 

In  einem  vierten  Falle  wurden  8  Gran  Sublimat  innerlich 
genommen,  28  Einreibungen  mit  je  30  Gran  ĂĽng.  cinereum  gemacht 
und  Gargarismen  mit  Sublimatlösungen  angewendet.  Der  Harn  war 
im  Verlaufe  der  Sublimalcur  gesammelt.  Es  konnte  in  dem  innerhalb 
24  Stunden  entleerten  Harne  Quecksilber,  jedoch  nur  in  Spuren  ent- 
deckt werden. 

In  einem  fĂĽnften  Falle  konnten  gleichfalls  nur  Spuren  von 
Quecksilber  gefunden  werden.  Patientin  hatte  kein  Qnecksilber- 
präparat  innerlich  genommen,  sondern  Mos  38  Einreibungen  ä 
30  Gran  mit  ĂĽng.  cinereum  gemacht.  Ob  in  diesem  Falle  nicht  eine 
Verunreinigung  des  Harns  mit  Quecksilbersalle  staltfand,  inuss  ich 
dahin  gestellt  sein  lassen. 

Den  gegenwärtig  ziemlich  allgemein  verbreiteten  Ansichten 
ĂĽber  die  Wirkungsweise  des  Jodkaliums  auf  Metalle,  die  im  Orga- 
nismus zurĂĽckgehalten  werden,  sind  die  Ergebnisse  meiner  Unter- 
suchungen des  Harns  von  Individuen,  welche  unmittelbar  nach  der 
Sublimatcur  mit  KJ  behandelt  werden,  keineswegs  gĂĽnstig. 

In  den  eben  angeführten  Fällen  habe  ich  mich  überzeugt,  dass 
der  Harn  einige  Tage  hindurch  nach  beendeter  Mercurialcur  noch 
quecksilberhaltig  bleibt.  Wird  unmittelbar  nach  der  Mercurialcur  KJ 
gereicht,  so  erscheint  der  Quecksilbergehalt  des  Harns  nicht  ver- 
mehrt, eher  vermindert  und  zwar  um  so  beträchtlicher,  ein  je  länge- 
rer Zeitraum  nach  beendeter  Mercurialcur  verstrichen  war.  Im  dritten 
der  vorerwähnten  Fälle  wurde  sogleich  Tags  darauf  nach  beendeter 
Quecksilberbehandlung  dem  Kranken  KJ  (10  Gran  täglich)  gereicht. 
Es  konnte  im  Harne  allerdings  noch  Quecksilber  nachgewiesen  wer- 
den, die  Stärke  der  Reaction  stand  aber  der  während  der  mercu- 
riellen  Behandlung  erhaltenen  weit  nach.  Im  zweiten  Falle  wurde 
8  Tage  nach  dem  letzten  Gebrauche  von  Quecksilber  täglich  10  Gran 
Jodkalium  dem  Kranken  gegeben.  In  dem  von  4  Tagen  gesammelten 
Harne  konnte  erst  nach  vollständiger  Entfernung  des  Jod  durch  sal- 
petrige Säure  haltende  Schwefelsäure  eine  kaum  mehr  wahrnehm- 
bare  Verquickung   der  Kathode  bewirkt   werden.    Auch   in   einem 


268  Schneide  r. 

dritten  Falle  erwies  sich  der  Quecksilbergehalt  des  Harnes  wahrend 
des  Gebrauchs  von  Jodkaliurn  geringer,  als  er  während  der  mercu- 
riellen  Behandlung  war.  —  Wenn  gleich  drei  Versuche  nicht  hin- 
reichen, die  Frage,  welchen  Einfluss  der  Gebrauch  des  .Jodkaliums 
auf  die  Ausscheidung  des  Quecksilbers  durch  den  Harn  ĂĽbe,  zu 
lösen,  so  lässt  sich  doch,  ohne  den  Thatsachen  Zwang  anzuthun,  so 
viel  folgern,  dass  dieses  Mittel  nicht  in  allen  Fällen  diese  Ausscheidung 
befördere. 

Von  den  zwei  Fällen  von  Hydrorgyrose  standen  mir  nur  geringe 
Harnmengen  zu  Gebote;  sie  betrugen  bei  dem  einen  lethal  enden- 
den Falle  kaum  1200  CC. ,  bei  dem  anderen  gegen  2  Litres.  Dem- 
ungeachtet  waren  die  Quecksilber -Reactionen  unvergleichlich  stär- 
ker als  in  allen  anderen  Fällen.  Die  1200  CC.  Harn  waren  2  Tage 
vor  dem  tödtlichen  Ausgange  gesammelt.  Der  Harn  war  trübe,  reich 
an  Eiweissstoffen  und  Eiterkörperchen ;  auf  dem  sechsten  Theile 
seines  Volums  unter  Zusatz  von  KC10fi  und  HCl  eingedampft  der 
elektrolytischen  PrĂĽfung  unterzogen  ,  war  schon  nach  einstĂĽndiger 
Wirkung  des  elektrischen  Stromes  die  ganze  Kathode  verquickt.  Im 
Gehirne  und  in  der  Leber  des  Verstorbenen  war  gleichfalls  Queck- 
silber mit  Leichtigkeit  nach  der  Zerstörung  der  organischen  Substanz 
durch  KC106  und  HCl  auf  elektrolytischem  Wege  nachzuweisen.  Die 
Leber  gab  viel  stärkere  Quecksilber-Reactionen,  als  das  Gehirn. 

Nach  dem  Tode  des  Vaters  hatte  sich  der  Sohn  der  weiteren 
klinischen  Behandlung  entzogen,  es  konnte  daher  der  Harn  des- 
selben nicht  mehr  zur  Untersuchung  gelangen.  So  war  es  unmöglich, 
die  Beziehungen  festzustellen ,  welche  etwa  zwischen  der  Ausschei- 
dung des  Quecksilbers  und  den  weiteren  Krankheits- Erscheinungen 
bestehen. 


Die  Ergebnisse  der  angefĂĽhrten  Untersuchungen  dĂĽrften  auf  die 
Frage:  „ob  nach  der  Anwendung  von  Mercurial -Präparaten  diese 
durch  den  Harn  ausgeschieden  werden"  eine  unzweideutige  Antwort 
sein ,  und  da  ich  die  auf  elektrolytischem  Wege  erhaltene  Fällung 
durch  eine  chemische  Keaction  einer  bestätigenden  Prüfung  unter- 
zog, so  dĂĽrften  die  Bedenken,  welche  nicht  ohne  Grund  gegen  alle 
bisher  bekannt  gewordenen  Angaben  ĂĽber  das  Vorkommen  des  Queck- 


Ăśber  das  chemische  und  elektronische  Verhalten  des  Quecksilbers  etc.      269 

silbers  in  den  thierischen  Excreten  erhoben  werden  können,  beitoben 
sein.  —  Es  wäre  nun  die  weitere  Aufgabe,  die  quantitativen  Aus- 
scheidungs -Verhältnisse  zu  ermitteln,  um  zu  erfahren,  ob  —  wie 
dies  der  allgemeine  Glaube  ist  —  das  Quecksilber  nach  dessen 
innerlichem  oder  äusserlichem  Gebrauche  in  dem  Organismus  längere 
Zeit  zurĂĽckbleibe,  oder  ob  es  theils  durch  den  Harn,  theils  durch  die 
Oarmenlleerungen  während  und  kurz  nach  dem  Gebrauche  wieder 
ausgefĂĽhrt  werde. 

Nach  den  Erfahrungen  die  ich  bisher  gewonnen,  sind  die  nötbi- 
gen  Vorarbeiten  für  die  Lösung  dieser  Aufgabe  erst  zumachen.  Die 
Elektrolyse  ist  allerdings  das  empfindlichste  qualitative  Reagens  auf 
Quecksilber,  zur  quantitativen  Bestimmung  aber  nicht  ausreichend. 
Mit  Schwefelwasserstoff  gelänge  es  allerdings  das  Quecksilber  voll- 
ständig zu  fällen,  die  organischen  Beimengungen  des  Niederschlages 
erschweren  aber  die  Reinigung  des  Schwefelquecksilbers  so  sehr, 
dass  sie  ohne  Verlust  nicht  durchzufĂĽhren  ist.  KCI06  und  HCl  sind 
unzulängliche  Zerstörungsmittel  der  organischen  Substanzen.  Ich 
glaube  für  den  Harn  in  der  Schwefelsäure,  welche  mit  salpetriger 
Säure  gesättiget  wird,  ein  wirksameres  Spaltungsmittel  gefunden  zu 
haben.  Ich  muss  aber  damit  noch  weitere  Erfahrungen  sammeln,  und 
desshalb  vor  der  Hand  die  aufgeworfene  Frage  fĂĽr  eine  oftene 
erklären. 


270  Schreiben  des  Herrn  A.  A  g  u  i  I  a  r  an  das  w.  M.  K.  v.  L  i  1 1  r  o  w. 

Schreiben   des   Herrn    A.    Aguilar,    Director   der 
Sternwarte  zu  Madrid  an  das  iv.  31.  Karl  v.  Littrow  '). 

(Aus  dem  Spanischen  ĂĽbersetzt.) 

Unter  dem  Datum  vom  25.  des  jĂĽngst  verflossenen  Februar  hatte 
ich  die  Ehre  Ihnen  mitzutheilen,  dass  die  spanische  Regierung  auf 
Ansuchen  dieser  Sternwarte  den  fremden  Astronomen,  die  nach  der 
Halbinsel  kommen  werden,  um  die  nächste  Sonnenfinsterniss  zu 
beobachten,  das  Zugeständniss  gemacht  habe,  von  ihnen  keine  Ein- 
trittsgebĂĽhr oder  Zoll  fĂĽr  die  wissenschaftlichen  Instrumente  zu  ver- 
langen, die  sie  zum  Zwecke  ihrer  Beobachtungen  mitbringen,  wobei 
sie  sich  dessenungeachtet  vorbehält,  alle  nothwendigen  Vorkehrun- 
gen zu  treffen,  damit  die  Einkünfte  des  Ärars  durch  diese  Massregel 
nicht  zu  Schaden  kommen. 

Heute  befinde  ich  mich  nach  neuen  Unterhandlungen ,  welche 
unsere  Regierung  gĂĽtig  aufgenommen  bat,  in  der  Lage,  Ihnen  neuer- 
dings mitzutheilen,  dass  in  Beziehung  auf  den  letzten  Theil  jener 
Massregel  alle  jene  Astronomen ,  welche  mir  einen  ausfĂĽhrlichen 
Brief  zugehen  lassen,  in  dem  ihre  Namen  und  der  Ort,  von  welchem 
sie  kommen,  der  Ort  von  welchem  aus  sie  die  Halbinsel  zu  betreten 
wĂĽnschen,  und  die  Zahl  und  Classe  der  Instrumente,  welche  sie  mit 
sich  bringen  werden,  angegeben  sind,  ohne  weiteres  von  jeder  Zah- 
lung an  den  KĂĽsten  und  Grenzpunkten  befreit  bleiben ,  denn  dieses 
Observatorium  wird  sich  alsdann  fĂĽr  ihren  BĂĽrger  oder  verantwortli- 
chen Agenten  erklären. 

Ich  ersuche  daher  alle  gelehrten  Reisenden,  die  sich  dieses 
Vortheils  bedienen  wollen,  mir  ihre  Instructionen  ohne  Zeitverlust 
längstens  bis  15.  Juni  einsenden  zu  wollen,  denn  nach  diesem  Ter- 
mine dĂĽrfte  sich  keiner  mehr  ĂĽber  die  Unbequemlichkeiten  an  der 
Grenze  oder  über  unnöthige  Auslagen  beklagen,  wenn  er  aus  Fahr- 
lässigkeit oder  Gleichgültigkeit  die  hier  angegebene  Vorsichts- 
massregel versäumt  hätte. 

Alle  ĂĽbrigen  Entschliessungen  der  Regierung  in  Beziehung  auf 
dieses  wissenschaftliche  Unternehmen,  deren  ich  in    meinem  ersten 
Briefe  erwähnte,  bleiben  unverändert. 
Madrid  9.  Mai  1860. 

*)  Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  IS.  Mai  [860,  der  Dringlichkeil    wegen  hier  mitgetheilt, 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE   DER  WISSENSCHAFTEN, 


MATHEMATISCH  -NATURWISSENSCHAFTLICHE  CLASSE. 


XL.   IUX». 


SITZUNG  VOM  22.  MÄRZ  1860. 


N°=  9. 


19 


271 


IX.  SITZUNG  VOM  22.  MÄRZ  1860. 


Herr  Regierungsrath  Hyrtl  ĂĽbersendet  eine  fĂĽr  die  Denk- 
schriften bestimmte  Abhandlung:  „Über  Wirbels ynostosen  und 
Wirbelsuturen". 

Von  Herrn  Prof.  Dr.  A.  Win  ekler  in  Graz  ist  eine  Abhandlung 
eingelangt:  ..Ăśber  einige  neue  Eigenschaften  der  Kugelfunctionen 
einer  Veränderlichen  und  der  Coefficienten  von  Reihen,  welche  nach 
Kugelfunctionen  entwickelt  sind". 

Die  Herren  Dr.  A.  Weiss  und  Jul.  Wiesner  legen  eine  vor- 
läufige Notiz  vor  über  ihre  Versuche,  das  Eisen  direct  in  den  Zellen 
der  Pflanzen  nachzuweisen. 

Herr  Prof.  Dr.  Molin  liest:  „Primitiae  musei  archigymnasii 
Patavini". 

Herr  F.  Stein  dachner  erläutert  den  Hauptinhalt  der  dritten 
Folge  seiner  „Beiträge  zur  Kenntniss  der  fossilen  Fisch -Fauna 
Ă–sterreichs". 

Herr  Starke  junior,  WerkfĂĽhrer  im  k.  k.  polytechnischen 
Institute,  zeigt  die  von  ihm  construirte  Kreistheilungsmaschine. 

An  Druckschriften  wurden  vorgelegt : 

Akademie,  königl.  preussische.  Monatsberichte,  Jänner,  1860;  80, 
—  kaiserliche  Leopoldinisch- Carolinische  deutsche,  der  Naturfor- 
scher. Verhandlungen,  Bd.  XXVII  mit  47  Tafeln.  Jena,  1860;  4°- 
Annales  des  Minos,  redigees  par  les  ingenieurs  des  mines  et 
publiees  sous  Kauterisation  du  ministre  des  trauvaux  publics. 
Ciuquieme  seiie.  Tome  XIV.  livr.  5  et  6;  tome  XV,  livr.  1,*2. 
Paris,  1858;  8°- 

19* 


272 

Astronomische   Nachrichten,    red.   von   Dr.   C.  A.  F.  Peters. 

Nr.  1240,  1241.   Altona,  1860;  4°- 
Beobachtungen,  maguetische  und  meteorologische,  zu  Prag,  redi- 

girt  von  Dr.  J.  G.  Böhm   und   F.   Karlinski.    Zwanzigster 

Jahrgang.  Vom  1.  Janner  bis  31.  December  1859.  Prag,  1860;  40> 
Bericht,    neunzehnter,    ĂĽber   das  Museum  Francisco -Carolinum. 

Linz,  1859;  8«- 
Chri  stiania,    Universität.  Akademische  Gelegenheitsschriften  für 

das  Jahr  1859. 
Cosmos,  IX.  annee,  16e  vol.,  11.  livraison,  16e  Mars  1860. 
Gazette  medicale  d'Orient.  III.  annee,   1860,    No.   11.    Constan- 

tinople;  4°- 
Greifswald,   Universität.    Akademische   Gelegenheitsschriften  für 

das  Jahr  1859. 
Jahrbuch   des    naturhistorischen    Landesmuseums   von    Kärnten, 

redigirt  von  J.  L.  Canaval.  Heft  IV.  Klagenfurt,  1860;  So- 
Rostock,  Universität.  Akademische  Gelegenheitsschriften  für  das 

Jahr  1859. 
Secchi,  P.  Angelo,  Memorie  delF  osservatorio  del  collegio  romano 

d.C.  d.G.Nuova  serie  dall1  anno  1857  al  1859.  Roma,  1859;  4<>-  — 

Escursione  scientifica  fatta  a  Norcia  ad  occasione  dei  terremoti 

del  22  agosto    1859.  Roma,  1860;  4».  —  Misura  della  base 

trigonometrica  eseguita  sulla  via  Appia  per  ordine  del  governo 

pontificio  nel  1854—1855.  Roma,  1858;  4<>- 
Verein,  physikalischer,   zu  Frankfurt  a.  M.  Jahresbericht,  1858 

bis  1859;  8°- 

—  Nieder-österreichischer  Gewerbe-,  Verhandlungen  und  Mitthei- 
lungen,  redigirt  von  Dr.  E.  Hornig.  Jahrgang  1859,  Heft  11, 
12.  Wien,  1860;  8<>- 

—  Österreichischer  Ingenieur-,  Zeitschrift,  redigirt  von  J.  Herr. 
Jabrgang  XII,  Heft  1.   Wien,  1860;  4»  und  fol. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift,  redigirt  von  Dr.  Witteis- 
höfer.  Jahrgang  X,  Nr.  11.  Wien,  1860;  4°- 

Wolf,  Rud.,  Mittheilungen  über  die  Sonnenflecken,  I — X.  Zürich, 
1856—1859;  8»- 


273 


ABHANDLUNGEN  UND  MITTHEILUNGEN. 


Ăśber    Wirbelsynostosen  und   Wirbelsuturen  bei  Fischen. 
Von  dem  w.  M.  Prof.  Hyrtl. 

(Auszug-  aus  einer  fĂĽr  die  Denkschriften  bestimmten  Abhandlung. ) 

In  keiner  Classe  der  Wirbelthiere  war  das  Vorkommen  von 
Wirbelsynostosen  und  Wirbelsuturen  weniger  zu  erwarten,  als  in 
jener  der  Fische,  deren  Wirbelsäule,  als  vermittelndes  Organ  der 
Locomotion,  einen  hohen  Grad  von  Beweglichkeit,  besonders  von 
seitlicher  Biegsamkeit  benöthigt.  Und  dennoch  sind  Wirbelsynostosen 
in  der  Fischwelt  so  häufig,  dass  nur  die  geringe  Anzahl  von  Fisch- 
skeleten,  welche  sich  gewöhnlich  in  den  Sammlungen  für  verglei- 
chende Anatomie  vorfindet,  die  Ursache  des  bisherigen  Ignorirens 
eines  gewiss  nicht  zu  den  Seltenheiten  gehörenden  Vorkommens 
sein  kann. 

In  meiner  sehr  reichen  Privatsammlung  von  Fischskeleten, 
welche  bereits  nahe  600  Nummern  zählt,  fällt  die  Wirbelsynostose 
ihrer  Häufigkeit  wegen  auf,  und  da  diese  Sammlung  von  mehreren 
Species,  Skelete  aus  verschiedenen  Altersperioden  enthält,  so  war 
es  möglich  zu  entscheiden,  ob  die  Verschmelzung  der  Wirbel  Alters- 
metamorphosen, oder  in  der  primitiven  Entwickelung  der  Wirbel- 
säule gegebene  Anomalien  seien,  so  wie  ferner,  ob  sie  bei  gewissen 
Arten  constant  und  an  demselben  Orte  auftreten,  oder  ein  zufäl- 
liges Accidens  bilden. 

Als  Altersmetamorphose  kommt  die  Wirbelsynostose  sehr 
selten  vor.  Dagegen  sind  Verschmelzungen  mehrerer  Wirbel,  von 
2 — 5,  als  in  der  ersten  Entwickelung  der  Wirbelsäule  begründet, 
bei  mehreren  Geschlechtern  aufgefunden  worden.  Wollte  man  eine 


274  «  J  '•  *  ' 

Theorie  dieser  unerwarteten  Beobachtung  wagen,  so  dĂĽrfte  sie  also 
lauten:  Das  Wachsthum  der  primitiven  Ossificationspunkte  zweier 
oder  mehrerer  Wirbel  kann  durch  zufällige  Bedingungen  so  zurück- 
gehalten werden,  dass  die  betreffenden  fertigen  Wirbel  gegen  die 
übrigen  an  Grösse  und  Stärke  bedeutend  zurückstehen.  Würden  nun 
solche  Wirbel,  deren  Länge  nur  das  Drittel  oder  Viertel  eines  nor- 
malen Wirbels  beträgt,  unverschmolzen  bleiben,  so  würde  das  Seg- 
ment der  Wirbelsäule,  welches  sie  zusammensetzen,  einen  viel 
höheren  Grad  von  Beweglichkeit  besitzen,  als  ein  gleichlanges  mit 
unverwachsenen  Wirbeln.  Zur  Ausgleichung  dieses  Missverhältnisses 
tritt  Synostose  der  verkĂĽmmerten  Wirbel  ein.  Ein  solcher  Verwach- 
sunffswirbel,  selbst  wenn  er  aus  dem  bisher  beobachteten  Maximum 
von  Wirbeln  besteht,  ist  nur  um  die  Hälfte  länger  als  sein  nächster 
Vorder-  und  Hintermann,  und  da  diese  Verwachsungen  gewöhnlich 
(nicht  immer)  an  Stellen  der  Wirbelsäule  auftreten  ,  welche  Flossen 
tragen,  und  somit  eines  höheren  Grades  von  Festigkeit  bedürfen,  so 
wird  die  Synostose  fĂĽr  die  Beweglichkeit  der  gesammten  Wirbel- 
säule weit  weniger  Nachtheil  bringen,  als  mit  Getrenntbleiben  der 
verkĂĽmmerten  Wirbel  gegeben  sein  wĂĽrde. 

Die  Fische,  an  denen  die  Synostose  beobachtet  wurde,  sind: 
Polypterus  Bichir,  Amia  calva,  Thynnus  vulgaris.  Stromateas 
griseus,  Rhynchobdella  ocellata,  Catla  Buchanani,  Butirinus 
macrocephalus,  Heterotis Ehrenbergii,  Chirocentras  dentex,  Alausa 
finta,  Catostomus  Suerii  (Altersmetamorphose),  Hydrocion  Forskai, 
mehrere  Arten  von Mormyrus,  Gymnärchus  nilotias,  Ciarias  Hassel- 
qaistii,  Ciarotes  Heuglini  (als  Altersmetamorphose),  Zoarces  vivipa- 
rus,  Ophiosternon  bengalense,Gymnotns  electrica  s.Ga  das  morrhua 
und  Gadus  callarias ,   Ostracion  triqueter   (Altersmetamorphose). 

Bemerkenswert!)  ist  es,  dass  bei  mehreren  Individuen  derselben 
Art  die  Synostose  nicht  dieselben  Wirbel  befällt,  ja  dass  ein  Indivi- 
duum verwachsene,  ein  zweites  dagegen  getrennte  Wirbel  besitzt. 
Zählt  man  den  Verwachsungswirbel  als  einen  einfachen,  so  erscheint 
die  Gesammtzahl  der  Wirbel  gewöhnlich  geringer  ,  jedoch  nicht  um 
so  viel,  als  die  Zahl  der  verwachsenen  Wirbel  beträgt. 

Wirbelsuturen  kommen  nur  in  der  Familie  der  Ostracionten 
vor.  Sie  betreffen  die  sieben  Wirbel  des  Stammes,  und  die  Verbin- 
dung des  ersten  Wirbels  mit  dem  Hinterhauptbeine.  Die  Suturen 
präsentiren  sich  am  besten  bei  seitlicher  Ansicht  der  Wirbelsäule. 


Ăśber  Wirbelsynostosen  und   Wirbelsuluren  bei  Fischen.  275 

Bei  unterer  Ansicht  sind  die  Verbindungsstellen  der  Wirbel  wie 
gewöhnlich  lineare  Querfugen.  Auch  die  Bogen  der  Wirbel,  welche 
so  breit  sind  als  der  Wirbel  lang  ist,  greifen  an  ihren  einander  zuge- 
kehrten Rändern  durch Nathzacken  zusammen.  Der  aus  dicken,  festen, 
mosaikartig  zusammengefĂĽgten  Platten  bestehende  Panzer  dieser 
Familie  macht  die  Bewegungen  der  Wirbelsäule  unmöglich.  Es  fehlt 
also,  nebst  den  hinzu  gewöhnlich  verwendeten  Muskeln,  auch  die 
gelenkige  Verbindung  je  zweier  Wirbel ,  und  die  sie  vertretende 
Sutur  steht  im  innigsten  Zusammenhange  mit  der  Unbeweglichkeit 
der  Wirbelsäule. 

Am  SchlĂĽsse  der  Abhandlung  folgt  eine  Charakteristik  der  fal- 
schen oder  scheinbaren  Synostosen. 


*>76  Weiss  und   Wiesner.    Vorläufige  Notiz 


Vorläufige   Notiz  über  die  directe  Nachweisimg   des   Eisens 
in  den  Zellen  der  Pflanze. 

Von  Adolf  J.  Weiss  und  Julius  W i  e  s  n e  r. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  22.  März  1860.) 

Durch  Aschenanalysen  ist  das  Vorhandensein  von  Eisen  im 
Pflanzenkörper  bekannt,  allein  sein  örtliches  Vorkommen  und  die  Art 
der  Verbindung  noch  unermittelt.  Es  gelang  uns  beides  aufzuklären, 
indem  wir  das  Eisen  durch  Anwendung  von  Rhodankalium  (Schwe- 
felcyankalium)  direct  in  den  mikroskopischen  Präparaten  ersichtlich 
machten.  Aus  nahe  liegenden  GrĂĽnden  wurde  die  wein  geistige 
Lösung  des  Reagens  gewählt. 

Der  mit  einem  Silber-  oder  Piatinamesser  gefĂĽhrte  Schnitt 
wurde  zuerst  mit  Rhodankalium  allein  behandelt,  hierauf,  wenn  keine 
Reaction  entstand,  mit  einem  Tropfen  Salzsäure1)  versetzt.  Hierdurch 
wurde  die  Anwesenheit  des  Eisens  in  dem  Schnitte  als  lösliche  oder 
unlösliche  Oxyd  Verbindung  ersichtlich  gemacht.  Andere  Schnitte 
wurden  mit  Chlorwasser  und  Rhodankalium,  ferner  mit  Salpetersäure 
und  Rhodankalium  behandelt,  wodurch  es  ermöglicht  wurde,  das  Eisen 
in  löslicher  oder  in  unlöslicher  Oxydul  Verbindung  zu  erkennen2). 
Auf  diese  Weise  kann  man  das  Eisen  im  Pflanzenkörper  sehr 
häufig  und  oft  in  nicht  unbeträchtlicher  Menge  auffinden,  es 
erscheint  in  der  Wurzel  so  gut  als  im  Stamme  und  den  Blättern,  in 
dem  Marke,  der  Oberhaut  u.  s.  w.  Gewisse  Zellschichten  scheinen 
indess  doch  vorzüglich  die  Träger  dieses  Stoffes  zu  sein,  während  er 


*)  Dieselbe  färbt  verdickte  Zellen  sehr  häufig  {Aesculus,  Tili«  Pnpii/us,  Lari.v  etc.) 
intensiv  violet  oder  ultramarin  (Vinco),  wodurch  man  sich  nicht  täuschen  lassen 
darf,  wie  ĂĽberhaupt  nicht  durch  versteckte  FarbstofFe,  von  deren  etwaigem  Dasein 
man  sich  vorher  durch  Säuren  oder  andere  Hilfsmittel  zu  überzeugen,  und  erst  nach 
Entfärbung  derselben  auf  Eisen  zu  prüfen  hat  (Reyonia,  Piper,  Calla   u.  s.  w.). 

2)  Die  Ueagentien  verhielten  sich  bei  der  von  uns  angewendeten  VerdĂĽnnung  und  Rein- 
heit vollkommen  indifferent  gegen  Schwefelcyan-Kaliura,  weder  Hydrothiocyansiure 
noch  Pseudosehwefelcyan  bildend. 


ĂĽber  die  directe  ISachw  eisung  des  Eisens  in  den  Zellen  der  Pflanze.         2/7 

in  anderen  z.  B.  den  zartwandigen ,  parenchymatösen  Zellen  in  so 
geringer  Menge  auftritt,  dass  er  sich  jeder  Untersuchung  entzieht. 

Das  Eisen  lässt  sich  im  Pflanzenkörper,  so  weit  wir  bis  jetzt 
angeben  können,  immer  nur  in  zwei  Formen  nachweisen,  als  im 
Wasser  unlösliche  Oxyd  Verbindung  oder  als  unlösliche 
Oxydul  Verbindung.  Das  Vorkommen  desselben  ist  aber  keines- 
wegs ein  durchaus  geregeltes,  es  erscheint  in  einer  und  derselben 
Pflanze  nicht  selten  in  beiden  Formen  (Sambueus),  niemals  jedoch 
kann  man  es  im  jugendlichen  Zustande  der  Zelle  durch  die  Reaction 
ersichtlich  machen.  Man  kann  dies  aus  dem  Umstände  schliessen,  dass 
beim  Fortschreiten  gegen  die  Vegetationsspitze  zu ,  die  Eisenreaction 
immer  undeutlicher  wird  und  endlich  ganz  verschwindet,  dass  ferner 
bei  Pflanzen,  in  deren  Holzzellen  es  vorkommt,  die  ältesten  Schichten 
(gegen  das  Mark  zu)  stets  den  grössten  Eisengehalt  zeigen,  so  zwar, 
dass  es  in  den  jĂĽngeren  Holzzellen  oft  gar  nicht  sich  zu  erkennen  gibt, 
während  es  in  den  älteren  ganz  entschieden  wahrgenommen  wird  und 
dass  endlich  die  Ablagerung  desselben  in  den  Verdickungsschichten 
ja  doch  von  dem  Entstehen  und  Fortschreiten  derselben  abhängig  ist. 
Es  ist  dies  auch  ganz  wohl  begreiflich.  Bei  der  geringen  Menge,  in 
der  das  Eisen  doch  immer  nur  im  pflanzlichen  Organismus  gefunden 
wird,  kann  es  nur  durchSummir  ung  in  Erscheinung  treten,  es  kann 
nur  durch  successive  Ablagerung  in  den  Verdickungsschichten,  durch 
beständiges  Addiren  kleiner  Mengen  nach  längerer  Zeit  so  viel  austra- 
gen, dass  man  es  durch  geeignete  Agentien  nachzuweisen  imStande  ist. 

Man  kann  wohl  im  Allgemeinen  behaupten,  dass  das  Eisen  mei- 
stens als  Infiltrationsproduct  der  secundären  und  tertiären  Zellschich- 
ten sich  kundgibt  und  also  hauptsächlich  der  Verdickung  der 
Membran  der  Zellen  dient,  indess  haben  wir  es  auch  im  Inhalte 
der  Zellen  aufgefunden. 

In  beiden  Fällen  kommt  es  in  verschiedenen  Formen  vor. 

So  erscheint  es  z.  B.  als  unlösliche  Oxyd-Verbindung  in  der 
Membran  der  Holzzellen  von  Juglans  regia  L.,  Fraxinus  excelsior 
L.,  Platanus  orientaUs  L.  v.  aurea  u.  s.  w.,  während  es  bei  Betula 
alba  L.,  F.  r.  grandis  Sehr  ad.,  Querem  Cerris  L.,  Cladrastis 
tinetoria  Rat'.,  Salisburia  adiantifolia  Sin.,  Negundo  fraxhĂĽ- 
folium  Nutt.  v.  crispum,  Crataegus  monogyna  Jacq.,  Robinia 
Pseudacacia  L.  I.  sophoraefolia,  Prunus  Padus  L.  Ăź.  rubra,  Pru- 
nus cerasifera  L.  y.  xanthocarpa  (schwach),  Monis  tatarica  Pal I. 


278  Weiss    und    Wiesner.     Vorläufige  Notiz  etc. 

Taxus  baccata  L.,  Crataegus  crusgalli  L.  a.  splendens  u.  s.  w.  in 
der  Membran  der  Holzzellen  als  unlösliche  Oxydul-Verbindung  auf- 
tritt. 

Im  Marke  von  Sambucus  nigra  L.,  Negundo  fraxinifolium 
Nutt.  v.  crispum  u.  s.  w.  erscheint  das  Eisen  in  den  Zellwänden  als 
unlösliche  Oxydul- Verbindung,  bei  Platanus  orientalis  L.  ebenfalls 
im  Marke  als  unlösliche  Oxyd-Verbindung. 

Im  Baste  der  Gefässbündel  kommt  es  bei  Robinia  viscosa  7. 
dubia  V.,  Verbesina  gigantea  Jacq.  u.  s.  w.  als  unlösliche  Oxydul- 
Verbindung  vor,  als  unlösliche  Oxyd-Verbindung  in  den  Bastzellen  von 
Viscum  album  L.  in  den  Gefässbündeln  von  Lemna  anirhiza  u.s.  w. 

Im  Inhalte  der  Haare  erscheint  Eisen  bei  Verbesina  gigantea 
Jacq.,  Eranthemum  leuconeurum  Fab.,  Goldfussia  glommerata 
u.  s.  w.,  ebenso  im  Zellsafte  des  Stengels  von  Regonia  hydrocotyli- 
fulia  Graham.,  Tropaeslum  majus  L.;  in  den  Zellen  des  Markes  von 
Aesculus  neglecta  Li  ndl.,  im  Inhalte  der  Beeren  von  Viscum  album 
L.  11.  s.  w.  Im  Pollen  haben  wir  Eisen  bei  Cheiranthus  C/ieiri  L., 
Anemone  Pulsatilla  L.,  Primula  vulgaris  Huds.  a.  acaulis,  Gagea 
lutea  Schult.,  Tropaealum  majus  L.,  Hgoscyamus  niger  L.  11.  s.  w. 
aufgefunden,  jedoch   überall   in  sehr   geringen  Quantitäten. 

In  einer  weiteren  Arbeit  werden  wir  die  Frage  zu  erörtern 
suchen,  in  welcher  Form  das  Eisen  von  den  Pflanzenzellen  aufge- 
nommen wird  und  wie  es  in  denselben  als  unlösliche  Oxydul-  oder  als 
unlösliche  Oxyd  Verbindung  umgewandelt  erscheint,  in  welcher 
Lebensperiode  des  Gewächses  ferner  sein  erstes  Auftreten  datirt  und 
welche  Rolle  es  ĂĽberhaupt  im  Leben  der  Zelle  spielt;  fĂĽr's  Erste 
genügt  es,  das  Eisen  im  Pflanzenkörper  direct  nachge- 
wiesen und  gezeigt  zu  haben,  dass  es  daselbst  als 
unlösliche  Oxydul-  und  als  unlösliche  Oxydverbindung 
sowohl  in  der  Membran  als  im  Inhalte  der  Zellen 
sich  zu  erkennen  gibt,  obwohl  es  von  der  W u  r z  e  1 
ursprünglich  als  lösliche  Verbindung  aufgenommen 
werden  m  u  s  s  t  e. 


Schob  I.  Typhloniscus.  279 


T  y  p  h  l  o  n  i  s  c  u  s. 

Eine  neue  blinde  Gattung  der  Crustacea  Isopoda. 

Monographiseli  bearbeitet 

von  Joseph  Schöbt, 

Caudldat   der  Medicin    in    Prag-. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  S.Jänner  1860  durch  das  c.  M.  Herrn  Prof.  Stein.) 
(Mit  10  Tafeln.) 

Die  in  den  vorliegenden  Blättern  von  mir  zn  schildernde 
Gattung  bietet,  sowohl  in  Beziehung  auf  äussere  Körpergestalt,  als 
auch  auf  Anatomie  und  Lebensweise,  so  viel  Interessantes  und  von 
allen  bis  jetzt  bekannten  Gattungen  der  Oniscoiden  Abweichendes 
dar,  dass  es  wohl  gerechtfertigt  sein  dĂĽrfte,  wenn  ich  sie  zum 
Gegenstande  der  vorliegenden  monographischen  Arbeit  mache. 

Bei  der  genauen  anatomischen  Untersuchung,  der  ich  diese 
blinde  Gattung  unterwarf,  und  wobei  ich  nicht  unterliess  die  ver- 
wandten Gattungen  der  Oniscoiden  zu  berĂĽcksichtigen,  ergab  sich 
mir  zunächst,  dass  die  Theorie  der  Mundtheile,  wie  sie  bis  jetzt  bei 
dieser  Familie  gang  und  gebe  war,  durchaus  unhaltbar  sei.  Ich  habe 
mich  daher  bestrebt  in  der  vorliegenden  Arbeit  eine  naturgemässere 
Deutung  der  Mundtheile  zu  geben. 

Was  den  Kaumagen  anbelangt,  der  bei  den  Isopoden  einen  so 
hohen  Grad  der  Entwicklung  erreicht,  und  von  dem  es  bis  jetzt  keine 
auch  nur  im  entferntesten  richtige  Darstellung  oder  Beschreibung 
gab;  so  habe  ich  denselben  ebenfalls  auf's  genaueste  untersucht  und 
die  Bedeutung  so  wie  den  feineren  Bau  des  ganzen  Organes  und 
seiner  einzelnen  Bestandteile  nachgewiesen.  In  Bezug  auf  das 
Nervensystem  und  die  Kreislaufsorgane  haben  meine  Untersuchungen 
zu  keinen  genaueren  Besultaten  gefĂĽhrt  als  sie  schon  von  Brandt 
und  Anderen  veröffentlicht  worden  sind.  Ich  habe  desshalb  von  den 
eben  erwähnten  Organen  keine  Zeichnungen  entworfen,  dafür  aber 
um  so  genauer  die  Respirationsorgane  abgebildet  und  beschrieben, 


280  s  c  h  ö  b  i. 

die  nur  unvollständig  und  ungenau  bekannt  waren.  Auch  die  männ- 
lichen Geschlechtsorgane,  namentlich  die  Begattungsorgane,  fand  ich 
bei  allen  Autoren  irrig  beschrieben  und  gedeutet.  Ich  habe  von  den 
Organen,  die  man  allgemein  als  Ruthen  beschrieben  hatte,  nachge- 
wiesen, dass  sie  keine  Ruthen  sein  können,  und  ihnen  eine  ganz 
andere  Bedeutung  zugewiesen,  und  sie  Organa  ejaculatoria  seminis 
genannt.  Die  sogenannten  Leiter  der  Ruthe  hingegen,  die  man  fĂĽr 
Hilfsorgane  bei  der  Begattung  hielt,  als  wahre  Ruthen  hingestellt. 
Die  gänzlich  unbekannt  gewesenen  weiblichen  äusseren  Geschlechts- 
öffnungen endlich,  und  Receptacula  seminis  habe  ich  entdeckt. 

Alle  diese  anatomischen  Untersuchungen  haben ,  obzwar  sie 
sich  zunächst  auf  die  Gattung  Typhloniscus  beziehen ,  im  Allgemei- 
nen Geltung  fĂĽr  die  ganze  Familie  der  Oniscoiden.  Der  Raum  ge- 
stattete es  mir  nicht,  die  mitunter  interessanten  Abweichungen  der 
einzelnen  Gattungen  zu  beschreiben  und  abzubilden. 

Den  Gattungsnamen  entnahm  ich  von  dem  hervorstechendsten 
Merkmale  dieses  Thieres,  von  dem  gänzlichen  Mangel  der  Augen. 
Die  einzige  Species  habe  ich  nach  meinem  hochverehrten  Lehrer 
Herrn  Professor  Dr.  Stein,  dem  ich  meine  ganze  wissenschaftliche 
Richtung  verdanke,  benannt. 

So  übergebe  ich  denn  meine  erste  Leistung  den  Männern  der 
Wissenschaft  mit  der  Bitte,  die  etwa  von  mir  begangenen  Fehler  mit 
Nachsicht  beurtheilen  zu  wollen,  und  mit  dem  aufrichtigen  Wunsche, 
man  möge  in  der  wenngleich  unbedeutenden  Arbeit  des  Schülers  den 
Wirkungskreis  seines  grossen  Lehrers  erkennen. 


Diagnose  und  Beschreibung-  der  Gattung  Typhloniscus  S c h  ö  b  1. 

Antennae  externae  sexarticulatae  ;  articulo  pcnultimo  maximo, 
conico,  obsolete  triquetro,  apice  tereti,  basi  subtus  incras- 
sato;  articulo  ultimo  conico,  apice  setigero  (Taf.  R,  Fig.  2). 

Antennae  internae  triarticulatae ,  articulo  basali  maximo; 
apicali  minima,  oblique  truncato ,  et  stylis  tribits  hyalinis 
terminato;  omnibus  conum  parva  htm  efficientibus. 

Oculi  nulli. 

Apendicum  caudalium  par  externton  maximum  ,  postabdominis 
cingula  valde  superans;  articulo  basali  subcylindrico  tereti; 


Typhloniscus.  281 

apicali  antecedentis  apici  inserto ,  conico,  apice  setigero ; 

ambobus  aeque  fere  longis  (Taf.  II,  Fig.  3). 
Appendicum  caudaĂĽum  par  intemum  cylindricum,  teres,  ex- 

ternorum   articulum  basalem  haud  longitudine  superans 

(Taf.  II,  Fig.  3). 
Die  Augen  fehlen  gänzlich.  Am  Kopfe  findet  man  nicht  einmal 
von  Augenrudimenten  die  geringste  Andeutung,  und  die  Stelle,  wo  bei 
den  ĂĽbrigen  Gattungen  der  Oniscoiden  die  Augen  zu  sitzen  pflegen, 
ist  durch  nichts  ausgezeichnet  und  von  derselben  Beschaffenheit  wie 
die  ĂĽbrige  Kopfbedeckung. 

Die  äusseren  Fühler  sind  verhältnissmässig  sehr  stark  ent- 
wickelt und  in  einer  becherförmigen  Vertiefung  an  derUnterseite  der 
seitlichen  Stirnfortsätze  eingefügt.  Das  erste  Glied  ist  das  kürzeste 
von  allen,  von  Gestalt  cylindrisch,  in  der  Mitte  etwas  bauchig. 
Das  zweite  Glied  ist  länger  und  stärker  als  das  erste  und  besitzt 
am  verengerten  Grunde  nach  aussen  einen  rundlichen  Höcker,  nach 
oben  zu  verschmälert  es  sich  Mieder  und  endigt  schief  abgestutzt. 
Das  dritte  Glied  ist  wenig  länger  als  das  erste,  gekrümmt,  becher- 
förmig. Es  endigt  mit  einem  weiten,  etwas  nach  der  Mitte  hin  zuge- 
schärften Rande.  Das  vierte  Glied  besitzt  ungefähr  die  Grösse  des 
zweiten,  nach  innen  und  oben  zu  erscheint  es  stark  convex  fast 
stumpfkantig,  nach  aussen  und  unten  concav,  rinnenförmig  ausge- 
höhlt. Die  Basis  ist  etwas  verengt,  die  Spitze  breit,  unverengt, 
ziemlich  gerade  abgestutzt.  Das  fünfte  Glied  ist  das  stärkste  von 
allen,  es  ist  mehr  als  zweimal  so  lang  und  viel  stärker  als  das  voran- 
gehende, von  Gestalt  abgerundet  dreikantig.  Zwei  Flächen  sind  breiter 
und  stossen  nach  oben  oder  innen  in  eine  stumpfe  abgerundete  Kante 
zusammen.  Die  dritte  Fläche  ist  etwas  schmäler,  sieht  nach  unten  oder 
aussen  und  ist  in  der  Mitte  durch  eine  Furche  in  zwei  Hälften  getheilt. 
Gegen  die  etwas  verschmälerte  Spitze  des  Gliedes  verschwindet 
jedoch  allmählich  diese  kantige  Beschaffenheit  desselben  und  es  wird 
fast  drehrund.  Seine  Basis  ist  durch  eine  gleichsam  stielförmige 
starke  Verengerung  dem  vorigen  Gliede  eingelenkt.  Gleich  hinter 
dieser  stielförmigen  Stelle  befindet  sich  nach  unten  zu  eine  weite, 
buckeiförmige  Auftreibung,  die  durch  die  früher  beschriebene  Furche 
der  unteren  Fläche  in  zwei  Hälften  getheilt  wird. 

Das  sechste  und  letzte  FĂĽhlerglied  ist  etwas  kĂĽrzer  als  das 
vorige,  etwa  3/3  der  Länge  desselben  betragend.  Seine  Gestalt  ist 


282  s  «  h  s  b  i. 

kegelförmig  und  es  endigt  an  der  Spitze  mit  einem  durchsichtigen 
Griffel. 

Die  inneren  FĂĽhler  sind  sehr  klein,  mit  blossem  Auge  nicht 
sichtbar,  dreigliedrig.  Das  erste  Glied  ist  das  grösste,  das  mittlere 
kleiner,  das  Endglied,  welches  3  —  4  kleine  Chitingriffel  trägt,  ist 
das  kleinste.  Alle  zusammen  stellen  einen  kleinen  aufrechten  Kegel  dar. 

Die  äusseren  Schwanzanhänge  sind  zweigliedrig,  verhältniss- 
mässig  zur  Grösse  des  Thieres  sehr  gross,  überragen  weithin  die 
GĂĽrtel  des  Postabdomen.  Das  Grundglied  ist  fast  cylindrisch,  das 
Endglied,  welches  an  der  Spitze  des  Vorigen  sitzt,  ist  kegelförmig 
mit  2  —  3  kurzen  Endborsten.  Die  inneren  Schwanzanhänge  sind 
viel  kürzer  und  schwächer,  stielförmig,  cylindrisch,  und  überragen 
kaum  das  Grundglied  der  äusseren  Anhänge.  An  ihrer  Spitze  stehen 
gleichfalls  drei  Borsten. 

Diagnose    und   Beschreibung   der   Species    Typhloniscus 
Steinii  Schob]. 

Taf.  I. 

T.  Candidas;  corpore  oblonge  elĂĽptico ;  processibus  capitis 
lateralibns  rotundato  trigonis,  processu  frontali  medio 
nullo;  antennarum  articulis  omnibus  dense  squamosis, 
squamidis  carinatis;  capite  squamulis  antice  papiUifor- 
mibus ,  postice  subtrigonis,  carinatis  tecto ;  cingulis 
omnibus,  et  appendicibus  caudalibus  squamidis  rotundato 
trigonis,  carinatis,  versus  latera  subtrilobis  tectis;  margine 
postico  cingulorum  omnium  serie  squamularum  quadran- 
gularium  carinatarum  instructo. 
Longitudo  %'"—%%"',  Latitudo  maxima  3/4'"—  1'" '. 

Die  Farbe  des  Thieres  ist  schneeweiss,  nur  bisweilen  schimmert 
in  der  Mittellinie  der  Darmcanal  als  ein  bräunlicher  Streifen  durch. 

Von  Gestalt  ist  das  Thier  länglich  elliptisch.  Manche  Exemplare 
jedoch  sind  etwas  hinter  der  Mitte  am  breitesten  und  erscheinen 
somit  oval.  Der  erste  Körpergürtel  oder  Mesothorax  erweitert  sich 
zu  beiden  Seiten  in  einen  flachen  beilförmigen  Seitenfortsatz.  Der 
Hinterrand  dieses  Segmentes  verläuft  geradlinig  bis  zur  Gegend  der 
flachen  seitlichen  Fortsätze,  woselbst  er  nach  vorne  hin  bogenförmig 
ausgeschweift  ist.  Die  seitlichen  Fortsätze  des  zweiten  Segmentes 
sind  nur  wenig  nach  hinten  gerichtet,  der  vordere  Winkel  ist  stumpf, 


TypMomseus.  283 

stark  abgerundet,  der  hintere  fast  recht,  etwa  85°.  Der  Hinterrand 
dieses  Segmentes  ist  in  der  Gegend  der  Fortsätze  nur  wenig 
geschweift. 

Die  folgenden  fĂĽnf  Segmente  unterscheiden  sich  nur  dadurch  von 
dem  eben  beschriebenen  zweiten,  dass  ihre  vorderen  Winkel,  je  weiter 
das  Segment  nach  hinten  liegt,  beständig  stumpfer  werden,  während 
die  hinteren  Winkel  in  demselben  Verhältnisse  an  Schärfe  zunehmen. 
Die  ersten  zwei  Segmente  des  Postabdomen  sind  sehr  schmal  und 
besitzen  keine  seitlichen  Fortsätze,  ihre  Hinterränder  sind  schwach 
bogenförmig  gekrümmt,  die  folgenden  drei  Segmente  sind  breiter  und 
besitzen  an  den  Seiten  sichelförmig  nach  hinten  gekrümmte  Fortsätze. 
Das  letzte  Segment  ist  dreieckig.  Die  Basis  des  Dreieckes  ĂĽbertrifft 
um  ein  Drittel  die  Höhe  desselben.  Die  beiden  gleichen  Seiten 
sind  etwas  concav  ausgeschweift,  die  Spitze  etwas  hervorgezogen. 
Das  ganze  Segment  ist  gleichmässig  gewölbt,  zeigt  durchaus  keine 
Furche  oder  Eindruck. 

Die  Sculptur  ist  sehr  ausgezeichnet. 

Zunächst  besitzt  die  ganze  Körperoberfläche  eine  feine,  rund- 
lich zellige  Zeichnung,  die,  wie  ich  mich  durch  das  Studium  der 
Entwicklungsgeschichte  ĂĽberzeugt  habe,  den  Zellen,  aus  denen 
ursprünglich  die  ganze  Körperbedeckung  zusammengesetzt  ist,  ent- 
spricht. Die  fünf  ersten  Fühlerglieder  sind  mit  unregelmässig 
gestellten  Schuppen  bedeckt,  die  eine  breite  Basis  besitzen  und 
slachelspitzig  endigen. 

Am  letzten  Fühlergliede  sind  die  Schuppen  viel  schmäler  und 
länger,  fast  borstenförmig.  An  der  stark  convexen  Stirne  befinden 
sich  an  der  Spitze  kopfförmig  angeschwollene  Papillen,  die  allmählich 
gegen  die  seitlichen  Stirnfortsätze  zu  in  dreieckige,  und  gegen  den 
hintern  Kopfrand  zu  in  abgerundete  gekielte  Schuppen  ĂĽbergehen. 
Die  Bückenfläche  des  Thorax  und  der  Proabdominalsegmente  ist  mit 
rundlich  dreieckigen,  gekielten,  ziemlich  dicht  und  fast  reihenweise 
gestellten,  etwas  ungleichen  SchĂĽppchen  bedeckt.  Der  Hinterrand 
dieser  Segmente  ist  in  der  Mitte,  so  weit  er  geradlinig  verläuft,  mit 
einer  Beihe  grösserer,  abgerundet  rechteckiger,  gekielter  Schuppen 
verseben.  Die  Postabdominalsegmente  sind  an  ihrer  vordem  Hälfte 
glatt  und  glänzend. 

Das  erste  und  zweite  Segment  besitzt  blos  vor  dem  hintern 
Bande  eine  Beihe  von  SchĂĽppchen.  An  den  folgenden  drei  Segmenten 


284  s  c  h  ö  b  i. 

sind  die  Schuppen  gegen  den  Hinterrand  zu  fast  dreireihig,  am  letzten 
Segmente  zerstreut  gestellt,  alle  sind  gekielt. 

Die  Hinterränder  aller  Segmente  besitzen  eine  Reihe  recht- 
eckiger, viel  grösserer  gekielter  Schuppen. 

Die  Grundglieder  der  äussern  Schwanzanhänge  sind  mit  rund- 
lich dreieckigen,  gekielten,  fast  reihenweise  gestellten  Schuppen 
bedeckt. 

Die  Endglieder  dagegen  besitzen  viel  schmälere,  gekrümmte, 
sparsamere,  borstenförmige  Schüppchen. 

An  den  inneren  Schwanzanhängen  sind  die  Schüppchen  noch 
sparsamer,  schmäler  und  borstenförmiger. 

An  der  Spitze  eines  jeden  Schwanzanhanges  stehen  2  —  3 
Chitinborsten. 

Die  Weibchen  sind  stets  grösser  und  auch  verhältnissmässig 
breiter  als  die  Männchen. 


Lebensweise  und  Torkommen. 

Typhloniscus  Steinii  lebt  stets  unterirdisch  in  den  Colonien 
der  Ameisen  und  zieht  sich  bei  der  geringsten  Beunruhigung  flĂĽchtig 
in  die  Tiefe  der  Nester  zurĂĽck.  Kleine  junge  Exemplare  werden 
häufig  von  den  Ameisen  selbst  fortgeschleppt.  Am  häufigsten  leben 
sie  in  den  Colonien  der  Formiert  flava  Latr. ,  jedoch  findet  man 
sie  auch,  wenngleich  seltener  und  nur  sporadisch,  bei  Formica  nigra 
Latr.,  aliena  Förster  und  umbrata  Nylander.  Ihre  Antennen 
befinden  sich  stets  in  vibrirend  tastender  Bewegung  (wahrscheinlich 
eine  Folge  der  Blindheit).  Auch  scheinen  sie  die  Tageszeiten  nicht 
unterscheiden  zu  können,  denn  während  die  übrigen  Asseln  sich 
während  des  Tages  in  ihre  feuchten  Schlupfwinkel  zurückziehen  und 
daselbst  ruhen,  fand  ich  diese  Art  zu  den  verschiedensten  Tagszeiten 
in  einer  kĂĽnstlichen  Ameisencolonie,  die  ich  mir  in  einem  Glase 
errichtet  habe ,  munter  umherlaufen. 

Andere  Ameisenarten,  als  bei  welchen  sie  in  der  Natur  vor- 
kommen, dulden  sie  nicht  nur  nicht  unter  sich,  sondern  fallen  mit- 
unter raubgierig  über  sie  her  und  tödten  sie.  Ich  habe  dies  im  Freien 
bei  Formica  ligniperda  Latr.,  zu  Hause  bei  F.  rufa  L.  und  fuligi- 
nosa  Latr.  beobachtet,  ja  einmal  gingen  mir  sogar  einige  Exemplare 


Typhloniseus.  285 

in  kĂĽrzester  Zeit  zu  Grunde,  zu  denen  ich  zwar  Formica  flava  L., 
jedoch  aus  einem  Neste,  welches  keine  Asseln  enthielt,  gethan  hatte. 

Im  Darmcanal  fand  ich  stets  nur  Reste  vegetabilischer  Sub- 
stanzen, unter  denen  man  sehr  schöne,  wie  präparirte,  Mooszellen 
findet.  Einzelne  davon  erkannte  ich  als  von  der  Lophocolca  tomen- 
tella  stammend,  andere  schienen  Phascumarten  anzugehören.  Ob  sie 
von  den  Ameisen  mit  Nahrung  versorgt  werden  oder  sich  selbe  selbst 
aufsuchen,  weiss  ich  zur  Zeit  noch  nicht.  Ich  traf  sie  jedoch  nie 
ausserhalb  der  Ameisencolonien,  was  wohl  vorkommen  mĂĽsste,  wenn 
sie  allein  ihrer  Nahrung  nachgehen  sollten. 

Die  Männchen  sind  viel  seltener  als  die  Weibchen  und  es 
kostete  mir  viele  Mühe,  die  nöthigen  Exemplare  zur  Untersuchung 
der  männlichen  Geschlechtsorgane  aufzutreiben.  Sie  sind  beständig 
kleiner  und  schmäler  als  die  Weibchen. 

Die  Weibchen  legen  im  Monate  Mai  nur  wenige,  blassgelbe 
Eier  unter  ihre  Brustplatten,  woselbst  sie  bis  Ende  Juni  verweilen, 
um  welche  Zeit  die  Jungen  die  Mutter  zu  verlassen  pflegen. 

Ich  fand  diese  Art  zuerst  im  Monate  August  1857  an  einer  alten 
Gartenmauer  des  Dorfes  Radlitz,  etwa  eine  Stunde  Weges  von  Prag, 
bei  Formica  flava  L.  Im  folgenden  Jahre  im  FrĂĽhjahr  fand  ich  sie  in 
der  Scharka,  einer  ebenfalls  nicht  weit  von  Prag  entfernten,  wilden, 
felsigen  Gegend,  dann  an  zwei  Punkten  in  den  Schanzgräben  der 
Stadt  Prag  selbst.  In  der  Scharka  bei  F.  nigra,  an  den  beiden 
ĂĽbrigen  Standorten  bei  F.  flava. 

Im  heurigen  Jahre  wurde  ein  sehr  ausgiebiger  Fundort  bei 
dem  Dorfe  Kosif  von  einem  fleissigen  Entomologen  Herrn  Lokaj 
aufgefunden,  und  mir  gefälligst  mitgetheilt.  Hier  lebte  sie  sowohl  bei 
F.  flava  L.,   als  auch  bei  F.  aliena  För.  und  umbrata  Nyland. 

Systematische  Stellung  der  Gattung  Typhloniseus. 

Dass  vorliegende  Gattung  in  der  Unterclasse  der  Hedrio- 
phthalmen  zur  Ordnung  der  Isopoden,  und  in  dieser  zur  Familie  der 
Oniscoiden  gehöre,  braucht  wohl  kaum  erwähnt  zu  werden. 

Nach  Brand  t's  Eintheilung  in  seiner  Monographia  Crustaceo- 
rnm  Oniscoidorum  gehört  sie  zur  Tribus  Oniscinea,  die  sich  durch 
(i — Sgliedrige  äussere  Antennen  ,  so  wie  durch  zwei  Paare  von 
Schwanzanhängen  auszeichnet. 

Sil/.li   .1    mathein. -naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  9.  20 


280  s  c  h  ö  b  i. 

In  dieser  Tribus  gehört  sie  zur  Brandt'schen  Abtheilung  Por- 
ccllionea,  welche  durch  Schwanzanhäuge,  die  die  Körpergürtel  über- 
ragen, und  zweigliedrig  sind,  charakterisirt  ist.  In  der  ebenerwähn- 
ren  Abtheilung  gehört  sie  endlich  zur  Gruppe  Hexarthrica  nach 
Brandt.  Brandt  beschreibt  in  dieser  Gruppe  zwei  Gattungen  Tricho- 
niscus und  Platyarthrus.  Die  Gattung  Trichoniscus  muss,  meiner 
Ansicht  nach  ,  in  eine  ganz  andere  Gruppe  gebracht  werden.  Ich 
fand  wenigstens  bei  allen  Exemplaren,  die  ich  als  zur  Brandt'sehen 
Gattung  Trichoniscus  gehörig  hielt  ,  das  borstenförmige  Endglied 
der  äusseren  Antennen  aus  5 — 6  Gliedern  zusammengesetzt. 

Auch  in  Bezug  auf  Lebensweise  und  Anatomie  stehen  diese 
schnellen  lebhaften  Thierchen  den  Ligien  viel  näher,  als  den  Gat- 
tungen Ouiscus  und  Porcellio,  neben  welche  sie  von  Brandt  ge- 
stellt wurden.  Unterschiede  zwischen  diesen  Gattungen  und  meiner 
Gattung  Typhloniscus  anzuführen,  wäre  überflüssig. 

Die  zweite  Gattung  Platyarthrus  kenne  ich  nicht ,  und  muss 
mich  daher  blos  an  die  sehr  kurzen  und  dĂĽrftigen,  aus  acht  Worten 
bestehenden  Gattungsdiaguosen  wie  sie  Brandt  gibt,  halten,  und 
selbe  wörtlich  anführen: 

„Ultimus  antenarum  articnlus  couicus,  penultimus  oblougus 
dilatatus  compressus." 

Diese  Gattung  unterscheidet  sich,  wie  schon  aus  diesen  wenigen 
Worten  ersichtlich  ist ,  von  der  Gattung  Thyphloniscus  durch  die 
Beschaffenheit  des  fĂĽnften  oder  vorletzten  FĂĽlllergliedes,  welches 
jedenfalls  in  einem  ausgezeichneten  Grade  zusammengedrĂĽckt,  und 
flach  sein  muss,  da  sonst  Brandt  dieses  Merkmal  gewiss  nicht  als 
fast  alleiniges  Moment  seiner  kurzen  Diagnose  hervorgehoben  und 
auch  wohl  den  Gattungsnamen  nicht  darnach  gewählt  hätte. 

Analyse  der  Mundt heile. 

Da  bis  jetzt  in  keinem  zoologischen  Werke,  weder  eine  natur- 
getreue Darstellung  noch  eine  richtige  Deutung  der  Mundtheile  der 
Oniscoiden  ĂĽberhaupt  existirt;  ja  dieselben  vielmehr  in  vieler  Hin- 
sicht verkannt,  und  gänzlich  missgedeutet  wurden,  theilweise  auch 
noch  gar  nicht  bekannt  waren  ;  so  habe  ich  mich  bestrebt  diese 
Partie  mit  möglichster  Genauigkeit  und  Umsicht  zu  bearbeiten,  um  die 
bei  der  vorliegenden  Gattung  erzielten  Resultate  in  den  Hauptsachen 
für  die  ganze  Gruppe  der  Oniscoiden  gelten  lassen  zu  können. 


Typhloniscus.  287 

Die  Mundtheile  bestehen  aus  einer  Oberlippe,  einer  Zunge, 
vier  Kieferpaaren,  und  einem  bis  jetzt  unbekannt  gewesenen  sehr 
complicirten  System  vonChitinplättchen  und  Stäbchen,  die  unter  sich 
sowohl,  als  mit  den  Kieferpaaren,  und  der  Zunge  durch  eine  äusserst 
feine  Chitinmembran  verbunden  sind. 

Ich  nenne  diese  festen,  der  Zunge  und  den  zwei  mittleren 
Kieferpaaren  zur  Stütze  dienenden  Stäbchen:  Kieferzungengerüste, 
und  die  feine  Membran,  die  sie  verbindet,  und  welche  dieselbe 
Bedeutung  hat,  wie  die  Bänder  der  Wirbelthiere,  Bandhäutchen. 

Das   KieferzungengerĂĽste. 
Tafel  III,  Fig.   1—4. 

Das  KieferzungengerĂĽste  besteht  aus  drei  grossen,  mit  Fort- 
sätzen versehenen  Chitinplatten  und  zwei  kleinen  unbedeutenden 
Stäbchenpaareu.  Die  mittlere,  einem  Vogelzungenbein  mit  doppelten 
Hörnern  nicht  unähnlich  sehende  Platte  dient  hauptsächlich  der 
Zunge  zur  Unterstützung;  ich  nenne  sie  Zungenstütze,  während  die 
beiden  seitlichen  den  Muskeln  des  zweiten  Kieferpaares  zur  Anhaf- 
timg dienen,  und  KieferstĂĽtzen  heissen. 

Die  mittlere  unpaare  Platte  des  KieferzungengerĂĽstes  oder  die  ZungenstĂĽtze. 

Taf.  IM,  Fig.  1. 

Diese  Platte  liegt  vorne  in  der  Mittellinie  des  Kopfes,  unmittel- 
bar unter  dem  vierten  Kieferpaare,  und  erstreckt  sich  von  der  Basis 
des  Kopfes  bis  zum  Grunde  der  Zunge. 

Sie  stellt  im  Ganzen  ein,  in  der  Mittellinie  gelegenes,  an  meh- 
reren Stellen  aufgetriebenes,  vorn  und  oben  aufgeschlitztes,  hohles 
Chitinstäbchen  dar,  von  dem  zwei  paar  Fortsätze  nach  unten,  oder 
wenn  man  das  Thier  in  natĂĽrlicher  Lage  betrachtet,  nach  hinten 
abgehen. 

Am  oberen  Ende  der  Platte  ist  der  Grund  der  Zunge  eingelenkt, 
und  überdies  geht  von  hieraus  ein  kleines  Chitinstäbchen  zur  inneren 
Lade  des  zweiten  Kieferpaares.  Etwas  unterhalb  der  Zungeninsertion 
erweitert  sie  sich  bauchig,  um  sich  vor  der  Abgangsstelle  des  ersten 
Fortsatzpaares  wieder  zu  verengern.  Eine  ähnliche  Auftreibung  be- 
findet sich  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Fortsatzpaare.  In  der 
oberen  Hälfte  vorne  in  der  Medianlinie  ist  diese  Hohlplatte  aufge- 
schlitzt, und  zwar  ist  der  Schlitz  oben  am  weitesten,  verengert  sich 

20* 


288  S  c  h  8  b  1. 

dann  in  der  Gegend  der  oberen  Auftreibung  und  erweitert  sieb  hier- 
auf wieder  zwischen  dem  oberen  Fortsatzpaare. 

Das  erste  Fortsalzpaar  (a)  entspringt  ungefähr  in  der  Hälfte 
der  Hohlplatte  und  ist  den  Hörnern  eines  Vogelzungenbeines  nicht 
unähnlich, krümmt  sich  anfangs  bogenförmig  nach  unten  oder  hinten, 
hierauf  verlaufen  die  sich  allmählich  verschmälernden  Enden  der 
Medianplatte  fast  parallel.  An  die  Spitzen  dieser  Fortsätze  stützen 
sich  gleichfalls  Fortsätze  der  beiden  grossen  seitlichen  Platten  des 
Kieferzungengerüstes.  Das  zweite  Paar  Fortsätze  (6)  geht  unter 
einem  sehr  flachen  Bogen  im  unteren  Viertheil  von  der  Mittelplatte 
ab,  und  nimmt  im  weiteren  Verlaufe  eine  auf  diese  Platte  fast  senk- 
rechte Richtung  an. 

An  diese  Fortsätze  befestigt  sich  das  dritte  Kieferpaar. 

Die  beiden  seitlichen  Platten  des  KieferzungengerĂĽstes  oder  die  KieferstĂĽtzen. 

Taf.  III,  Fig.  2. 

Diese  Platten  liegen  zu  beiden  Seiten  der  frĂĽher  beschriebenen, 
zugleich  aber  tiefer  in  der  Mundhöhle  eingesenkt.  Jede  dieser 
Platten  besitzt  drei  Fortsätze  und  eine  dütenformig  nach  hinten 
gekrĂĽmmte  flache  Ausbreitung. 

Der  längste  Fortsatz  (a)  begibt  sich  nach  oben,  oder  in  natür- 
licher Lage  des  Thieres  nach  vorne,  und  senkt  sich  tief  in  die  Kopf- 
höhle hinein,  um  sich  mit  seinem  flach  ausgebreiteten  Ende  an  die 
Innenfläche  der  oberen  harten  Kopfbedeckung,  zwischen  den  Muskeln 
des  ersten  Kieferpaares  festzuhaften.  Nach  innen  zu  ĂĽbergeht  dieser 
Fortsatz  fast  seiner  ganzen  Länge  nach  in  die  schon  erwähnte  flache 
Ausbreitung,  welche  den  Muskeln  des  zweiten  Kieferpaares  zum 
Ansatzpunkte  dient.  Der  zweite  Fortsatz  (b)  ist  bedeutend  kĂĽrzer, 
begibt  sich  nach  unten  und  innen,  und  lehnt  sich  daselbst  an  das 
erste  Fortsatzpaar  der  ZungenstĂĽtze. 

Der  dritte  Fortsatz  (c)  ist  der  kĂĽrzeste  von  allen,  und  lehnt 
sich  an  einen  ähnlichen  Fortsatz  des  Grundstückes,  des  zweiten 
Kieferpaares.  Die  ganze  Platte  dient  vor  allem  andern  den  zahl- 
reichen Muskeln  des  zweiten  Kieferpaares  zur  Insertion. 

Das  erste  Paar  der  zum  Kieferzungengerüste  gehörigen  kleinen 
Chitinstäbchen  (Taf.  III,  Fig.  3)  liegt  unmittelbar  unter  dem  Grunde 
der  Zunge.  Es  verbindet  das  obere  Ende  der  ZungenstĂĽtze  mit 
der  inneren  Lade  des  zweiten  Kieferpaares. 


Typ  klon  ist- us.  280 

Das  zweite  Paar  (Taf.  III,  Fig.  4)  verbindet  die  Enden  der 
unteren  Zungenstützen-Fortsätze  mit  dem  Grundstücke  des  zweiten 
Kieferpaares. 

Das  Bandhäutchen  Membrana  colligatrix. 
Taf.  III. 

Diese  äusserst  feine  Membran  entspringt  aus  der  im  unteren 
Drittheil  der  äusseren  Lade  des  zweiten  Kieferpaares  befindlichen 
spaltförmigen  Öffnung,  welche  den  Muskeln  der  betreffenden  Lade 
den  Durchtritt  gestattet. 

Von  dieser,  etwa  ein  Drittel  der  Länge  der  ganzen  Lade  betra- 
genden Insertionsstelle,  begibt  sich  dieses  Häutchen  ,  zahlreiche 
Falten  bildend,  schief  nach  innen  und  oben,  um  daselbst  in  den 
verbreiterten  Theil  der  inneren  Lade  desselben  Kieferpaares  zu 
übergehen;  weiter  nach  unten  verläuft  es  weniger  schief  zum  unteren 
stielförmigen  Theil  der  inneren  Lade,  umkleidet  das  Grundstück  des 
zweiten  Kieferpaares  und  schlägt  sich  dann  auf  die  beiden  Fortsatz- 
paare und  die  Medianplatte  der  ZungenstĂĽtze,  ĂĽbergeht  auf  das  obere 
kleine  Stäbchenpaar  des  Kieferzungengerüstes,  und  auf  den  Zungen- 
grund. Während  es  seillich  in  die  Zunge  übergeht,  und  daselbst 
unter  zahlreichen  Faltungen  frei  halbkreisförmig  zu  beiden  Seiten 
endigt,  schlägt  sich  eine  Partie  vom  unteren  leistenförmig  verdickten 
Grunde  der  Zunge  auf  die  zwischen  den  beiden  Zungenlappen 
befindliche  dreieckige  Falte  und  ĂĽbergeht  mit  dieser  in  die ,  den 
Ă–sophagus  auskleidende  innerste  Chitinmembran. 

Ich  habe  das  KieferzungengerĂĽste  schon  vor  Jahren  bei  den 
grösseren  Arten  der  Oniscoiden,  namentlich  bei  Porcellio  und  Onis- 
cus,  theilweise  gekannt,  wusste  es  jedoch  bei  der  verwirrten  Deutung 
der  Kieferpaare,  wie  sie  sich  in  den  HandbĂĽchern  der  Zoologie  findet, 
nicht  recht  irgendwo  unterzubringen,  bis  sich  mir,  nachem  ich  die 
Kieferpaare  naturgemäss  festgestellt  hatte,  seine  Bedeutung  von 
selbst  ergab. 

Meines  Wissens  ist  ein  solches  GerĂĽste  weder  bei  einer  andern 
Ordnung  der  Crustaceen,  noch  bei  einer  andern  Classe  der  Arthro- 
poden vorhanden,  es  bildet  somit  eine  EigenthĂĽmlichkeit  derlsopoden. 
Treviranus  sowie  auch  Brandt  haben  das  KieferzungengerĂĽste 
entweder  gar  nicht  gesehen,  oder  einzelne  Bestandtheile  fĂĽr  Kiefer- 


290  s  c  b  ö  i,  i. 

bestandtheile  gehalten ,    was  bei  der  mangelhaften  Darstellung  der 
Kiefer  schwer  zu  entscheiden  ist. 

Das  erste  Kieferpaar. 
Taf.  IV,  Fig.  2,  3,  4. 

Das  erste  Kieferpaar  stellt  ein  hohles,  sehr  festes  Chitingebilde 
dar,  welches  von  vorne  angesehen  abgerundet  rechteckig  erscheint 
und  an  der  Stelle  des  inneren  obern  Winkels  einen  bedeutenden 
nach  innen  gerichteten  zahntragenden  Fortsatz  besitzt,  welcher  sich 
zugleich,  sich  allmählich  verschmälernd,  und  zuschärfend,  tief  in  die 
Mundhöhle  einsenkt.  Dieses  Kieferpaar  ist  mit  seiner  unteren  Kante 
an  einem,  nach  unten  umgeschlagenen  Lappen  der  allgemeinen  festen 
äusseren  Kopfbedeckung  charnierartig  eingelenkt. 

Die  Bezahnung  ist  an  den  Kiefern  beider  Seiten  etwas  ver- 
schieden. Der  rechte  Kiefer  in  der  natĂĽrlichen  Lage  des  Thieres 
oder  der  linke,  wenn  man  das  Thier  von  unten  betrachtet  (Taf.  IV, 
Fig.  3)  besitzt  an  dem  zahntragenden  Fortsatze  vier  dunkel  roth- 
braun emaillirte  Zähne,  die  je  zwei  und  zwei  einander  genähert 
sind.  Das  erste  Zahnpaar  ist  bei  natĂĽrlicher  Lage  des  Kiefers  allein 
sichtbar  (Fig.  2).  Das  zweite  Zahnpaar  ist  etwas  kĂĽrzer  als  das 
erste,  liegt  weiter  nach  hinten  oder  in  natĂĽrlicher  Lage  tiefer  in  die 
Mundhöhle  eingesenkt. 

Die  Zähne  dieses  Paares  sind  etwas  stumpfer  und  kürzer  als 
die  des  ersten,  und  von  den  letzteren  durch  eine  tiefe  Kluft  getrennt. 
Hierauf  folgt  noch  weiter  nach  hinten  ein  weisser  Zahn,  der  mit  zwei 
Zahnspitzen  versehen  ist.  Von  da  aus  verläuft  die  innere  Kante  des 
zahntragenden  Fortsatzes  schief  nach  abwärts,  und  trägt ,  unmittel- 
bar neben  dem  Grunde  des  weissen  Zahnes ,  ein  schmales  pinsel- 
förmiges, biegsames  und  bewegliches  Chitingebilde,  welches  mit 
einigen  äusserst  feinen  Härchen  versehen  ist.  Hierauf  folgt  ein  klei- 
nes, äusserst  spitzes,  nach  hinten  gerichtetes,  weisses  Zähnchen, 
und  endlich  am  hintersten,  etwas  hervorgezogenen  Winkel  am  tiefsten 
in  der  Mundhöhle,  vier  starke,  ungleich  lange  Chitinborsten. 

Der  linke  Kiefer  oder  von  unten  betrachtet  der  rechte  (Fig.  3), 
besitzt  vorne  fünf  rothbraun  emaillirte  Zähne,  welche  in  verschiede- 
nen Ebenen  liegen,  und  nicht  paarweise  einander  genähert  sind. 
Drei  davon  sind  dunkler,  zwei  blässer  emaillirt.  Hierauf  folgen  nach 
hinten  zu,  auf  einer  Hervorragung,  zwei   von  den  frĂĽher   beschrie- 


Typkloniscus.  291 

henen  pinselförmigen  Gebilden,  dann  das  kleine  scharfe  weisse  Zähn- 
chen und  endlich  das  Ende  mit  den  vier  Borsten. 

Es  unterscheidet  sich  somit  dieser  Kiefer  von  dem  der  andern 
Seite  durch  Zahl  und  Lage  der  rothemaillirten  Zähne,  durch  den 
Mangel  des  weissen  zweispitzigen  Zahnes  unmittelbar  hinter  den- 
selben, und  durch  den  Besitz  zweier  pinselförmigen  Gebilde. 

Betrachtet  man  diese  Kiefer  von  hinten,  so  findet  man  in  der 
inneren  Partie  eine  abgerundet  pentagonale  Ă–ffnung,  welche  den 
Bündeln  des  überaus  kräftigen  Kaumuskels  dieses  Kieferpaares  den 
Durchtritt  in  die  innere  Höhlung  gestattet. 

Was  die  Deutung  dieses  Kieferpaares  anbelangt,  so  kann  hier- 
ĂĽber auch  nicht  der  geringste  Zweifel  entstehen. 

Als  erster  paariger,  gelenkig  eingefĂĽgter  Anhang  des  Kopfes, 
die  Gruppe  der  FĂĽhler  ungerechnet,  entspricht  dieses  Kieferpaar 
offenbar  dem  ersten  Kieferpaare  aller  ĂĽbrigen  Crustaceen,  so  wie  den 
Mandibeln  der  Hexapoden,  und  in  der  Classe  der  Arachniden  sowohl 
dem  haarigen  tastertragenden  Lappen  der  Araneiden,  als  auch  den 
Scheeren  der  Scorpioniden. 

Es  ist  aber  auch  dieses  Kieferpaar  das  einzige,  in  Bezug  auf 
dessen  Deutung  ich  mit  den  ĂĽbrigen  Schriftstellern  ĂĽberhaupt  und 
mit  Brandt  insbesondere  ĂĽbereinstimme,  obzwar  auch  dieses  noch 
nirgends  naturgetreu  abgebildet  und  richtig  beschrieben  worden  ist. 

Das  zweite  Kieferpaar. 
Taf.  IV,  Fig-.  5. 

Das  zweite  Kieferpaar  besteht  aus  zwei  Laden  und  einem 
GrundstĂĽck. 

Die  äussere  Lade  (Taf.  IV,  Fig.  5 «). 

Diese  Lade  stellt  eine  lange,  schmale,  hohle  Chitinplatte  dar, 
welche  am  oberen  zahntragenden  Ende  etwas,  am  unteren  stark 
zugespitzt  ist  und  an  der  hinteren  Fläche  gegen  die  äussere  Kante 
zu  eine  längliche,  spaltförmige  Öffnung  zum  Durchtritt  des  betref- 
fenden Kaumuskels  besitzt. 

In  der  Mitte  verlaufen  beide  Kanten  dieser  Lade  so  ziemlich 
parallel.  Die  äussere  verläuft  im  oberen  Drittheil  schief  nach  innen 
zu  und  ist  an  dieser  Stelle  mit  einer  dichten  Reihe  von  Chitinborsten 
besetzt.  Die  innere  Kante  dagegen  läuft  im  unteren  Drittheil  schief 
nach  aussen,  so  dass  dieLade  nach  unten  zu  sich  allmählich  zuspitzt. 


292  S  c  h  ö  b  I. 

Am  oberen,  etwas  schief  nach  innen  und  unten  abgestutzten  Ende 
der  Lade  befindet  sich  eine  Reihe  dunkel  rothbraun  emaillirter, 
schmaler,  nach  innen  gekrümmter  Zähne.  Solcher  Zähne  gibt  es  sieben 
und  sie  nehmen  von  aussen  nach  innen  an  Stärke  und  Länge  ab. 

Die  innere  Lade  (Taf.  IV,  Fig.  55). 

Die  innere  Lade  ist  viel  schwächer  als  die  äussere.  In  der 
unteren  Hälfte  ihrer  Länge  ist  sie  stielrund,  in  der  oberen  Hälfte 
wird  sie  flach  und  ĂĽbergeht  daselbst  nach  aussen  zu  unmittelbar  in 
das  Bandhäutchen ,  mittelst  welchem  sie  nach  aussen  hin  an  die 
äussere  Lade  und  nach  innen  zu  durch  das  obere  Stäbchen  des  Kie- 
ferzungengerĂĽstes an  die  ZungenstĂĽtze  locker  festgeheftet  wird. 

Das  obere  Ende  dieser  Lade  ist  schief  nach  innen  und  unten 
abgestutzt  und  trägt  daselbst  zwei  pinselartige,  dicht  behaarte 
Gebilde. 

Das  GrundstĂĽck  des  zweiten  Kieferpaares. 
Taf.  IV,  Fig.  5  c. 

Das  GrundstĂĽck  ist  eine  ziemlich  flache,  am  Vorderrande  etwas 
eingerollte  Chitinplatte,  an  der  man  vier  Fortsätze  wahrnimmt.  Der 
erste  Fortsatz  liegt  nach  aussen  und  unten,  endet  unter  einem  abge- 
rundeten, fast  rechten  Winkel  und  articulirt  mit  der  daselbst  einge- 
fügten äusseren  Lade. 

Der  zweite  oder  innere  untere  Fortsatz  ist  mehr  stielförmig  und 
trägt  die  innere  Lade. 

Der  dritte  oder  innere  hintere  Fortsatz  erweitert  sich  gegen 
das  Ende  zu  beilförmig  und  lehnt  sich  an  den  inneren  langen  Fort- 
satz der  KieferstĂĽtze  der  betreffenden  Seite. 

Der  letzte  Fortsatz  ist  unbedeutend  und  legt  sich  an  den  kĂĽr- 
zesten äusseren  Fortsatz  der  eben  erwähnten  Kieferstütze. 

Als  zweiter,  abgegliederter,  paariger  Anhang  des  Kopfes  ent- 
spricht dieses  Kieferpaar  dem  zweiten  Kieferpaare  der  Decapoden, 
sowie  den  Maxillen  der  Hexapoden. 

Brandt  (in  der  medizinischen  Zoologie)  beschreibt  sein  zwei- 
tes Kieferpaar  als  einen  länglichen,  zahnlosen,  knorpeligen  Theil. 
Diese  Brandt'sche  Beschreibung  passt  auch  nicht  im  Entferntesten 
auf  eines  der  vier  von  mir  aufgestellten  Kieferpaare.  Welches  Ge- 
bilde, ob  einen  Theil  meines  KieferzungengerĂĽsfes  oder  sonst  etwas 


Typh  loniscus.  293 

Anderes  Brandt  für  Kiefer  gehalten  hat,  lässt  sich  bei  der  kurzen 
Beschreibung  und  mangelhaften  Abbildung  nicht  entscheiden. 

Dass  von  einem  Knorpel  keine  Rede  sein  kann,  brauche  ich ,  da 
alle  Mundtheile  aus  Chitin  bestehen  und  nur  der  Kaumagen  einige 
mit  kohlensaurem  Kalk  imprägnirte  Bestandteile  besitzt,  kaum  zu 
erwähnen.  Die  Abbildung  des  zweiten  Kieferpaares  bei  Trevi- 
ranus  (in  dessen  vermischten  Schriften)  ist  gleichfalls  unkenntlich. 

Das  dritte  Kieferpaar. 
Taf.  IV,  Fig.  6. 

Das  dritte  Kieferpaar  stellt  eine  lange,  ziemlich  breite,  abge- 
rundet rechteckige  Platte  dar,  welche  auf  der  äusseren  Kante  unten 
einen  Einschnitt  besitzt  und  theils  an  die  Medianleiste,  theils  an  die 
unteren  Fortsätze  der  Zungenstütze  sich  festheftet. 

Auch  diese  Kieferplatte  ist  ein  hohles  Organ,  nur  ist  die  sie 
bildende  Chitinmembran  im  Vergleich  zu  den  ĂĽbrigen  drei  Kiefer- 
paaren äusserst  zart  zu  nennen,  und  die  ganze  Kieferplatte  erscheint 
dessbalb  dem  flĂĽchtigen  Beobachter  als  eine  einfache  scharf  begrenzte 
Platte.  Das  obere  Ende  dieser  Kieferplatten  ist  zweilappig  ,  der 
Innenlappen  ist  viel  breiter  und  trägt  einen  Bündel  kräftiger,  am 
obern  Ende  hakig  nach  innen  gekrümmter  Chitinborsten  oder  Zähn- 
chen. Die  die  beiden  Lappen  trennende  Spalte  ist  kurz  und  verläuft 
senkrecht. 

Unterhalb  des  Innenlappens  von  der  innern  Kante  aus  läuft  im 
Innern  des  Kiefers  eine  feste,  dem  ganzen  Kiefer  mehr  Steifheit 
gewährende  Chitinleiste,  welche  sich  zunächst  unter  einem  flachen 
Bogen  nach  aussen  krĂĽmmt,  dann  aber  gegen  die  Basis  des  Kiefers 
zu  eine,  einem  lateinischen  S  ähnliche  Krümmung  beschreibt  und 
sich  dann  am  untern  Fortsatz  der  ZungenstĂĽtze  festheftet. 

Der  äussere  Lappen  sowohl  als  der  innere  tragen  ein  Paar 
unbedeutende  Chitinborsten. 

Dieses  Kieferpaar  bildet  den  letzten  paarigen  Anhang  des  eigent- 
lichen Kopfes,  da  das  folgende  schon  ein  metamorphosirtes  Fusspaar 
ist  und  eigentlich  dem  mit  dem  Kopfe  verschmolzenen  Prothorax 
angehört.  Es  entspricht  somit  einem  Theile  der  Unterlippe  der  Hexa- 
potlen,  den  Tasterstämmen  mit  den  Lippentastern. 

Brandt's  drittes  Kieferpaar  soll  länglich-viereckig  sein  und  am 
emaillirten  Ende  4 — 5  Zähnchen  tragen. 


294  schö  b  i. 

Mit  meinem  dritten  Kieferpaar  stimmt  diese  Beschreibung  durch- 
aus nicht  überein;  vielleicht  dürfte  darunter  die  äussere  Lade  meines 
zweiten  Kieferpaares  gemeint  sein.  Die  T  r  e  v  i  r  a  n  u  s'sc  h  e  Abbildung 
ist  unkenntlich. 

Das  vierte  Kieferpaar. 
Taf.  IV,  Fig.  7. 

Das  vierte  Kieferpaar  bildet  das  Schlussstück  der  Kopfhöhle 
nach  unten.  Es  besteht,  im  weiteren  Sinne  genommen,  aus  drei 
Paaren  gesonderter  und  unter  einander  abgegliederter  Platten,  von 
denen  das  bedeutendste  und  grösste  die  eigentlichen  Kiefern  dar- 
stellt, während  die  beiden  andern,  meiner,  auf  entwicklungsgeschicht- 
liche  Studien  gestützten  Ansicht  nach,  den  rudimentären,  mit  dem 
Kopfe  verschmolzenen ,  dem  Prothorax  der  Hexapoden  entsprechen- 
den ersten  Körpergürtel  darstellen. 

1.  Das  eigentliche  vierte  Kieferpaar. 

Taf.  IV,  Fig.  7  a,  b. 

Theils  vergleichend  anatomische,  theils  entwickelungsgeschicht- 
liche  Untersuchungen  dieses  Organs  bei  den  verschiedenen  Gattun- 
gen der  Oniscoiden  haben  mich  zu  der  Ăśberzeugung  gefĂĽhrt,  dass 
nur  das  grosse  mittlere  Plattenpaar  als  viertes  Kieferpaar  betrachtet 
werden  kann,  während  die  übrigen  zwei  Plattenpaare,  die  man  sonst 
mit  jenem  zusammenzuwürfeln  pflegte,  wie  ich  schon  vorhin  erwähnt 
habe,  ganz  anderen  Gebilden  angehören. 

Jeder  Kiefer  ist  hohl  und  besteht  aus  einer  abgerundet  recht- 
eckigen Grundplatte  und  einem  bezahnten  und  beweglich  eingelenk- 
ten KaustĂĽcke. 

q)  Die  Grundplatte  (Taf.  IV,  Fig.  7«). 

Die  Grundplatte  ist  ein  flaches  hohles  Gebilde  von  beträcht- 
licher Grösse  und  bedeckt  von  unten  den  grössten  Theil  der  Kopf- 
höhle. Ihre  Gestalt  ist,  im  Ganzen  genommen,  rechteckig.  Die  bei- 
den äusseren  Winkel  sind  jedoch  sehr  stark  abgerundet;  der  innere 
untere  bildet  dagegen  einen  rechten  Winkel  und  der  innere  obere 
ist  zu  einem  rechteckigen  Fortsatz  vorgezogen. 

Die  Grundplatte  besteht  aus  einer  vorderen  harten,  festen  Chi- 
tinla  melle  und  einem  hinteren  zarten  Chitinhäutchen,  zwischen  denen 


Typhloniscua.  ü»95 

Chitinleiste»,  sowie  die  das  Kaustück  bewegende»  Muskeln  einge- 
schlossen sind. 

Die  zwei  vorhandenen  Chitinleisten  sind  dazu  bestimmt,  das 
unmittelbare  Anlegen  der  hinteren  feinen  Membran  an  die  Muscula- 
tur  des  Kaustückes  zu  verhindern.  Die  eine  Leiste  verläuft  am  Innen- 
rande der  Platte ,  die  zweite  vom  äusseren  untern  Winkel  bogen- 
förmig, mit  der  Convexität  nach  aussen,  gegen  die  Mitte  der  vorigen 
Leiste,  woselbst  sie  durch  eine  breite  Commissur  mit  derselben  ver- 
bunden ist  und  dann  fast  geradlinig  zum  inneren  obern  Winkel  ver- 
läuft. An  der  vorderen  Lamelle  bemerkt  man  eine  zellenartige  regel- 
mässige Structur,  die  der  Entstehung  aus  den  Furchungskugeln  im 
Embryoleben  zu  entsprechen  scheint.  Auch  ist  nicht  selten  die  vor- 
dere Fläche  derselben  mit  feinen  Härchen  besetzt,  und  am  äusseren 
obern  Winkel  verläuft  eine  Reihe  äusserst  zarter  Wimpern. 

b)  Das  KaustĂĽck  (Taf.  IV,  Fig.  76). 

Das  KaustĂĽck  stellt  ein  ungleichseitig  dreieckiges,  etwas 
gekrĂĽmmtes,  scharf  zugespitztes  hohles  Gebilde  dar,  welches  am 
oberen  Ende  zwischen  den  beiden  oberen  Winkeln  der  Grundplatte 
mittelst  eines  Winkelgelenkes  eingefĂĽgt  ist. 

Die  Basis  des  KaustĂĽckes  ist  die  kĂĽrzeste  seiner  Seiten,  und 
am  inneren  Basalwinkel  befestigt  sich  die  Sehne  des  Beugemuskels, 
am  äusseren  die  des  Streckmuskels. 

Die  innere  Seite  ist  die  längste ,  sie  ist  in  der  unteren  Hälfte 
convex,  in  der  oberen  concav  und  besitzt  ungefähr  in  der  Mitte  zwei 
sehr  spitzige  Zähne.  Die  äussere  Seite  ist  ein  Segment  eines  sehr 
tlachen,  sich  einer  Geraden  nähernden  Bogens.  Die  Spitze  des  Kau- 
stückes ist  zahnartig  verlängert. 

Meinen  Untersuchungen  zufolge  ist  das  eben  beschriebene  Kie- 
ferpaar nichts  anderes,  als  das  metamorphosirte  Fusspaar  des  Protho- 
rax, und  es  entspricht  die  Grundplatte  dem  ersten  langen  Fussgliede, 
das  KaustĂĽck  den  ĂĽbrigen  Gliedern. 

Schon  Gestalt  und  Gliederung  dieser  Kieferplatten  ist  von  der 
der  eigentlichen  drei  Kieferpaare  durchaus  verschieden.  An  keinem 
eigentlichen  Kiefer  finden  wir  eine  bewegliche  Gliederung  desselben 
in  ein,  zwei  oder  mehrere  ĂĽber  einander  liegende  Theile  wie  hier  in 
die  Grundplatte  und  das  KaustĂĽck,  welch'  letzteres  selbst  sogar  noch 


296  s  c  h  ö  l  i. 

Spuren  einer  weitern  Gliederung  zeigt,   die  bei  anderen  Gattungen 
der  Oniscoiden,  z.  B.  Ligidium,  viel  deutlicher  ausgeprägt  ist. 

Überdies  enthält  kein  Kieferpaar  Muskeln  ganz  in  seinem 
Innern  eingeschlossen,  wie  das  bei  der  Musculatur  des  KaustĂĽckes 
der  Fall  ist,  sondern  die  Kaumuskeln  aller  echten  Kieferpaare  drin- 
gen von  aussen  in  die  Höhlung  des  Kiefers. 

Ferner  beweist  auch  die  Entwickelungsgeschichte  die  Analogie 
dieser  Kieferplatte  mit  Fusspaaren,  indem  man  bei  einem  Embryo 
von  zwei  bis  drei  Wochen  noch  nicht  im  Stande  ist,  sie  von  den 
Letzteren  zu  unterscheiden. 

Gleich  in  den  ersten  Tagen  des  Embryolebens,  nachdem  sich 
Ăźildungs-  und  Nahrungsdotter  gesondert  haben,  bilden  sich  am  vor- 
dem Ende  des  Embryo  aus  den  Furchungskugeln  fĂĽnf  Paare  von 
Lappen  und  ein  eingeschnittener  Lappen,  hierauf  folgen  sieben  län- 
gere Lappenpaare,  und  endlich  fĂĽnf  ganz  kleine  Doppellappenpaare. 

Die  ersten  zwei  Lappenpaare  gliedern  sich  frĂĽhzeitig  und  sind 
von  sehr  verschiedener  Grösse;  aus  dem  ersteren  entwickeln  sich 
die  äusseren,  aus  dem  letzteren  die  inneren  Fühler,  der  zweispaltige 
Lappen  wird  zur  Zunge,  die  folgenden  drei  Lappenpaare  bleiben 
ungegliedert  und  liefern  die  drei  eigentlichen  Kieferpaare;  die  sieben 
längeren  Lappenpaare  gliedern  sich  allmählich,  sind  anfangs  voll- 
kommen gleich  und  später  modificirt  sich  das  erste  zum  vierten  Kie- 
ferpaare,  die  folgenden  liefern  sechs  Fusspaare.  (Bekanntlich  ent- 
steht das  siebente  Fusspaar  erst  lange  nachdem  die  Embryonen  die 
Eischale  und  die  Bruthöhle  der  Mutter  verlassen  haben.)  Die  letzten 
Lappen  endlich  liefern  Respirationsorgane  und  männlicheBegattungs- 
organe. 

Ich  glaube,  dass  schon  diese  äusserst  flüchtige  Skizzirung  der 
Entwicklung  ,  der  gegliederlen  paarigen  Anhänge  der  Oniscoiden 
genĂĽgen  wird,  meine  Ansicht  ĂĽber  die  Bedeutung  des  vierten  Kiefer- 
paares hinreichend  zu  unterstĂĽtzen,  und  ich  brauche  kaum  eines 
Falles  von  Missbildung  zu  erwähnen,  den  ich  unter  den  vielen  Tau- 
send Asseln,  die  ich  untersuchte,  fand,  wo  nämlich  auf  der  nur  in 
der  untern  Hälfte  entwickelten  Grundplatte  des  vierten  Kieferpaares 
noch  vier,  ganz  normale,  unveränderte  Fussglieder  sassen. 

Dasselbe  Resultat,  zu  dem  ich  durch  objective  Untersuchung 
und  Vergleichung  gelangte  ,  Hess  sich  schon  auch  a  priori  durch 
Vergleichung  der  Zahlenverhältnisse,  auf  deren  Wichtigkeit  im  Plane 


Typhtonisuts.  297 

der  Arthropoden  Herr  Professor  Dr.  Stein  mich  durch  seine  Vor- 
lesungen aufmerksam  machte,  zuerst  hingewiesen   hat,  erwarten. 

Zieht  man  nämlich  von  den  sieben  Körpergürteln  der  Isopoden, 
von  hinten  angefangen,  fĂĽnf  fĂĽr  das  bei  den  Crustaceen  fast  stets 
fĂĽnfgliederige  Proabdomen  ab,  so  bleiben  nach  vorne  zu  noch  zwei 
GĂĽrtel  ĂĽbrig,  die  unstreitig  nur  dein  Meso-  und  Metathorax  der  Hexa- 
poden  entsprechen  können.  Der  Gürtel  des  Prothorax  fehlt.  Am  Kopfe 
hingegen  findet  man  ausser  den  FĂĽhlern  vier  Paare  gegliederter 
Anhänge,  von  denen  die  drei  ersteren  denen  der  Hexapoden  ent- 
sprechen ,  der  letzte  bleibt  übrig.  Es  muss  also  der  am  Körper  feh- 
lende Prothoraxgürtel  rudimentär  geworden  und  mit  dem  Kopfe 
verschmolzen  sein,  und  sein  Fusspaar  sich  zum  vierten  Kieferpaare 
metamorphosirt  haben. 

2.  Die  Prosternalplatten. 

Taf.  IV,  Fig.  7  d. 

Die  Prosternalplatten  sind  klein,  länglich  rechteckig,  in  der 
Mitte  durch  eine  Nath  vereinigt  und  an  der  untern  Kante  unter 
einem  rechten  Winkel  nach  innen  umgeknickt  und  hängen  nach 
abwärts  durch  eine  feine  Chitinmembran  mit  den  Bauchplatten  des 
ersten  Körpergürtels  zusammen,  während  ihre  obere  Kante  die  Grund- 
platten des  vierten  Kieferpaares  trägt.  Die  Prosternalplatten  gehören 
dem  rudimentären  Prothorax  an  und  entsprechen  den  beiden  durch 
Nath  vereinigten  BauchgĂĽrteln  der  ĂĽbrigen  entwickelten  Segmente. 

Die  Lateralplatten. 

Taf.   IV,  Fig.  7  e. 

Diese  Platten  sind  schmal  abgerundet  dreieckig  und  endigen 
mit  einem  feinen  zipfelförmigen  Chitinhäutchen.  Sie  sind  mittelst 
ihres  inneren  abgestutzten  Winkels  an  die  äussere  Kante  der  Pro- 
sternalplatten geheftet,  während  ihre  untere  Seite  gleichfalls  mittelst 
jenes  früher  erwähnten  Chitinhäutchens  mit  dem  Baucbgürtel  des 
folgenden  Segmentes  zusammenhängt. 

Die  Lateralplatten  sind  gleichfalls  Gebilde  des  Prothorax  und 
entsprechen  den  Seitenfortsätzen,  vielleicht  auch  einem  Theile  der 
RĂĽckengĂĽrtel  der  ĂĽbrigen  Segmente. 

Brandt  (in  der  mediz.  Zoologie,  pag.  72,  II.  Band,  Taf.  XV, 
Fig.  30  g  und    h,   beschreibt   mein    viertes    Kieferpaar   als   untere, 


298  s  c  h  ö  b  i. 

eigentliche,  getheilte  Unterlippe  und  hält  meine  Kaustücke  des  vierten 
Kieferpaares  fĂĽr  zweigliederige  Palpen  und  die  Lateralplatten  fĂĽr  die 
obere,  getheilte  Unterlippe.  Die  Prosternalplatten  hat  er  ĂĽbersehen. 

Dass  diese  Brand  tsclie  Deutung  meines  vierten  Kieferpaares 
als  Unterlippe  durchaus  unnatĂĽrlich  ist,  ergibt  sich  schon  aus  dem 
frĂĽher  Gesagten  ,  und  ĂĽberdies  widerlegt  sich  diese  Ansicht  durch 
sich  selbst.  Brandt  beschreibt  ausser  dieser  seiner  Unterlippe  noch 
eine  Zunge  und  vier  Kieferpaare.  Es  könnte  somit  dieses  Organ,  da 
es  weder  mit  der  Zunge,  noch  mit  den  rudimentären  Kiefern  (Taster- 
stämmen der  Hexapoden)  vereiniget  ist,  einzig  und  allein  dem  Men- 
tum  der  Hexapoden  entsprechen;  und  wie  könnte  es  als  solches 
Palpen  tragen,  die  ihm  Brandt  zuschreibt,  und  die  nur  an  Kiefern 
(wenn  auch  an  rudimentären)  vorkommen.  Auch  hat  das  Kaustück 
mit  einer  Palpe  nicht  die  geringste  Ähnlichkeit.  Mir  wenigstens  ist 
kein  Fall  bekannt,  wo  sich  Palpen  in  dieser  Weise  inseriren  wĂĽrden, 
kräftige  Beug-  und  Streckmuskeln  besässen,  mit  Zähnen  versehen 
wären  und  wirklich  zum  Kauen  verwendet  würden. 

Die  Bezeichnung  der  Lateralplatten  als  weit  auseinandergerĂĽckte 
Hälften  einerobern  getheilten  Unterlippe  scheint  mir  ebenso  gezwun- 
gen und  unnatĂĽrlich  ,  als  es  aller  Analogie  im  ganzen  Plane  der 
Arthropoden  entbehrt.  Man  kann  ĂĽberhaupt  bei  den  Isopoden  von 
einer  Unterlippe  im  Sinne  der  Hexapoden  nicht  sprechen,  da  diese 
das  SchlussstĂĽck  der  eigentlichen  Mundtheile  und  des  eigentlichen 
Kopfes  nach  unten  bildet;  bei  den  Isopoden  aber  der  Prothorax  mit 
dem  Kopfe  verschmolzen  ist  und  also  das  unterste  Gebilde  nicht  dem 
eigentlichen  Kopfe,  sondern  nothwendigerweise  dem  Prothorax  ange- 
hören muss. 

Wie  es  Brandt  angestellt  hat,  dass  er,  trotzdem  er  das  Organ, 
von  dem  ich  nachgewiesen  habe,  dass  es  nothwendigerweise  das 
vierte  Kieferpaar  sein  muss  ,  für  eine  Unterlippe  hält,  dennoch 
ausserdem  unter  den  Mundtheilen  noch  vier  andere  Kieferpaare  auf- 
findet und  beschreibt,  ist  mir  ein  Bäthsel.  Eines  seiner  Kieferpaare 
muss  nothwendigerweise  durchfallen ,  mit  grösster  Wahrscheinlich- 
keit sein  zweites,  das  dritte  durfte  dann  der  äusseren  Lade  meines 
zweiten,  sein  viertes  meinem  dritten  entsprechen  können.  Trevi- 
ranus  (in  dessen  vermischten  Schriften,  I.  Band,  V.  Abhandlung) 
beschreibt  dieses  Organ,  wie  Brandt,  als  vierlappige  Unter- 
lippe. 


Typhloniscvs.  299 

Die  Oberlippe. 
Taf.   IV,  Fi-,   i;  Taf.   V,  Fig.    1. 

Die  Oberlippe  ist  ein  unpaariges,  deekelartiges  Gebilde,  wel- 
ches die  Mundtheile  von  oben  theihveise  bedeckt,  und  durch  eine 
verdĂĽnnte  Chitinhaut,  welche  eine  k lappenartige  Beweglichkeit  des 
ganzen  Gebildes  gestattet,  mit  der  vorderen  Kopfbedeckung  zusam- 
menhängt. Von  Gestalt  ist  die  Oberlippe  fast  halbkreisförmig.  Die 
vordere  bogenförmige  Kante  ist  an  den  Seiten  und  neben  der  Mitte 
ausgeschweift.  Die  Linie,  in  welcher  die  Oberlippe  durch  das  schon 
erwähnte  feine  Chitiuhäutcheu  mit  der  Kopfbedeckung  in  Verbindung 
steht,  stellt  gleichfalls  einen  Bogen  dar,  der  jedoch  viel  flacher,  und 
dessen  Convexität  nach  hinten  gerichtet  ist. 

Die  Oberlippe  ist  jedoch  keine  einfache  Platte,  sondern  gleich- 
falls ein  hohles  Organ  ,  welches  aus  einer  oberen  festen  und  steifen 
Lamelle  und  einem  unteren  feinen  ,  zarten  Chitinhäutehen  besteht. 
Die  obere  Lamelle  ist  an  vier  Stellen  von  verschiedener  Ausdehnung 
und  Gestalt  bedeutend  verdickt,  wodurch  sie  aus  vier  verschiedenen 
Platten,  die  von  einer  feineren  Membran  ĂĽberzogen  werden,  zu  bestehen 
scheint. 

Die  bedeutendste  dieser  Verdickungslamellen  verläuft  dem 
Hinterrande  parallel,  die  hintere  Begrenzungslinie  ist  convex  ,  die 
vordere  concav  ,  die  seitlichen  verlaufen  schief  bogenförmig  von 
innen  und  vorne  nach  hinten  und  aussen. 

Die  zweite  unpaare  Verdickungslamelle  ist  rechteckig  und  liegt 
vor  dem  Vorderrande  der  ersterwähnten  Lamelle. 

Die  letzten  zwei  Lamellen  sind  einander  gleich  und  liegen  zu 
beiden  Seiten  der  rechteckigen.  Ihre  Gestalt  ist  mehr  weniger  drei- 
eckig, mit  theihveise  bogenförmig  gekrümmten  Seiten.  Am  Vorder- 
raude  der  steifen  Kopfdecke  ,  wo  dieselbe  in  das  Verbindungshäut- 
chen  der  Oberlippe  übergeht,  steht  eine  Reihe  mächtiger  steifer 
Chitiuborsten.  Ferner  steht  auch  am  Vorderrande  der  rechteckigen 
Verdickungslamelle  eine  Reihe  gerader!  Chitingriffel,  und  ĂĽberdies 
ist  die  vordere  bogenförmige  Kante  der  Oberlippe  an  vier  Stellen 
mit  wimperartigen  Chitinborsten  besetzt. 

An  der  eben  erwähnten  Kante  verdünnt  sich  die  obere  Lamelle 
plötzlich  und  übergeht  so,  indem  sie  sich  nach  unten  umschlägt, 
in  die  untere  zarte  Chitinmembran,    welche  wieder   in   die  hintere 


300  8  o  h  8  b  I. 

in  natĂĽrlicher  Lage  des  Thieres  obere)  Wand  des  Ă–sophagus  ĂĽber- 
geht. Diese  Membran  ist  mit  ĂĽberaus  zahlreichen  Chitinborsten  und 
Griffeln  besetzt.  Am  (lichtesten  stehen  die  Chitingriffeln  an  zwei 
Stellen  neben  der  Mittellinie  zusammengedrängt;  ihre  Richtung  ist 
strahlig,  die  oberen  sind  nach  innen  und  oben  ,  die  mittleren  nach 
innen,  die  unteren  nach  abwärts  gekehrt.  Gegen  die  Mittellinie  und 
nach  abwärts  übergehen  diese  Chitingriffel  in  beständig  feinere 
Chitinborsten,  die  sämmtlich  nach  innen  und  abwärts  gerichtet  sind. 
Ähnliche  Borsten  mit  ähnlicher  Richtung  befinden  sich  gleichfalls 
oberhalb  der  Griffel. 

Man  könnte  diese  zwei  einander  gegenüber  gestellten  Gruppen 
von  Griffeln,  mit  den  dazu  gehörigen  Borsten,  da  sie  gewissennassen 
sebstständige  Wülste  der  Chitinmembran  bilden  ,  Nebenzungen 
nennen. 

Zwischen  der  obern  Lamelle  und  der  Membran  liegt  unmittel- 
bar vor  der  vordem  Kante  eine  kurze  quere  Chitinleiste  ,  von  wel- 
cher aus  zwei  feine  Chitinleistchen  nach  hinten  verlaufen,  die  wahr- 
scheinlich Sehnen  von  Beugemuskeln  der  Oberlippe  sind. 

Die  Zange. 

Taf.  II,  Fig.  5 ;  Taf.  V,  Fig.  2. 

Die  Zunge ,  welche  durch  eine  Verlängerung  der  unteren 
Wand  der  Intima  Oesophagi  gebildet  wird,  besteht  aus  zwei  Hälften, 
die  an  dem  oberen  Ende  der  ZungenstĂĽtze  gelenkig  eingefĂĽgt  sind, 
und  in  der  Mitte  bis  über  die  Hälfte  zusammenhängen. 

Beide  Zungenhälften  sind  kieferartig  gegen  einander  beweglich, 

Jede  Hälfte  besteht  aus  einem  äusseren  festeren  und  einem 
inneren  zarteren  Lappen. 

Der  äussere  Lappen  a  ist  am  Grunde  ,  wo  er  mit  der  Zungen- 
stütze articulirt,  am  stärksten,  hierauf  wird  er  beständig  breiter, 
aber  auch  schwächer,  und  ist  in  den  obersten  Partien  fein  radiär 
gefältelt  und  besitzt  gegen  den  Innenrand  zu  an  der  hintern  Fläche 
zahlreiche,  äusserst  feine  Borsten.  Die  obere  Hälfte  seines  Aussen- 
randes  ist  mit  einer  Chitinborstenreihe  versehen,  während  die  untere 
Hälfte  in  einer  äusserst  feinen  und  vielfach  gefalteten  Chitinmembran 
endet.  An  diese  gefaltete  Membran  grenzt  nach  innen  zu  ein  stei- 
ferer, stärkerer  Theil  des  Lappens,  der  nach  oben  allmählich  in  den 
breiten    Lappen   übergeht,   nach  unten    zu    sich    beständig  verengt, 


Typhloniscus.  o  0  1 

dann  unter  einem  rechten  Winkel  umbiegt  und  sich  nach  innen  zur 
ZungenstĂĽtze  begibt,  um  sich  daselbst  zu  inseriren.  Ein  nach  aussen 
gekehrter  Fortsatz  an  diesem  verdeckten  Theile  dient  Muskeln  zum 
Ansatzpunkte. 

Der  innere  Lappen  b  ist  viel  schwächer  und  kleiner  als  der 
äussere  und  nur  in  seinem  oberen  Drittheile  frei ,  wo  selbst  er  auch 
mit  zahlreichen,  mitunter  ziemlich  starken  Chitinborsten  besetzt  ist. 

Diese  beiden  Lappen  werden  durch  eine  dreieckige  kapuzen- 
förmige  Falte  d,  welche  durch  zwei  Chitinstäbchen  unterstützt 
wird  und  unmittelbar  in  die  Intima  Oesophagi  ĂĽbergeht,    vereinigt. 

Diese  bedeutend  erweiterbare  kapuzenförmige  Falte  verhindert 
das  Ausgleiten  der  Nahrungsgegenstände  zwischen  beiden  Zungen- 
hälften nach  abwärts. 

Die  Speiseröhre. 

Taf.  V,  Fig.  3. 

Die  Speiseröhre  besteht  aus  einer  äusserst  feinen  Serosa  ,  die 
kaum  darstellbar  ist,  einer  Muscularis,  die  aus  deutlichen  Längs- 
und Kreismuskeln  besteht,  und  einer  innersten  feinen  Chitinmembran 
der  Intima  Oesophagi. 

Die  Intima  Oesophagi  ĂĽbergeht  oben,  oder  in  natĂĽrlicher  Lage 
des  Thieres,  vorne  unmittelbar  in  die  Oberlippe  und  die  Zunge,  so 
zwar,  dass  die  untere,  feine,  mit  Chitinborsten  versehene  Membran 
der  Oberlippe  spurlos  in  die  obere  Wand  der  Intima  ĂĽbergeht,  ohne 
dass  man  im  Stande  wäre  anzugeben,  wo  die  Oberlippe  aufhört  und 
der  Ösophagus  beginnt.  Ein  ähnliches  Verhältniss  findet  zwischen 
der  Zunge  und  der  vordem  oder  untern  Wand  der  Intima  Statt. 

Diese  Intima  wird  durch  fĂĽnf  Chitinleistenpaare  gesteift.  Drei 
von  diesen  Leistenpaaren  liegen  unten  oder  vorne,  zwei  oben  oder 
hinten. 

Das  mittlere  von  den  drei  vorderen  Leistenpaaren  beginnt 
unter  der  kapuzenförmigen  Falte  und  verläuft  bis  zum  Kaumagen  ,  es 
liegt  weit  mehr  nach  vorne  als  die  beiden  anderen,  und  es  bildet  also 
hier  die  Intima  eine  Kante  und  senkt  sich  dachförmig  zu  den  beiden 
anderen  Leistenpaaren.  Zwischen  diesen  und  den  zwei  hinteren 
Leistenpaaren  bildet  die  Intima  eine  tiefe  Falte  nach  innen. 

Auf  diese  Weise  erscheint  der  Querschnitt  der  Intima  als  ein 
Siebeneck  mit  zwei  mittleren,  tiefen  einspringenden  Winkeln. 

Sitzl>.  (1.  mfithem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  9.  21 


302  s  c  h  ö  i.  i. 

Nach  unten  ĂĽbergeht  die  Intima  in  das  GerĂĽste  des  Kau- 
magens. 

Der  Kaumagen. 

Taf.  V,  Fig.  4 ;  Taf.  VI,  Taf.  VII. 

Der  Kaumagen  ist  ein  äusserst  complicirtes,  aus  verschieden- 
artigen Chitinhautfaltungen,  Duplicaturen,  Zipfeln  und  deckelartigen 
Plättchen,  dann  aus  einem  verdickten  Chitingerüste  und  Chitin- 
leiste, und  aus  mit  Kalk  imprägnirfen  Platten  bestehendes  Organ; 
welches  nach  oben. unmittelbar  in  die  Intima  Oesophagi,  nach  unten 
oder  hinten  in  die  Intima  des  Darmcanals  ĂĽbergeht,  mit  zahlreichen 
Chitinborsten  und  Reibplatten  versehen  ist,  und  zur  Zerkleinerung 
der,  von  den  Kiefern  grob  gekauten,  vegetabilischen  Nahrung  dient. 
Ich  muss  in  vorhinein  bemerken,  dass  es  eine  schwere  Aufgabe  ist, 
ein  so  complicirtes  und  so  verwickeltes  Organ  genau,  und  zugleich 
leichtfasslich  zu  beschreiben.  Auch  hätte  ein  genaues  Verständnis s 
des  feinsten  Details,  und  des  Zusammenhanges  der  einzelnen  Theile 
mehr  Zeichnungen  der  einzelnen  Bestandteile  in  verschiedenen 
Lagen  erfordert,  als  es  mir  die  ohnehin  schon  grosse  Zahl  der  Tafeln 
gestattet  hat. 

Ich  habe  mich  trotzdem  bestrebt,  die  Resultate,  wie  sie  sich 
nach  Monate  langer  Untersuchung  zahlloser  Präparate  ergaben,  so 
naturgetreu  wie  möglich  aufzuzeichnen,  und  werde  mich  auch  in  der 
Beschreibung  genau  an  diese  Abbildung  halten,  ohne  die  bei  anderen 
Gattungen  der  Isopoden  gewonnenen  Resultate,  die  zwar  in  den 
Hauptsachen  ĂĽbereinstimmen,  in  der  Form  aber  oft  bedeutend  ab- 
weichen, zu  benĂĽtzen.  Die  Gattungen  Porcelllo,  Oniscus  und  Arma- 
dillo  stimmen  in  Beziehung  auf  den  Kaumagen  fast  ganz  mit  meiner 
Gattung  Typhloniscus  ĂĽberein;  Trichoniscus  und  Ligidium  weichen 
jedoch  sehr  ab. 

Der  Kaumagen  hat  eine  fast  rundlich-elliptische,  zusammen- 
gedrĂĽckte Gestalt,  und  liegt  hinten  an  der  Basis  des  Kopfes,  zwi- 
schen den  beiden  Kieferstützen  und  den  kräftigen  pyramidalen 
Muskeln  des  ersten  Kieferpaares.  Er  besteht  im  wesentlichen  aus 
denselben  Schichten,  wie  der  Ösophagus,  nämlich  aus  einer  äusseren 
zarten  Membran,  aus  einer  Längs-  und  Kreismuskelfasern  enthal- 
tenden Muskelhaut,  und  aus  dem  schon  erwähnten  so  complicirten 
ChitingerĂĽste,  welches  der  Intima  entspricht. 


Typhloniscus.  ovo 

Betrachtet  man,  nachdem  man  die  vorerwähnten  zwei  äusseren 
Membranen  wegpräparirt  hat,  den  Kaumagen  von  vorne,  oder  in 
natĂĽrlicher  Lage  des  Thieres  von  unten  (Taf.  VI),  so  bemerkt  man 
zumeist  nach  oben  ein  festes  ChitingerĂĽste,  welches  nach  oben  ein 
Paar  dreieckiger,  und  ein  Paar  fast  rechteckiger  Fortsätze  trägt,  und 
weiter  nach  unten  sich  einschnĂĽrt ,  um  sich  wieder  zu  einem  zahn- 
förmigen  Fortsatze  zu  erweitern. 

Von  diesem  Vorsprung  aus  bemerkt  man  eine,  von  aussen  und 
oben  nach  innen  und  unten  bogenförmig  verlaufende  dunkle  Leiste, 
welche  an  ihrer  Ursprungsstelle  eine  schmälere  Leiste,  unter  einem 
stumpfen  Winkel,  nach  innen  und  hinten  abschickt,  die  sich  in  der 
Medianlinie  abermals  unter  einem  stumpfen  Winkel  umbiegt,  nach  auf- 
wärts läuft,  sich  verflacht  und  in  Form  eines  umgeschlagenen  Randes, 
unter  einem  spitzen  Winkel  zu  ihrer  Ursprungsstelle  zurĂĽckkehrt. 

Nach  unten  spaltet  sich  die  bogenförmige  Leiste.  Der  obere 
Schenkel  übergeht  in  eine  Kalkplatte,  die  siebförmig  durchbrochen 
erscheint,  der  untere  Schenkel  verschmälert  sich  beständig  bis  er 
in  der  Chitinmembran,  welche  mit  dieser  Leiste  zusammenhängt, 
verschwindet. 

Zwischen  den  bogenförmigen  Leisten,  und  den  beiden  erwähnten 
sieb-  oder  netzförmigen  Kalkplatten  liegt  ein  dunkler  pfeilförmiger 
Körper,  mit  der  Spitze  nach  aufwärts  gekehrt,  und  von  einer  Chitin- 
hautfaltung eingehĂĽllt.  Ăśberdies  bemerkt  man  um  diese  Gebilde 
eine  feine  Chitinmembran,  die  an  verschiedenen  Stellen  mit  ihnen 
zusammenhängt,  und  nach  abwärts  entweder  frei  zipfelförmig  endet, 
oder  in  die  Intima  des  Darmes  ĂĽbergeht. 

Betrachtet  man  hingegen  den  Kaumagen  von  hinten,  so  findet 
man  zunächst  eine  feine  Chitinmemhran,  welche  im  untern  Drittel 
des  Organs  mit  scharfem  horizontalen  Rande  endigt.  Unter  dieser 
Membran,  und  etwas  weiter  nach  unten,  liegt  ein  tief  ausgebuch- 
teter zweilappiger  steifer  Deckel.  Oben  befindet  sich  jederseits 
ein  kugelig  dreieckiger,  hohler  Lappen,  der  nach  aussen  an  einer 
festen,  mit  stumpfen  zahnförmigen  Fortsätzen  versehenen,  Chitin- 
leiste festgesetzt  ist,  und  gleichsam  eine  feine,  nach  innen  umge- 
schlagene, vom  festen  ChitingerĂĽste  ausgehende,  Chitinhautfalte 
darstellt,  die  im  innern  eine  feste  bogenförmig  gekrümmte  Leiste 
enthält,  und  noch  oben  unmittelbar  in  die  dunklen  bogenförmig 
verlaufenden  Leisten  ĂĽbergeht. 

21* 


304  s  c  h  ö  b  i. 

In  der  Mittellinie,  etwas  weiter  nach  abwärts,  sieht  man  den 
pfeilförmigen  Körper,  ihm  zur  Seite,  aus  Chitinstäbchen  zusammen- 
gesetzte Platten,  und  dann  die  netzförmigen  Kalkplatten. 

Am  tiefsten  nach  abwärts  bemerkt  man  fünf  freie  zipfelförmige 
Endigungen  der  Chitinmembran. 

Ich  werde  zuerst  die  einzelnen  Bestandteile  des  Kaumagens, 
Yon  denen  ich  einigen,  theils  ihrer  Abgegrenztheit  und  Selbststän- 
digkeit halber,  theils  wegen  den,  sonst  unvermeidlichen,  langen  Um- 
schreibungen, eigene  Namen  gegeben  habe,  anfĂĽhren  und  beschrei- 
ben, und  dann  erst  eine  Schilderung  des  Zusammenhanges  aller 
Gebilde  zu  einem  Ganzen  geben,  und  ihre  Bedeutung  so  wie  ihren 
Zweck  hervorheben. 

Bestandtheile  des  Rauniagens. 

1.  Das  obere  feste  ChitingerĂĽste  des  Kaumagens. 
Taf.  VI,  Fig.  1 ;  Taf.  VII,  Fig.   1  a. 

Dieses  GerĂĽste  ist  der  festeste  und  solideste  Theil  des  ganzen 
Kaumagens,  und  bildet  gewissermassen  die  Grundlage  desselben,  mit 
der  die  meisten  übrigen  Bestandtheile  unmittelbar  zusammenhängen. 

Es  ist  eine  starke,  aus  Chitin  bestehende,  ausgebuchtete,  nach 
vorn  hervorgewölbte  Platte,  die  nach  oben  zu  eine  stumpfe,  ein 
sehr  flaches  Ăźogensegment  darstellende  Kante  besitzt,  welche  fast 
die  ganze  Breite  des  Kaumagens  einnimmt.  Die  äusseren  Seiten- 
ränder dieser  Platte  sind  in  der  obern  Partie  convex  und  übergehen 
unmerklich  in  die  obere  bogenförmige  Kante.  Nach  innen  und  theil- 
weise  auch  nach  unten  werden  die  Seitenpartien  dieser  Platte  durch 
einen  umgeschlagenen  Rand  begrenzt  und  hängen  mittelst  desselben 
mit  dem  mit  Kalk  impräguirten,  später  zu  beschreibenden  Leisten- 
systeme  zusammen. 

Die  obere  bogenförmige  Kante  trägt  zwei  Paare  nach  oben 
gerichteter  Fortsätze,  die  theils  Muskeln,  theils  der  Intima  Oeso- 
phagi  zum  Anhaltspunkte  dienen. 

Das  innere  Fortsatzpaar  (Taf.  VII,  Fig.  1  a)  befindet  sich 
beiderseits  ungefähr  im  äusseren  Drittheil  der  Kante,  und  jeder 
Fortsatz  stellt  ein  gleichschenkliges  Dreieck  von  bedeutender 
Höhe  dar. 

Das  äussere  Fortsatzpaar  (Taf.  VII,  Fig.  1  ß)  liegt  noch 
weiter  nach  aussen;  es  ist  fast  rechteckig,  aber  nicht  flach,  sondern 


Typhhniscus.  uUO 

etwas  gekrĂĽmmt.  Etwas  unterhalb  der  obern  Kante,  zu  beiden  Seiten 
der  Mittellinie  am  obern  ChitingerĂĽste  des  Magens  befinden  sich 
länglich  elliptische,  schief  von  oben  und  innen  nach  unten  und  aussen 
verlaufende  Stellen,  welche  mit  feinen  Chitinleisten  besetzt  sind. 

Ich  nenne  diese  prachtvoll  irisirenden,  der  unter  dem  Namen 
Herpetolitha  bekannten  Koralle  sehr  ähnlich  sehenden  Gebilde 
Planities  horpetolithaeformes,  und  werde  sie  später  im  Zusammen- 
hange mit  den  verschiedenartigen  ĂĽbrigen,  zum  Zerkleinern  der 
Nahrung  dienenden  Reibplatten  beschreiben. 

Unter  diesen  Platten  befindet  sich  beiderseits  eine  ebenfalls 
längliche  Stelle,  welche  aus  dicht  gedrängten  niedrigen  pentagonalen 
Säulchen  zu  bestehen  scheint,  und  deren  Oberfläche  wie  ein  pen- 
tagonales  Netzwerk  aussieht;  ich  nenne  sie  Planities  reticulata. 
Nach  hinten  zu  wird  das  feste  ChitingerĂĽst  zu  beiden  Seiten  von 
kugelig  dreikantigen,  hohlen  Chitinhautlappen  bedeckt,  welche  sich 
ganz  frei  vom  GerĂĽste  abheben  lassen,  und  nur  an  seiner  Aussen- 
kante  mit  demselben  durch  eine  feine  Chitinmembran  zusammen- 
hängen, so  wie  sie  auch  durch  eine  Leiste  mit  dem  inneren  dreiecki- 
gen Fortsatz  verbunden  sind. 

Nach  oben  ĂĽbergeht  die  obere  Kante  und  das  dreieckige  Fort- 
satzpaar unmittelbar  in  die  vordere  Wand  der  äusserst  zarten  In- 
tima  Oesophagi. 

2.  Die  beiden  Hohllappen  des    Kaumagens. 
Taf.   VI,  Fig.  2;  Taf-   VII,  Fig.    1   6. 

Diese  Lappen  liegen,  wie  schon  erwähnt  wurde,  an  der  hin- 
tern Seite  des  Kaumagens,  und  bedecken  dort  die  beiden  Seiten- 
theile  des  festen  KaumagengerĂĽstes,  mit  dem  sie  unmittelbar  zusam- 
menhängen. Ihre  Gestalt  ist  kolbig  dreikantig.  Zumeist  nach  oben  sind 
sie  am  weitesten,  und  verschmälern  sich  nach  abwärts  zu  beständig, 
und  übergehen  dann  in  die  äussere  bogenförmige  mit  Kalk  impräg- 
nirte  Leiste  des  Kaumagens. 

An  der  äussern  Kante  eines  jeden  Lappens  befindet  sich  eine 
starke  Chitinleiste  (Taf.  VI,  Fig.  1  «)  welche  zwei  stumpfwinklige 
zahnartige  VorsprĂĽnge  nach  aussen  und  eine  nach  innen  besitzt;  nach 
abwärts  aber  sich  an  die  vordere,  dem  festen  Gerüste  zugekehrte 
Fläche  des  Lappens  begibt,  und  daselbst  sich  tellerförmg  erweitert. 


306  s  c  h  ö  b  i. 

Ich  nenne  diese  mit  äusserst  feinen  Chitinrippen  versehene 
runde  Ausbreitung  Discus  coshdatus. 

An  der  inneren  hintern  Kante  der  Lappen  verlauft  eine  schwache 
bogenförmig  gekrümmte  Leiste,  und  die  Kante  selber  ist  längs  des 
ganzen  Verlaufes  der  Leiste  mit  einer  Reihe  vergrösserter  Chitin- 
borsten versehen  (Taf.  VI,  Fig.  2  b).  Die  innere  vordere  Kante  liegt 
in  Ruhe  auf  dem  festen  GerĂĽste. 

Die  vordere,  dem  festen  Kaumagengerüste  zugekehrte  Fläche 
ist  mit  schief  nach  unten  und  innen  gerichteten  Chitinborsten  dicht 
besetzt.  Die  hintere  innere  Fläche  ist  ebenfalls  mit  Borsten  besetzt, 
die  jedoch  nicht  so  dicht  stehen,  und  an  der  hinteren  äussern  Fläche 
fast  ganz  mangeln. 

Vom  obern  Ende  der  an  der  Aussenkante  gelegenen  Leiste  geht 
eine  verbindende  Leiste  zum  innern  dreieckigen  Forsatze  des  obern 
Randes  des  GerĂĽstes,  und  eine  andere  etwas  gekrĂĽmmte  Leiste 
begibt  sich  nach  aufwärts,  und  dient  dort  der  Chitinmembran  zur 
StĂĽtze. 

3.  Die  festen  mit  Kalk  imprägnirten  Leisten  des  Kaumagens. 
Taf.  VI,  Fig.  3;  Taf.  VIII,  Fig.   i  c. 

Man  kann  jederseits  eine  äussere  untere  bogenförmige,  und 
eine  innere  obere,  winklig  geknickte  Leiste  unterscheiden.  Die  äus- 
sere Leiste  entsteht  dort,  wo  das  untere  Ende  des  Aussenrandes  des 
festen  GerĂĽstes,  und  das  untere  Ende  des  Lappens  der  betreffenden 
Seite  zusammenstossen,  und  läuft,  sich  beständig  verschmälernd, 
nach  unten  und  innen.  Die  innere  obere  Leiste  entsteht  an  derselben 
Stelle,  wie  die  vorige,  verschmälert  sich  gleichfalls,  indem  sie  zunächst 
nach  innen,  dann  nach  oben  verläuft,  dann  unten  einen  spitzigen 
Winkel  in  den  umgeschlagenen,  mit  Borsten  versehenen  Rand  am 
GerĂĽste  ĂĽbergeht,  und  durch  diesen  wieder  zur  Ursprungsstelle  ge- 
langt, so  zwar,  dass  sie  einen  unregelmässig  länglichen  ,  fast  ellip- 
tischen Raum  einschliesst.  Vom  untern  Ende  der  äusseren  Leiste 
verläuft  zur  Mitte  der  inneren  eine  kalkige  siebförmige  Platte,  die  ich 
Lamina  cribriformis  nenne,  und  deren  ich  noch  später  erwähnen 
werde. 

Diese  Leisten  sind  wie  auch  die  frĂĽher  beschriebenen  Theile  des 
Kaumagens  durchaus  nicht  selbstständige,  in  sich  abgegrenzte  Theile, 


Typhloniscus.  307 

sondern  ĂĽbergehen  in  Chitinmembranen,  durch  welche  sie  mit  den 
übrigen  Theilen  des  Kaumagens  zusammenhängen,  so  zwar,  dass 
man  sie  als  verdickte  mit  Kalk  imprägnirte  Stellen  der  Chitin- 
membran auffassen  kann.  Die  Chitinmembran  verläuft  vom  umge- 
schlagenen innern  Rande  des  festen  GerĂĽstes  nach  unten  und  innen, 
schlägt  sich  an  den  innern  Theil  der  obern  Leiste,  und  an  die 
Lamina  cribviformis,  von  welcher  sie,  nachdem  sie  dieselbe  umhĂĽllt 
hat,  zu  weiter  nach  innen  gelegenen  Theilen  verläuft. 

Nach  aussen  geht  die  Membran  zur  bogenförmigen  Leiste, 
bildet  hier  eine  scharfe  Faltung  nach  hinten,  und  endet  mit  einem 
scharfen  Rande  nach  innen,  welcher  vom  inneren  obern  Ende  der 
obern  Leiste  beginnt,  und  bis  zur  untern  zipfelförmigen  freien 
Endigung  der  Membran  verläuft. 

Die  Centralgebilde  des  Kaumagens. 

In  der  Mittellinie  des  Kaumagens  zwischen  den  siebförmigen 
Platten  beider  Seiten  befindet  sich  ein  pfeilförmiges  Kalkconcrement, 
zu  beiden  Seiten  von  Lamellen  umgeben,  die  aus  sehr  feinen  Chitin- 
stäbchen bestehen,  und  von  der  Chitinmembran  umhüllt,  die  nach  ab- 
wärts zipfelförmig  endigt,  nach  oben  sich  verdickt  und  in  einen  flachen 
knieförmig  nach  vorne  geknickten,  mit  einer  scharfen  Spitze  endi- 
genden Fortsatz  ĂĽbergeht,  der  so  wie  alle  ĂĽbrigen  eben  beschrie- 
benen Gebilde  leicht  beweglich  ist,  und  besonderen  Muskeln  zum 
Ansatzpunkte  dient. 

Ich  nenne  das  kalkige  Concrement  Lapis  Oniscorum  und  die 
Chitinstäbchenlamelle  Lamina  bacillaris. 

4.  Der  Kaumagendeckel. 
Taf.  VI,  Fig.  4. 

So  nenne  ich  eine  ziemlich  steife  Duplicatur  der  Chitinmem- 
bran, die  sich  in  der  unteren  hintern  Hälfte  des  Kaumagens  befindet, 
und  daselbst  die  Centralgebilde,  sowie  die  Kalkleisten  bedeckt,  nach 
oben  und  aussen  aber  in  die  äussere  feine  Chitinmembran  übergeht. 

5.  Lapis  Oniscorum  sagittaeformis. 
Taf.  VI,   Fig.   5  ;  Taf.  VII,  Fig.   1  d. 

Der  Asselstein  bildet  den  Hauptbestandteil  der  centralen  Gebilde 
des  Kauinagens.    Seine  Gestalt  ist  die  einer  Pfeilspitze,  und  er  liegt 


308  s  c  h  rt  b  i 

mit  der  Spitze  nach  aufwärts  in  einer  Chitinhautfaltung  eingebettet. 
In  der  Mitte  der  hintern  Fläche  befindet  sich  eine  kielförmige  erha- 
bene Kante.  Bei  durchfallendem  Lichte  erscheint  er  unter  dem 
Mikroskope  wegen  seiner  Undurchsichtigkeit  schwarz  ,  bei  auffal- 
lendem Lichte  kreideweiss. 

An  den  Kanten  ist  er  viel  schwächer  von  Masse  ,  und  desshalb 
etwas  durchscheinend.  Er  hat  ein  rundlich  feinkörniges  Gefüge,  und 
besteht  aus  kohlensaurem  Kalke.  Von  organischen  Bestandteilen, 
so  wie  von  Chitin  ,  konnte  ich  an  demselben  keine  Spuren  wahr- 
nehmen; er  bestĂĽnde  demnach  aus  reinem  kohlensauren  Kalk,  ohne 
ein  organisches  Gerüste,  in  welches  er  abgelagert  wäre. 

Die  Seitenränder  dieses  Asselsteines  stützen  sich  an  die  hin- 
teren Kanten  der  Stäbchenlamellen ,  mit  denen  sie  einen  rechten 
Winkel  bilden. 

6.  Laminae  bacillares. 
Tat.   VI,  b;  Taf.  VII,  Fig.    1   e   und    Fig.  3. 

Die  S  täbchenlamellen  liegen  zu  beiden  Seiten  des  Asselsteines, 
mit  dem  sie  rechte  Winkel  bilden  und  den  sie  nach  auf-  und  abwärts 
ĂĽberragen.  Sie  stellen  schmale,  lange,  parallele  Platten  dar,  deren 
obere  und  untere  Enden  abgerundet  sind.  Ihrer  ganzen  Masse  nach 
sind  sie  aus  äusserst  feinen  Chitinstäbchen  von  horngelber  Farbe, 
die  senkrecht  auf  dem  Längsdurchmesser  der  Platten  stehen,  zusammen- 
gesetzt. Bei  schief  auffallendem  Lichte  irisiren  die  Platten.  Durch 
Druck  mittelst  des  Deckgläschens,  oder  mit  der  Spitze  der  Präparir- 
nadel  gelingt  es  sehr  leicht  die  Stäbchen  aus  ihrer  Verbindung  zu 
trennen,  die  nur  sehr  lose  ist.  Die  Stäbchen  endigen  nach  hinten 
gegen  den  Asselstein  zu  äusserst  fein,  stachelspitzig,  nach  vorne 
scheinen  sie  allmählich  stärker  zu  werden  und  übergehen  daselbst, 
wiewohl  mit  scharfer  Grenzlinie,  in  die  tiefe  Chitinmembran,  welche 
nach  vorne  verläuft,  dann  eine  Falte  bildet,  eine  Strecke  wieder 
zurückläuft,  um  sich  auf  die  siebförmigen  Platten  umzuschlagen  und 
selbe  einzuhĂĽllen. 

7.  Laminae  cribriformes  calcareae. 
Taf.  VI,  Fig.  7;  Taf.  VII,  Fig.    1  /'   und  Fig.  2. 

Die  siebförmigen  Platten  liegen  in  natürlicher  Lage  parallel  mit 
den  Stäbchenplatten  ,  deren  äussere  Fläche   sie  bedecken.    Sie  sind 


Typhloniscus,  309 

viel  breiter  und  länger  als  die  Stäbchenplatten  ,  jedoch  von  mehr 
weniger  ähnlicher  Gestalt. 

Ihre  ganze  Fläche  ist  mit  kleinen  rundlichen  Vertiefungen  dicht 
besäet,  so  dass  die  Platten  ein  siebförmiges  Aussehen  besitzen. 

Unten  hängen  sie  mit  dem  unteren  innern  Ende  der  untern 
bogenförmigen  Kalkleiste,  oben  mit  dem  Innenschenkel  der  obern 
Leiste  zusammen. 

Ihrer  Masse  nach  bestehen  sie  aus  reinem  kohlensauren  Kalk, 
ohne  organische  Grundlage.  Sie  sind  wie  der  Asselstein  sehr  spröde, 
erscheinen  aber  wegen  ihrer  Schwäche  bei  durchfallendem  Lichte 
nicht  schwarz  wie  jener. 

8.  Planities  herpetolithaeformes. 
Taf.   VI,    Fig.  8;  Taf.   VII,   Fig.   1  y. 

Diese  Flächen  liegen  im  festen  Kaumagengerüste.  Sie  sind  läng- 
lich zungenförmig  an  beiden  Enden  zugespitzt.  Sie  verlaufen  schief 
von  innen  und  oben  nach  aussen  und  unten.  Ihrer  ganzen  Ausdehnung 
nach  bestehen  sie  aus  feinen  Querrippen  ,  oder  eigentlich  Querleist- 
chen, die  an  den  Rändern  der  Flächen  in  die  Substanz  des  festen 
KaumagengerĂĽstes  ĂĽbergehen. 

In  der  Mitte  besitzen  diese  Flächen  ihrer  ganzen  Länge  nach 
eine  kielförmige  Erhabenheit. 

Fast  in  jeder  Lage  zeigen  sie  ein  prachtvolles  ,  irisirendes 
Farbenspiel.  Die  Leistchen  bestehen ,  so  wie  die  Masse  des  festen 
Gerüstes  mit  der  sie  zusammenhängen,  aus  Chitin. 

9.  Planities  reticulatae. 
Taf.  VII,  Fig.  1  //. 

Die  netzförmigen  Flächen  liegen  am  festen  Gerüste  des  Kau- 
magens, nach  unten  und  aussen  von  den  eben  beschriebenen  Reib- 
flächen. Sie  haben  eine  unregelmässig  längliche  Gestalt  und  besitzen 
ein  netzförmiges  Aussehen. 

10.  Discus   costulatus. 
Taf.  VII,  Fig.    1  i. 

So  nenne  ich  die  scheibenförmige  Erweiterung  der  an  der 
äussern  Kante  der  kolbenförmigen  Hohllappen  gelegenen  Chitinleiste. 


310  Sei.  8  I.  1. 

Dieses  Scheibehen  bildet  am  untern  Ende  der  eben  erwähnten 
Leiste  eine  fast  kreisförmige  Erweiterung  nach  innen  und  kommt 
genau  auf  die  Planities  reticulata  zu  liegen.  Auf  der  ganzen  Fläche 
ist  es  mit  feinen  radiär  verlaufenden  Rippen  versehen,  die  nach  innen 
zu  einen  schmalen  Rand  am  Scheibchen  übrig  lassen,  während  sie 
nach  aussen  und  oben  in  den  schmälern  Theil  der  Leiste  verlaufen. 

Nachdem  ich  eine  ziemlich  genaue  Beschreibung  der  einzelnen 
Theile  des  Kaumagens  vorausgesandt  habe ,  so  wollen  wir  den 
Zusammenhang  derselben  und  den  Kaumagen  als  Ganzes  in  KĂĽrze 
betrachten. 

Die  vordere  (in  natĂĽrlicher  Lage  des  Thieres  untere)  Wand 
der  Intima  Oesophago  welche,  wie  ich  erwähnt  habe,  durch  drei 
Doppelleisten  gesteift  wird,  ĂĽbergeht  unmittelbar  in  die  obere  Kante 
des  festen  KaumagengerĂĽstes  (Taf.  V),  so  zwar,  dass  die  mittlere 
vorspringende  Leiste  die  Mitte  des  obern  Randes  trifft ,  während  die 
beiden  seitlichen  nach  innen  von  dem  dreieckigen  Fortsatzpaare  des 
Oberrandes  endigen. 

Die  hintere  Wand  der  Intima  Oesophagi ,  die  durch  zwei 
Doppelleisten  gesteift  wird  (Taf.  VI),  schlägt  sich,  nachdem  sie  den 
Kaumagen  erreicht  hat,  unter  einer  bogenförmigen  Kante  nach  vorne 
um,  verläuft  wieder  eine  kleine  Strecke  nach  aufwärts,  um  sich  dann 
abermals  nach  vorne  und  abwärts  umzubiegen  und  sich  seitlich  an 
die  zwei  beweglichen  Leisten,  die  vom  äusseren  obern  Winkel  der 
Lappen  nach  oben  und  innen  verlaufen,  zu  inseriren. 

Die  übrige,  die  Seitenwände  bildende  Membran,  befestigt  sich 
theils  an  die  eben  beschriebenen  Leisten,  theils  an  jenes  Leisten- 
paar, welches  die  dreieckigen  Fortsätze  des  Kaumagengerüstes  mit 
den  äusseren  Leisten  der  Lappen  verbindet. 

Das  feste  KaumagengerĂĽste  bildet  zu  beiden  Seiten  einen  Umschlag 
nach  hinten,  wodurch  die  beiden  kolbenförmigen  Lappen  des  Kau- 
magens entstehen. 

Von  den  äusseren  Leisten  dieser  Lappen  verlauft  eine  feine 
Chitinmembran  noch  weiter  nach  hinten,  an  die  hintere  (in  natĂĽr- 
licher Lage  obere)  Fläche  des  Kaumagens.  Diese  Membran  bildet 
nach  abwärts  einen  zweilappigen  ,  von  freien  Rändern  begrenzten 
Fortsatz,  den  Kaumagendeckel,  welcher  aus  einer  Duplicatur  der- 
selben Membran  besteht,  und  dessen  äussere  oder  eigentlich  hintere 
Lamelle  nach  oben  in  die  äusserste  hintere  Membran  übergeht;  die 


Typhloniscus.  311 

den  Deckel  zum  grossen  Theile  bedeckt,  an  der  ganzen  hinteren 
Fläche  des  Kaumagens  mit  einem  scharfen  ziemlich  horizontalen 
Rande  endiget,  nach  aussen  und  unten  sich  aber  wieder  gegen  vorne 
wendet ,  mit  der  bogenförmigen  Kalkleiste  zusammenhangt,  dann 
noch  weiter  nach  unten  beiderseits  einen  stumpfen  Zipfel  bildet,  um 
nach  innen  und  unten  in  die  Intima  des  Darmes  zu  ĂĽbergehen. 

Nach  unten  und  innen  ĂĽbergeht  das  feste  KaumagengerĂĽste  bei- 
derseits in  einen  nach  hinten  umgeschlagenen  Rand  (Taf.  VII,  Fig.  1  k), 
welcher  von  innen  und  oben  nach  aussen  und  unten  verläuft  und 
mit  einer  Reihe  von  Chitinborsten  besetzt  ist.  Dieser  umgeschlagene 
Rand  übergeht  an  seinem  äusseren  untern  Ende  nach  aussen  in  den 
kolbigen  Lappen,  nach  oben  in  die  bogenförmige,  mit  Kalk  impräg- 
nirte  Leiste,  nach  innen  in  die  obere  innere  Kalkleiste. 

Von  dem  eben  beschriebenen  umgeschlagenen  Rande  verläuft 
eine  Chitinmembran  zur  inneren  obern  winklig  geknickten  Leiste 
und  von  dieser  zur  äusseren  untern  bogenförmigen  mit  Kalk  impräg- 
nirten  Leiste ,  von  da  aus  schlägt  sich  diese  Membran  am  Aussen- 
rande  der  Leiste  nach  hinten  und  endet  daselbst  nach  innen  zu  in 
einen  freien  Rand,  der  sich  bis  zum  obern  Ende  der  inneren 
winkligen  Kalkleiste  erstreckt,  nach  unten  aber  mit  einem  freien 
zipfelförmigen  Ende. 

Von  der  bogenförmigen  Leiste  verläuft  die  Membran  nach  innen 
zur  Lumina  cribriformis,  umkleidet  dieselbe,  bildet  dann,  nachdem 
sie  sich  an  der  vorderen  Kante  der  Lumina  cribriformis  unter  einem 
rechten  Winkel  umgebogen  hat  und  eine  Strecke  nach  vorne  und 
aussen  verlaufen  ist,  abermals  eine  scharfe  Knickung  nach  innen  und 
hinten,  und  schlägt  sich  dann  an  die  innersten  Gebilde  des  Kau- 
magens, indem  sie  die  Lamina  bacillaris  in  sich  einschliesst,  dann 
eine  wulstförmige  Faltung  bildet  und  den  Lapis  Oniscorum  umhüllt ; 
nach  oben  aber  in  den  knieförmig  geknickten  stielförmigen  Furtsatz 
übergeht,  nach  unten  frei  zipfelförmig  endigt. 

Was  den  Zweck  des  Organes  anbelangt,  welches  ich  als  Kau- 
magen  beschrieben  habe,  so  ist  er  durchaus  kein  anderer,  als  die 
feinere  Zerreibung  der  von  den  Kieferpaaren  grob  zerkleinerten 
Nahrungsgegenstände  zu  bewerkstelligen. 

Gelangt  ein  Nahrungsgegenstand  durch  den  Ă–sophagus  in  den 
Kaumagen  ,  so  kömmt  er  zunächst  an  die  hintere  Wand  des  festen 
KaumagengerĂĽstes     zwischen     die     Planities    herpetolithaeformis 


312  schob  i. 

und  die  vordere  mit  Chitinborsten  besetzte  Fläche  des  kolbigen 
Hohllappens. 

Diese  beiden  Gebilde  bilden  den  ersten  Reibapparat,  indem  sich 
die  beborstete  Fläche  des  Lappens  parallel  zur  Planities  herpeto- 
lithaeformis  verschiebt  und  auf  diese  Weise  dazwischen  gelegene 
zarte  Gegenstände  zerreibt. 

Ein  zweiter  Reibapparat  wird  durch  die  Planities  reticulata 
und  den  Discus  coshdatns  gebildet,  die  sich  auf  ähnliche  Weise 
gegen  einander  reiben  und  die  weiter  nach  aussen  und  unten  gelangten 
Nahrungsgegenstände  zwischen  sich  aufnehmen. 

Den  dritten  Reibapparat  bildet  die  Lamina  cribriformis  mit  der 
Lamina  bacillaris,  welche  in  natĂĽrlicher  Lage  parallel  zu  einander 
liegen  und  zwischen  sich  den  Nahrungsmitteln  den  Durchgang 
gestatten.  Die  Reibung  geschieht  indem  sich  die  am  leicht  beweg- 
lichen Centralgebilde  befestigte  Lamina  bacillaris  gegen  die  unbe- 
weglich mit  den  Kalkleisten  und  somit  auch  mit  dem  GerĂĽste  ver- 
bundene Lamina  cribriformis  bewegt. 

Einen  vierten  und  letzten  Reibapparat  bildet  der  Lapis  Onis- 
corum  sagittaeformis  mit  dem  ihn  berĂĽhrenden  steifen  Kaumagen- 
deckel. 

Ich  habe  zwischen  den  Platten  der  einzelnen  Reibapparate  häufig 
vegetabilische  Substanzen,  besonders  Moosblätter  und  zarte  Wurzeln 
angetroffen  und  auch  bei  lebendig  geöffneten  Thieren  eine  fast  stete 
Reweglichkeit  des  Centralgebildes  des  Kaumagens,  die  durch  beson- 
dere Muskeln,  welche  sich  am  oberen,  stielförmigen,  geknickten 
Ende  desselben  inseriren ,  bewirkt  wird ,  wahrgenommen.  Von 
einer  Aufsaugung  der  Nahrungssäfte  in  diesem  Organe  kann  wegen 
der  Stärke  und  Starrheit  der  Chitinhautwandungen  nicht  die  Rede  sein. 

Treviranus  scheint  das  ganze  Organ  ĂĽbersehen  zu  haben, 
und  erwähnt  es  gar  nicht. 

Brandt  (in  der  medizin.  Zool.  II.  Band,  pag.  74  ,  Taf.  XV, 
Fig.  41  und  42)  nennt  dieses  Organ  ersten  Magen  und  hält  es  für 
knorpelig  häutig. 

Leydig  (in  MĂĽller's  Archiv ,  J.  1855,  Heft  5  ,  pag.  444  : 
„Zum  feinern  Bau  der  Arthropoden")  erwähnt  dieses  Organes 
gleichfalls  ohne  es  zu  beschreiben.  Er  erwähnt  nur,  es  bestehe  aus 
zwei  seitlichen  Bogen  und  einem  stilettförmigen  Zahn,  welcher  letz- 
tere ohne  Zweifel  mit  meinem  Lapis  Oniscorum  identisch  sein  dĂĽrfte. 


Typhloniscus.  313 


Topographische  Anatomie  der  landhöhle. 

Hat  man  das  Thier  mit  dem  RĂĽcken  an  das  Secirbrettchen  fest- 
geheftet, und  betrachtet  den  Kopf,  dessen  Unterseite  nun  nach  auf- 
wärts gekehrt  ist,  so  findet  man  bei  der  äussern  Besichtigung  den 
grössten  Theil  der  Mund-  oder  Kopfhöhle  durch  das  vierte  Kiefer- 
paar verschlossen. 

Dasselbe  erstreckt  sich  von  der  Basis  des  Kopfes  bis  in  das 
obere  Drittheil  desselben,  und  grenzt  seitlich  an  die  beiden  umge- 
schlagenen Lappen  der  äusseren  harten  Kopfbedeckung.  In  gleicher 
Ebene  mit  dem  vierten,  und  ohne  alle  Präparation  gleich  sichtbar, 
liegt  auch  das  erste  Kieferpaar. 

Dieses  grenzt  nach  unten  an  die  vorerwähnten  Lappen  der 
Kopfbedeckung,  nach  aussen  an  die  Insertionsstelle  der  FĂĽhler,  nach 
oben  an  die  Oberlippe  und  nach  innen  theils  an  das  vierte  Kiefer- 
paar,  theils  bleibt  zwischen  diesem  und  jenem  ein  kleiner  Raum, 
durch  den  man  die  oberen  bezahnten  Enden  der  beiden  anderen 
Kieferpaare  erblickt. 

Am  weitesten  nach  oben  liegt  die  Oberlippe,  unmittelbar  in  die 
betreffende  äussere  Kopfbedeckung  übergehend.  Hebt  man  das  vierte 
Kieferpaar  ab,  und  exarticulirt  das  erste,  so  kömmt  die  zweite  Lage 
der  Mundwerkzeuge  zum  Vorschein.  Diese  besteht  aus  dem  breiten, 
flachen  dritten  Kieferpaare  und  dessen  Insertionsstellen. 

Schneidet  man  dieses  Kieferpaar  mit  einem  feinen  Scalpell  an 
seiner  Insertionsstelle  ab,  so  kömmt  die  dritte  Lage  zum  Vorschein. 
Diese  besteht  aus  den  beiden  Laden  des  zweiten  Kieferpaares,  aus 
der  Zungenstütze,  den  beiden  Stäbchenpaaren  des  Kieferzungen- 
gerüstes, und  der  vordem  Fläche  des  Grundstückes  des  zweiten 
Kieferpaares.  Auch  liegt  das ,  die  ebengenannten  Organe  ver- 
knüpfende Bandhäutchen  zum  grössten  Theile  in  dieser  Lage.  Exar- 
ticulirt man  die  äussere  Lade  des  zweiten  Kieferpaares  aus  ihrem 
Grundstück,  zerreisst  das  Bandhäutchen,  trennt  die  innere  Lade  vom 
obern  Stäbchen,  exarticulirt  dann  den  Grund  der  Zunge,  um  auch 
die  ZungenstĂĽtze  mit  ZurĂĽcklassung  der  eigentlichen  Zunge  weg- 
nehmen zu  können,  so  kömmt  man  auf  die  vierte  Lage.  Diese  besteht 
aus  der  Zunge,   den  GrundstĂĽcken    des   zweiten  Kieferpaares    und 


314  Schöbt. 

dem  untern  Theile  der  KieferstĂĽtzen.  Nimmt  man  endlich  noch  die 
Zunge  weg,  so  kommt  man  auf  die  fĂĽnfte  und  letzte  Lage,  in  welcher 
die  langen  Fortsätze  der  Kieferstützen ,  zwischen  und  unter  ihnen 
der  Ösophagus,  weiter  nach  abwärts  der  Kaumagen  und  seitlich  die 
kräftigen  Kaumuskeln  des  ersten  Kieferpaares  liegen. 

Verdauungs  -  Organe. 

Der  Darmcanal  oder  richtiger  gesprochen  der  Verdauungscanal, 
der  dem  Magen  und  DĂĽnndarm  entspricht,  ist  vorne  unmittelbar 
hinter  dem  Kaumagen  etwas  eingeschnĂĽrt,  hierauf  erweitert  er  sich, 
um  sich  gegen  das  Ende  wieder  zu  verschmälern  und  allmählich  in 
den  Mastdarm  zu  ĂĽbergehen. 

In  der  verdickten  Partie  befindet  sich  oben  eine  Furche,  in 
welcher  der  vordere  Theil  des  Herzschlauches  liegt. 

Die  zu  meist  nach  innen  gelegene  homogene  Intima  des  Darmes 
hängt  mit  dem  Chitingerüste  des  Kaumagens,  und  durch  dieses  mit 
der  Intima  der  Speiseröhre  zusammen. 

Auf  diese  folgt  die  Epithelialzellenschichte,  dann  die  aus  Kreis- 
und  Längsmuskeln  bestehende  Muskelhaut.  Eine  Serosa  konnte  ich 
nicht  frei  abpräpariren,  wovon  die  Schuld  theils  auf  die  Kleinheit  des 
Objectes,  theils  auf  dieUnvollkommenheit  der  Instrumente  fallen  mag. 
Jedenfalls  wird  sie  vorhanden  sein,  wie  sie  Leydig  bei  anderen 
Gattungen  der  Crustaceen  angibt. 

Da  Brandt  in  der  medizinischen  Zoologie  (Bd.  II,  Taf.  XV, 
Fig.  39)  eine  gute  Abbildung  des  Darmcanals  von  Oniscus  bei  gerin- 
ger Vergrösserung  gegeben  hat,  und  die  histologischen  Elemente  von 
Leydig  in  seinem  Lehrbuch  der  Histologie  (pag.  332,  Fig.  177) 
von  derselben  Gattung  dargestellt  worden  sind  und  meine  Gattung 
von  dem  ebenerwähnten  in  nichts  Wesentlichem  abweicht,  so  habe 
ich  hievon  keine  Zeichnung  entworfen,  um  nicht  durch  unnĂĽtzes 
Reproduciren  von  schon  bekannten  Thatsachen  die  Zahl  der  Tafeln 
unnĂĽtz  zu  vermehren. 

Die  Lcberschlänche. 

Von  den  vier  Leberschläuchen  sind  die  beiden  äusseren  viel 
länger.  Sie  reichen  von  ihrer  Insertionsstelle  unterhalb  des  Kau- 
magens bis  zum  Postabdomen.  Die  beiden  inneren  Schläuche   sind 


Typhlontscus.  315 

viel  schwächer  und  um  ein  Drittheil  kürzer.  Alle  sind  einfach  walzen- 
förmig und  zeigen  keine  Spur  von  den  spiraligen  Windungen,  wie 
sie  an  der  Leber  von  Oniscus,  Porcellio  und  Armadillidium  vor- 
kommen. Auch  von  Farbe  ist  die  Leber  viel  blasser,  als  bei  den 
ebenerwähnten  Gattungen. 

Das  Nervensystem. 

Das  Nervensystem  besteht  aus  zwei  ziemlich  grossen  Ober- 
schlundganglien, von  denen  mächtige  Nerven  in  die  äusseren  Füh- 
ler, und  feine  Nervenstämmchen  nach  der  Gegend  der  inneren 
FĂĽhler  abgehen.  Von  den  Oberschlundganglien  gehen  zu  beiden 
Seiten  des  Ösophagus  Commissuren  nach  abwärts,  woselbst  ich  an 
der  Basis  des  Kopfes  ein  aus  zwei  vorderen  kleineren  und  zwei 
hinteren  grösseren  Knoten  verschmolzenes  Ganglion  gesehen  habe. 
Von  diesem  Ganglion  sah  ich  keine  Nerven  ausgehen. 

Hierauf  folgen  sechs  ziemlich  gleiche  stets  durch  zwei  parallele 
Nervenstränge  verbundene  Doppelganglien,  von  denen  sowohl,  wie 
auch  von  den  dazwischen  liegenden  Nervensträngen,  Nervenfäden 
ausstrahlen. 

Das  letzte  Ganglion  ist  grösser  und  scheint  aus  dreien  ver- 
schmolzen zu  sein,  und  sendet  zahlreiche  Nervenfäden  nach  den 
Seiten  und  nach  hinten. 

Das  von  Brandt  entdeckte  Eingeweide -Nervensystem  konnte 
ich  bei  dieser  Gattung  nicht  präpariren.  Ohne  Zweifel  wird  es  vor- 
handen sein  wie  bei  den  ĂĽbrigen  Gattungen  der  Oniscoiden. 

Circulationsorgane. 

Das  Herz  bildet  einen  schmalen  Schlauch,  welcher  unmittelbar 
unter  den  Bückengürteln,  in  der  Mittellinie  des  Körpers  liegt,  und 
sich  vom  Kopfe  bis  zum  hintern  Körperende  erstreckt. 

Unmittelbar  vor  dem  sechsten  Körpergürtel  entspringt  aus  dem 
Herzschlauche  beiderseits  ein  Blutgefässstamm,  welcher  sich  bald  in 
einen  vordem,  und  einen  hintern  Zweig  theilt.  Der  vordere  Zweig 
fĂĽhrt  das  Blut  zu  den  vorderen  und  seitlichen  Organen,  dem  vordem 
Theil  des  Nahrungscanais  und  der  Musculatur.  Der  hintere  zum 
Hintertheil  des  Nahrungscanais  und  zu  den  Genitalien. 


316  Schob  I. 

Überdies  entspringen  noch  aus  dem  Herzschlauche  drei  schwä- 
chere Blutgefässpaare ,  die  sich  fast  gerade  nach  der  Richtung  der 
Kiemen  zu  senken  scheinen. 

Ich  habe  das  Herz  und  die  eben  beschriebenen  Anfänge  der 
Blutgefässe  weder  weiter  verfolgt,  noch  genauere  Resultate  ermit- 
telt, als  es  schon  von  Brandt  und  Anderen  geschehen  ist,  ich  ver- 
weise desshalb  auch  auf  Ăźrandt's  Abbildung  (in  der  Med.  Zoologie, 
Theil  II,  Taf.  XV). 

Respirationsorgane. 

Taf.  VIII. 

Die  paarigen  Anhänge  der  Postabdominal -Segmente,  mit  Aus- 
nahme des  letzten,  sind  theils  zu  Respirationsorganen,  theils  zu  äus- 
seren Begattungsorganen  umgewandelt. 

In  den  ersten  Stadien  des  Embryolebens  unterscheiden  sich  die 
Anhänge  des  Postabdomens  durch  nichts  von  den  übrigen  paarigen 
Anhängen,  welche  später  die  Fuss-  und  Kieferpaare  liefern. 

Sie  bilden  cylindrische  Fortsätze,  welche  jedoch  nicht  einreihig 
wie  die  Fusspaare,  sondern  beiderseits  in  zwei  Reihen  angeordnet 
stehen,  so  zwar  dass  die  inneren  etwas  kleineren  von  den  äusseren 
bedeckt  werden. 

Bei  Behandlung  mit  verdünnter  Essigsäure  zerfallen  sie  in  einen 
Haufen  von  Zellen  oder  Furchungskugeln. 

Nach  aussen  werden  sie  von  einem  äusserst  feinen,  structurlosen 
ausgeschwitzten  Häutchen  begrenzt 

Aus  der  äussern  Reihe  der  Fortsätze  entwickeln  sich  beiderseits 
und  in  beiden  Geschlechtern  die  sogenannten  Kiemendeckel.  Die  inne- 
ren Fortsätze  liefern  im  männlichen  Geschlechte  am  ersten  Post- 
abdominalring die  Organae  jacnlatoria  ,  die  ich  später  beschreiben 
werde,  am  zweiten  die  eigentlichen  Ruthen  nach  meiner  Deutung, 
und  an  den  drei  folgenden  die  zarten  Kiemen. 

Im  weiblichen  Geschlechte  bleiben  die  inneren  Fortsätze  der 
zwei  ersten  Postabdominal -Segmente  rudimentär,  und  liefern  die 
Paraclitorides  und  Clitorides.  Die  der  folgenden  drei  Segmente  sind, 
wie  im  männlichen  Geschlechte,  zu  Kiemen  umgewandelt. 

Was  die  Kiemendeckel  anbelangt,  so  werden  sie  als  luftath- 
inende  Organe   bezeichnet,    und   bestehen  aus  zwei  selbstständigeu 


Typhloniscus.  3  1  T 

StĂĽcken  aus  den  eigentlichen  Kiemendeckeln,  und  dann  aus  schmalen 
queren  Platten,  an  denen  die  ersteren  festgeheftet  sind,  und  die  man 
bis  jetzt  ĂĽbersehen  zu  haben  scheint. 

Ich  nenne  diese  Gebilde  Basalplatten. 


Die  Basalplatteu. 

Taf.  VIII,  Fig.  1  und  6  a,  Fig.  2  —  5  und  7  —  10  b. 

Am  ersten  Postabdominal-Segmente  im  männlichen  Geschlechte 
sind  die  Basalplatten  zu  einer  einzigen  Platte  verschmolzen,  die  an 
den  Seiten  zweilappig  erscheint,  und  nebst  den  Kiemendeckeln  die 
Organa  ejaculatoria ,  aber  keine  Kiemen  trägt. 

Am  zweiten  männlichen  Postabdominal-Segmente  sind  die  beiden 
Basalplatten  von  einander  getrennt,  und  umfassen  mit  ihrem  innern 
Ende  gabelförmig  den  Grund  der  eigentlichen  Buthen. 

Am  ersten  weiblichen  Postabdominal-Segmente  sind  sie  gleich- 
falls getrennt,  nach  aussen  fast  zweilappig,  am  innern  Ende  besitzen 
sie  einen  rudimentären  Fortsatz,  der  das  Äquivalent  der  männlichen 
Organa  ejaculatoria  bildet  und  den  ich  Paraclitoris  nenne. 

Am  zweiten  weiblichen  Postabdominal-Segmente  sind  sie  eben- 
falls getrennt  und  umfassen  mit  ihrem  innern  Ende  einen  zapfen- 
fbrmigen,  zusammengedrückten  Körper,  das  rudimentäre  Analogon 
der  eigentlichen  Buthe  des  männlichen  Geschlechts  ,  oder  die  Clitoris 
nach  meiner  Deutung. 

Alle  bis  jetzt  beschriebenen  Basalplatten  tragen  zwar  Kiemen- 
deckel, unter  denselben  jedoch  keine  Kiemen. 

An  den  folgenden  drei  Postabdominal  -  Segmenten  beider 
Geschlechter  sind  die  Basalplatten  zwar  von  einander  getrennt,  hän- 
gen aber  sowohl  mit  ihrem  äussern,  als  mit  dem  innern  Ende,  mit 
den  Bauchschienen  zusammen.  Das  äussere  Ende  ist  rhomboidal 
erweitert ,  das  innere  besitzt  einen  zapfenförmigen  'Fortsatz  nach 
abwärts. 

Die  äussere  rhomboidale  Erweiterung  theilt  sich  nach  abwärts 
in  zwei  Lamellen ,  welche  den  Kiemendeckel  umfassen.  Ausser  den 
Kieniendeckeln  sind  an  jeder  von  diesen  Basalplatten  auch  noch  wahre 
Kiemenblätter  befestigt,  welche  von  den  früher  erwähnten  Deckeln 
bedeckt,  und  geschĂĽtzt  werden. 

Sil/.b.  d.  matheni.-natiuw.  CI.  XL.  Bd.  Nr.  9.  22 


318  S  c  h  ö  b  I. 

Am  äussern  erweiterten  Ende  dieser  Basalplatten  gewahrt  man 
einen  hellen  Fleck ,  der  einer  Öffnung  täuschend  ähnlich  sieht. 
Genauere  Untersuchungen  haben  mich  jedoch  bestimmt,  ihn  fĂĽr  die 
Insertionsstelle  eines  Muskels  zu  halten,  welcher  von  hier  schief 
nach  unten  und  aussen,  zum  Rande  des  Kiemendeckels  verläuft. 
Sämmtliche  Basalplatten  sind  hohl,  und  man  trifft  in  ihnen  so  wie  in 
den  Kiemendeckeln  Blutkörperchen  an. 

Die  eigentlichen  Kiemendeckel. 
Taf.  VIII,  Fig.  1  und  6  b,  Fig.  2  —  5  und  7  -  10  c. 

Die  Kiemendeckel  bilden  bald  mehr  in  die  Länge,  bald  mehr  in 
die  Breite  entwickelte,  rundlich  dreieckige  Platten,  deren  obere 
Kante  nur  wenig  gekrĂĽmmt  und  den  Basalplatten  zugekehrt  ist.  Die 
innere  Kante  ist  geradlinig,  die  äussere  ist  am  meisten  bogenförmig 
gekrümmt  und  mit  2  —  7  Chitinborsten  besetzt. 

Eine  Ă–ffnung,  welche  Leydig  an  der  Unterseite  gesehen  zu 
haben  glaubt  (dessen  Histologie,  pag.  397  und  zum  feinern  Bau  der 
Arthropoden  in  MĂĽller's  Archiv,  1855,  Heft  V,  pag.  458),  habe  ich 
mit  voller  Bestimmtheit  gesehen.  Sie  liegt  an  der  hintern  Fläche  in 
der  Mitte,  unterhalb  der  obern  Kante,  mĂĽndet  jedoch  meiner  Ansicht 
nach  nicht  nach  aussen,  wie  Leydig  meint,  sondern  sie  vermittelt 
eine  Communication  des  Kiemendeckels  mit  der  betreffenden  Basal- 
plalte. 

Mir  ist  es  nie  gelungen  bei  unverletztem  Präparate  und  vor- 
sichtiger Behandlung  ein  Luftbläschen  aus  dem  Kiemendeckel  durch 
die  obenerwähnte  Öffnung  direct  nach  aussen  zu  treiben,  wohl  aber 
in  die  Basalplatte.  Was  den  Bau  der  Kiemendeckel  anbelangt,  so 
bestehen  sie  aus  zwei  Lamellen.  Die  hintere  dem  Körper  zugekehrte 
Lamelle  ist,  besonders  nach  innen  zu,  mit  polygonalen  Gruppen  klei- 
ner Kalkconcremente  besetzt,  zwischen  denen  ein  feines,  helles, 
polygonales  Netzwerk  ĂĽbrig  bleibt.  Die  ganze  Lamelle  ist  durch  diese 
abgelagerten  Kalksalze  starr  und  zerbrechlich,  fast  spröde.  Die  vor- 
dere Lamelle  ist  äusserst  fein  und  zart,  zeigt  nie  eine  Spur  von 
Kalkablagerung,  sondern  stellt  immer  ein  homogenes  Chitinhäutchen 
dar,  welches  jedoch  bei  manchen  Gattungen  z.  B.  Oniscus  radiär 
gefaltet  ist ,  und  dadurch  den  BlutkĂĽgelchen  bestimmte  Bahnen 
vorschreibt. 


Typhloniscus.  319 

Bei  einigen  Gattungen  der  Oniscoiden,  Porcellio  nämlich,  und 
Armadillidium ,  kommen  an  der  obern  Kante  zwischen  den  beiden 
Lamellen  der  Kiemendeckel  eigenthümlich  verzweigte  Röhren  vor, 
welche  dem  blossen  Auge  als  kreideweisser  Fleck  erscheinen. 

Duvernoy  und  Lereboullet  haben  diese  kreideweissen 
Flecke  für  schwammige  Apparate  erklärt,  welche  die  Feuchtigkeit 
der  Luft  absorbiren  sollten.  Von  Siebold  hat  jedoch  schon  nachge- 
wiesen (MĂĽller's  Archiv  1842,  CXLI.  Anm.I),  dass  die  kreideweisse 
Färbung  jener  Flecken  von  fein  zertheilter  Luft  herrührt. 

Ich  halte  diese  Röhren  nicht  für  zur  Athmung  wesentliche 
Organe,  weil  sie  nur  bei  den  obenerwähnten  Gattungen  vorkommen, 
und  den  Gattungen  Oniscus,  Ligidium,  Trichoniscus ,  Typhlo- 
niscus gänzlich  mangeln;  ja  selbst  bei  den  zwei  Gattungen,  bei 
denen  sie  vorkommen,  blos  auf  die  ersten  zwei  Kiemendeckelpaare 
beschränkt  sind. 

Was  die  Formverschiedenheiten  der  einzelnen  Kiemendeckel- 
paare unter  einander,  so  wie  der  männlichen  und  weiblichen  anbe- 
langt, so  will  ich  mich  nicht  in  eine  langweilige  Beschreibung  der- 
selben einlassen,  und  verweise  lieber  auf  die  Abbildungen  (Taf.  VIII). 

Die  Kiemen. 

Taf.  VIII,  Fig.  3—5  und  8—10  d. 

Die  Kiemen  bilden  zusammengedrĂĽckte  rundlich  viereckige 
Taschen,  deren  Wandungen  von  einem  äusserst  zarten,  homogenen 
Häutchen  gebildet  werden. 

Sie  sind  an  den  frĂĽher  beschriebenen  Basalplatten  angeheftet, 
und  erreichen  bei  weitem  nicht  die  Grösse  der  Kiemendeckel,  von 
denen  sie  bedeckt  werden. 

Bei  Behandlung  mit  verdünnter  Essigsäure  treten  scharfbegrenzte 
dunkle  Zellkerne  hervor.  Zwischen  diesen  Zellkernen ,  an  deren 
Stelle  die  beiden  Lamellen  verbunden  zu  sein  scheinen,  bleibt  ein 
weites  Lückenwerk  übrig,  in  dem  die  Blutkörperchen  kreisen. 


320  s  c  h  ö b 


Nännliche  Geschlechtsorgane. 

Die  Hoden. 

Die  Hoden  liegen  zu  beiden  Seiten  des  Darmcanals,  und 
erstrecken  sich  vom  ersten  Postabdominal- Segmente  fast  bis  zum 
Kopfe. 

Die  Hauptmasse  eines  jeden  Hodens  besteht  aus  einem  kreide- 
weissen,  oben  und  unten  zusammengeschnĂĽrten  Schlauche,  in  den 
oben  und  innen  drei  kleinere  spindelförmige  Schlauche  einmünden, 
und  der  unten  hinter  der  eingeschnĂĽrten  Stelle  in  das  Vas  deferens 
ĂĽbergeht. 

Das  Vas  deferens  ist  ein  dickwandiger,  spindelfĂĽrmigerSchlauch, 
der  sich  nach  abwärts  beständig  verschmälert.  Die  Vasa  deferentia 
beider  Seiten  mĂĽnden  in  die  Vesicula  seminalis. 

Im  FrĂĽhjahre  findet  man  das  Lumen  des  Hodenschlauches  sowohl 
als  des  Vas  deferens  mit  langen  haarförmigenSpermatozoiden  ange- 
füllt, während  man  um  die  Spermatozoidenmasse  herum  im  Hoden- 
schlauche grosse  kernhaltige  Zellen  wahrnimmt,  die,  je  weiter  sie 
nach  abwärts  gelangen,  eine  um  so  grössere  Neigung  zum  Zerfallen 
besitzen,  so  zwar,  dass  man  in  den  Partien  des  Hodenschlauches  und 
im  obern  Theile  des  Vas  deferens  nur  mehr  Kerne  oder  Kernrudi- 
mente  wahrnimmt,  die  in  einer  körnigen  Grundsubstanz  herum- 
schwimmen. 

Die  spindelförmigen  Nebenschläuche  des  Hodens  sind  mit  klei- 
nen Zellen  vollgepfropft. 

Die  männlichen  Begattungsorganc. 

Taf.  IX. 

Die  Vasa  deferentia  beider  Seiten  nähern  sich  einander  in  der 
Gegend  des  ersten  Postabdominal-GĂĽrtels,  durchbohren  denselben  und 
münden  in  einen  spindelförmigen  Chitinschlauch,  welcher  nach  vorne 
von  einem  steiferen  Chitinplättchen  bedeckt  wird,  und  den  ich  für 
das  Samenbläschen  halte.  Zur  Begattungszeit,  am  Ende  des  Monates 
April  und  im  Mai  fand  ich  diesen  Schlauch  mit  Spermatozoiden  und 
dem  schon  frĂĽher  beschriebenen  Zellendetritus  angefĂĽllt.  Etwas  von 


Typhloniscus.  321 

dem  untern  Ende  besitzt  das  Samenbläschen  beiderseits  eine  spalt- 
förmige  Öffnung. 

Zu  beiden  Seiten  des  Samenbläschens  befinden  sich  an  der 
Basalplatte  des  ersten  männlichen  Postabdominal-Segmentes  längliche, 
plattgedrĂĽckte  Organe,  die  mit  breiter  Basis  an  der  Basalplatte  fest- 
geheftet sind,  und  sich  gegen  die  etwas  nach  aussen  gekrĂĽmmte 
Spitze  beständig  verschmälern. 

Diese  Organe  wurden  bis  jetzt  von  allen  Autoren  als  Ruthen 
beschrieben.  Ich  will  vorerst  diese  Gebilde  etwas  genauer  beschrei- 
ben, und  dann  die  GrĂĽnde  auseinandersetzen,  die  mich  bewogen 
haben,  sie,  im  Gegensatze  zu  allen  meinen  Vorgängern,  nicht 
fĂĽr  Ruthen  zu  halten ,  und  ihnen  eine  andere  Bedeutung  zuzu- 
weisen. 

Wie  schon  erwähnt  wurde,  sind  diese  Organe  (Taf.  VIII, 
Fig.  1  d  und  Tafel  IX,  Fig.  1  d)  mit  breiter  Basis  an  die  betref- 
fenden Basalplatten  festgewachsen,  und  werden  in  den  oberen 
Partien  von  den  in  diesem  Segmente  uneigentlich  so  genannten 
Kiemendeckeln  bedeckt  (Taf.  VIII,  Fig.  1). 

Ein  ziemlich  kräftiger  Muskel  verläuft  von  der  obern  Kante 
der  Basalkante  schief  nach  unten  und  aussen  zum  Grunde  des  Orga- 
nes  der  betreffenden  Seite,  und  bewirkt  durch  seine  Zusammenzie- 
hung eine  Annäherung  dieser  beiden  Organe  in  der  Mittellinie  gegen 
das  Samenbläschen.  Die  Innenkante  eines  jeden  dieser  Organe  ver- 
läuft in  den  oberen  zwei  Drittheilen  flach  bogenförmig,  mit  der  Con- 
cavität  gegen  das  Samenbläschen  gekehrt,  im  untern  Drittheile 
bildet  sie  einen  stumpfen  Winkel  und  verläuft  geradlinig  nach  unten 
und  aussen.  Die  Aussenkante  bildet  eine  leicht  geschweifte  Wellen- 
linie, ist  oben  convex,  unten  concav.  Die  Spitze  des  Organes  ist 
schief  von  innen  und  oben,  nach  aussen  und  unten  abgestutzt,  und 
mit  zwei  bis  drei  sehr  kleinen  Chitingriffeln  besetzt. 

Auf  der  Innenkante  im  mittleren  Drittheile  glaube  ich  eine  spalt- 
förmige  Öffnung  (Taf.  IX,  Fig.  1  k}  gesehen  zu  haben,  welche  in 
natürlicher  Lage  des  Organes  auf  die  Öffnung  des  Samenbläschens 
zu  liegen  kömmt  und  sie  gleichsam  umfasst.  An  der  hintern,  dem 
Körper  zugewandten  Wandung  dieser  Organe  befindet  sich  eine 
feste  Chitinleiste,  welche  oben  vom  Aussenrande  entspringt,  bogen- 
förmig bis  gegen  die  Mitte  zu  zum  Innenrande  verläuft,  daselbst 
plötzlich  anschwillt,   hierauf  noch  eine  kleine   Strecke  gegen   den 


322  s  c  h  ö  1.  i. 

Innenrand  zu  fortläuft,  um  dann  unter  einem  stumpfen  Winkel  sich 
beständig  verschmälernd  bis  zur  Spitze  der  Organe  zu  verlaufen 
(Taf.  IX,  Fig.  1  h). 

In  der  vorderen  Wand  dagegen  befindet  sich  eine  Region, 
welche  oben  mit  breiter  Basis  beginnt,  sich  nach  abwärts  beständig 
verschmälert  und  im  untern  Drittheil  spiralförmig  von  oben  und 
aussen,  nach  unten  und  innen  verläuft,  und  welche  von  einem  viel 
zarteren  und  nachgiebigeren  Chitinhäutchen  gebildet  wird,  als  die 
ĂĽbrige  Wand  der  Organe  (Taf.  IX,  Fig.  1  i). 

Bei  dem  Zuge  gewisser  Muskeln  faltet  sich  durch  den  Druck  der 
Präparirnadel  das  feine  Häutchen  dieser  Region  so,  dass  die  Ränder 
der  festeren  Wandungen  sich  berühren,  und  die  ebenerwähnte  Region, 
namentlich  in  den  unteren  Partien ,  gänzlich  verschwindet,  wodurch 
das  Lumen  des  ganzen  Organes  bedeutend  verengert  wird,  und 
etwa  darin  befindliche  Gegenstände  auf  diese  Weise  heraus  getrie- 
ben werden  können. 

Im  Innern  der  Organe  befindet  sich  ein  kräftiger  fächerför- 
miger Muskel  ,  der  vom  innern  Basalwinkel  entspringt,  und  sich  mit 
seiner  fächerförmigen  Ausbreitung  im  obern  Drittheile  der  Aussen- 
kante  inserirt  (Taf.  IX,  Fig.  1  /). 

Die  Contractionen  dieses  Muskels  bewirken  das  frĂĽher  beschrie- 
bene Manöver  mit  der  zarteren  Region  der  vordem  Wand.  Man 
könnte  ihn  Musculus  ejaculator  senrinis  nennen.  Noch  ein  Längs- 
muskel verläuft  von  der  Basis  bis  ungefähr  zur  Mitte ,  und  bewirkt, 
meiner  Ansicht  nach,  eine  schwache  Beugung  der  Spitze  des  Orga- 
nes nach  vorne,  oder  in  natürlicher  Lage  des  Thieres  nach  abwärts 
(Taf.  IX,  Fig.  1  g). 

Was  nun  die  GrĂĽnde  anbelangt,  die  mich  bestimmen,  diese 
Organe  nicht  fĂĽr  Ruthen  zu  halten,  so  sind  sie  folgende:  Die  weib- 
lichen Geschlechtsöffnungen,  welche  ich  entdeckt  habe,  sind  so 
beschaffen,  dass  diese  Gebilde  durchaus  nicht  in  dieselben  eingefĂĽhrt 
werden  können,  indem  sie  selbst  an  der  Spitze  einen  grössern 
Durchmesser  besitzen,  als  die  sehr  feine  weibliche  Geschlechtsöff- 
nung selbst.  Aus  der  Lage  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung  geht 
ferner  hervor,  dass  besagte  Organe  denselben  nicht  einmal  ange- 
nähert werden  können.  Die  weiblichen  Geschlechtsöffnungen  liegen 
an  den  Seiten  des  fĂĽnften  BauchgĂĽrtels  neben  der  Einlenkungsstelle 
der  Füsse.  Nun  ist  man  aber  durchaus  nicht  im  Stande,  diese  söge- 


Typhloniscus.  323 

nannten  Ruthen  ohne  Anwendung  von  Gewalt  und  Continuitätsstörung 
so  weit  auseinander  zu  bringen,  als  die  weiblichen  Geschlechtsöff- 
nungen  von  einander  entfernt  liegen.  Es  wäre  sinnlos  anzunehmen, 
dass  beide  Ruthen  zugleich  erst  der  einen,  und  hierauf  der  zweiten 
Geschlechtsöffnung  genähert  würden.  Wäre  dies  der  Fall,  so  würde 
die  Natur  gewiss  den  einfacheren  Weg  eingeschlagen  haben,  und 
hätte  blos  eine  Ruthe  in  der  Medianlinie  gebildet.  Da  sich  enlichd 
im  männlichen  Geschlechte  am  zweiten  Gürtel  des  Postabdomen 
Organe  befinden,  die  alle  diese  Mängel  nicht  besitzen,  und  allen 
Anforderungen  als  Ruthen  völlig  entsprechen,  so  wäre  es  im  höchsten 
Grade  naturwidrig,  jene  Organe  am  ersten  Postabdominalring  gewalt- 
samer Weise  gegen  jede  naturgemässe  Einsicht  zu  Ruthen  stempeln 
zu  wollen. 

Da  nun  diese  Organe  meiner  Theorie  nach  keine  Ruthen  sind, 
dennoch  aber  Spermatozoiden  enthalten,  und  selbe  durch  einen 
eigenen  Muskel  nach  aussen  zu  befördern  im  Stande  sind;  so  ent- 
sprechen sie  offenbar  dem  Ductus  ejaculatorius  anderer  Thiere. 
Nur  besitzen  sie  einen  viel  complicirteren  Rau ,  als  es  beim  Ductus 
ejaculatorius  gewöhnlich  der  Fall  ist,  und  sind  zu  selbstständigen 
Organen  umgewandelt  worden;  desshalb  glaube  ich  auch,  sie  fĂĽglich 
nicht  Ductus  ejaculatorii  nennen  zu  können,  sondern  lege  ihnen 
den  Namen  Organa  ejaculatoria  seminis  bei. 

Die  wesentlichen  Bestandtheile  dieser  Organe  stimmen  bei  den 
ĂĽbrigen  Gattungen  mit  den  hier  abgebildeten  und  beschriebenen  des 
Typhloniscus  vollkommen  ĂĽberein. 

Einige  Modifikationen  in  Bezug  auf  Form  und  relative  Längen- 
verhältnisse will  ich  gegenwärtig  unberücksichtigt  lassen.  Tre- 
viranus  (in  seinen  vermischten  Schriften,  I.  Band  ,  5.  Abtheilung) 
beschreibt  diese  Organe  als  Ruthen  und  sagt  von  ihnen,  sie  wären 
kurz,  und  zwischen  dem  ersten  dreiseitigen  Schuppenpaare  gelagert. 

Rrandt  (in  der  medizinischen  Zoologie)  so  wie  alle  anderen 
Schriftsteller  beschreiben  diese  Organe  gleichfalls  als  wahre  Ruthen, 
wie  ich  schon  früher  erwähnt  habe. 

Die  eigentliche  Ruthe  nach  meiner  Deutung. 

(Leiter  der  Ruthe  nach  Treyiranus,  secundäre  oder  Neben- 
ruthe,  oder  Hilfsorgan  bei  der  Begattung,  nach  Brandt  und  den 


324 


8  c  h  ö  b  I. 


ĂĽbrigen  Schriftstellern.)  Die  eigentliche  Ruthe  zeigt  einen  nicht 
minder  complicirten  Bau,  als  die  eben  beschriebenen  Samenaus- 
spritzungsorgane.  Ein  ganzes  System  eigener  Muskeln  vermittelt 
ihre  sehr  freie  Beweglichkeit.  Die  Basalplatte,  mittelst  derer  die 
Ruthe  am  zweiten  Postabdominalring  befestigt  ist,  unterschiedet  sich 
von  denen  des  ersten  Ringes  schon  dadurch,  dass  sie  in  der  Mitte 
nicht  verschmolzen  sind.  Sie  tragen  gleichfalls  Kiemendeckel,  unter 
deren  je  einem  sich  eine  Ruthe  befindet. 

Diese  Platten  besitzen  an  ihrem  innern  Ende  einen  nach  ab- 
wärts gerichteten  Fortsatz,  welcher  das  Grundstück  der  Ruthe  um- 
fasst,  so  dass  sich  dieses  wie  in  einem  Winkelgelenke  bewegen 
kann. 

An  einem  zahnförmigen  Vorsprung  (Fig.  2  c)  des  inneren 
obern  Winkels  dieser  Platte  befestigt  sich  ein  Muskel,  dessen  Zug 
die  eben  beschriebenen  unteren  Fortsätze  beider  Seiten  einander 
nähert.  Ein  anderer  Muskel  verläuft  schief  zur  Insertionsstelle  des 
DeckelstĂĽckes,  und  ein  dritter,  weniger  schiefer,  von  demselben 
Ursprung  zum  untern  Rande  der  Platte. 

Das  Grund-  oder  BasilarstĂĽck  der  Ruthe  bildet  einen  ab- 
gestutzten Kegel,  an  dessen  abgestutzter  Spitze  der  eigentliche 
Ruthenkörper  gelenkig  eingefügt  ist.  Das  obere  Ende  wird  zum 
Theile  von  dem  Fortsatz  der  Basalplatte  umfasst,  zum  Theile  liegt 
es  hinter  der  Platte  selbst.  Fig.  2  d. 

An  der  äussern  Kante  inserirt  sich  ein  kräftiger,  von  innen 
schief  nach  aussen  verlaufender  Muskel,  der  den  obern  Theil  des 
GrundstĂĽckes  nach  innen  bewegt,  und  da  sich  derDrehungspunkt  des 
GrundstĂĽckes  unterhalb  der  Insertion  befindet,  so  muss  der  untere 
Theil  des  Grundstückes,  so  wie  der  damit  verbundene  Ruthenkörper 
nach  aussen  bewegt  werden.  Ich  nenne  diese  Muskeln  Musculi 
directores  penis,  Fig.  2  f.  Man  kann  diese  Bewegung  auch  kĂĽnstlich 
mit  der  Präparirnadel  hervorbringen,  und  sie  erfolgt  oft  schon  nach 
dem  geringsten  Reize  von  selbst,  und  zwar  in  dem  Grade,  dass  die 
Spitzen  der  Ruthenkörper  eben  so  weit  von  einander  entfernt  wer- 
den, als  die  Distanz  der  beiden  weiblichen  Geschlechtsöffnungen 
beträgt. 

Ein  anderer  Muskel  liegt  im  GrundstĂĽcke  der  Penis  ein- 
geschlossen, entspringt  am  obern  Theil  der  äussern  Kante  und 
befestigt  sich  an  die  Basis  des  Ruthenkörpers.  Er  hat  wahrscheinlich 


Typ/ilonisc  US,  325 

den  Zweck  ,  den  gegen  das  Grundstück  gebeugten  Ruthenkörper 
zu  strecken.  Der  Ruthenkörper  besteht  aus  einer  lang-  und  feinzu- 
gespitzten, nach  aussen  offenen  Hohlrinne  (Fig.  2  e). 

Es  wird  nun  offenbar  die  Samenmasse  aus  den  Samenaus- 
spritzungsorganen in  diese  Hohlrinne  gelangen,  und  durch  diese  in 
die  weiblichen  Geschlechtsöffnungen  eingeführt  werden. 

Es  ist  auch  dieser  rinnenförmige  Ruthenkörper,  sowohl  ver- 
möge seiner  feinen  Endigung,  als  auch  wegen  des  Umstand.es,  dass 
er  mit  Leichtigkeit  aus  seiner  Lage  gebracht,  und  in  die  weiblichen 
Organe  eingefĂĽhrt  werden  kann,  vollkommen  zu  diesem  Zwecke 
der  Ăśbertragung  des  Samens  geeignet. 

Auch  wäre  es  unbegreiflich ,  wie  diese  Organe  der  altern  Auf- 
fassung zu  Folge  als  Hilfsorgane  bei  der  Regattung  dienen.  Etwa 
um  das  Weibchen  festzuhalten?  oder  um  die  viel  stärkere  und  un- 
beweglichere sogenannte  Ruthe  zu  leiten? 

Und  wozu  endlich  wäre  die  Rinne?  Denselben  Zweck  hätte  die 
Natur  mit  einem  soliden  Körper  erreicht. 

Ich  glaube  aus  dem  Bau  dieser  Organe  so  wie  aus  der  Be- 
schaffenheit und  Lage  der  weiblichen  Geschlechtsöffnungen  genug 
deutlich  nachgewiesen  zu  haben,  dass  meine  Deutung  dieser  Organe 
die  richtige  sei.  Eine  weitere  Ausbreitung  ĂĽber  diesen  Gegenstand 
halte  ich  fĂĽr  ĂĽberflĂĽssig. 

Weibliche  Geschlechtsorgane. 

Tafel  X. 
Die    Ovarien  (Taf.  X,  Fig.  1  o). 

Die  Ovarien  bilden  zu  beiden  Seiten  des  Darmcanals  liegende 
Schläuche,  welche  sich  vom  Postabdomen  bis  zum  Kopfe  erstrecken. 
Ausser  schon  fertigen,  von  einer  homogenen  Cuticula  begrenzten 
Eichen,  findet  man  in  denselben  auch  Keimbläschen ,  erst  von  einem 
Hofe  von  DottermolecĂĽlen  umgeben.  Die  ganzen  Ovarien  besitzen 
von  den  Eichen  eine  blassgelbe  Farbe. 

Etwas  hinter  der  Hälfte  bildet  die  Hülle  eines  jeden  Eierstockes 
an  der  Aussenseite  eine  Verlängerung,  die  sich  nach  abwärts  begibt 
und  an  die  Innenfläche  des  fünften  Bauchgürtels  festheftet;  so  zwar 
dass  ein  schmaler  zartwandiger  Canal  von  der  Bauchschiene  bis  in 


326  s  c  h  ö  i,  i. 

den  Eierstock  gebildet  wird.  Am  Grunde  dieses  Ganges  liegt  die 
weibliche  Geschlechtsöffnung  und  in  demselben  ein  Chitinschlauch, 
das  Receptaculum  seminis. 

Die  äussere  weibliehe  Geschlechtsöffnung  (Taf.  X,  Fig.  2  a). 

Ich  habe  die  weibliche  Geschlechtsöffnung  erst  im  heurigen 
Jahre  entdeckt,  obzwar  ich  schon  seit  Jahren  ihre  beiläufige  Lage 
vermuthet  habe.  Die  weibliche  Geschlechtsöffnung  ist  doppelt,  und 
liegt  am  fünften  Körpergürtel  von  der  Einlenkungsstelle  des  Fusses 
etwas  nach  innen.  Die  Öffnung  selbst  ist  äusserst  fein,  länglich  ellip- 
tisch, und  oft  unter  der  bogenförmigen  Kante,  die  sich  in  dieser 
Gegend  an  der  Bauchschiene  befindet,  versteckt. 

Durch  die  weibliche  Geschlechtsöffnung  gelangt  man  in  einen 
Chitinschlauch.  Dieser  ist 

Das  Receptaculum  seminis  (Taf.  X,  Fig.  i  f;  Fig.  3). 

Das  Receptaculum  bildet  eine  EinstĂĽlpung  der  allgemeinen 
Körperbedeckung  in  die  Leibeshöhle.  An  der  Basis  unmittelbar  hinter 
der  Geschlechtsöffnung  ist  das  Receptaculum  sehr  dickwandig, 
weiterhin  ĂĽbergeht  es  in  einen  zartwandigen  homogenen  Chitin- 
schlauch, an  dem  sich  zur  Zeit  der  Begattung  keine  Ă–ffnung  nach- 
weisen lässt.  Im  Monate  April  fand  ich  das  Receptaculum  bei  einigen, 
im  Monate  Mai  bei  allen  Weibchen  mit  Spermatozoiden  gefĂĽllt. 


Typhloniscut,  327 


Erklärung  der  Tafeln. 


Tafel  I. 

Schwach  vergrösserte  Abbildung  des  Typhloniscus,  um  die  Körperumrisse, 
Farbe  und  Sculptur  des  Thieres  zu  zeigen.    Vergrösserung  25  Mal  lin. 

Tafel  II. 

Bedeutend  vergrösserte  Darstellung  der  charakteristischen  Gattungs- 
merkmale von  Typhloniscus. 

Fig.  1.  Der  Kopf  von  unten  bei  auffallendem  Lichte  betrachtet,  um  die  bei- 
den seitlichen  Stirnfortsätze,  an  denen  die  ersten  zwei  Fehlerglieder 
gelassen  sind,  dann  die  mittlere  convexe  Stirnpartie  mit  ihrer  eigen- 
tümlichen papillösenBekleidung;  dann  die  inneren  Fehler,  und  end- 
lich die  Mundtheile  in  völlig  natürlicher  Lage  zu  zeigen,  100  Mal  lin. 
vergrössert. 
„  2.  Rechte  äussere  Artenne  iOO  Mal  lin.  vergrössert. 
„  3.  Hinteres  Körperende,  von  oben  die  beiden  letzten  Segmente  des 
Postabdomen  und  die  beiden  Paare  der  sogenannten  Schwanzanhänge 
in  ihrem  relativen  Grössenverhältnisse  und  mit  ihrer  Sculptur  oder 
Bekleidung  100  Mal  lin.  vergrössert. 

Tafel  III. 

Mundtheile  von  Typhloniscus  nach  Wegnahme  der  Oberlippe  und  des 
ersten  Kieferpaares.  Das  vierte  Kieferpaar  ist  nach  abwärts  zurückgeschla- 
gen, das  zweite  und  dritte  Kieferpaar  sind  etwas  weniges  auseinander  präparirt. 
Vergrösserung  180  Mal  lin. 

1.  Die   ZungenstĂĽtze  (Fulcrum  ligulare).    Der   wichtigste    in    der   Mittel- 
linie gelegene  Theil  des  KieferzungengerĂĽstes. 

a  das  erste   oder  obere  Fortsatzpaar  und   b  das   zweite  oder    untere 
Fortsatzpaar  der  ZungenstĂĽtze. 

2.  Die  KieferstĂĽtzen  oder  die  beiden  seitlichen  Platten    des  Kieferzungen- 
gerĂĽstes. 

a  der  längste,  b  der  mittlere,  c  der  kürzeste  Fortsatz  derselben. 

3.  Das  erste  Paar  der  zum  Kieferzungengerüste  gehörigen    kleinen  Chitin- 
stäbchen. 

4.  Das  zweite  Stäbchenpaar. 

5.  Die  Zunge. 

6.  Die  äussere  Lade. 


328  seh  ö  h  i. 

7.  Die  innere  Lade  und 

8.  das  GrundstĂĽck  des  zweiten  Kieferpaares. 

9.  Das  dritte  Kieferpaar. 
10.  Das  vierte  Kieferpaar. 

Tafel  IV. 

Die  vier  Kieferpaare  und  die  Oberlippe  isolirt  dargestellt.  Vergrösserung 
180  Mal  lin. 

Fig.  J.  Die  Oberlippe. 
„      2.  Das    erste    Kieferpaar.    Rechter    Kiefer    (in    natürlicher    Lage   des 

Thieres)   von   unten  betrachtet. 
„      3.  Derselbe  Kiefer  von  innen  betrachtet,  um  die  Bezahnung  zu  zeigen. 
„      4.  Linker  erster  Kiefer,  von  innen  gesehen. 
„      5.  Das  zweite  Kieferpaar.    Die  rechte  Hälfte  desselben. 

a   die   äussere,    b    die    innere  Lade,    c    das   Grundstück,    d  die 
KieferstĂĽtze. 
„      6.  Das  dritte  Kieferpaar.  Rechte  Hälfte. 
„      7.  Das  vierte  Kieferpaar.  Rechte  Hälfte. 

a  Grundplatte,    b  KaustĂĽck,    c  Lateralplatte,  d  Prosternalplatte. 

Tafel  V. 

Die  Oberlippe,  die  Zunge,  die  Chitinmembran  des  Oesophagus  (Intima)  und 
der  Kaumagen'von  vorne  oder  unten  betrachtet.    Vergrösserung  250  Mal   lin. 

1.  Die  Oberlippe. 

2.  Die  Zunge. 

3.  Intima  Oesophagi. 

4.  Der  Kauinagen. 

Tafel  VI. 

Der    Kaumagen    nach  Wegpräparirung   der  Serosa    und    Mnscularis    von 
hinten  oder  oben  betrachtet.  Vergrösserung  30  Mal   lin. 

1.  Das  feste  KaumagengerĂĽste. 

2.  Die  seitlichen  Lappen  des  Kaumagens. 

a   die  äussere  starke,  b  die  bogenförmig  gekrümmte  Leiste. 

3.  Die  mit  Kalk  unpräparirten  bogenförmigen  Leisten  des  Kaumagens. 

4.  Der  Kaumagendeckel. 

5.  Lapis  Oniseorum  sagitlaeformis. 

6.  Lumina  bacillaris. 

7.  Lamina  cribriformis. 

8.  Planities  herpetolithaeformis. 

9.  Ein  Theil    der  Intima   Oesophagi  nach  oben    schief   durchschnitten,    imi 
ihren  Querschnitt  zu  zeigen. 

Tafel  VII. 

Bestandtheile  des  Kaumagens,  350  Mal  vergrössert. 
Fig.    1.   Ein  Theil  des  Kaumagens  von  oben  betrachtet  nach  Wegnahme  des 
Kaumagendeckels  und  der  ihn  bedeckenden  Chitinmembran  und  nach 
ZurĂĽckschlagung  des  seitlichen  Lappens  (bj. 


Typhloniscus.  329 

a  festes  Kaumagengerüste,  a.  innerer,  ß  äusserer  Fortsatz  des- 
selben, b  seitlicher  Lappen  des  Kauinagens,  c  mit  Kalk  im- 
prägnirfe  Leisten  des  Kauniagens,  d  Lapis  Oniseorum  sagittae- 
formis,  e  Lainina  bacillaris,  f  Lamina  cribriformis,  g  Planities 
herpetolithaeformis,  h  Planities  reticulata,  i  Discus  costulatus, 
k  umgeschlagener  mit  Chitinborsien  besetzter  Rand  des  festen 
KaumagengerĂĽstes. 

Fig.  2.  Planities  cribriformis.  Aus  der  sie  umhĂĽllenden  Chitinhaut-Dupli- 
catur  herauspriiparirt. 

„      3.  Lamina  bacillaris  isolirt. 

„      4.  Lapis  oniseorum  isolirt  und  bei  durchfallendem  Lichte  betrachtet. 

Tafel  VIII. 

Anhänge  der  fünf  Poslabdominal-Segmente  beider  Geschlechter,  30  Mal 
vergrössert.  1 — 5  die  männlichen,  6 — 10  die  weiblichen  zu  Respirations-  und 
theihveise  zu  Begattungsorganen  modificirten  Anhänge  der  oben  genannten 
Ringe. 

Fig.   1.  Anhänge  des  ersten  Postabdominal-Segmentes. 

a  Basilarplatte,    b  Deckplatte,  c    Vesicula  seminales,   d   Organa 
ejaculatoria  seminis. 
„      2.  Anhänge  des  zweiten  Postabdominal-Ringes  beim  Männchen. 

a  Theile    der    Bauchschiene,    b    Basilarplatten ,    c   Deckplatten, 
d  Grundstück  der  Ruthe,  e  Ruthenkörper. 
„      3.  Anhänge  des  dritten   männlichen  Postabdominal-Ringes. 

a  Bauchschiene,  b  Basilarplatte,  c  Deckplatte,  d  Kieme. 
„      4.  Anhänge  des   vierten  und 

„      li.  Anhänge  des  fünften  männlichen  Postabdominal-Segmentes.  Bedeu- 
tung der  Buchstaben  wie  bei   Fig.  3. 
„      6.  Anhänge  des  ersten  weiblichen  Segmentes. 

a  Basilarplatte,  b  Deckplatte. 
„      7.  Anhänge  des  zweiten  weiblichen  Postabdominal-Segmentes. 
a  Bauchschiene,  b  Basilarplatte,  c  Clitoris,  d  Deckplatte. 
„      8.  Anhäne  des  dritten  weiblichen  Segmentes. 

a  Bauchschiene,  b  Basilarplatte,  e  Deckplatte,  d  Kieme. 
„      9.  Anhänge  des  vierten  und 

„     10.  Anhänge  des  fünften  weiblichen  Postabdominal-Segmentes. 
Bedeutung  der  Buchstaben  wie  bei  Fig.  8. 

Tafel  IX. 

Die  männlichen  Begattungsorgane  1U0  Mal  vergrössert. 
Fig.   i.  Die   Organa  ejaculatoria  sammt  dem  Samenbläschen. 

a  Basalplatten  des  ersten  Postabdominal-Segmentes,  /;  abge- 
schnittene Enden  der  Vasa  deferentia,  c  das  Samenbläs- 
chen, d  Organa  ejaculatoria,  e  ein  Muskel,  der  schief  von 
der  Basalplatte  zum  Grunde  der  betreifenden  Organe  verläuft. 


330  Schöbl.   Typhloniscus. 

f  ein  fächerförmiger  Muskel,  der  die  Verengerung  des  Lumens 
dieser  Organe  bewirkt,  g  ein  dritter   Muskel,  h  eine   spiralig 
verlaufende  zartwand igere  Region. 
Fig.  2.  Die  eigentlichen  Ruthen  sammt  ihren  Muskeln. 

a  Ein  Theil  der  Bauchschiene,  6  die  Basalplatten  des  zweiten 
Poslabdominalsegmentes,  c  ein  das  GrundstĂĽck  der  Ruthe 
umfassender  Fortsatz  der  Basalplatte  ,  d  GrundstĂĽck  der 
Ruthe,  e  Ruthenkörper,  f  ein  Muskel  der  die  Abduction 
der  Ruthe  bewirkt,  g  ein  von  der  Basalplatte  schief  zur 
Insertionsstelle  des  Kiemendeckels  verlaufender  Muskel,  h  ein 
am  GrundstĂĽck  der  Ruthe  eingeschlossener,  zum  Ruthen- 
körper verlaufender  Muskel,  i  ein  von  der  Bauchschiene 
zur  Basalplatte  verlaufender  Muskel. 

Tafel  X. 

Weibliche  Geschlechtsorgane. 

Fig.  1.  Die   beiden  Ovarien  mit  den   Eileitern  und  Receptacula   seminis  im 
Zusammenhange  mit  dem  fünften  Körpergürtel,  von  oben  betrachtet. 
a    Ovarien,     b    eine    ligamentartige    Fortsetzung   der    Membran, 
c    die    Bauchschiene    des   fünften   Körpergürtels,    d  Eileiter, 
e  Receptacuhtm  seminis,   f  unterer  dickwandiger  Theil   des- 
selben. 
„      2.  Die  halbe  Bauchschiene  des    fünften  Körpergürtels. 

a  äussere  weibliche  Geschlechtsöffnung  ,    b  Öffnung  für  den  Fuss, 
c  eine  bogenförmig  verlaufende  Kante. 
„      3.  Receptaeulum  seminis. 

a  oberer  dĂĽnnwandiger,    b  unterer  dickwandiger  Theil  desselben. 
Im  inneren  Spermatozoiden. 


Schöbl.  Tvphlontscus 


Taf.l. 


Sil/.uiiLfsl)  il.k  .\kH(ld  W.  in.itli .naturw.Cl.XL.  Bri.X"  9.1860. 


Scholil  .  lypliloiuscii 


r.-.r  ii 


Schöbl.    Typhlonixrus. 


. 


Taf.UI. 


-    L3  .  .-.-â– . 

Sitfcungsb.dk  Ak.-.d.d  Vinalh    iiatiirw.CI.      XL     Bd.X"  1)    IftfiO 


Schob!      TvphloiĂĽ.scus. 


Taf  IV. 


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6. 


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Siiy..iii«isl.  ,1  k  Akn.l .d.W  .math.naturvr.Cl      <\.    Bd.N" -9  1860. 


SchcYbl.  TypliloiĂĽseus. 


Taf.V. 


Hackl.lIaA.250maJ:I-  â–      Iruckere 

Sitz.un>>sb  (I.k.Ak-ad.dAV.m.-itlt.untHi-w.l'I.     XL.  BcLÂĄ?9.1860. 


Scliobl.  Tv|i]iIoiiiscus. 


TnlWI. 


SitETinösb.d,k.Akal.d.W.matli.Tiatxu:w.Cl.       XL.  TAX"  9.1860. 


Schobl .   TypJiLcmiscus. 


Inf  vn. 


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â–   â–  

Sii/jurisl.  ,1  k.\ki'i(l.(l.AV.imitli.n.atur-w.CL        XL.  V><\ .  X"   II  1860. 


SrlĂĽthL .  Tv ph [oniscus. 


Tflf.Vra. 


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H&chlN-.'  r.gea.v.  Jos.ScKöbl. 


hu  1. lc.lt Hof. u.  Sta,aAsiruckerei. 


Silir,uiij!sb.J.kAkad.ilT.ni:ith.iui1urw.t'l.     XIi.Bd.X?-  9.  1860. 


Schob] .   Typhloiiiscug. 


r-»rix. 


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Sitz.uno-sW.k.Akn.l.iUY.  matknalurwr.Cl.      XTi.BOf-! 


Schob!.  TypMoniscus. 


TalX. 


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Siu.imusli ..I  k.AL.<l  (1  W  rnaih.naturw.Cl.        XL.  BOT^9.18G0. 


Mol  in.    Trenta  sppoie  di  Nematoidi.  331 


Trenta  specie  di  Nematoidi 

determinate 

dal  Dr.  Raffaele  Mol  in, 

jadrense, 

r.  professore  p.  o.  <Ii  iniueralogia  e  zoologia  presso  la  c.  r.  universitä  «I i  Pailinj. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  1.  December  1859.) 


Introduzione. 

Scrivendo  le  monografie  dei  generi  Ilystrichis,  Spiroptera,  Dis- 
pharagus,  Histiocephalus  e  Physaloptera,  hodovuto  non  solo  esclu- 
dere  dall'  uno  ovvero  dalf  altro  di  questi  generi  alcune  specie,  le  quali 
erano  state  erroneamente  classificate  da  altri  elmintologi ,  ma  oltre 
a  ciö  ho  avuto  l'opportunitä  di  esaminare  alcuni  Nematoidi,  i  quali 
mescolati  insieme  a  un  gran  numero  di  esemplari  di  una  specie  esatta- 
mente  determinata  appartenevano  ad  altro  genere.  Delle  prime  era  rnio 
dovere  di  fannene  earico,  e  di  indicare  quäl  posto  devono  occupare 
nel  sistema,  degli  Ultimi  ho  tenuto  conto  nella  certezza  che  non  sarä 
inutile  per  la  scienza  il  descriverli.  E  ciö  tanto  piii  che  fra  questi 
v'erano  alcuni  distinti  sia  per  la  novitä  delle  forme,  sia  per  l'animale 
che  li  albergava.  In  tal  modo  ebbe  origine  questa  monografia  la  quäle 
serve  di  appendice  alle  cinque  precedenti.  In  essa  sono  descritte  30. 
specie  di  Nematoidi,  appartenenti  a  14generi,trovate  in  49  animali,  vale 
a  dire  in  5  poppanti,  37  uccelli,  6  rettili  ed  1  pesce.  Dei  14  generi 
suddetti  2  sono  generi  nuovi,  e  delle  30  specie  7  sono  specie  rettifi- 
cate,  le  quali  erano  state  erroneamente  determinate  da  altri  natura- 
listi,  21  sono  specie  nuove,  di  1  e  emendata  la  diagnosi,  ed  1  e  im- 
portante  per  Panimale  che  Talbergava. 

Ed  ecco  sciolto  il  problema  che  m'ero  propostn.  L'avrö  poi 
sciolto  in  modo  che  non  ne  ridondi  vergogna  al  mio  norne?  Io  oserei 
sperare  di  nö,  se  posso  conchiudere  all"  esito  dall'  affetto  col  quäle 
m'affaticai  in  queste  ricerche.  Ora  perö  che  son  giunto  alla  fine  di 
questo  penoso  lavoro  mi  sia  permesso  di  soddisfare  a  un  sacro  dovere 


332  Mo  1  in. 

rendendo  un  puhblico  tributo  di  grazie  ai  signori  cavalieri  Kollar 
e  Frauen  fei  d,  ai  miei  amici  Dr.  Fitzinger  e  nobile  di  Pö  I  z  e  I, 
ed  al  mio  maestro  Dr.  Diesing.  I  primi  misero  a  mia  disposizione 
con  una  liberalita  che  non  trova  la  sua  pari  le  ricchissime  collezioni 
di  elminti  dell'  i.  r.  Museo  zoologico  di  corte;  i  signori  Fitzinger 
e  Pölzel  m'assistettero  nell'  esatta  determinazione  degli  animali 
esotici,  nei  quali  furono  rinvenuti  i  vermi  intestinali  descritti;  e  il  mio 
maestro  Diesing  non  negommi  mai  Taiuto  de1  snoi  consigli,  frutto 
della  sua  lunga  esperienza,  ogni  quäl  volta  avevo  un  dubbio  da 
schiarire,  un  concetto  da  coreggere.  La  gratitudine  non  aftettata  che 
io  sento  per  questi  dotti ,  sia  di  rimprovero  a  coloro  i  quali  sferzati 
del  demone  delf  invidia  tenlano  di  porre  ogni  possibile  inciampo 
a  chi  sentendo  la  dignita  del  sapere  hatte  diritto  la  sua  strada  senza 
abhassarsi  alla  vile  funzione  delf  adulatore. 


I.  Genus.  Subulura  Molin. 

Caput  corpore  continuum;  os  terminale,  orbiculare ,  hauet 
armatum;  corpus  filiforme,  inerme,  postice  longe  subulatum; 
extremitas  caudalis  maris  aptera,  papillis  exornata,  ace- 
tabulo  suctorio  ab  apice  caudali  remoto;  vag i na  penis 
dipetala  cruribus  spiraliter  tortis ;  ap  er  iura  vulvae  in 
posteriore  corporis  parte.  —  Avium  in  intestinis  obvia. 

1.  Subulura  acutissima  Mol  in. 

Caput  corpore  continuum,  epidermide  stricte  adnata ;  os 
terminale,  orbiculare,  parvum,  papillosum;  corpus  filiforme, 
utrinque,  retrorsum  tnagis  attenuatum ;  extremitas  anterior 
apice  rotundata;  caudalis  maris  subulata,  apice  acutisshno, 
inflexa,  acetabulo  suctorio  maximo  (ano?)  ab  apice  caudali 
remoto,  aptera,  paribus  4  papillarum,  quorum  duo  inter  aceta- 
bulum  et  aperturam  genitalem,  duo  ante  apicem  caudalem : 
vagina  penis  dipetala,  cruribus  longis  et  latis.  uequalibus, 
spiraliter  tortis,  ex  apertura  genitali prominula  papillis  circum 
data;  extremitas  caudalis  feminae  longissime  subulata, 
recta,   apice  acutissimo ;  anus  ab  apice  caudali  ratde  remotus  : 


Trenta  specie  di  Ncmatoidi.  333 

apertura  vulvae  in  posteriori  corporis  parte  ante  anum, 
elque  propinqua  (?).  Longlt.  mar.  0007;  fem.  0  012;  crasslt. 
00003. 

Physaloptera   saginata   Strigis   brasiliensis   N.    16:    in    Collect.    Entoz. 

M.  C.  V. 
Physaloptera  strongylina  Cuculi  Seniculi:  in  Collect.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculam.  Stria;  atricapilla,  Augusto;  —  Cuculus  melacory- 
phus:  in  ventriculo  et  in  intestinis,  in  Brasilia  (Natterer).    M.  C.  V. 

Osservatione  1.  lo  ho  avuto  l'opportunitä  di  esaminare  4  esem- 
plari  maschi  e  4  femine  di  questa  specie.  Io  li  rinvenni  in  im  vasetto 
nnitamente  a  4  altre  femine  delle  quali  mi  e  impossibile  di  stabilire  la 
diagnosi,  perche  mal  conservate,  delle  quali  perö  posso  con  certezza 
asserire  che  non  erano  ne  Subulura  ne  Physaloptera  ad  onta  che 
tutti  questi  elminti  fossero  stati  considerati  per  Physaloptera 
strongylina. 

Osservazione  2.  Chiunque  osserva  per  la  prima  volta  l'estremitä 
caudale  dei  maschi  di  questa  specie,  li  considerera  per  Dacnitis,  se 
le  lamine  della  guaina  del  pene  ravvolte  a  spira  non  risvegliassero  il 
sospetto  che  questi  elminti  potrebbero  pur  essere  qualche  altra  cosa. 
Ed  in  fatti  studiando  la  forma  della  bocca  si  deve  persuadersi  che 
non  sono  Dacnitis.  Non  sono  ne  Heteracis  ne  Oxyuris  coi  quali 
hanno  molta  affinitä  a  motivo  della  guaina  del  pene  dipetala;  ne 
Filaria  pel  complesso  della  loro  organisazione.  Del  resto  le  Filarie 
non  si  trovano  nel  tubo  intestinale.  Io  ho  stabilito  perciö  il  nuovo 
genere  Subulura  dessumendo  il  nome  dalla  forma  della  estremitä 
caudale. 

Osser?azione  3.  Gli  elminti  in  questione,  quantunque  opachi, 
avevano  distintamente  pronunciati  i  caratteri  difierenziali  generici. 
Due  dubbi  soltanto  mi  restano  a  sciogliere,  i  quali  perö  non  hanno 
che  fare  colla  diagnosi  del  genere.  II  primo  si  e  che  la  ventosa  al 
principio  dell1  estremitä  caudale  del  maschio  mi  lascia  incerto  sulla 
funzione  flsiologica,  vale  a  dire  che  non  so  decidere  se  essa  sia  una 
semplice  ventosa,  un  apparato  di  adesione,  ovvero  l'apertura  dell' 
ano.  II  secondo  dubbio  riguarda  la  posizioue  della  vulva.  Sembrommi 
in  un  esemplare  che  essa  si  trovi  a  breve  distanza  sopra  l'ano,  ma 
non  avendo  potuto  proseguire  nell'  interno  del  verme  il  decorso  dell' 
ovidotto  non  posso  con  certezza  asserire  che  il  punto  da  nie  notato 
sia  veramente  la  vulva. 

Sitab.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  9.  23 


'â– .â– " 


334  M  o  1  i  n. 

II.  Genus.  Oxyuris. 

2.  Oxyuris  aeanthura  Mol  in. 

Habitacalnm.  Chrysolamprus  occellatus:  in  intestinis,  in  Hispa- 
nia  (Natterer).  M.  C.  V. 

Osseryazione.  Di  questo  elminto  ho  avuto  opportunitä  di  esami- 
nare  3  esemplari  femine  trovati  unitamente  a  10  Oxyuris  extenuata 
ed  86  Physaloptera  abbreviata  in  un  Chrysolamprus  occellatus,  e 
molte  altre  femine  trovate  unitamente  a  80  Phys.  abbreviata  in  un 
altro  rettile  della  stessa  specie. 

3.  Oxyuris  extenuata  Mol  in. 

Caput  epidermide  stricte  adnata;  os  coronula  papillarum 
cincta;  corpus  transversim  anulatum,  utrinque,  antrorsum 
magis  attenuatum;  extr emitas  caudalis  maris  .  .  .  ; 
feminae  obtusa,  apice  longe  mucronata;  anus  ab  apice  caudali 
remotus;  apertura  vulvae  in  anteriori  corporis  parte,  ori  pro- 
pinqua.  Longit.  fem.  0006  —  0009;  crassit.  00008. 

Ascaris  extenuata  Iiudolphi:  Synops.  47.  et  287.  —  Dujardin:  Hist.  nat. 
des  Helminth.  174.  —  Diesing:  Syst.  Helminth.  II.  1S4. 

Habitacalnm.  Chrysolamprus  ocellatus:  in  intestino  recto, 
Algesirae  (Natterer).  M.  C.  V. 

Osservazlone  1.  Io  ho  avuto  Topportunita  di  esaminare  10  esem- 
plari femine  di  questo  elminto  raccolti  unitamente  a  3  Oxyuris  acan- 
thura e  molte  Physaloptera  abbreviata. 

Osservazione  2.  L'anatomia  di  questi  elmiuti  corrispondeva  per- 
fettamente  alla  descrizione  data  da  Rudolphi,  meno  la  forma  delle 
nuova,  le  quali  erano  molto  grandi  ma  non  quadrilatere  simili  a 
quelle  degli  squali;  come  pretende  quelT  autore. 

III.  Genus.  Ascaris. 

4.  Asearis  laneeolata  Molin. 

Caput  corpore  continuum,  epidermide  stricte  adnata;  os 
trilabiatum,  labiis  parvulis,  strictura  a  reliquo  corpore  discretis, 
antice  depressis,  singulum  papilla  sphaerica  dorsafi ;  corpus 
antrorsum  magis  attenuatum,  tortuosum,   retrorsum  increscens; 


-• 


Trenta  specie  di  Nematoidi.  335 

extremitas  candalismaris  depressa,  ellyptica,  subtus  foveo- 
lata  fovea  longitudinali  alis  linearibus  turgidulis  einet a,  apice 
longe  et  valde  cuspidata;  vagina  penis  .  .  .;  extremitas 
caudalis  feminae  reeta,  rotundata,  mucrone  terminali  acute 
conico.  Longit.  mar.  0-02 — 0025;  crassit.  00005.  Longit.  fem. 
0025—003;  crassit.  00008. 

Physaloptera  mucronata  Diesing:  Syst.  Helminth.  11.235.,  et  in  Denkschr. 
d.  k.  Akad.  d.  Wissenseh.  XIII.  16.  —  Leidy:  in  Proeeed.  Acad. 
Philad.  VIII.  (1856).  53. 

Habitaculam.  Champsa  nigra:  in  ventriculo,  Junio,  Borba 
(Natter er).  —  Ch.  Lucius:  in  eodem  organo,  numerose,  in  Georgia 
(Jones).  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  ho  avuto  Fopportunitä  di  esaminare  circa  400 
individui  tra  maschi  e  femine  raecolti  li  27  Giugno  1830  nello 
stomaco  di  un  Champsa  nigra  maschio. 

5.  Ascaris  laticauda  Molin. 

Caput  corpore  continuum,  idrinque  alatum  alis  latis,  semi- 
lanceolatis,  longis;  os  trilabiatum,  labiis  magnis,  strictura  a  reliquo 
corpore  discretis,  singulum  hemispkaericum ,  papilla  minima 
dorsali  centrali ;  corpus  laeve,  antrorsum  increscens ,  retrorsum 
sensim  attenuatum ;  extremitas  anterior  subito  attenuaia, 
spiraliter  inflexa,  apice  truncata;  caudalis  maris  reeta,  apice 
acutissimo ,  acute  conica,  utrinque  alata  alis  linearibus ,  margine 
undulato,  singula  papillis  maximis  8,  quarum  2  ante,  4  ad,  2 
post  aperturam  genitalem;  vagina  penis  dipetala ;  extre- 
mitas caudalis  feminae  longe  acute  conica,  reeta,  apice 
acuto ;  anus  ab  apice  caudali  valde  remotus;  apertura  vulvae 
in  posteriori  corporis  parte  prominula,  medietati  propinqua. 
Longit.  mar.  0  03  —  0045;  crassit.  00003  ~  0  0008.  Longit. 
fem.  0  035—006;  crassit.  00004  —  0001. 

Physaloptera?  Micro daetyli  Marcgravii:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitacaluin.  Dicholophus  Marcgram:  in  intestino  tenui  et 
coeco,  Decembri,  Zaniambaya  (Natter er).  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  ho  avuto  fopportunitä  di  esaminare  piü  di  100 
individui  di  questa  specie  benissimo  conservati,  tra  i  quali  molti  maschi 
trovati  il  1  Decembre  1823  in  un  Dicolophus  Marcgravi  femina,  il 
quäle  conteneva  inoltrenel  tenueS  grandieäpiccoliEchinorinchi  liberi. 

23* 


336  M  o  I  i  n. 

6.  Ascaris  Microlabium  Mol  in. 

Caput  corpore  continuum,  epidermide  stricte  adnata;  os 
trilabiatum  labiis  parvis,  strictura  a  reliquo  corpore  discretis; 
corpus  filiforme,  densissime  transversim  striatum;  extremitas 
anterior  sensim  attenuata;  posterior  increscens  ;  caudalis 
maris  uncinata,  apice  mucronata,  subtus  papulosa;  feminae 
recta,  breve  acute  conica;  anus  apici  caudali  proximus ;  aper- 
tura  vulvae  .  .  .  .  Longit.  mar.  O'OIU  —  0019;  crassit. 
0  0005  — 00008.  Longit.  fem.   0  016—0  022;  crassit.  0000Ö 

—  0  001. 

Spiroptera  Falconis  N.  443:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculuui.  Falco  coronatus:  in  ventriculo,  Octobri,  Rio 
Araguay  (Natter er).  M.  C.  V. 

Osservaziooe.  Io  ho  esamin;tto  di  questa  specie  10  individui 
masehi  e  13  feinine  ben  conservati,  rinvenuti  in  un  F.  coronatus 
femina  li  31  Ottobre  1823  unitainente  a  17  Phystdoptera  acuticauda 
e  3  Spiroptera  recticauda. 

7.  Ascaris  aiigusticollis  Mol  in. 

Caput  epidermide  stricte  adnata;  os  trilabiatum,  labiis 
magnis,  strictura  a  reliquo  corpore  discretis,  singulum  papilla 
dorsali  centrali  sphaerica ;  corpus  filiforme,  densissime  ac 
gracillime  transversim  anulatum,  antrorsum  sensim  maxime 
attenuatum,  retrorsum  increscens;  extremitas  caudalis 
maris.  .  .;  feminae  recta,  appendice  conica.  Longit.  fem. 
004  —  0-08;  crassit.  00005—0001. 

Phystiloptera  tenuicollis  Rudolphi:  Synops.  30.  258  et  647.  —  Diesing: 
Syst.  Helminth.  II.  237. 

Spiroptera?  tenuicollis  Dnjardin:  Hist.  nat.  des  Helminth.  95. 
ĂĽabitacalam.  Falco  Haliaetus:  in  intestinis  tenuibus,  autumno 

—  F.  Buteo:  inter  tunicas  ventriculi  (M.  C.  V.). 

Osservazione  1.  Io  ho  avuto  l'opportunitä  di  esaminare  1  esem- 
plare  femina  di  questa  specie  ti-ovato  in  un  Falco  Haliaetus,  ed  1 
altra  femina  trovata  in  un  F.  Buteo.  Nessuno  di  questi  due  esemplari 
era  tanto  ben  conservato  da  poter  distinguere  quäl  che  altro  carattere 
piĂĽ  preciso  di  quelli  esposti  nella  diagnosi. 

Osservazione  2.  Ad  onta  che  gli  individui  da  nie  esaminati  non 
fossero  ben  conservati  ciö  non  per  tanto  la  forma  del  cullo  distingue 


Trenta  specie  di  Nemfltoidi.  337 

questa  specie  da  tutte  quelle  che  hanno  il  corpo  iuerme,  il  capo  senza 
ali  ed  il  corpo  anteriormente  attenuato;  mentre  la  presenza  dell1 
appendice  conica  all'apice  caudale  la  distingue  dall'  Ascaris  depressa. 

8.  Ascaris  anterospiralis  Mol  in. 

Caput  epidermide  stricte  adnata;  os  labiis  rotundatis, 
singulum  papilla  sphaerica  parva  dorsali;  corpus  filiforme, 
densissime  ac  gracillime  transversim  anulatum,  retrorsum  sensim 
attenuatum,  ala  utrinque  lineari  transversim  striata;  ecctre- 
mitas  anterior  spiralis ,  vix  attenuata;  caudalis  maris 
serie  duplici  7  papillär  um  epidermide  obtectarum  ante  aperturam 
genitalem  apici  caudali  propinquam,  post  aperturam  genitalem 
subito  breve  acute  conica;  vag  in  a  penis  .  .  .;  extremita 
caudalis  feminae  recta,  longe  acute  conica;  anus  ab  apice 
caudali  remotus ;  aper  iura  vulvae  in  anteriori  corporis  parte. 
Long  it.  mar.  003;  crassit.  0  0004.  Long  it.  fem.  0-024 — 0050; 
crassit.  0-0004 —  00008. 

Physaloptera  Felis  coneoloris:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Haiti! aciilum.  Felis  concolor:  in  ventriculo,  Novembri,  Caicara 
(Natter er).  M.  C.  V. 

Osservazione  1.  Questa  specie  si  distingue  dalP  Ascaris  lepto- 
ptera  per  la  mancanza  delle  ali,  e  da  tutti  gli  altri  ascaridi  che  hanno 
il  capo  senza  ali,  e  Festremitä  posteriore  attenuata  per  molti  altri 
caratteri,  tra  i  quali  principalmente  per  festremitä  anteriore  inhVssa 
in  cerchio. 

Osseriazione  2.  Io  ho  avuto  l'opportunitä  di  esaminare  di  questa 
specie  3  esemplari  maschi  e  5  femine  tutti  benissimo  conservati  e 
perfettamente  trasparenti  trovati  nello  stomaco  di  un  Felis  concolor 
maschio,  il  quäle  aveva  inoltre  nel  budello  14  Dibothrium,  15  Tenie 
senza  testa  e  2  piccole  Tenie  armate,  31  Strongilo  e  3  altri  piccoli 
Nematoidi,  ai  19  Novembre  1825.  Natter  er  nota  nel  suo  giornale 
che  avendo  nello  stesso  giorno  sezionato  un  altro  Felis  concolor 
maschio  in  questo  non  rinvenne  che  56  Strougili  ed  1  Echino- 
rinco  libero. 

9.  Ascaris  helicina  Mol  in. 

Os  trilabiatum  labiis  magnis,  strictura  a  reliquo  corpore 
discretis;  Caput  coatinuum,  epidermide  stricte  adnata;    corpus 


338  M  o  1  i  n. 

antrorsum  sensim  attenuatum,  retrorsum  increscens,  maris  in 
discum  spiraliter  involutum,  fem  in  ae  interdum  totum,  interdum 
arte  posteriori  in  helicem  tortum  anfractibus  nunc  arctis  et  nunc 
taxis;  extremit as  caudalis  maris  alis  linear ibus,  brevibus, 
transversim  dense  striatis,  ad  aperturam  genitalem  ter  papillaris, 
post  aperturam  genitalem  subito  acute  conica,  apice  mucronato, 
inflexa,  utrinque  bipapillata  ;  vagina  penis  dipetala,  cruribus 
linear  ibus,  exilissimis,  apice  acutissimo,  deflexis;  extr emitas 
caudalis  feminae  subito  acute  conica,  apice  mucronato,  recta; 
anus  prominulus,  apici  caudali  proximus  ;  apertura  vulvae  in 
anteriori  et  fere  media  corporis  parte.  Longit.  mar.  0006  —  0008 
crassit.  00001  —  0  0002.  Longit  fem.  0013  —  0028;  crassit. 
0  0003  —  0001. 

Physaloptera  retusa  Crocodili  acuti:  in  Collect.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculum.  Crocodilus  acutus:  in  ventriculo.  M.  C.  V. 

Osservazione  1.  Questa  specie  e  affine  all1  Ascaris  Capsularia, 
dalla  quäle  perö  si  distingue  per  tanti  caratteri  che  e  impossibile 
confondere  insieme  le  due  specie. 

Osservazione  2.  Io  ho  avuto  l'opportunitä  di  esaminaie  di  questa 
specie  12  individui  maschi  e  20  femine  trovati  in  un  Crocodilus 
acutus,  non  che  IS  femine  trovate  in  un  altro  rettile  della  stessa 
specie  dei  quali  pero  non  rinvenni  altra  indicazione. 

10.  Ascaris  papulosa  Mol  in. 

Caput  corpore  continuum;  os  trilabiatum ;  corpus  densis- 
sime  transversim  striatum;  extremit  as  anterior  attenuata, 
apice  truncato;  posterior  increscens ;  caudalis  maris  breve 
subulata,  apice  truncato,  semel  spiraliter  torta,  fovea  suctoria 
musculari  acetabuliformi,  aptera,  papillis  utrinque  S  conicis, 
quarum  1  ante,  4  post  aperturam  genitalem;  vagina  penis  dipe- 
tala, cruribus  fdiformib us ,  longissimis ;  penis  brecis,  styloideus, 
vix  incurvus;  extr  emitas  caudalis  feminae  .  .  .  .  Longit. 
mar.  0  012;  crassit.  00003. 

Spiroptera  Corvi  cajani:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculum.  Corvus  cajanus:  in  intestino,  Octobri,  Barra  do 
Rio  negro  (Natterer).   M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  ho  avuto  l'opportunitä  di  esaminare  1  esemplare 
maschio  di  questa  specie  trovato  li  2  Ottobre  1830  in  un  C.  cajanus 


Trenta  specie  di  Nematoidi.  339 

t'emina,  il  quäle   aveva  anche   una  Spirottera  fra   le   tonache  dello 
stomaco. 

Species  iiiquirenda. 

1 1 .  Ascaris  valclemiicronata  M  o  I  i  n. 

Caput  alatum;  os  trilabiatum;  corpus  antrorsum  attenua- 
tum,  fem  in  ae  circulariter  inflexum;  extremitas  caudalis 
maris  inflexa,  subito  acute  conica,  aptera,  apice  mucronato, 
mucronc  longo  et  valido,  ante  aperturam  genitalem  f'ovea  suctoria 
musculafi  acetabuliformi ;  vagina  penis  dipetala,  cruribus  bre- 
vibus  exilissimis  ;  extremitas  caudalis  feminae  apice  obtu- 
sissimo,  valde  mucronato.  Longit.  mar.  0007;  fem.  0  012;  crassit. 
00002. 

Spiroptera  Ardeae  Maguari:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculum.  Ciconia  Maguari:  in  ventriculo  et  proventriculo, 
Februario,  Caicara  (Natter er).  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  ho  esaminato  1  esemplare  maschio  e  2  femine 
della  specie  suddetta  raccolti  dallo  stomaco  e  dall'  echino  di  una 
Ciconia  Maguari  maschio  ai  6  Febbrajo  1826.  Tutti  e  tre  quegli 
esemplari  erauo  benissimo  conservati  e  perfettamente  trasparenti. 

Leggi  la  osservazione  2a  alla  specie  Spiroptera  excisa. 

Species  inquirenda. 

12.  Ascaris  spiralis  Molin. 

Os  trilabiatum,  labiis  maximis,  obsoletis,  singulum  papilla 
centrali sphaerica ;  corpus  plicis cutaneis circularibus  transversim 
crenatum,  semispirale ,  vel  spiraliter  tortum;  extremitas  anterior 
sensim  attenuata;  posterior  increscens,  subito  subidata,  apice 
acutissitno,  subtus  papillis  duabus  minimis.  Longit.  0010  ;  crassit. 
00001-0  0002. 

Spiroptera  Pici  N.  S00 :  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculain.  Picus  comatus,  Octobri,  Barra  do  Rio  Janeiro 
(Natter er).  M.  C.  V. 

Osservazione  1.  Io  non  ho  potuto  esaminare  altro  che  6  esem- 
plari di  questa  specie  non  bene  conservati  e  del  tutto  opachi. 

Osservazione  2.  Non  saprei  indicare  precisamente  in  quäl  organo 
furono  trovati,  perche  nel  giornale  di  Natter  er  non  trovai  altra  in- 
dicazione  se  non  che  agli  8  Ottobre  1825  egli  rinvenne  alla  giuntura 


340  M  o  I    i   n. 

de!  talone  di  im  Picus  comatus  3  pircole  Spirottere.  Egli  e  certo 
che  questi  tre  elminti  non  potevano  essere  gli  ascaridi  da  me  esami- 
nati  poiche  questi  vermi  non  vivono  che  nel  tubo  intestinale  di  altri 
animali. 

IV.  Genus.  Heteracis. 

13.  Heteracis  anulata  Molin. 

Caput  corpore  continuum;  os  terminale,  orbiculare,  nudum, 
amplum;  corpus  utrinque  alatum  aus  linearibus  latiusculis, 
utrinque,  retrorsum  maxime  attenuatum ;  extremitas  anterior 
apice  truncata;  caudalis  mar  is  subulata,  apice  longe  mucronata, 
subtus  alata  aus  linearibus ,  singula  papillis  7 ,  quarum  5  post, 
2  ante  aperturam  genitalem;  apertura  genitalis  ex  qua 
vagina  penis  monopetala ,  longiuscula,  incurva,  filiformis,  apice 
acutissimo,  ab  apice  caudali  haud  remota;  anus  amplus  limbo 
cpidermoidali  denticulato  circulari  cinctus,  supra  aperturam  geni- 
talem, ab  earemotus;  extremitas  caudalis  feminae  longe 
subulata,  apice  acutissimo;  anus  ab  apice  caudali  remotus; 
apertura  vulvae  in  anteriori  corporis  parte  prominula. 
Longit.  mar.  0006;  fem.  0008;  crassit.  00002. 

Physaloptera  Colubri  N.  52:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitacolam.  Ophis  saurocephalus :  in  intestino,  Junio,  Caicara 
Natterer).  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  ho  avuto  Topportunitä  di  esaminare  di  questa 
specie  1  individuo  maschio  e  2  femine  benissimo  conservati  e  per- 
perfettamente  trasparenti  trovati  li  20  Giugno  1826  in  un  Ophis 
saurocephalus  femina  checonteneva  1  piccolissimo  Echinorinco  libero 
nel  budello  e  5  Fisalottere  nello  stomaco  e  nel  budello.  Un  altro 
rettile  della  stessa  specie  sezionato  a  Cuyaba  li  27  Febbrajo  1825 
non  conteneva  altro  che  36  Fisalottere  nello  stomaco  e  nel  budello. 

14.  Heteracis  verrucosa  Mol  in. 

Capu t  corpore  continuum;  epidermide stricte  adnata;  corpus 
usifbrme,  utrinque,  retrorsum  magis  attenuatum,  verrucis  in  series 
laterales  dispositis  exornatum;  extremitas  anterior  apice 
truncata;  caudalis  maris  uncinatim  inflexa,  longe  subulata, 
apice  acutissimo;  vagina  penis  simplex,  styloidea,  vix  incurvata ; 


Trenla  specie  di  Nematoidi.  «54-t 

penis  ...  ;  extremitas  caudalis  feminae  recta,  lotige  subu- 
lata,  apice  acutissimo.  Longit.  mar.  0  0075;  crassit.  00003. 
Longit.  fem.  0012;  crassit.  00005. 

Spiroptera  Caviae  Aguti:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculoni.  Dasyprocta  Aguti:  in  ventriculo,  Januario,  Caicara 
(Natterer).  M.  C.  V. 

OsserTazione  1.  Io  ho  esaminato  5  esemplari  maschi  e  6  femine 
del  suddetto  verme.  Essi  erano  tutli  ben  conservati  e  perfettamente 
trasparenti  e  trovavansi  con  molte  Spiroptera  mediospiralis  raccolte 
dalio  stomaeo  di  un  Dasyprocta  Aguti  femina  ai  23  Gennajo  1826. 

15.  Heteracis  suctoria  Mol  in. 

Caput  strictura  a  corpore  reliquo  discretum;  os  orbiculare, 
magnum;  corpus  filiforme,  densissime  transversim  striatum; 
extremitas  anterior  attenuata,  apice  incrassata,  alis  utrin- 
que  latiusculis  linear ibus  transversim  striatis;  caudalis  maris 
longe  subulata,  fovea  magna  suctoria  acetabuliformi ,  papillis 
utrinque  6,  quarum  2  ante,  4  post  apertur am  genitalem;  penis 
brevis,  subrectus;  extremita  caudalis  feminae  .  .  .  Longit. 
mar.  0  012;  crassit.  00002. 

Spiroptera  Caprimulgi:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculani.  Caprimulgus  campestris :  inter  tunicas  ventriculi. 
Junio,  Manaos  (Natter er).  M.  C.  V. 

OsserTazione  1.  Io  non  ho  potuto  esaminare  altro  che  1  solo 
esemplare  maschio  di  questa  specie  trovato  ai  19  Giugno  1834  fra 
le  tonache  dello  stomaco  di  un  C.  campestris  maschio.  L/esemplare 
era  benissimo  conservato,  e  perfettamente  trasparente. 

Osservazione  2.  Questa  specie  e  molto  affine  all'  Heteracis 
brevicaudata  D  u  j  a  r  d  i  n. 

V.  Genus.  Dispharagus. 
16.  Dispharagus  capitatus  Molin. 

Caput  corpore  continuum,  conicum,  incrassatum,  plicis 
longitudinalibus  utrinque  in  funicula  duo  longit udinalia ,  valde 
flexuosa,  brevia,  longe  recurrentia,  band  conjuncta  inflatis ;  os 
bilabiatum,  labiis  papillaeformibus,  minimis;  corpus  filiforme, 
densissime,  ac gracillime  transversim  anidatum,  subaequale;  ex- 
tremitas   caudalis  maris  ...;  feminae  breve  conica,  apice 


342  »Ion  .,. 

obtaso;  anus  ab  apice  caudali  haud  remotus;  apertura  vul- 
vae.  .  .  Longit.  fem.  0011;  crassit.  00003. 

Spiroptera  alata  Falconis  N.  773:  in  Collect,  brasil  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculuin.  Falco  minutus:  in  ventriculo,  Julio,  Matogrosso 
(Natterer).  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  non  ho  avuto  l'opportunitä  di  esaminare  altro 
che  1  esemplare  femina  ben  conservato  di  questa  specie ,  il  quäle  fu 
raccolto  al  1  Luglio  1828  unitamente  a  2  Physaloptera  acuticauda 
dallo  stomaco  di  an  F.  minutus  femina  che  aveva  inoltre  1  Ne- 
matoide  lungo  ed  esile  su  d'un  occhio;  e  2  lunghi  Distomi,  2  Echino- 
rinchi  aderenti,  4  Amfistomi  e  20  Monostomi  nel  budello. 

VI.  Genus.  Tropidocerca. 

Species  inquirenda. 

17.  Tropidocerca  bispinosa  Molin. 

Caput  corpore  continuum;  os  fissum,  papillis  4  conspicuis; 
corpus  filiforme,  leve;  extremitas  anterior  subito  sensim 
attenuata ;  feminae  semicirculariter  inflexa,  utrinque  tuber culo 
aculeato  laterali,  apice  truncata;  posterior  recta,  conica,  apice 
acutissimo;  anus  ab  apice  caudali  haud  remotus;  apertura 
vulvae  in  anter iori  corporis  parte  prominula,  bilabiata;  uterus 
biconüs.  Longit.  fem.  0011  — 0  016;  crassit.  00001— 00003. 
Spiroptera  Seiaei  officinalis:  in  Collect.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculam.  Scincus  officinalis.  M.  C.  V. 

Osservazione  1.  Io  ho  avuto  occasione  di  esaminare  5  esemplari 
femine  di  questo  verme.  Essi  erano  benissimo  conservati  e  perfetta- 
mente  traspaienti. 

Osservazione  2.  Questi  vermi  a  primo  aspettö  ricordavano  i  maschi 
della  Tropidocerca;  Tutero  si  rivolgeva  immediatamente  verso  la 
coda ,  e  si  suddivideva  dopo  lungo  decorso  in  2  ovidotti  i  quali  erano 
ripieni  di  uova  grandi  e  di  forma  ovale  e  si  estendevano  fino  all'  ano. 
Egli  e  ben  vero  che  fino  ad  ora  le  femine  del  genere  Tropidocerca 
furono  trovate  in  forma  ben  differente,  vale  a  dire  rigonfie  come  un' 
elissoide  fra  le  tonache  ovvero  i  muscoli  dello  stomaco  degli  uccelli  e 
non  mai  in  unamlibio.  Ma  io  sono  altrettanto  sicuro  che  gli  elminti  da 
ine  esaminati  in  questa  circostanza  somigliano  ai  maschi  di  una  Tro- 


Trento  specie  di  Nematoidi.  34») 

pidocerca  piĂĽ  che  a  qualunque  altro  nematoide.  Forse  che  queste 
femine  appartengano  a  un  nuovo  genere,  ma  appunto  perche  non  ho 
avuto  occasione  di  esarainare  altro  che  individui  femine  non  mi  azzardo 
di  introdurre  un  nuovo  genere  nella  scienza. 

VII.  Genus.  Ancyracanthus. 
18.  Ancjracantlius  bilabiatus  Mol  in. 

Corpus  capillare,  densissime  transversim  striatum;  caput 
corpore  continuum,  spinulis  4  cruciatim  dispositis  pinnatifdis, 
retroflexis ,  maris  majoribus,  fem  in  ae  minor  ibus  armatum;  os 
terminale,  bilabiatum,  labiis  papillaeformibus  minimis;  extre- 
mitas  anterior  sensim  attenuata;  caudalis  maris  bis  spira- 
liter  torta,  utrinque  alata  alis  latis,  singula  papillis  brevibus  apice 
incrassatis  exornata;  vagina  penis  monopetala,  brevis,  crassa, 
navicidaris;  penis  longus,  filiformis ;  extremitas  caudalis 
feminae  subito  obtuse  couica,  semel  spiraliter  torta,  apice  obtu- 
sissimo,  centro  depresso;  auus  ab  apice  caudali  haud  remotus ; 
aper  iura  vulvae  in  posteriori  corporis  parte,  prominula, 
bilabiata,  labio  superiori  tumido.  Longit. maris  0007;  fem.  O'OOi). 
Spiroptera  Ardeae  Helias :  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculam.  Eurypyga  Helias:  inter  tunicas  ventriculi,  Martio, 
Praja  de  Cujutuba  (Natter er).  M.  C.  V. 

Osseryazione.  Io  ho  esaminato  1  esemplare  maschio  ed  1  feinina 
di  questa  bellissima  specie.  Essi  erano  benissimo  conservati  e  per- 
fettamente  trasparenti,  e  furono  raccolti  dallo  stesso  uccello,  dal  quäle 
provengono  le  Spiroptera  appendiculata  ai  13  Marzo  1835. 

VIII.  Genus.  Elaphocephalus  Mol  in. 

Caput  discretum,  utrinque  aculeis  4  armatum,  quorum  medii 
majores  apice  dilatato  serrato,  laterales  minores  apice  bicuspi- 
dato;  os  papillosum;  corpus  tot  um  spinulosum;  extremitas 
caudalis  maris.  .  .;  aperturu  vulvae  ados.  —  Avium  inter 
tendines  digitorum  parasita. 

Osservazione.  Quantunque  non  abbia  avuto  Topportunitä  di  esa- 
minare  altro  che  una  femina  di  questa  specie  ciö  non  per  tanto  non 
esito  un  istante  a  fonnare  im  nuovo  innere.  E  in  (atto:   l'armatura 


344  Moli   n. 

della  testa  e  del  corpo,  non  che  la  posizione  <Iella  vulva  distinguono 
questo  verme  da  qiialunque  altro  genere  d'elminti.  Esso  mi  sembra 
affine  al  genere  Ancyracanthus  piü  che  a  qiialunque  altro,  e  perciö 
lo  inserisco  nel  sistema  presso  di  questo.  Gli  aculei  centrali  di  ciascun 
lato  somigliano  per  la  loro  forma  a  palchi  di  cervo  microscopici,  e 
perciö  ho  addotato  il  nome  generico  Elaphocephalus  derivato  da 
ilafog  cervo  e  xsyaAog  testa. 

19.  Elaphocephalus  octoconuitus  Mol  in. 

Caput  discretum,  utrinque  aculeis  maximis  quatuor  arma- 
tum,  recurvis,  quorum  centrales  majores  apice  serrato,  laterales 
minores  apice  bicuspidato ;  os  papillis  duabus  mamillatis ;  corpus 
totum  spinulosum,  spinulis  brevibus  acutissimis,  in  circulos  crebros 
transversales  dispositis ;  extremitas  anterior  sensim  attenuata; 
posterior  aequalis ,  apice  obtusissimo  ;  extremitas  caudalis 
maris  .  .  . ;  anus...;  aper  iura  vulvae  ad  os.  Longit.  fem. 
00012;  crassit.  0  0004. 

Spiroptera  Psittaci  Macaonis:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculuiii.  Psittacus  Macao:  ad  originem  digitorum  pedis, 
Septembri,  Ponte  do  Guapore  (Natter er).  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  non  ho  avuto  occasioue  di  esaminare  altro  che 
una  femina  di  questo  bellissimo  verme.  Essa  era  benissimo  conservata, 
perfetlamente  trasparente,  e  fu  trovata  insieme  a  9  Spiroptera  cir- 
cularis  li  28  Settembre  1827. 

IX.  Genus.  Dacnitis. 

Species  inquirenda. 

20.  Dacnitis  fusiformis  Molin. 

Caput  incrassatum,  strictura  a  reliquo  corpore  discretum; 
os  bilabiatum,  labiis  hemisphaericis  magnis,  singulum  bipapillare 
corpus  fusiforme,  antrorsum  apice  rotundato,  retrorsum  sensim 
attenuatum;  extremitas  caudalis  maris  .  .  .  ;  feminae 
long e  acute  conica,  apice  breve  mucronata ;  anus  ab  apice  caudali 
remotus.  Longit.  fem.  0002;  crassit.  0  0003. 

Habitaculum.  Platessa  Flesus:  in  intestinis,  hieme  (M.  C.  V.J. 


Trenta  specie  di  Nematoidi.  34-D 

Osservazione.  Io  ho  esaminato  2  non  ben  conservati  esemplari 
femine  di  questa  specie  che  trovai  nello  stesso  recipiente  nel  quäle 
venivano  couservati  gli  //.  minutus  dell'  i.  r.  Museo  Zoologien  di 
corte. 

X.  Genus.  Cosmocephalus. 

21.  Cosmocephalus  alatus  Mo  Hu. 

Caput  corpore  discretum,  acuminatum ,  substriquetrum, 
scutelUs  quatuor  capiti  adnatis  antice  conjunetis ,  alisque  parvis 
scutellis  antice  interjeetis ,  spinulis  2  lateralibus  int  er  scutella  et 
alas ;  os  terminale,  bilabiatum,  labiis  papillaeformibus,  minimis; 
corpus  filiforme,  densissime  transversim  striatum,  utrinque, 
retrorsum  magis  attenuatum,  alis  duabus  lateralibus  linear  ibus 
transversim  striatis;  extr emitas  caudalis  maris  ter  spira- 
liter  torta,  apice  acuto,  alis  angustis,  singula  papillis  7  clavatis ; 
vagina  penis  monopetala,  brevis,  vix  ineurva,  p  enisque 
longus,  arcuatus,  apice  acuto,  filiformes ;  extr  emitas  caudalis 
feminae  reeta,  acute  couica,  apice  obtuso;  anus  apici  caudali 
haud  proximus ;  apertura  vulvae  in  medio  corporis  sita.  Longit. 
mar.  0012;  crassit.  0  0002.  Longit.  fem.0  018—0  020;  crassit. 
00003. 

Spiroptera  obvelata  Creplin:  Obs.  10.  et  80.,  Nov.  Obs.  5.  et  in  Wieg- 
manns Arch.  1846.  136.  140.  145.  —  Melius:  in  Isis.  1831.  75.  — 
Duj ardin:  Hist  nat.  des  Helminth.  101. 
Histioeephalus  spiralis  Diesing:  Syst.  Helminth.  II.  231. 

Habitaculani.  Laras  maximus:  in  oesophagi  tuuica  interna 
(Rosentlial),  Novembri  (Creplin);  —  L.  argentoides;  in  oeso- 
phago, Novembri  (Schilling);  —  L.  argentatus:  in  proventri- 
culo,  Aprili  (Schilling  et  Mehlis);  —  L.  medius  in  ventriculo 
(Schilling);  —  L.  canus  (Mehlis);  —  L.  fuscus  et  marinus 
(Creplin);  —  L.  ridibundus  (Schilling).  —  Alca  Tor  da 
(H  o  s  e  n  t  h  a  I) ;  —  Tot  anus  maculatus,  Augusto ;  —  T  hipoleucus  ; 
—  Sterna  risoria  et  Mergus  Serrator:  in  oesophago,  Junio 
(Schilling).  M.  C.  V. 

Osservazione  I.  Io  ho  avulo  l'opportunitä  di  esaminare  1  osem- 
plare  maschio  e  2  feinine  di  questa  specie  trovati  in  un  Laras 
marinus.  Tutti  e  tre  questi  esemplari  erano  benissimo  couservati  e 
perfettamente  trasparenti. 


346  M  o  I  i  n. 

Osservazione  2.  In  conseguenza  d'una  rigorosa  indagine  ho 
potuto  assicurarmi  che  questi  sono  veri  Cosmocephalus  come  spero 
risalterä  chiaramente  a  chiunque  leggera  la  diagnosi.  Io  rapporto  a 
questa  specie  tutte  le  Spiroptera  obvelata  trovate  nei  sunnominati 
uccelli  perche  anche  Dujardin  le  considera  come  im'  unica  specie, 
e  le  descrive  come  identiche. 

XI.  Genus.  Spiroptera. 

22.  Spiroptera  recticauda  Mol  in. 

Caput  corpore  continuum;  o s  papillosum ;  corpus  filiforme, 
retrorsum  magis  attenuatum,  densissime  ac  gracillime  transversim 
striatum;  extremitas  anterior  apice  truncata;  caudalis 
maris  .  .  ;  feminae  recta,  longe  acute  conica,  apice  acuminato ; 
anus  ab  apice  caudali remotus ;  apertura  vulvae  in  posteriori 
corporis  parte,  medietati  propinqua.  Longit.  fem.  0  007  —  0  016; 
crassit.  00001. 

Physaloptera  Falconis  N.  443 :  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculom.  Falco  coronatus:  in  ventriculo,  Octobri,  Rio  Ara- 
guay  (Natterer).  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  ho  esaminato  3  esemplari  femine  di  questa 
specie  benissimo  conservati  e  perfettamente  trasparenti  trovati  ai 
31  Ottobre  1823  in  un  F.  coronatus  femina  unitamente  a  17  Physa- 
loptera acuticauda  e  23  Ascaris  Microlabium. 

23.  Spiroptera  graeilis  Mol  in. 

Caput  corpore  continuum,  aculeis  4  retrorsum  versis,  con- 
spicuis,  armatum;  os  papillosum;  corpus  filiforme,  gracile,  an- 
trorsnm  sensim  magnopere  attenuatum;  extremitas  caudalis 
maris  bis  spiraliter  torta,  alis  conspicuis  liuearibus,  post  aper- 
turam  genitalem  ter  papillatis ,  apicem  caudalem  obtusum  amplec- 
tentibus;  vagina  penis  brevis,  navicidaris,  incurva;  penis 
longior,  filiformis,  arcuatus ;  extremitas  caudalis  feminae 
subito  breve  acute  conica ,  apice  obtuso ,  interdum  recta,  interdum 
deflexa;  anus  ab  apice  caudali  haud  remotus;  apertura 
vulvae  in  posteriori  corporis  parte.  Longit.  mar.  0  005;  fem. 
0006;  crassit.  0000t. 

Spiroptera  hicnspis  Rudolphi:  Synops.  24  et  240.  —  Creplin:  in  Wieg- 
mann's  Arch.  1846.  136. 


Trenta  specie  di  Nematoidi.  347 

Dispharagus  bicuspis  Dujardin:  Hist.  nat.  des  Helminth.  79. 
Histiocephalus  gracilis  Diesing :  Syst.  Helminth.  II.  231. 

Habitaculnm.  Vanellus  melanogaster :  inter  tunicas  ventriculi, 
aestate.  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  lio  avuto  l'opportunitä  di  esaminare  5  esemplari 
maschi  e  11  femine  di  questa  specie.  Tutti  erano  benissimo  conser- 
vati,  perfettamente  trasparenti  e  provenivano  da  un  solo  uccello. 

24.  Spiroptera  saginata  Dujardin,  Char.  emend. 

Caput  corpore  continuum;  os  orbiculare ,  nudum;  corpus 
feminae  laxe  spiraliter  tortum ,    anfractibus   aequalibus   3  —  7, 
utrinque    sulcatum;    extr emitas    anterior    magis    attenuata, 
apice   obtuso;   caudalis  feminae  subrecta,   obtusa;    onus    ab 
apice  caudali  remotus.  Longit.  0  03 — 008;  crassit.  0  001 — 0  002. 
Physaloptera  saginata  Rudolphi:  Synops.  647.  —  Diesing:  Syst.  Hel- 
minth. II.  236. 
Spiroptera  saginata  Dujardin:  Hist.  nat.  des  Helminth.  96. 

Uabitnculum.  Stria?  atricapilta ,  Novembri,  Matogrosso;  —  St. 
torquata;  —  Falco  furcatus,  Novembri,  Para;  —  Crotophaga  Ani, 
Julio,  Villa  dos  Manaos;  Januario  et  Februario,  Matogrosso;  — 
Caprimulgus gujanensis,  Junio,  Villa  dos  Manaos;  —  C.  leucopygius, 
Novembri,  Matogrosso;  —  Icterus  cristatus,  Decembri,  San.  Vin- 
cente; —  Thamnophilus  funebris ,  Octobri,  ßarra  do  Rio  negro;  — 
Cucidus  Tinguacu,  Majo,  Barra  do  Bio  negro;  Julio,  Matogrosso;  — 
Corvus  Cajanus,  Septembri  et  Octobri,  Barra  do  Rio  negro:  in  eorum 
intestinis  (Natter er).  M.  C.  V. 

Osservazione  1.  Io  ho  avuto  l'opportunitä  di  esaminare  i  seguenti 
esemplari: 

I.  5  esemplari  trovati  li  13  Novembre  1826  in  3  Stria  atri- 
capilla, vale  a  dire  2  nelP  intestino  di  una  femina  unitamente  a  15 
altri  piccoli  Nematoidi;  2  nel  tenue  di  un  maschio  che  conteneva  12 
piccoli  Nematoidi  in  parte  nel  tenue  ed  in  parte  nei  ciechi;  ed  1  nel 
tenue  di  un'  altra  femina,  la  quäle  aveva  inoltre  12  piccoli  Nematoidi 
nel  tenue  e  nei  ciechi,  finalinente  6  femine  trovate  in  una  Strios 
torquata  delle  quali  Natterer  non  da  altre  indicazioni. 

II.  2  raccolti  il  30  Novembre  1830  nel  budello  in  un  Falco 
furcatus  il  quäle  aveva  inoltre  1  altro  Nematoide  nello  stesso  organo 
e  6  Spirottere  sotto  la  membrana  nittitante. 


348  M  o  I  i  n. 

III.  1  frovato  ai  13  Luglio  1834  nel  tenue  di  un  Crotophaga 
Ani  maschio,  il  quäle  aveva  7  Ascaridi  maschi  nei  ciechi;  6  raccolti 
al  10  Gennajo  1829  dal  tenue  di  una  femina  la  quäle  aveva  1  Taenia 
senza  testa,  1  Echinorinco  aderente,  e  2  Distomi  nello  stesso  organo, 
non  che  7  Ascaridi  nei  ciechi;  e  finalmente  5  trovati  ai  26  Febbrajo 
1829  nei  tenue  di  un  maschio  che  avera  inoltre  11  Nematoidi  sotto 
la  memhrana  nittitante  di  un  occhio.  Natter  er  nota  nel  suo  giornaie 
che  avendo  sezionato  ai  19  Gennajo  1829  un  maschio  della  stessa 
specie  non  trovö  in  questo  che  1  Echinorinco  aderente  15  Distomi  e 
17  Monosfomi  nel  tenue,  ed  8  Ascaridi  nei  ciechi. 

IV.  2  femine  trovate  li  23  Giugno  1834  in  un  Caprimulgus 
gujanensis  maschio. 

V.  1  femina  trovata  li  4  Novembre  1826  in  un  Caprimulgus 
leucopygius  maschio. 

VI.  1  femina  e  2  frammenti  trovati  unitamente  a  2  Echinorinchi 
liberi  li  20  Decembre  1826  in  un  Icterus  cristatus  maschio. 

VII.  3  femine  trovate  li  12  Ottobre  1830  in  un  Thamnophilus 
funebris  maschio  e  giovine. 

VIII.  2  femine  trovate  li  2  Maggio  1833  in  un  Cuculus  Cajanus 
del  quäle  Natterer  non  indica  il  sesso,  ma  che  conteneva  1  piccolo 
Nematoide  in  un  cieco  e  2  Spirottere  fra  le  tonache  dello  stomaco; 
non  che  1  femina  trovata  li  30  Luglio  1827  in  un  maschio  della 
stessa  specie,  il  quäle  albergava  inoltre  14  piccole  Tenie  per  lo  piü 
formte  della  testa,  2  corti  Nematoidi  e  34  Monostom  i  nel  budello. 
Natterer  osserva  inoltre  nel  suo  giornaie  che  avendo  sezionato 
nello  stesso  giorno  1  altra  femina  della  stessa  specie,  in  questa  non 
ritrovö  che  7  Monostomi  nel  budello. 

IX.  5  femine,  1  delle  quali  fu  trovata  li  20  Ottobre  1830  in 
principio  del  budello  di  un  Corvus  Cajanus  maschio;  1  lo  stesso 
giorno  nel  budello  di  un  secondo  uccello  della  stessa  specie  del  quäle 
Natter  er  non  indica  il  sesso,  ma  che  aveva  inoltre  1  Spirottera  fra 
le  tonache  dello  stomaco;  5  trovate  li  24  Settembre  1830  in  una 
femina;  ed  1  trovata  lo  stesso  giorno  in  un'  altra  femina. 

Osservazioue  2.  Ad  onta  che  io  non  abbia  potuto  con  tanta  copia 
di  esemplari  che  mi  stavano  a  disposizione  esaminare  altro  che  femine, 
mi  sono  assicurato  che  la  specie  in  questione  non  e  una  Physaloptera 
ma  si  bene  una  Spiroptera  ;  e  ciö  particolarmente  perche  nessun 
esemplare  aveva  la  bocca  bilabiata,  ma  invece  tutti  erano  forniti  di 


Trenta  speeie  di  Nematoidi.  349 

«na  piccola  bocca  circolare  in  cima  all1  estremitä  anteriore:  in  una 
parola  tutti  gli  individui  da  nie  esaminati  presentavano  senza  eccezione 
i  caratteri  delle  spirottere. 

25.  Spiroptcra  capillaris  Muli». 

Caput  corpore  continuum;  os  bilabiatum,  labiis  conicis 
minimis ,  aculeis  4  validis  cruciatim  oppositis  refrorsum  versis 
armatum;  corpus  capillare,  densissime  ac  gracillime  transversim 
striatum,  utrinque  attennatum;  extremitas  caudalis  maris . . ; 
femin ae  conica,  apice  obtuso,  uncinata;  anus  ab  ap'ice  caudali 
remotus;  apertura  vulvae  in  posteriori  corporis  parte  promi- 
nula.  Longit.  fem.  0015 —  0017. 

Histiocephalus?  spiralis  Sternae  Hirundinis:  in  Collect.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculum.  Sterna  Ilirundo:  inter  tunicas  ventriculi. 

Osservazione.  Nella  collezione  degli  elminti  dell'  i.  r.  Museo  zoo- 
logico  di  corte  rinvenni  3  esemplari  femine  di  questa  speeie  benis- 
simo  conservati  e  perfettamente  trasparenti.  L'ovidotto  in  tutti  e  tre 
gli  esemplari  era  ripieno  di  uova  eiaseuno  dei  quali  conteneva  un 
embrione  perfettamente  sviluppato  e  attortigliato. 

XII.  Genus.  Gongylonema. 

26.  Gon^yloneniii  coiitortiim  Mol  in. 

Corpus  filiforme,  aequale,  minutissime  transversim  striatum, 
irregulariter  contortum ;  extremitas  anterior  bulbillis  irre- 
gulär it  er  dispositis;  os  orbiculare,  nudum;  extremitas  cauda- 
lis maris  inflexa,  apice  obtuso,  alis  latis,  singula  papilUs  iitrin- 
que 7,  transversim  striata;  vagina  penis  dipetala,  brevis; 
penis  longissimus,  fiUformis;  extremitas  caudalis  feminae 
acute  conica,  apice  obtusissimo;  apertura  vulvae  in  posteriori 
et  fere  postrema  corporis  parte  prominula.  Longit.  mar.  0  014  — 
0  01H;  crassit.  ad  00001.  Longit.  fem.  0013 — 0055;  crassit. 
ad  00003. 

Spiroptera  Ursi  Rudolphi:  Synops.  28.  et  253.  —  Dujardint  Hist.  nat. 
des  Helminth.  88.  —  Diesing:  Syst.  Helminth.  II.  224. 

Iliibitaeulum.   Ursus  Arctos :  in  oesopbago ,  hieme  (M.  C.  V.). 

Osservazione.  Io  ho  avuto  Topportunitä  di  esaminare  3  esemplari 
maschi  e  6  femine  di  questa  speeie.  Essi  erano  tutti  benissimo  con- 
servati e  perfettamente  trasparenti. 

Sitzh.  (1.  mathem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  9.  24 


350  Moii«. 

XIII.  Genus.  Filaria. 

Specles  inquirenda. 
27.  Filaria  spinulosa  Mo] in. 

Os  coronula  spinulorum  retroflexorum  armatum;  corpus 
filiforme,  transversim  /xnulatum,  spiraliter  tortum;  extremitas 
anterior  sensim  attenuata,  apice  truncata;  caudalis  maris. .. ; 
feminae  subito  conica,  apice erecto, obtuso ;  ap e r t u r a  v u I v ac... 
Longit.  fem.  0  012;  crassit.  00001. 

Spiroptera  Glareolae  austriacae:  in  Collect.  Helminth.  M.  C.  V. 

Habitnculuiii.  Glareola  austriaca:  inter  tunicas  ventricuĂĽ. 
M.  C.  V. 

Osservazione  I.  Io  non  ho  esamina.to  che  1  unico  esemplare 
femina  ili  questa  specie. 

Osservazioiie  2.  Sembrommi  che  fosse  una  filaria,  ma  non  avendo 
potuto  distinguere  la  posizione  della  vulva,  non  nii  azzardo  di  inserire 
la  specie  fra  le  determinate. 

XIV.  Genus.  Strongyhis. 

28.  Strong-yltis  aiiitlatus  Mol  in. 

Caput  corpore  coutinuum,  haud  alutum;  os  limbo  nudo; 
corpus  densissime  ac  gracillime  transversim  slriatum;  extre- 
mitas anterior  sensim  attenuata,  anulo  atro  cincta,  apice 
obtuso;  caudalis  maris  increscens ;  bursa  maris  excisa 
undecim  radiata,  radio  centrali  dicothome  bifurcato  eruribus 
excisionem  cordatam  amplectente  ;  e  x  t  r  e  m  i  t  a  s  c  a  u  d  a  l  is 
feminae  recta ,  longo  acute  conica ,  apice  iucrassato;  anus  ab 
apice  caudali  remotus;  aper  iura  vulvae  muxima,  in  posteriori 
corporis  parte,  unilabiata,  labio  superiori  maximo,  pendula. 
Longit.  mar.  0-008—  0  010;  fem.  00  tö;  crassit.  00001. 

Spiroptera  Palamedeae  cornutae:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculum.  Palamedea  cornuta:  in  proventriculo,  Augusto, 
Egenho  do  Cap  Gaina  (Natterer).    M.  C.  V. 

Osservazione  I.  Io  ho  eseminato  3  esemplari  maschi  e  10  femine 
di  questa  specie.  Tutti  erano  benissimo  conservati  e  perfettamente 
trasparenti ,  e  furono  raccolti  li  23  Agosto  1820  in  una  Palamedea 


Trenta  specie  di  Nematoidi.  351 

cornuta   maschio,    la  quäle  aveva  inoltre  1  piccolo  Distomo  in  un 
intestino  cieco. 

Osscrvazione  2.  Questo  e  il  primo  Strongilo  trovato  in  quel- 
l'uccello;  esso  appartiene  alla  sezione  di  quelli  che  hanrto  il  lembo 
della  bocca  ignudo,  la  testa  senza  ali  e  la  borsa  del  maschio  incisa; 
e  affine  allo  Strongylus  striatus  dal  quäle  perö  si  distingue  per  la 
presenza  dell'anello  di  colore  oscnro  all'estiemitä  anteriore  del  corpo. 

29.  Strongyliis  bis|»iiiosus  Mol  in. 

Caput  corpore  continuum,  haud  alaturn;  os  limbo  nudo; 
corpus  filiforme;  extremitas  anterior  sensim  attenuata, 
spinulis  diiabus  validis,  lateralibus  armata ;  caudalis  maris 
h/flexa;  bursa  tribiloba,  lobis  perlongis  lateralibus,  singulus 
quinque  radiatus,  radio  medio  recto,  lateralibus  apice  deflexo 
divergentibus,  lobuloque medio  biradiato ;  vagina  penis  dipetala, 
cruribus  longis  styloideis;  penis  longissimus,  filiformis ;  extre- 
mitas caudalis  feminae  longissime  et  acutissime  conica; 
anus  ab  apice  caudali  remotus;  apertura  vulvae  in  posteriori 
corporis  parte,  maxima,  bilabiata,  labio  super iori  limbiformi, 
inferiori  in  vesicam  magnam  inflato,  pendidis.  Longit.  mar.  0010; 
crassit.  0  0002.  Longit.  fem.  0  017;  crassit.  00003. 
Spiroptera  Cervi  Nambi:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaeuluiu.  Cervus  Nandu:  in  ventriculo,  Septembri,  Villa 
Maria  (Natter er).   M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  ho  esaminato  13  individui  mascbi  e  12  femine 
di  queste  specie  raccolti  nella  lira  di  un  C.  Nambi  maschio  ai 
16  Settembre  1825,  il  quäle  conteneva  nello  stesso  organo  3  Spi- 
roptera verrucosa ;  nel  panse  molti  Amfistomi;  e  nell'  entrata  della 
lira  alcuni  grossi  e  molto  grandi  Amfistomi. 

30.  Stroagylus  attenuatiis  Molin. 

Caput  corpore  continuum.  haud  alaturn;  os  limbo  nudo; 
cor p us  filiforme,  capillare ;  extremitas  anterior  attenuata. 
apice  truncato;  caudalis  maris  reeta;  bursa  biloba,  lobis 
hemiellypticis ,  singulus  0  radiatus.  duobus  radiis  posticis  diver- 
gentibus; extremitas  caudalis  feminae  acutissime  conica; 
apertura  vulvae  in  posteriori  cor  /iuris  parte,  amplissima, 
bilabiata.    labio   anteriori   semilunari    lobis    duobus    lateralibus, 


352  m  o  i  i  ... 

posteriori  in  bullam  epidermoidalem  trasparentem  inflato.  Lonyit. 
mar.  0007;  fem.  0011. 

Spiroptera  Suis  labiati:  in  Collect,  brasil.  Entoz.  M.  C.  V. 

Habitaculum.  Dicotyles  albirostris:  in  ventriculo,  Aprili,  Caicara 
(Natterer).  M.  C.  V. 

Osservazione.  Io  ho  esaminato  di  quesla  specie  3  individui 
maschi  e  34  femine.  Tutti  erano  benissimo  conservati  e  perfetta- 
mente  trasparenti.  Non  saprei  dire  perö  se  provengano  da  un  solo 
animale  perche  nelle  notizie  di  Natter  er  si  trova  che  egli  a 
Caicara  ai  26  Aprile  1826  rinvenne  in  un  Dicotyles  albirostris 
femina  alquanti  Nematelmi  color  carne  nel  principio  dello  stomaco; 
e  raolti  altri  simili  elminti  fra  il  muco  dello  stomaco,  e  nel  principio 
dello  stesso  organo  di  un  altro  D.  albirostris  femina.  Con  questi 
elminti  furono  trovate  negli  stesse  animali  molte  Spiroptera  armata. 


Prospetto 

degli  animali  e  dei  loro  organi  nei  quali  furono  trovati 
i  Nematoidi  descritti. 


CLASSIS  PISCES. 
Ordo  Malacopterigii. 

F  a  m  i  I  i  a  Pleuronectides. 

1 .  Platessa  F/esus  C u v i er. 

Dacnitis  fusiformis  Sp.  Nr.  29.  —  Intest. 

CLASSIS  REPTILIA. 

Ordo  Loricata. 

F  a  m  i  1  i  a  Crocodili. 

2.  CrocodĂĽus  acutus  Cuvier. 
Ascaris  helicina.  Sp.  Nr.  9.  —  Yentr. 

3.  Champsa  lucius  YV agier. 

Ascaris  lauceolata.  Sp.  Nr.  4.  —  Ventr. 


Tienta  specie  di  Nemaloidi.  353 


4.    Champsa  nigra  W agier. 

Asciiris  lanceolata.  Sp.  Nr.  4.  —  Ventr. 


Ordo  Ophidia. 

Faniilia  Dermatophes. 

J>.    Ophis  saurocephalus  Wagler. 

Heteracis  anulata.  Sp.  Nr.  11.  —  Intest. 

Ordo  Hemisauri. 
F  a  m  i  1  i  a  Schici. 

6.  Scincus  officinalis  L  a  u  r  e  n  t  i. 
Tropiducerca  bispinosa.  Sp.  Nr.  17.  —  ? 

Ordo  Sauri. 
Familia  Lacertae. 

7.  Chrysolamprus  ocellatus  F  i  t  z  i  n  g  e  r. 
Oxyuris  acanthura.  Sp.  Nr.  2.  —  Intest. 
Oxyuris  extenuata.  Sp.  Nr.  3.  —  Intest,  cras. 

CLASSIS  AVES. 

Ordo  Anseres. 
Familia  Alcidae. 

8.  Alca  Tor  da  Linne  et  Gmelin. 
Cosmocephalus  alatns.  Sp.  Nr.  21.  —  Oesoph. 

Familia  Laridae. 

9.  St  er  na  Hirundo  Linne  et  Gmelin. 

Spiroptera  capillaris.  Sp.  Nr.  25.  —  Inter  tun.  ventr 

10.  Sterna  risoria  Brehm. 

Cosmocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —   Oesoph. 

1 1 .  Larus  urgent atus  B  r ĂĽ n n i eh. 
Cosmocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Prov. 


354  m  °  i  i ». 

12.  Larns  canus  Linne  et  Gmelin. 
Ciismocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Oesoph. 

1 3.  Larus  fuscus  Linne  et  G  m  e  1  i  n. 
Cosinocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Oesoph. 

14.  Larus  marinus  Linne  et  Gmelin. 
Cosinocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Oesoph. 

15.  Larus  maximus  Brehm. 

Cosinocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Tun.  intern,  oesoph. 

1 6.  Larus  medius  B  r  e  h  m. 
Cosinocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Ventr. 

1 7 .  Laras  ridibundus  Linne  et  Gmelin. 
Cosinocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Oesoph. 

F  a  m  i  I  i  a  Anatidac. 

1 8.  Mergus  Serrator  Linne  et  Gmelin. 
Cosinocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Oesoph. 

Ordo  Grallae. 

F  a  m  i  1  i  a  Scolopacidae. 

19.  Totanus  hypoleucus  Linne  et  Gmelin. 
Cosinocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Oesoph. 

20.  Totanus  maculatus  Vi  ei  Hot. 
Cosmocephalus  alatus.  Sp.  Nr.  21.  —  Oesoph. 

F  a  m  i  1  i  a  Charadridae. 

2 1 .  Vanellus  melanogaster  Bech stein. 
Spiroptera  gracilis.  Sp.  Nr.  23.  —  Inter  tun.  ventr. 

22.  Glareola  austriaca  Latham. 

Filaria  spinulosa.  Sp.  Nr.  27.  —  Inter  tun.  ventr. 

F  a  m  i  1  i  a  Ardeidae. 

23.  Ciconia  Maguari  T e m m i  n  c k. 

Ascaris  valdemucronata.  Sp.  Nr.  11.  —  Prov.  et  ventr. 

24.  Eurypyga  II el las  II 1  ig e r. 

Ancyracanthus  bilabiatus.  Sp.  Nr.  18.  —  luter  tun.  ventr. 

25.  Dicholophus  MarcgravĂĽ  II  liger. 

Ascaris  laticauda.  Sp.  Nr.  5.  —  Ten.  et  coec. 


Trentn  apecie  di  Nematoidi.  35o 

Familia  Palamedeidae. 

26.  Palamedea  cor  mit  a  Linn  e  et  Gmeliu. 
Strongylus  anjilatus.  Sp.  Nr.  28.  —  Proyentr. 

Ordo  Stausores. 
F  a  m  i  1  i  a  Cuculidae. 

27.  Crotophaga  Ani  L  inn e  et  Gm e li  n. 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Ventr.  et  intest. 

28.  Cuculus  melacoryph us  V  i  e i  1 1  o  t. 

Subulura  acutissima.  Sp.  Nr.  1.  —  Ventr.  et  intest. 

29.  Cuculus  Tinguacu  Johannes  Natter  er. 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 

Familia  Picidae. 

30.  Picus  comntus  L  i  c  h  t  e  n  s  t  e  i  n. 
Ascaris  spiralis.  Sp.  Nr.  10.  —  ? 

Familia  Psittacidae. 

31.  Psittacus  Macao  Linne  et  Gmelin. 

Elaplioceplutlus  oetocornntus.  Sp.  Nr.  19.  —  Ad  basim  digit.  ped. 

Ordo  Passeres. 
Familia  Stiirnidae. 

32.  Icterus  cristatus  T  e  m  m  i  n  c  k. 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 

Familia  Corvidae. 

33.  Corvus  Cajanus  Linne  et  Gmelin. 
Ascaris  papulosa.  Sp.  Nr.  10.  —  Intest. 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 

Familia  Laniadae. 

34.  T/t amnoph  ilus  funebris  L  i  c  h  t  e  n  s  t  e  i  n . 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 


356  Mölln. 

F  a  m  i  1  i  a  Caprimulgidae. 

35.  Caprimulgus  campestris  L  i  c  h  t  e  n  s  t e  i  n. 
Heteracis  suctoria.  Sp.  Nr.  14.  —  Inter  tun.  ventr. 

36.  Caprimulgus  gujanensis  Linne  et  Gmelin. 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 

37.  Caprimulgus  leucopygus  Spix. 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 

Ordo  Accipitres. 

F  a  rn  i  1  i  a  Strigidae. 

38.  Stri.v  atricapilla  Johannes  Natterer. 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 
Subulura  acutissiina.  Sp.  Nr.  1.  Ventr.  et  intest. 

39.  Stria  torquata  L  a  t  h  a  m. 

Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 

F  a  m  i  1  i  a  Falconidae. 

40.  Falco  minutus  V  i  e  i  1 1  o  t. 

Dispharagus  capitatus.  Sp.  Nr.  16.  —  Ventr. 

41.  Falco  Buteo  Linne  et  Gmelin. 

Ascaris  angusticollis.  Sp.  Nr.  7.  —  Inter  tun.  ventr. 

42.  Falco  coronatus  V  i  e  i  1 1  o  t. 

Ascaris  Microlabium.  Sp.  Nr.  6.  —  Ventr. 
Spiroptera  recticauda.  Sp.  Nr.  22.  —  Ventr. 

43.  Falco  furcatus  Linne  et  Gmelin. 
Spiroptera  saginata.  Sp.  Nr.  24.  —  Intest. 

44.  Falco  Haliaetos  Linne  et  Gmelin. 
Ascaris  angusticollis.  Sp.  Nr.  7.  —  Intest,  ten. 

CLASSIS  MAMMALIA. 

Ordo  Bisulca. 

F  a  m  i  1  i  a  Ccrvina. 

4 5 .  Cervus  Nambi  Johannes  N  a  1 1  e  r  e  r. 
Strongylus  bispinosus.  Sp.  Nr.  29.  —  Ventr. 


Trenta  speeie  di  Nematoidi.  35 T 

Ordo  Multungula. 
V  ;t  in  i  I  i  ;i  Setigera. 

46.  Dieotylcs  albirostris  II 1  ig e r. 
Strongytus  attenuatus.  Sp.  Nr.  30.  —  Veittr. 

Ordo  trlires. 
F a  mili a  Subungulata. 

47.  Dasiproctae  Agtiti  1 1 1  i  g  e  r. 

Ueteracis  verrucosa.  Sp.  Nr.  14.  —  Ventr. 

Ordo  Carnivora. 
Famtlia   Ursina. 

48.  Ursus  Arctos  hin  ne. 

Gongylonema  coiitortum.  Sp.  Nr.  26.  —  Oesopli. 

F  a  m  i  1  i  a  Folina. 

49.  Felis  concolor  Li nne. 

Ascaris  anterospiralis.  Sp.  Nr.  8.  —  Ventr. 


Indice  (teile  specie  discritte. 


IS'um.   prog'.  Num,  del.  sp. 

1.  Ancyracanthus  bilabiatus  Molin      18. 

2.  Ascaris  angasticollis  Molin 7. 

3.  „        anterospiralis  Molin 8. 

4.  .,       helicina  Molin 9. 

5.  ..        lanceolata  Molin 4. 

6.  ..        laticauda  Molin 5. 

7.  ..        Microlabium  Molin 6. 

8.  ..       papulosa  Molin 10. 

9.  ..        spiralis  Molin 12. 

10.  ,.       valdemucronata  Molin II. 

24*  * 


3IJ(S  M  o I  i n.  Trenta  specie  di  Ne&natoidei. 

N'uin.  prog.  Nuni.  del  sp. 

11.  Cosmocephalus  alatus  Molin 21. 

12.  Dacfiitis  fusiformis  Molin 20. 

13.  Dispharagus  capitatus  Molin       1(5. 

14.  Elaphocephalus  octocornutiis  Molin 19. 

15.  Filaria  spinulosa  Molin 27. 

16.  Gongylonema  contortum  Molin 26. 

17.  Heteracis  anulatä  Molin       13. 

18.  ,,         suctoria  Molin 15. 

19.  „         verrucosa  Molin 14. 

20.  Qxyuris  acanthura  Molin 2. 

21.  „         extenuata  Molin 3. 

22.  Spiroptera  capillaris  Molin 25. 

23.  „  gracilis  Molin 23. 

24.  ,,  recticauda  Molin    .     .     . 22. 

25.  „  saginata  Dujardin,  Char.  einend 24. 

26.  Strongyhis  anulatus  Molin       28. 

27.  ..  attenuatus  Molin 30. 

28.  „  bispinosus  Molin 29. 

29.  Subulura  acutissima  Molin       1. 

30.  Tropidocerca  bispinosa  Molin 17. 


SITZUNGSBERICHTE 


KAISERLICHEN   AKADEMIE    DER    WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH  -  NATURWISSENSCHAFTLICHE  CLASSE. 


\l.  band. 


SITZUNG  VOM  12.  APRIL  1860. 


NÂŁ  10 


23 


359 


X.  SITZUNG  VOM    12.   APHIL    1860. 


Herr.  Prof.  Hugo  von  Mohl  in  TĂĽbingen  dankt  der  Akademie 
fĂĽr  seine  Wahl  zum  Ehrenmitgliede. 

Herr  W.  Simerka,  suppl.  Gymnasiallehrer  in  Budweis,  ĂĽber- 
sendet eine  Abhandlung:  „Lösung  der  Gleichung  xz  =  My-\-rnu. 

Das  c.  M.  Hr.  Prof.  Helmholtz  ĂĽbersendet  eine  von  ihm  in 
Gemeinschaft  mit  Herrn  G.  v.  Piotrowski  verfasste  Abhandlung: 
„Über  Beibung  tropfbarer  Flüssigkeiten". 

Herr  Prof.  Ludwig  ĂĽberreicht  eine  Abhandlung  des  Herrn  Dr. 
Einbrodt  aus  Moskau:  „Über  den  Einfluss  der  Athembewegungen 
auf  Herzschlag  und  Blutdruck". 

Herr  Prof.  Kner  liest  eine  „Übersicht  der  ichthyologischen  Aus- 
beute während  der  Heise  Sr.  M.  Fregatte  Novara";  ferner  eine  Notiz 
„Über  Belenesojc  belizanus,  nov.  gen.  et  spec.  aus  der  Familie  der 
Cyprinodonten" . 

Herr  Prof.  Ed.  Suess  hält  einen  Vortrag:  „Über  die  Spuren 
eigenthĂĽmlicher  Eruptionserscheinungen  am  Dachsteingebirge". 

An  Druckschriften  wurden  vorgelegt : 

Academy  of  science  of  St.  Louis.  Transactions.  Vol.  I,  Nr.  3. 
St.  Louis,  1859 ;  8«- 

Akademie  der  Wissenschaften,  königl.  Preussische.  Abhandlun- 
gen. Zweiter  Supplementband  zu  1854,  und  Jahrgang  1858. 
Berlin,  1859;  4°- 

Annalen  der  Chemie  und  Pharmacie,  herausgegeben  von  F.  Wo  li- 
ier, J.  Liebig  und  H.  Kopp.  N.  B.  Band  XXXVII,  Heft  3. 
Leipzig  und  Heidelberg,  1859;  8°- 

25* 


360 

Association,  American,  for  the  advancement  of  science,  Procee- 

dings.  Vol.  XII,  1858.  Cambridge,  1859;  So- 
Astronom  ische  Nachrichten ,  Nr.  1242 — 47.   Altona,  1860;  4°- 
Anstria,  herausgegeben  von  Dr.  Gustav    Höfken.  Jahrgang  XII. 

Heft  13—15.  Wien,  1860;  4°- 
Cos  mos,  XPme  annee,  vol.  XVI,  livr.  12—14.  Paris,  1860;  So- 
Forchhammer,  G.,  Om  sövandets  best-.mddele  og  deres  fordeling 

i  havet.  Kjobenhavn,  1859;  4°- 
Gazette  medicale  d'Orient.  IU1^1"  annee,  Nr.  12.  Constantinoplo. 

1860;  4«- 
Gesellschaft,  Senkenbergische    naturforschende.    Abhandlungen. 

Band  III,  Lief.  1.  Frankfurt  a/M,  1859;  4«- 
Gottlieb,  Dr.  .!.,  Lehrbuch   der   pharmaceutischen  Chemie.  Band  I, 

2;   II,  1.  und  2.  Hälfte.  Berlin,  1857;  8°- 
Kiel,  Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1858.  Kiel,  1859;  4n- 
Land-  und  forstwirtschaftliche  Zeitung,    red.   von  Dr.  J.  Aren- 
stein. Jahrgang  X,  Nr.  9  — 11.  Wien,  1860;  8°- 
Mittheilungen   aus  Just.   Perthes1   geographischer  Anstalt  von 

Dr.  A.  Peter  mann.  1860,  März;  4°- 
Reichsanstalt,  k.  k.  geologische.  Sitzung  am  27.  März  1860;  8°- 
Sella,  Quintino,  Teorica  e  pratica  del  regolo  calcolatore.  Torino, 

1859;  16o- 
Society,  Elliot-,  of  natural  history  of  Charleston.  Proceedings.  Vol.  I. 
Nov.  1853,  Dec.  1858.  Charleston,  1859;  8«'- —  Constitution  and 
by-laws.  1857;  8«- 
Swallow,  G.  C,  Geological  report  of  the  country  along  the  line  of 
the  South- Western  brauch  of  the  pacific  railroad,  state  of  Mis- 
souri. St.  Louis,  1859;  So- 
Verein,  Ă–sterreichischer  Ingenieur-.   Zeitschrift,  red.  von  Dr.  Jos. 

Herr.  XII.  Jahrgang,  Februar.  Wien,  1860;  4o- 
Wiener  medizinische  Wochenschrift,  red  von  Dr.  W7i ttelshöfer, 

Jahrgang  X,  Nr.  12—14.  Wien,  1860;  4o- 
Zeitschrift  fĂĽr   Chemie  und  Pharmacie,  red.  von  Dr.  E.  Erlen- 
meyer und  G.  Lewin  st  ein,  III.  Jahrgang,  Heft  4.  Erlangen, 
1860;  So- 


361 


ABHANDLUNGEN  UND  MITTHEILUNGEN. 


Ăśber  den  Einfluss  der  Athembewegungen  auf  Herzschlag  und 

Blutdruck. 

Von  Dr.  Einbrodt  aus  Moskau. 

(Vorgelegt  von  Prof.   K.   Ludwig1)  in  der  Sitzung  vom   12.   April   1860.) 
(Mit  1   Tafel  und   1   Holzschnitt.) 

Eine  Reihe  von  Versuchen,  die  ich  auf  Herrn  Professor  L  u  d  w  i  g's 
Vorschlag  in  dessen  Laboratorium  anstellte,  fĂĽhrte  zu  Thatsachen 
und  Anschauungen ,  die  zur  nähern  Würdigung  des  Einflusses  der 
Athembewegungen  auf  Herzschlag  und  Blutdruck  einige  neue  Anhalts- 
punkte bieten.  Die  gewonnenen  Ergebnisse  erlaube  ich  mir  daher 
im  Nachfolgenden  mitzutheilen. 

Unter  dem  EinflĂĽsse  des  Athmens  erleiden  die  Schlagfolge  des 
Herzens  und  die  Spannung  des  Blutes  eine  Veränderung,  die  bis 
jetzt  weder  eine  richtige  Deutung,  noch  eine  genügende  Erklärung 
erfahren  hat.  Es  ist  bekannt,  dass  die  Veränderung  in  der  Spannung 
des  Blutes  den  beschleunigenden  Kräften  zugeschrieben  wird,  die 


')  Zwei  Bestimmungsgriinde  liessen  es  rathlich  erscheinen ,  das  schon  frĂĽher  von 
mir  behandelte  Thema  von  Neuem  aufzunehmen.  Zuerst  der  Wunsch  die  Erklärung 
der  Erscheinungen,  die  mir  vor  mehr  als  12  Jahren  nicht  gelungen  war,  auf  Grund- 
lage des  heutigen  Standes  der  Wissenschaft  zu  versuchen;  nächst  dem  aber  hatte 
ich  mich  durch  einige  vorläufige  Versuche  überzeugt ,  dass  ich  in  meiner  früheren 
Arbeit  die  an  und  fĂĽr  sich  richtigen  Thatsachen  nicht  richtig  verknĂĽpft  hatte,  und 
dass  namentlich  bei  der  Vergleichung  der  Puls  und  Athemcurven  ein  Fehler  unter- 
gelaufen war.  —  Unter  diesen  Umständen  musste  ich  es  Herrn  Dr.  Einbrodt 
grossen  Dank  wissen  ,  als  er  sich  enlschloss  den  Gegenstand  von  Neuem  und  zwar 
in  ausgedehntester  Weise  zu  bearbeiten. 


362  Einl.ro  dt. 

durch  die  Athembewegungen  dem  Herzen  und  den  grossen  Blutge- 
fässen mitgetheilt  werden,  und  dass  die  veränderte  Schlagfolge  des 
Herzens  mit  einem  veränderten  Erregungszustande  der  N.  vagi  in 
Beziehung  gedacht  wird.  In  der  Blutvertheilung  ist  von  Ed.  Weber  ') 
und  Donders3)  ein  neues  Element  zur  richtigen  Beurtheilung  der 
uns  beschäftigenden  Frage  angedeutet,  aber  nicht  genügend  ausge- 
beutet worden. 

Die  Erscheinungen ,  die  durch  die  Athembewegungen  eine 
Änderung  erleiden  und  bei  der  Frage  über  den  Einfluss  des  Athmens 
zunächst  in  Betracht  kommen,  entziehen  sich  einer  genauen  Analyse, 
weil  sie  alle  aus  verschiedenen  und  dabei  immer  wechselnden  Ele- 
menten zusammengesetzt  sind,  in  ihrem  Auftreten  daher  nie  als  ein- 
fache zur  Beobachtung  gelangen;  so  ist  bekanntlich  die  Schlagfolge 
des  Herzens  eine  aus  vielen  Grundelementen  abgeleitete:  denn  es 
wirken  auf  dieselbe  die  Reizbarkeit  des  Herzens  (seiner  Muskeln, 
Nerven  und  motorischen  Centra),  der  Erregungszustand  des  verlän- 
gerten Markes  und  der  N.  vagi,  die  in  so  grossen  Breiten  wechselnde 
Blutfülle  des  Thieres ,  die  Temperatur  des  in's  Herz  einströmenden 
Blutes  u.  s.  w.  Ebenso  ist  die  Spannung  des  Blutes  eine  wechselnde, 
je  nach  der  dem  Herzen  zu  Gebote  stehenden  Blutmasse,  nach  den 
Widerständen  in  den  Capillaren,  nach  dem  Autheil,  der  von  den  ent- 
wickelten Herzkräften  dem  Blute  zu  Gute  kommt  etc.  Die  Athembe- 
wegungen selbst  üben  auf  die  vorhin  genannten  Verhältnisse  und 
namentlich  auf  die  Blutvertheilung  und  den  Zutluss  von  Blut  zum 
Herzen,  selbst  an  einem  und  demselben  Thiere,  einen  verschieden 
grossen  Einfluss  aus,  je  nach  der  Tiefe  und  Dauer  ihrer  einzelnen 
Acte,  und  bei  verschiedenen  Thieren  selbst  bei  gleicher  Tiefe  und 
Dauer  dieser  letztern  je  nach  besondern  constitutionellen  Verhält- 
nissen. 

Es  ist  also  klar,  dass,  wenn  man  den  Einfluss  der  Athembewe- 
gungen näher  verfolgen  will,  man  so  viel  als  immer  thunlich  sie  in 
ihrem  Einflüsse  verstärken,  ihnen  das  Übergewicht  zu  verschaffen 
suchen  muss  über  die  sie  störenden  und  in  ihrer  Wirkung  beein- 
trächtigenden Momente. 


»)  Leipziger  Berichte  1850,  I.  p.  2«. 

«)  Zeitschr.  f.  rat.  Medizin.   N.  ?.   Bd.  III,    18.'.;».   p.  287  und  Bd.  IV,    tSü-i.   p.  241  und 
Nederl.  Lancet.   I).  V,  p.  364. 


Ăśher   den  Einfluss  der  Atheinlipwegungen  auf  Herzschlag  und  Blutdruck.      363 

Der  erste  und  ihnen  als  solchen  zukommende  Einfluss  der 
Athembewegungeo  ist  aber  derjenige,  dass  sie  die  in  der  Brusthöhle 
gelegenen  Organe,  je  nach  ihren  verschiedenen  Acten  und  je  nach 
der  verschiedenen  Tiefe  und  Dauer  derselben,  unter  verschiedene 
Spannung  versetzen.  Ist  es  möglich,  die  unter  dem  Einflüsse  des 
normalen  Respirationsactes  eintretenden  Spannungsunterschiede  und 
ihre  weiteren  Folgen  während  längerer  Zeit  künstlich  nachzuahmen 
und  willkĂĽrlich  zu  steigern,  dabei  aber  auf  die  verschiedenen  ange- 
deuteten Elemente  (BlutfĂĽlle  des  Herzens,  Erregungszustand  der 
N.  vagi  etc.)  einen  directen  Einfluss  auszuĂĽben,  so  ist  damit  zugleich 
auch  die  Hoffnung  in  Aussicht  gestellt,  in  das  Wesen  des  zu  erfor- 
schenden Einflusses  näher  einzudringen.  Bis  zu  einem  gewissen 
Grade  kann  nun  die  kĂĽnstliche  Erzeugung  des  Respirationsdruckes, 
des  positiven  Ausathmungs-  als  auch  des  negativen  Einathmungs- 
druckes,  wirklich  bewerkstelligt  werden1)  und  die  erste  Aufgabe,  die 
mir  bei  näherer  Überlegung  der  uns  beschäftigenden  Frage  ent- 
gegentrat, bestand  also  darin,  einen  verschieden  starken  Respirations- 
druck  (positiven  sowohl  als  negativen)  kĂĽnstlich  herbeizufĂĽhren  und 
seine  Wirkungen  auf  Herzschlag  und  Blutdruck  ,  unter  verschieden 
abzuändernden  Verhältnissen,  möglichst  genau  zu  verfolgen. 

Ist  dieser  Einfluss  des  künstlich  erhöhten  Respirationsdruckes 
scharf  und  genau  aufzufassen,  so  ergibt  sieh  dann  die  zweite  Auf- 
gabe —  den  Einfluss  des  gewöhnlichen  Athmens  durch  directe  Beob- 
achtung so  genau  als  möglich  festzustellen  und  die  beim  erhöhten 
Respirationsdrucke  gewonnenen  Thatsachen  mit  den  beobachteten 
Anschauungen  in  Einklang  zu  bringen. 

1. 

Indem  wir  jetzt  zur  Besprechung  der  eingeschlagenen  Verfah- 
rungsarten  und  der  durch  sie  gewonnenen  Thatsachen  ĂĽbergehen, 
fassen  wir  zunächst  den  positiven  Respirationsdruck  in's 
Auge. 

A.  Positive  DrĂĽcke  lassen  sich  kĂĽnstlich  leicht  erzeugen, 
wenn   die    mit  dem  Lungenraum  des  Thieres   communicirende  Luft 


')   Die  Erzeugung  an  Thieren  kĂĽnstlicher  Respirationsdrucke  ist  schon   von  bouders 
versucht,  aber  nicht  weiter  verfolgt  worden. 


•Jß4  E  inbr  o  d  t. 

unter  erhöhte  Spannung  gebracht  wird.   Dieser  Anforderung  wurde 
in  meinen  Versuchen  folgendermassen  entsprochen. 

In  eine  grosse,  etwa  16  Litres  fassende  Glasflasche  (siehe  die 
Tafel  I)  war  durch  den  Hals  derselben  eine  ungefähr  2  Meter  hohe  und 
15  Millim.  breite  Glasröhre,  die  fast  bis  auf  den  Boden  der  Flasche 
reichte,  luftdicht  eingekittet;  durch  einen  Kautschukschlauch  stand 
das  obere  Ende  der  Röhre  mit  einer  Handpumpe  in  Verbindung, 
mittelst  deren  Wasser  in  die  Röhre  eingepumpt  und  die  Luft  im 
Behälter  unter  beliebig  hohen  Druck  gebracht  werden  konnte;  zur 
Entleerung  des  angesammelten  Wassers  diente  ein  in  die  Flasche 
dicht  am  Boden  eingefĂĽgter  Hahn ,  zur  Erneuerung  der  durch  das 
Athmen  verdorbenen  Luft  eine  in  den  Hals  der  Flasche  eingelassene 
und  mit  einem  Hahn  zu  verschliessende  Glasröhre.  Die  unter  erhöhte 
Spannung  versetzte  Luft  wurde  dem  Thiere  durch  ein  gebogenes 
Glasrohr  zugeleitet,  welches  einerseits  in  den  Luftbehälter  ausmün- 
dete, andererseits  aber  durch  einen  Kautschukschlauch  mit  einer  in 
der  Trachea  des  Thieres  befestigten  GlascanĂĽle  in  Verbindung 
gebracht  wurde;  dieses  Zuleitungsrohr  besass  einen  Hahn  mit  andert- 
halbfacher Bohrung,  wodurch  es  möglich  wurde,  das  Thier  durch  eine 
einfache  Drehung  des  Hahns  entweder  unter  erhöhtem  Drucke  oder 
frei  in  die  Atmosphäre  athmen  zu  lassen. 

Zur  Verzeichnung  der  Respirationsbewegungen  brauchte  ich 
den  schon  frĂĽher  beschriebenen  FĂĽhlhebel i),  dessen  Klammer  mit  dem 
Brustkorb  an  verschiedenen  Stellen  in  Verbindung  gebracht  wurde. 
Zur  Ausmessung  des  mittlem,  auf  gewöhnliche  Weise  an  der  Arteria 
Carotis  verzeichneten  Blutdruckes  diente  ein  WetlPsches  Planimeter. 
Zu  den  Versuchen  wurden  Hunde  verwendet,  die  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  durch  Opiumtinctur  betäubt  waren. 

Fragen  wir  vor  Allem,  inwieweit  der  durch  unser  Verfahren 
herbeigeführte  Zustand  mit  dem  bei  der  gewöhnlichen  Ausathmung 
stattfindenden  übereinkommt,  so  müssen  wir  zunächst  die  grosse 
Analogie  hervorheben,  die  unsere  Versuche  mit  erhöhtem  künstlichen 
-f-ÄZ)8)  zu  dem  bekannten  Experimente  bieten,  das  zuerst  von 
Ed.  Weber  ĂĽber  den  Ausathmungsdruck  bei  gehindertem  Lnflaus- 


')  Wiener  Sitzungsberichte,  Bd.  XXXVIII,  |>.  345. 
*)  -+-  R  D  =   positiver  Respirationsclruck. 


Ăśber  den  Einfluss  der  Athembewegungen  auf  Herzschlag  und  Blutdruck.      3Hh 

tritte  angestellt  wurde,  es  aber  der  nachfolgenden  Darstellung  ĂĽber- 
lassen, diese  Analogie  in  ihre  Einzelheiten  zu  verfolgen. 

Bei  näherer  Überlegung  ergibt  sich  ,  dass  der  durch  unser 
Verfahren  gesetzte  Zustand  der  Brusthöhle  und  der  in  ihr  gelager- 
ten Organe  in  seinen  Grundbedingungen  mit  demjenigen  ĂĽberein- 
stimmt, der  durch  den  gewöhnlichen  Exspirationsdruck  bedingt  wird, 
indem  durch  beide,  freilich  auf  ganz  verschiedenen  Wegen,  eine 
Verdichtung  der  in  den  Lungen  enthaltenen  Luft  und  eine  Zunahme 
der  auf  den  Brusteingeweiden  lastenden  Spannung  herbeigefĂĽhrt 
wird;  dass  aber  zwischen  beiden,  schon  ganz  abgesehen  von  dem 
sehr  wichtigen  Unterschiede  in  der  Gradation  der  gesetzten  Verän- 
derungen, die  bei  dem  künstlich  gesteigerten  -f-  BD  ihren  höchsten 
Werth  erreichen  können,  auch  einige  andere  nicht  unwesentliche 
Unterschiede  bestehen.  So  wird  durch  unser  Verfahren  der  Ăśber- 
gang des  Blutes  aus  der  einen  Herzhälfte  in  die  andere  in  Folge  der 
grossen  Ausdehnung  der  Lungen  nach  P  oiseui  lies  *)  Versuchen 
erschwert  werden  mĂĽssen;  so  wird  die  Aorta  eine  Dehnung  und 
ihre  Bäumlichkeit  eine  Zunahme  erfahren;  so  werden  die  Venen  an 
der  oberen  Apertur  des  Brustkastens  mehr  oder  weniger  gedrĂĽckt 
und  verschlossen  werden,  lauter  Umstände,  die  der  gewöhnliche 
Ausathmungsdruck  nicht  in  seinem  Gefolge  hat. 

Die  Autopsie  von  Hunden,  die  unter  dem  EinflĂĽsse  eines  beste- 
henden hohen  -f-  RD  zu  Grunde  gehen,  zeigt  einen  Zustand  der 
Brust  und  Baucheingeweide,  wie  er  während  des  Lebens  sonst  wohl 
nie  vorkommt.  Die  Lungen  erfahren  eine  ungemein  grosse  Ausdeh- 
nung, wobei  nothwendig  ein  Druck  auf  das  Herz  und  die  grossen 
Gefässe  ausgeübt  wird  und  namentlich  die  grösseren  Venen  an  der 
obern  Apertur  des  Brustkastens  zusammengedrĂĽckt  werden;  das  Dia- 
phragma wird  in  die  Bauchhöhle  hinein  gedrückt  und  ist  sehr  stark 
gefaltet;  die  Leber  wird  unter  die  Hypochondrien  gedrängt,  ihr 
unterer  Band  erstreckt  sich  bis  unter  die  Stelle,  die  der  Vorhaut  ent- 
spricht. Alle  in  der  Brusthöhle  enthaltenen  Organe  sind  äusserst 
blutleer,  die  Leber  dagegen  und  die  Nieren  weisen  einen  bedeuten- 
den Blutreichthum  vor;  aus  dem  mit  den  grossen  Gefässen  abgebun- 
denen Herzen  gewann  ich  an  einem  Hunde  eine  Quantität  Blut,  die 


')  Comptes  rendus.  T.  41. 


3ftf)  E  i  ii  b  m  d  t. 

sich  nach  einer  annähernden  Schätzung  (die  Gesammtmasse  des 
Blutes  zu  7%  ('es  Körpergewichtes  angenommen)  nur  als  der  zwan- 
zigste Theil  der  gesammten  Blutmasse  erwies. 

Indem  wir  zu  den  beobachteten  Wirku  ngen  des  kĂĽnstlichen 
-f-  RD  übergehen,  wobei  wir  beobachtete  Thatsachen  und  Erklärungs- 
versuche in  natĂĽrlicher  VerknĂĽpfung  nebeneinander  stellen,  unter- 
scheiden wir  diese  Wirkungen,  je  nachdem  sie  im  Beginn  der 
Ausübung  des  -f-  RD,  während  der  Dauer  seines  Beste- 
hens oder  endlich  i  n  der  Zeit  nach  Aufhebung  desselben 
zur  Beobachtung  gelangen. 

1 .  Während  der  -f-  RD  von  Null  bis  zu  seinem  Maxi- 
mum ansteigt,  wirkt  er  auf  das  in  der  Brust  enthaltene  Blut  als 
beschleunigende  Kraft,  die  sich  zum  Herzdruck  addirt;  diese  Wir- 
kung spricht  sich  in  unseren  Versuchen  darin  aus,  dass  die  mittlere 
Spannung  des  Blutes  im  arteriellen  System  im  ersten  Momente  des 
ausgeübten  -f-  RD  regelmässig  einen  Zuwachs  erleidet,  der  zwar 
verschieden  gross  ausfallen  kann  und  sich  in  seiner  Grösse  nach  der 
Stärke  des  RD  richtet,  immer  aber  nur  so  lange  besteht,  als  der  RD 
im  Ansteigen  bis  zu  dem  ihm  im  einzelnen  Falle  zukommenden 
Maximum  begriffen  ist.  Die  unten  beigefügte  Tabelle  I  enthält  für  die 
ausgesprochene  Behauptung  die  nöthigen  Zahlenbelege  (Versuche 
Nr.  15,  32,  41  der  Tabelle). 

2.  Während  seines  dauernden  Bestehens  erzeugt  der 
-f-  RD  Wirkungen,  die  von  den  eben  erwähnten  sehr  abweichen  und 
im  Allgemeinen  sich  nach  der  Grösse  des  RD  richten. 

Diebeobachteten  Wirkungen  des  bestehenden  -{-  RD 
waren  folge  n  de: 

a)  D  e  r  -f-  RD  erschwert  d  i  e  A  t  h  e  m  b  e  w  e  g  u  n  g  e  n  \\\n\ 
hebt  sie  bei  genügender  Grösse  vollständig  auf. 

Bei  einem  möglichst  geringen  -\-  RD  (etwa  bei  10  Millim.  Hy) 
erfahren  die  Athembewegungen  nur  insofern  eine  Veränderung,  als 
sie,  wenn  auch  unbedeutend,  erschwert  werden.  Nimmt  der  -f-  RD 
zu  (etwa  von  10  bis  20  Millim.  Hg),  so  werden  die  Athembewegun- 
gen mühsam  und  es  verändert  sich  zugleich  ihr  Rhythmus,  die  Inspi- 
ration erfolgt  rasch  und  ist  eine  ausserordentlich  kurze,  die  Exspi- 
ration dagegen  wird  sehr  mühsam  und  nimmt  eine  viel  längere  Zeit 
in  Anspruch;  der  Exspiration  folgt  in  der  Begel  eine  lang  anhaltende 


Ül»er  den  Einflnss  der  Athembewegungen  auf  Herzschlag  und  Blutdruck.       367 

Pause.  Bei  noch  weiterer  Steigerung  des  -j-  RD  (ĂĽber  20  Milim.  Hg) 
bleiben  die  Athembewegungen  längere  Zeit  hindurch  vollständig  aus, 
und  zwar  ist  dieses  eine  ganz  regelmässige  constante  Erscheinung ; 
zuweilen  kehren  sie  auch  wieder  bei  fortdauerndein  -|-  RD  ,  aber 
immer  nur  wenn  dieser  letztere  unter  der  Höhe  von  35  Millim.  Hg 
bleibt  und  auch  dann  erscheinen  sie  nur  nach  längeren  Zwischen- 
räumen; nach  jeder  mehr  weniger  tiefen  Inspiration  folgt  eine  längere 
Pause.  Das  Ausbleiben  der  Athembewegungen  kann  sehr  lange  anhal- 
ten; ich  habe  in  sehr  zahlreichen  Fallen  die  Athembewegung  wäh- 
rend mehrerer  Minuten  ausbleiben  sehen. 

Die  Erklärung  dieser  Erscheinungen  liegt  nahe.  Ein  schwacher 
-(-  RD  kann  in  den  Athembewegungen  keine  grosse  Veränderung 
bewirken  ;  die  auf  der  Luft  lastende  Wassersäule  hat  nur  eine  geringe 
Höhe  und  kann  daher  bei  einigermassen  gesteigerter  Anstrengung 
gehoben  werden;  es  wird  daher  das  Thier,  um  den  nöthigen  Luft- 
austausch zu  ermöglichen,  nur  einer  grössern  Anstrengung  bedürfen, 
als  beim  Athmen  im  freien  Luftraum.  Bei  höherem  -|-  RD  wird  die 
Inspiration  verhältnissmässig  noch  leicht  erfolgen  können,  da  sie 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  durch  die  auf  der  Luft  lastende  Span- 
nung unterstĂĽtzt  wird;  es  wird,  so  zu  sagen,  Luft  in  die  Lunge  ein- 
gepresst;  bei  der  Exspiration  dagegen  muss  diese  Spannung  ĂĽber- 
wunden werden  und  dazu  bedarf  es  schon  einer  bedeutenden  Contrac- 
tions-AnstrengHiig  von  Seiten  der  Exspiratoren ,  deren  Tliätigkeit 
noch  unterstĂĽtzt  wird  durch  die  in  Folge  der  Ausdehnung  wachsen- 
den elastischen  Kräfte  der  Lungen.  Ist  die  Exspiration  vollendet,  so 
gewinnt  natĂĽrlich  die  auf  der  Luft  liegende  Spannung  die  Ober- 
hand und  es  mĂĽssen  daher  kurze  und  leicht  erfolgende  Inspirationen 
mit  mĂĽhsamen  und  lange  anhaltenden  Exspirationen  abwechseln,  ganz 
in  Ăśbereinstimmung  mit  der  Wahrnehmung.  Erreicht  der  -f-  RD  einen 
noch  hohem  Werth,  so  ĂĽberwindet  er  die  elastische  Gegenwirkung 
der  Lungen  und  das  Zusammenziehungsbestreben  der  Exspirations- 
muskeln,  dehnt  die  Lunge  und  den  Brustkorb  bedeutend  aus  und 
macht  jeden  Luftaustausch  unmöglich;  mit  einem  Worte,  beim  hohen 
-f-  RD  bleiben  die  Athembewegungen  vollkommen  aus. 

Das  beim  massigen  -[-  RD  zuweilen  zu  beobachtende  Wieder- 
erscheinen der  Athembewegungen  ist  wahrscheinlich  die  Folge  der 
Zunahme,  welcbe  die  Contractiunsfähigkeit  und  Heizbarkeit  der 
Exspirationsmuskeln    während    der    anhaltenden  Ruhe   erfährt;    sie 


;jH8  e  i  n  i.  .•  (.  (i  t. 

äussert  sich  in  der  Bewerkstelligung  einer  Exspiration,  auf  welche 
wiederum  in  Folge  der  Luftspannung  eine  Inspiration  folgt,  nach 
deren  Ablauf  die  Athembewegungen  wieder  ausbleiben.  Besteht  ein 
massiger  -j-  RD  wahrend  längerer  Zeit,  so  kann  sich  natürlich  dieser 
Vorgang  mehrere  Male  wiederholen. 

Es  ist  besonders  zu  betonen,  dass  während  der  Ausübung  eines 
-f-  RD  die  Athembewegungen  sehr  lange,  mehrere  Minuten  lang  aus- 
bleiben können,  ohne  auf  das  Thier  einen  nachtheiligen  Einfluss  zu 
äussern  und  ohne  Erstiekungsnoth  herbeizuführen.  Die  Ursache  dieser 
interessanten  Erscheinung-  muss  wohl  in  dem  Umstände  gesucht 
werden ,  dass  in  Folge  des  -f-  RD  die  Luft  dem  Thiere  verdichtet 
zugefĂĽhrt  wird  und,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  eine  bedeu- 
tende Anhäufung  von  Blut  im  Gehirn  bewirkt;  dadurch  wird,  wenn  man 
sich  so  ausdrücken  kann,  ein  Vorrath  von  Sauerstoff  dein  verlängerten 
Marke  geboten,  und  es  fehlt  daher  die  Ursache  zur  Erregung  der  auto- 
matischen Respirationsorgane;  durch  die  Versuche  mit  dem  negativen 
Respirationsdrucke  wird  diese  Anschauung  wesentlich  unterstĂĽtzt. 

Aus  einem  andern  Grunde  noch  verdient  das  Ausbleiben  der 
Athembewegungen  unsere  Beachtung:  es  ist  dies  nämlich  der  einzige 
Fall ,  in  Folge  dessen  man  Blutdruckcurven  erhält ,  die  von  dem  Ein- 
flĂĽsse der  Respiration  vollkommen  frei  sind,  in  denen  jeder  Herzschlag 
dem  vorhergehenden  und  nachfolgenden  gleich  ist  und  i\ev  Blut- 
druck nur  diejenigen  Schwankungen  zeigt,  die  von  den  Zusammen- 
ziehungen des  Herzens  abhängig  sind. 

b)  Der  positive  Respirationsdruck  erschwert  den 
Zufluss  des  Blutes  zum  Herzen,  mindert  den  Nutz- 
effect  des  Herzens  und  setzt  die  Spannung  des  Blutes 
im  Aortensysteme  herab. 

Dieser  Einfluss  steht  dem  -f  RD  in  Folge  einer  zweifachen 
Wirkung  zu  ,  einmal  nämlich  weiden  das  Herz  und  die  grossen 
Gefässe  unter  höhere  Spannung  versetzt,  wodurch  die  Entfernung 
des  in  der  Brusthöhe  vorhandenen  Blutes  begünstigt,  das  genügende 
Nachströmen  dagegen  erschwert  wird;  zweitens  aber  wirkt  der 
hohe  4-  RD  auch  mechanisch,  indem  durch  die  sich  übermässig  auf- 
blasenden Lungen  das  Herz  und  die  grossen  Gefässe,  namentlich  die 
nachgiebigen  Venen,  zusammengedrĂĽckt  werden,  wodurch  wiederum 
der  Eintritt  neuen  Blutes  in's  Herz  erschwert  wird. 


Ăśber  den  Einfluss  der  Athembeweg"tingen  auf  Herzschlag  und  Blutdruck.       36f) 

Die  zuerst  genannte  Wirkung,  d.  h.  die  erhöhte  Spannung,  unter 
welche  die  in  der  Brusthöhle  an  der  äussern  Lungenoberfläche  gela- 
gerten Organe  in  Folge  eines  -f-  RD  versetzt  werden,  ist  der  directen 
Messung  zugänglich;  ich  wählte  dazu  ,  aus  leicht  einleuchtenden 
GrĂĽnden,  den  rechten  Vorhof,  in  den  ich  durch  die  Vena  jugularis 
externa  hindurch  einen  elastischen  Katheter  einführte;  während  des 
Bestehens  eines  -+-  RD  von  125  Millim.  Hg  stieg  die  Spannung  des 
Blutes  im  rechten  Vorhof,  die  vor  AusĂĽbung  des  RD  45  Millim.  Hg 
betrug,  auf  30  6  Millim.  Hg  und  kehrte  nach  dessen  Aufhebung  nur 
sehr  allmählich  nahezu  auf  ihren  frühern  Werth  zurück,  —  ein  genü- 
gender Beweis,  wie  bedeutend  die  durch  die  Athmung  gesetzten 
Spannungsunterschiede  unter  Umständen  werden  können. 

Die  zweite  mechanische  Wirkung  des  -|-  RD,  die  Zusammen- 
drückung des  Herzens  und  der  grossen  Gefässe  ,  wird  durch  die 
Autopsie  hinlänglich  bestätigt. 

Die  gemeinschaftliche  Folge  dieser  doppelten  Wirkungsweise 
des  -f-  RD  ist  also  eine  Minderung  der  BlutfĂĽllung  des  Herzens  und 
folglich  auch  eine  Minderung  seines  Nutzeffectes  und  spricht  sich  in 
unseren  Versuchen  darin  aus,  dass  während  der  Dauer  des  beste- 
henden -j-  RD  der  mittlere  Blutdruck  im  Aortensysteme  bei  fort- 
dauerndem Herzschlage  eine  Abnahme  erleidet,  die  Spannung 
des  Venenblutes  dagegen  durch  Stauung  gesteigert  wird. 

Im  Allgemeinen  kann  behauptet  werden,  dass  die  Abnahme,  die 
der  arterielle  Blutdruck  erfährt,  zu  der  Grösse  des  ausgeübten  -j-  RD 
im  Verhältniss  steht;  sie  ist  schon  bei  einer  geringen  Höhe  des  RD 
genügend  ausgesprochen ,  erreicht  aber  einen  um  desto  höhern 
Werth,  je  weiter  der  Druck  gesteigert  wird,  und  kann  dann  eine 
ungemein  bedeutende  werden;  so  habe  ich  Fälle  beobachtet,  wo  der 
arterielle  Blutdruck  bis  auf  ein  Zehntel  seines  ursprĂĽnglichen  Wer- 
thes  herab  sank. 

Dieses  Absinken  des  arteriellen  Blutdruckes  zum  Herzen  ist  also 
eine  Folge  der  durch  den  gehinderten  BĂĽckfluss  des  Blutes  zum  Herzen 
bedingten  geringern  oder  grössern  Blutleere  der  Arterien  ;  so  lange 
aber  diese  letztere  keinen  zu  hohen  Grad  erreicht,  so  lange  ĂĽber- 
haupt anstatt  des  Abfliessenden  noch  etwas  Blut  in's  Herz  nachströ- 
men kann,  so  lange  bleiben  auch  die  Zusammenziehungen  des  Her- 
zens fĂĽr  den  Blutdruck  wirksam,  d.  h.  in  der  Blutdruckcurve  sicht- 
bar; erreicht  dagegen  in  Folge  des  steigenden  -f-  RD  die  Blutleere 


370  Einbrodt. 

der  Arterien  einen  bedeutenden  Grad,  so  vermögen  die  Zusammen- 
ziehungen des  Herzens  den  geringen  Blutinhalt  im  Arteriensystem 
nicht  mehr  in  genĂĽgende  Spannung  zu  versetzen;  es  verschwindet 
jetzt  in  der  Blutdruckcurve  der  Ausdruck  der  Herzschläge ,  trotz 
ihres  Fortbestehens,  und  der  Blutdruck  wird  nun  horizontal  verzeichnet. 
Es  muss  hervorgehoben  werden ,  dass  diese  fĂĽr  unsere  Versuche 
mit  dem  -\-  BD  so  charakteristische  Erscheinung  der  horizontalen 
Aufzeichnung  des  arteriellen  Blutdruckes  unter  Umständen  unge- 
wöhnlich lange  andauern  kann;  so  finden  sich  in  der  beigefügten 
Tabelle  Fälle  verzeichnet,  wo  der  Blutdruck  im  Laufe  von  mehr  als 
zwei  Minuten  horizontal  verzeichnet  wurde  (Versuche  Nr.  37  und 
423,  Tabelle  I).  Ich  hebe  hier  noch  besonders  hervor,  dass  ich  mich 
bei  dieser  Erscheinung  von  dem  Fortbestehen  der  Bewegungen 
des  Herzens  mittelst  in's  Herz  eingestochener  Nadeln  ĂĽberzeugt 
habe. 

Dass  die  Abnahme,  die  der  arterielle  Blutdruck  erfährt,  und  sein 
horizontales  Verzeichnen  bei  fortbestehendem  Herzschlage  ihre 
Erklärung  in  der  eintretenden  Blutleere  der  Arterien  finden  muss, 
kann  noch  auf  einem  andern  Wege  bestätigt  werden;  führt  man 
nämlich,  wie  ich  den  Versuch  am  Hunde  angestellt  habe,  in  den 
rechten  Vorhof  durch  die  V.  jugularis  externa  hindurch  einen 
Katheter  ein,  an  dessen  Ende  eine  feine  Blase  (die  Hainblase  eines 
Kaninchens)  aufgebunden  ist,  und  versucht  es,  die  Blase  durch  den 
hohlen  Katheter  hindurch  im  rechten  Vorhof  aufzublasen  ,  so  wird 
man  genau  dieselben  Erscheinungen  wie  fĂĽr  den  -f-  RD  beobachten; 
auch  hier  erfährt  der  arterielle  Blutdruck  mit  wachsendem  Aufblasen 
eine  steigende  Abnahme;  auch  hier  wird  diese  dem  Herzschlage  ent- 
sprechende Excursion  der  Druckcurve  schwach  und  klein,  auch  hier 
endlich  wird  bei  genĂĽgendem  Aufblasen  der  Blutdruck  horizontal  ver- 
zeichnet und  sogar  Herzstillstand  erzeugt;  diese  Thatsachen  können 
nicht  auffallen,  da  sie  eine  naheliegende  Erklärung  zulassen.  Durch 
das  Aufblasen  werden  nämlich  die  Venenmündungen  verlegt  (wie  ich 
mich  durch  Autopsie  überzeugt  habe)  und  das  Einströmen  des  Blutes 
in's  Herz  gehemmt,  resp.  aufgehoben,  also  Blutleere  im  arteriellen 
Systeme  erzeugt;  auch  hier  wird  also  der  Nutzeffekt  des  Herzens 
gemindert,  und  diese  Minderung  spricht  sich  auch  hier  in  dem  Absin- 
ken der  Excursionen  der  einzelnen  Herzschläge  und  des  mittlem 
Blutdruckes  aus. 


Ăśber  den  Einfluss  der  Athembewegungen    auf  Herzschlag  uud  Blutdruck.     371 

Der  mittlere  Blutdruck  im  Arteriensystem  erfährt  bei  beste- 
hendem -f-  BD  nicht  selten  Veränderungen,  die  theils  mit  den  Athem- 
bewegungen zusammenhängen  und  in  diesen  ihre  Erklärung  finden, 
theils  aber,  durch  andere  Umstände  herbeigeführt,  unabhängig  davon 
auftreten. 

Wenn  bei  bestehendem  +  BD  die  vorher  ausgebliebenen  Athem- 
bewegungen  sich  wieder  einstellen,  so  ändert  sich  momentan  auch 
der  Werth  der  Blutspannung;  sowie  eine  Inspiration  eintritt,  erfährt 
der  Blutdruck  einen  Zuwachs,  wobei  auch  die  Zahl  der  Herzschläge 
vermehrt  wird;  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  erreicht  jedoch  der  Blut- 
druck seinen  ursprĂĽnglichen  Werth  dabei  nicht;  wurde  vorhin  der 
Blutdruck  horizontal  verzeichnet  ,  so  werden  nun  während  der 
Zunahme  des  Blutdruckes  auch  die  Herzschläge  in  der  Blutdruck- 
curve  wieder  sichtbar.  In  der  weitaus  grössten  Mehrzahl  der  Fäll  e 
dauert  jedoch  dieses  Ansteigen  des  Blutdruckes  nicht  lange;  ist  die 
Inspiration  vorĂĽber,  so  sinkt  auch  der  Blutdruck,  unter  gleichzeitiger 
Abnahme  der  Zahl  derHerzschläge,  nahezu  zu  seinem  frühern  Werthe 
zurück,  um  unter  Umständen  wieder  horizontal  verzeichnet  zu  werden. 
Eine  Inspiration  kann  aber,  bei  bestehendem  BD,  wie  wir  gesehen 
haben,  mehrere  Mal  auftreten,  und  dem  entsprechend  steigt  auch 
der  Blutdruck  jedesmal  an.  Die  Tabelle  enthält  für  diese  Beob- 
achtung genĂĽgende  Zahlenbelege  (Versuche  Nr.  10,  18,  26  der 
Tabelle  I). 

Der  Grund  fĂĽr  diese  Erscheinung  ist  leicht  einzusehen;  durch 
die  auftretende  Inspiration  wird  das  Einströmen  von  Blut  in's  Herz, 
wenn  auch  vorübergehend  ,  wieder  ermöglicht  und  es  werden  daher 
in  dem  nachfolgenden  Zeitmomente  die  Arterien  wieder  mit  Blut  ver- 
sehen; die  Füllung  und  Spannung  erfährt  also  eine  rasche  und  bedeu- 
tende Steigerung.  Auf  die  Ursache  der  Zunahme  der  Zahl  der  Herz- 
schläge komme  ich  an  einer  andern  Stelle  zu  sprechen.  Aber  diese 
Beihe  von  Vorgängen  kann  nicht  lange  anhalten,  nach  vollbrachter 
Inspiration  bleiben  die  Athembewegungen  bei  fortbestehendem  -j-  BD 
wieder  aus  ,  das  abfliessende  Blut  wird  nicht  genĂĽgend  durch  neu- 
zuströmendes ersetzt ,  die  Blutleere  der  Arterien  macht  sich  von 
Neuem  geltend. 

Aber  selbst,  wenn  bei  hohem  -J-  BD  keine  Athembewegungen 
eintreten,  so  wird  doch  zuweilen  fĂĽr  den  Blutdruck  (und  Herzschlag) 
dieselbe  Beihe   von   Erscheinungen   wahrgenommen   und  zwar   ent- 


372  E  i  n  I»  r  o  (1  t. 

weder  in  Folge  von  Bewegungen  der  Gliedmassen  und  des  Kopfes 
und  Zusammenziehungen  der  Bauchmuskeln  oder  scheinbar  spontan, 
ohne  äusserlich  wahrnehmbare  Ursache  (Versuche  Nr.  11  ,  19  ,  43 
der  Tabelle  I).  Diese  Erscheinung  fällt  in  ihrem  Grunde  mit  der 
oben  erwähnten  zusammen.  Was  dort  die  Inspiration  bewerkstelligte, 
das  leistet  hier  der  durch  die  Bewegungen  eingeleitete  Druck  auf 
die  Venen  oder  die  in  den  Venen  in  Folge  der  Aufstauung  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  gesteigerte  Spannung ;  alle  diese  EinflĂĽsse 
werden  nämlich  nur  dadurch  wirksam,  dass  sie  eine  vorübergehende 
Füllung  des  Herzens  (resp.  der  Arterien)  ermöglichen.  Durch  die 
Bewegungen  der  Gliedmassen,  durch  Contractionsanstrengungen  der 
Bauchmuscheln  wird  nämlich  mehr  oder  weniger  der  Verschluss  der 
Venen  aufgehoben  und  das  Blut  iVs  Herz  wieder  eingepresst,  oder 
es  steigt  (so  müssen  wir  die  spontane  Blutdruckerhöhung  erklären) 
die  Spannung  in  den  Venen  in  Folge  der  Stauung  allmählich  bis  zu 
dem  Grade  an,  dass  sie  endlich  den  Verschluss  der  VenenmĂĽndungen 
überwindet  und  eine  bestimmte  Quantität  Blut  ,  die  für  den  Strom 
wieder  nutzbar  gemacht  wird,  in's  Herz  einpresst.  —  Aber  auch 
hier,  wie  nach  eingetretener  Inspiration,  kann  das  Steigen  des  Blut- 
druckes nicht  lange  anhalten;  der  auf  die  Venen  durch  Bewegungen 
oder  Bauchpresse  ausgeĂĽbte  Druck  ist  immer  nur  vorĂĽbergehend 
und  in  Folge  der  theilweisen  Entleerung  des  Blutes  aus  den  Venen 
sinkt  auch  die  Spannung  in  ihnen;  es  wird  daher  jede  Ursache  zum 
weitern  Einströmen  von  Blut  in's  Herz  aufgehoben,  die  Arterien  ent- 
leeren sich  wieder  des  ihnen  zugefĂĽhrten  Blutes,  und  ihr  Inhalt  kommt 
dadurch  neuerdings  unter  geringere  Spannung.  Neue  Bewegung, 
neue  Stauung  des  Blutes  und  Steigerung  des  Druckes  in  den  Venen 
kann  den  Vorgang  nach  einer  gewissen  Zeit  wieder  hervorrufen, 
und  es  kann  daher  die  Steigerung  des  arteriellen  Blutdruckes  im  Laufe 
des  Versuches  nach  längeren  oder  kürzeren  Zwischenräumen  perio- 
disch wiederkehren. 

Dass  die  hier  versuchte  Deutung  der  spontanen  Steigerung  des 
Blutdruckes  bei  bestehendem  -f  BD  die  richtige  ist,  beweist  ein  sehr 
einfacher  Versuch;  wird  nämlich  während  der  Dauer  eines  -f  BD, 
wenn  der  Blutdruck  gesunken  ist  oder  selbst  horizontal  verzeichnet 
wird,  die  Ursache  der  Erscheinung  nachgeahmt,  d.  h.  ein  Druck  mit 
der  Hand  auf  die  Halsvenen  oder  auf  den  Bauch  ausgeĂĽbt,  so  erscheint 
sofort  eine  Steigerung  des  Blutdruckes,  die  mit  einer  Zunahme  der 


Ăśber  den  Elnfluss  der  Athembeweguuigen   auf  Herzschlag  und  Blutdruck.     373 

Frequenz   der  Herzschläge   im   Zusammenhange  auftritt   (Versuche 
Nr.  44,  45  der  Tabelle  I). 

Wir  haben  oben  gesehen,  dass  der  hohe  -\-  RD  in  Folge  einer 
zweifachen  Wirkungsweise  die  Zufuhr  des  Blutes  zum  Herzen  mehr 
oder  weniger  erschwert  und  aufhebt,  das  Blut  in  den  Venen  staut 
und  dessen  Spannung  daher  vermehrt.  Es  ist  aus  theoretischen 
GrĂĽnden  ohne  Weiteres  klar  und  bedarf  wohl  kaum  des  Beweises, 
dass  der  bestehende  hohe  -f-  RD  eine  Zunahme  in  der  Spannung  des 
Venenblutes  nothwendig  zur  Folge  haben  inuss;  ich  habe  mich  aber 
zum  Ăśberfluss  auch  von  dieser  Thatsache  durch  directe  Messung  des 
Venendruckes  überzeugt.  Lässt  man  den  Druck  in  der  V.  jugularis 
externa  graphisch  verzeichnen  und  ĂĽbt  dabei  einen  hohen  -\- RD  aus, 
so  wird  man  regelmässig  finden,  dass  während  der  Dauer  desselben 
die  Spannung  in  der  Vene  eine  bedeutende  Zunahme  erfährt,  die 
so  lange  anhält,  als  der  -f-  RD  selbst  und  nach  dessen  Lösung  wieder 
ausgeglichen  wird.  So  fand  ich,  um  ein  Beispiel  anzufĂĽhren,  in  einem 
Versuche  während  der  Ausübung  eines  -f-  RD  von  65  Millim.  Hg 
eine  Erhöhung  des  Venendruckes  von  27  Millim.  Hg  auf  1 1-7  Millim. 
Hg,  also  mehr  als  um  das  Vierfache;  in  einem  andern  Versuche  bei 
einem  -f-  RD  von  125  Millim.  Hg  stieg  während  der  Dauer  desselben 
die  Spannung  in  der  Vene  von  ihrem  ursprĂĽnglichen  Werthe  von 
4-5  Millim.  Hg  auf  171  Millim.  Hg. 

c)  Der  positive  R  e  s  p  i  r  a  t  i  o  n  s  d  r  u  c  k  verändert  die 
Schlagfolge  des  Herzens  und  zwar  auf  doppelte  Weise, 
indem  er  einmal  eine  d i r e c t e  H e r z r e i z u n g  e r z e u g t  u n d 
zweitens  eine  V  a  g  u  s  r  e  i  z  u  n  g  bedingt. 

Bei  bestehendem -f-  RD  verhalten  sich  die  Herzschläge  sehr  ver- 
schieden, wie  es  ein  Blick  auf  die  beigefĂĽgte  Tab.  I  leicht  lehren  wird. 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  erleidet  die  Zahl  der  Herzschläge 
während  der  Dauer  eines  niedrigen  oder  massigen  -f-  RD  (etwa  bis 
30  oder  40  Millim.  Hg)  eine  Abnahme,  die  Herzschläge  werden  sel- 
tener; es  kommen  aber  auch  Fälle  vor,  wo  die  Zahl  der  Herzschläge 
keinerlei  Veränderung  erfährt  oder  selbst  eine  sehr  geringe  Zunahme 
beobachtet  wird;  doch  sind  die  beiden  letzten  Fälle  immer  selten  im 
Vergleiche  zum  ersten.  Steigt  der  -f  RD  höher,  so  nimmt  die  Zahl  der 
Herzschläge  meist  zu,  doch  kommen  auch  hier,  wenn  auch  nur  sehr 
selten,  Ausnahmen  vor.  Erreicht  endlich  der  -j-  RD  seinen  höchsten 
Sil/.l».  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XL.  Bd.  Nr.  10.  20 


374  Einbrodt. 

Werth,  so  ĂĽbt  er  wieder  einen  mindernden  Einfluss  auf  die  Zahl  der 
Herzschläge,  wobei  aber  wiederum  Ausnahmen  vorkommen  können, 
und  bewirkt  endlich  sogar  Stillstand  des  Herzens  (Versuche 
31,  32,  40,  41,  42  der  Tabelle  I). 

Von  dem  wirklichen  Eintreten  eines  Stillstandes  der  Herzbewe- 
gung, was  fĂĽr  den  Menschen  z.  B.  von  Vierordt  *)  geleugnet  wird, 
habe  ich  mich  mit  Hilfe  des  schon  erwähnten  Fühlhebels  sowohl  als 
auch  mittelst  direct  in's  Herz  eingestossener  Nadeln  auf  das  Sorg- 
fältigste überzeugt. 

Der  Stillstand  des  Herzens  kann  ziemlich  lange  anhalten ;  so 
habe  ich  ihn  in  mehreren  Fällen  über  30  Secunden  lang  dauern 
gesehen ;  es  kann  sich  aber  auch  bei  fortdauerndem  -|-  RD  nach 
kürzerer  oder  längerer  Zeit  derHerzschlag  wieder  einstellen;  nur  bei 
sehr  hohem  -f-  RD  verharrt  das  Herz  gewöhnlich  so  lange  in  Still- 
stand, als  der  Druck  fortbesteht. 

Überlegt  man  etwas  näher  das  so  eben  besprochene  Verhalten 
in  der  Zahl  der  Herzschläge  bei  bestehendem  -\-  RD,  so  wird  ohne 
Weiteres  klar,  dass  man  es  hier  nicht  mit  einem  einfachen  EinflĂĽsse 
zu  thun  hat ,  und  man  gelangt,  indem  man  die  Bedingungen  näher 
analysirt,  zu  der  Ăśberzeugung,  dass  der  -f-  RD,  wie  wir  es  schon 
oben  vorgreifend  ausgesprochen,  nach  zwei  Richtungen  hin  wirksam 
ist,  indem  er  1.  eine  directe  Herzreizung  einleitet  und  2.  eine 
Vagusreizung  bedingt.  Nimmt  man  diese  beiden  Wirkungen  des 
-J-  RD  als  wirklich  bestehend  an,  so  lässt  sich  aus  ihrer  gegenseitigen 
Wechselwirkung,  unter  BerĂĽcksichtigung  der  Thatsachen,  die  ĂĽber 
die  gleichzeitige  Reizung  des  Herzens  und  des  N.  vagus  mit  Induc- 
lionsströmen  bekannt  geworden  sind  2)  ,  das  so  verschiedene  Ver- 
halten in  der  Zahl  der  Herzschläge  bei  bestehendem  -|-  RD  unschwer 
ableiten.  Fassen  wir  daher  die  Gründe  etwas  näher  in's  Auge,  die 
unsere  Annahme  zu  unterstĂĽtzen  scheinen. 

FĂĽr  eine  unmittelbare  Herzreizung  sprechen  mehrere 
Umstände  und  zunächst  schon  die  mechanische  Wirkung  des  -J-  RD, 
in  Folge  derer  die  Lungen  bedeutend  aufgetrieben  werden  und  auf 
das   Herz    einen    Druck    ausĂĽben    mĂĽssen  ;    es   stimmt  mit    dieser 


M  Gruudriss  der  Physiologie  <lcs  Menschen.    I.'l'h.  |>.  104.  Anmerkung'. 
*)  Wiener  Sitzungsberichte,  IUI.  XXXVIII,  p.  352. 


Ăśber  den  EinHuss   der  Athembeweg-ungen  auf  Herzschlag  und  Blutdruck.     375 

Anschauung  die  Thatsache,  dass  eine  Zunahme  in  der  Zahl  der  Herz- 
schlage (als  Folge  einer  Herzreizung)  nur  äusserst  selten  während 
des  Bestehens  eines  geringen  -f-  RD  beobachtet  wird,  fast  constant 
dagegen  auftritt,  wenn  der  -j-  RD  einen  höhern  Werth  erlangt,  denn 
der  Druck,  den  das  Herz  durch  die  Lungen  erfährt,  kann  im  ersten 
Falle  nicht  beträchtlich  sein  und  daher  keine  Reizung  bedingen, 
nimmt  aber  zu  bei  steigendem  RD. 

Es  spricht  zweitens  fĂĽr  unsere  Anschauung  die  schon  oben 
erwähnte  Erfahrung,  dass  die  Zahl  der  Herzschlüge  augenblicklich 
und  bedeutend  vermehrt  wird,  wenn  bei  bestehendem  RD  Blut  in's 
Herz  eingestossen  wird,  sei  es  in  Folge  einer  eingetretenen  Inspi- 
ration oder  der  bis  zu  einem  gewissen  Grade  gesteigerten  Spannung 
in  den  Venen  oder  endlich  in  Folge  von  Druck  auf  den  Bauch  und 
die  Halsvenen  ,  von  Gliederbewegungen  etc.  In  allen  diesen  Fällen 
befindet  sich  das  Herz  in  einem  Zustande,  in  Folge  dessen  es  durch 
neu  eintretende  Blutmassen  gereizt  werden  muss;  wenn  nämlich  die 
Hemmung,  welche  der  -j-  RD  dem  Blute  ausserhalb  der  Brust  ent- 
gegensetzt, durch  Anstauung  oder  durch  Muskelbewegung,  oder 
endlich  durch  mechanischen  Gegendruck  ĂĽberwunden  wird  ,  so 
geht  das  Blut  mit  Pressung  in's  Herz  ein  und  dasselbe  erfolgt  nach 
eingetretener  Inspiration,  denn  das  Blut  langt  jetzt  unter  hoher 
Spannung  an;  nun  wird  das  Herz  von  innen  und  aussen,  durch  Blut 
und  Lunge  gedrĂĽckt ,  es  muss  also  eine  lebhafte  Bewegung  einge- 
leitet werden;  gerade  wie  auch  das  lebende  Herz,  wenn  es  zwi- 
schen den  Fingern  gedrückt  wird,  schneller  schlägt. 

Drittens  kann  zu  Gunsten  einer  directen  Herzreizung  die  nicht 
selten  von  mir  beobachtete  Erscheinung  angefĂĽhrt  werden,  dass  dem 
Stillstande  des  Herzens  nicht  immer  eine  Verlangsamung  der  Herz- 
schläge vorangeht,  sondern  dass  zuweilen,  so  zu  sagen,  ein  Über- 
springen stattfindet  von  frequentem  Herzschlag  zu  vollkommenem 
Stillstand  der  Herzbewegung. 

Die  angefĂĽhrten  Wahrnehmungen  scheinen  unsere  Annahme 
einer  unmittelbaren  Herzreizung  zu  rechtfertigen,  und  ich  möchte 
nur  hervorheben,  dass  der  Druck  der  Lunge  auf  die  äussere  Ober- 
fläche des  Herzens  wahrscheinlich  mehr  als  begünstigendes  Moment 
betrachtet  werden  muss,  während  die  wahre  Ursache  der  Reizung 
auf  der  innern  Oberfläche  des  Herzens  stattfindet  und  sich  aus  dem 
mit  Pressung  einströmenden  Blule  ableitet. 

26* 


376  Binbrodt. 

Der  erhöhte  -\- RD  bedingt  aber  auch  Vagusreiz  ung, 
welche,  wenn  kein  directer  Reiz  auf  das  Herz  wirkt,  eine 
VerlangsamĂĽng  der  Herzbewegung  einleitet. 

Mit  dieser  Anschauung  steht  zunächst  die  Thatsache  in  Über- 
einstimmung, dass  die  Verlangsamung  der  Herzschläge-bei  bestehendem 
-\-  RD  vorzugsweise  bei  niedrigem  Druck  eintritt,  der  das  Einströmen 
von  Blut  in  den  Brustkasten  nicht  aufhebt;  hier  kann  die  Vagus- 
reizung aus  einem  doppelten  Grunde  sich  geltend  machen,  einmal 
nämlich  ,  weil  bei  niederem  Drucke  die  Zusammendrückung  des 
Herzens  durch  die  Lungen  nicht  bedeutend  werden  kann  und  dann 
weil  die  Ursache  zur  unmittelbaren  Herzreizung  von  der  innern 
Oberfläche  des  Herzens  aus  wegfällt,  nämlich  das  unter  hohem 
Druck  einströmende  Blut. 

Ebenso  spricht  fĂĽr  unsere  Anschauung  die  Erfahrung  ,  dass  die 
VerlangsamĂĽng  derHerzbew  egung  auch  bei  sehr  ho  he  in  -f-  RD  auf- 
tritt, welcher  alles  Zuströmen  zum  Herzen  hemmt;  hier  wird  freilich 
auf  die  äussere  Oberfläche  des  Herzens  durch  die  unmässig  ausge- 
dehnten Lungen  schon  ein  stärkerer  Druck  ausgeübt ;  wahrscheinlich 
wird  er  aber,  wie  wir  schon  erwähnt,  für  sieh  allein  keine  genügende 
Heizung  des  Herzens  einleiten  können,  und  da  der  Zufluss  des  Blutes 
zum  Herzen  vollkommen  aufgehoben  ist  und  durch  die  oben  genannten 
Bedingungen  nicht  mehr  hergestellt  wird,  so  fehlt  hier  die^directe 
Herzreizung. 

Es  spricht  zweitens  fĂĽr  uns  der  bei  hohem  -j-  RD  nicht  selten 
eintretende  Herzstillstand;  freilich  erreicht  bei  gehemmter 
Herzbewegung  die  die  Vagusreizung  bedingende  Ursache  (die  wir 
sogleich  kennen  lernen  werden)  nicht  ihr  Maximum,  aber  dieses  wird 
durch  das  Fehlen  der   directen   Herzreizung    wiederum  compensirt. 

Viertens  kann  hier  angefĂĽhrt  werden ,  dass  wenn  bei  beste- 
hendem -\-RD  in  Folge  früher  besprochener  Umstände  eine  bestimmte 
Quantität  Blut  von  Neuem  in's  Herz  anlangt  und  der  Blutdruck  dann 
unter  Eintritt  beschleunigter  Herzbewegungen  steigt,  die  Herzschläge 
alsbald  wieder  verlangsamt  werden  und  der  Blutdruck  wieder  eine 
Abnahme  erfährt. 

Endlich  findet  hier